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Inhalt

 

Editorial: Studien zum Langzeitnutzen vor oder nach der Zulassung: am Beispiel Tredaptive (Nikotinsäure/Laropiprant)

Dieses Kombinationspräparat erhielt eine europäische Zulassung zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen ohne dass Studien vorlagen, die einen Nutzen auf kardiovaskuläre Endpunkte belegten (Pharmainfo XXV/1/2010). Für die Monosubstanz Nikotinsäure gab es nur limitierte Daten, die einen solchen Nutzen wahrscheinlich machten (siehe Pharmainfo XXVI/2/2011), eine neue Studie musste aber abgebrochen werden, da kein Nutzen, aber ein erhöhtes Risiko (Anstieg von Schlaganfällen) zu beobachten war. Damit wurde aber auch die Risiko/Nutzen-Bewertung von Tredaptive noch mehr in Frage gestellt (Pharmainfo XXVI/4/2011). Eine neue große Studie (25.000 PatientInnen, 4 Jahre) ergab nun auch für dieses Kombinationspräparat negative Daten (keine positive Wirkung, Anstieg von schweren Nebenwirkungen). Als Folge dürfte es in Europa zur Marktrücknahme kommen (ein referral wurde eingeleitet; EMA: 21/12/2012, Jänner 2013: vom Markt genommen).

Auch in diesem Falle zeigt sich wieder, dass sich Zulassungskriterien ändern müssen. Für Substanzen, die den Blutdruck, Cholesterin, den Blutzucker oder das Körpergewicht senken, ist es nicht ausreichend, wenn diese Surrogatparameter reduziert werden. Es müssen Langzeitdaten für schwere Nebenwirkungen, für kardiovaskuläre Endpunkte und Mortalität erhalten werden, da diese und nicht die Surrogate das Schicksal der PatientInnen bestimmen.

Die entsprechenden Studien sollten vor der Zulassung durchgeführt werden, dann kommt es nicht zu späteren Marktrücknahmen, wie z.B. für Rosiglitazon (Avandia), Sibutramin (Reductil) und jetzt auch Tredaptive, und wir wären nicht wie bisher mit Substanzen mit einer nicht ausreichend geklärten Risiko/Nutzen-Relation konfrontiert, wie z.B. Pioglitazon (Actos: Pharmainfo XXVII/4/2012), Aliskiren (Rasilez: Pharmainfo XXVII/4/2012) und Ezetimib (Ezetrol, Inegy: Pharmainfo XXV/1/2010). Für ein neues Abmagerungsmittel (Phentermin/Topiramat: Qsiva) wurde in London eine Zulassung abgelehnt, weil keine ausreichenden kardiovaskulären Sicherheitsdaten vorlagen. Diese Entscheidung ist im Sinne des oben Gesagten zu begrüßen, die Firma hat allerdings noch eine Revision dieser Bewertung beantragt (EMA: 18/10/2012).

 

Medikamente zur Behandlung von invasiven Pilzinfektionen

Invasive Pilzinfektionen finden sich primär bei PatientInnen, die an Erkrankungen leiden, die zu einer massiven Einschränkung der Immunabwehrfunktion führen (u.a. hämatologische und organassoziierte Malignome unter Chemotherapie,  Immunsuppression nach Knochenmarks- und Organtransplantation, Graft-versus–Host Erkrankung, Immunsuppression bei systemischen auto-immunologischen Erkrankungen,  unbehandelte HIV-Infektionen, Schwerstkranke an Intensivstationen). Als häufigste Erreger finden sich dabei Hefepilze (Candida spp.) und Schimmelpilze (Aspergillus spp., Zygomyzeten). Septikämien mit Candida spp. kommen vermehrt an Intensivstationen durch Besiedelungen von invasiven Kathetern oder Devices, aber auch durch abdominelle Streuung im Rahmen einer postoperativen abdominellen Sepsis oder einer dekompensierten Leberzirrhose vor. Schwere Infektionen mit Aspergillen und in letzter Zeit auch vermehrt mit Zygomyzeten betreffen dagegen vor allem massiv immunsupprimierte PatientInnen nach Transplantation und PatientInnen mit akuten Leukämien.

Infektionen mit allen diesen Erregern weisen auch bei adäquater antifungaler Therapie sehr hohe Mortalitätsraten auf, weshalb unterschiedliche therapeutische und präventive Strategien Anwendung finden. Diese umfassen die Prophylaxe  von Infektionen durch Langzeitgabe von antifungalen Medikamenten, die empirische Therapie, d.h. der Einsatz von antifungalen Medikamenten bei prolongiertem Fieber bei HochrisikopatientInnen, die prä-emptive Therapie, das ist die Initiierung der Therapie auf Basis von Indizien, die auf eine invasive Pilzinfektion hinweisen (verdächtiger Befund in der Computertomographie, Pilzantigennachweis) oder letztendlich die gezielte Therapie nach erfolgter Diagnose der Infektion und mikrobiologischer Identifizierung des zugrundeliegenden Pilzes.

Es sei dezidiert darauf verwiesen, dass eine Prophylaxe nur bei sehr spezifisch definierten HochrisikopatientInnen und einer entsprechenden epidemiologischen Situation (z.B. Aspergillose-Endemiegebiet) von klinischem Benefit sein kann. Die Schattenseiten der Prophylaxe liegen neben den hohen Kosten, in den Nebenwirkungen und Interaktionen der Medikamente sowie im Selektionsdruck gegenüber Pilzen. Als Beispiel dafür können die Selektion von Aspergillen unter Fluconazol oder die Selektion von Zygomyzeten durch Voriconazol-Prophylaxe gelten (1).

Bei der empirischen Therapie erfolgt der Einsatz der Pilztherapeutika bei prolongiertem Fieber von RisikopatientInnen ohne Nachweis einer Pilzinfektion. Das Rational dieses Therapieansatzes liegt darin begründet, möglichst frühzeitig eine vermeintliche Pilzinfektion zu behandeln, da aufgrund der oft unspezifischen klinischen Symptomatik und des Fehlens von raschen und spezifischen diagnostischen Tests der definitive Nachweis einer Infektion erst mit zeitlicher Verzögerung erfolgt, was die Erfolgsaussichten einer Therapie reduziert (2). Wie viele PatientInnen tatsächlich von einer derartigen Maßnahme profitieren, läßt sich nur schwer abschätzen. Es ist auch bemerkenswert, dass sich nicht alle für die spezifische Therapie von Pilzen zugelassenen Pilz-Therapeutika in der empirischen Therapie des neutropenischen Fiebers als effektiv erwiesen haben (2).

Allerdings ist auch hier der Kosten-Nutzen-Effekt für den/die einzelne/n Patienten/in  in Anbetracht der Risken für eine Infektion versus potentieller Nachteile durch Nebenwirkungen und Interaktionen zu erheben. Die einzige randomisierte Studie, welche die Effektivät von empirischer mit prä-emptiver antifungaler Therapie (also bei klinischen, laborchemischen oder bildgebenden Hinweisen für eine invasive Pilzinfektion) in neutropenischen PatientInnen mit hämatologischer Grunderkrankung  verglich, fand heraus, dass es bei empirischer Therapie zu einer deutlichen Reduktion des Auftretens von invasiven Pilzinfektionen um den Preis einer 35% Steigerung der Therapiekosten kam, während die infektionsassoziierte Mortalität unverändert blieb (2). Weitere Studien haben bisher nicht die klinische Effektivität der unterschiedlichen Therapiekonzepte untersucht, weshalb in aktuellen Richtlinien keinerlei Empfehlungen hinsichtlich einer prä-emptiven Therapiestrategie aufscheinen, wohl aber die empirische Therapie bei HochrisikopatientInnen mit prolongierter Neutropenie und Fieber empfohlen wird (3,4). Das strategische Ziel muß es deshalb sein, durch Verbesserung der diagnostischen Maßnahmen und Risikostratifizierungen invasive Pilzinfektionen sehr früh zu erfassen und so von einer empirischen zu einer frühen gezielten Therapie zu kommen.

Im Folgenden werden die einzelnen Substanzklassen und Substanzen besprochen, die zur Behandlung oder Prophylaxe von invasiven Pilzinfektionen verwendet werden. Wichtig ist festzustellen, dass Zulassungen für gewisse Indikationen (z.B. empirische Therapie, Prophylaxe, Behandlung von neutropenischen PatientInnen) jeweils spezifisch für einzelne Medikamente erfolgten und nicht für die gesamte  Klasse, der diese Medikamente angehören. Wie bei dem Einsatz von Antibiotika ist auch bei diesen Medikamenten eine indikationsbezogene und spezifische Anwendung eine „conditio sine qua non“, da falscher Einsatz bei nicht empfindlichen Pilzen oder bei Fehlen einer invasiven Pilzinfektion, mangelhafte Dosierung oder überlange Gabe zu einer Selektion von seltenen oder resistenten Pilzen führen kann. Zur Vermeidung dieser Problematik, auch im Hinblick auf die Nebenwirkungen und Interaktionen von Fungostatika sowie den erheblichen Kosten dieser Medikamente und damit zur Optimierung des klinischen Ergebnisses, ist eine enge Interaktion der primären BehandlerInnen mit SpezialistInnen aus den Gebieten der Klinischen Infektiologie, der Mikrobiologie und Hygiene sowie auch  ggf. klinischen Pharmakologie unbedingt anzustreben.

 

Triazole:

Azole sind die am häufigst verwendeten Medikamente zur Behandlung von systemischen Pilzinfektionen. Sie wirken durch eine Cytochrom P450 abhängige Inhibition der Lanosterol-14-α-Demethylase (5,6). Dadurch kommt es zur Störung der für den Aufbau der fungalen Zellmembran von Pilzen essentiellen Ergosterolbiosynthese und damit zur schrittweisen Abtötung der Erreger durch Erhöhung der Zellpermeabilität mit nachfolgender Zelllyse. In Österreich sind vier Substanzen zugelassen, nämlich Fluconazol (Diflucan, Fluconazol Generika), Itraconazol (Sporanox, Itraconazol Generika), Voriconazol (Vfend) und Posaconazol (Noxafil: 7). Mit Ausnahme der letztgenannten Substanz (keine i.v. Präparation) sind Triazole sowohl als orale als auch als intravenös applizierbare Formulierungen verfügbar. Diese Substanzen unterscheiden sich durch ihr Wirkspektrum gegenüber Pilzen, aber auch in ihren pharmakokinetischen Eigenschaften. Generell hat Fluconazol das schmalste Wirkspektrum und erfasst „nur“ einige Candidaspezies, ist aber bei Vorliegen einer Infektion mit dem häufigsten Erreger, Candida albicans, nach wie vor das Mittel der ersten Wahl (6,7). Die übrigen drei Substanzen zeichnen sich durch eine Wirkung auch gegenüber Schimmelpilzen der Klasse Aspergillus aus, darüber hinaus ist Posaconazol auch gegen einige Arten von Zygomyzeten wirksam. Die unterschiedliche Pharmakokinetik spiegelt sich auch in den Dosierungen und den Empfehlungen hinsichtlich der oralen Einnahme der verschiedenen Azole wider, wobei hier auf die einschlägigen Fachinformationen verwiesen wird (7). Die unterschiedliche Resorption (u.a. in Abhängigkeit vom Magen-pH oder der Zusammensetzung und Menge der Nahrung) hat wesentlichen Einfluss auf die Bioverfügbarkeit und damit die therapeutische Wirksamkeit dieser Substanzen (v.a. Itraconazol, Voriconazol und Posaconazol), weshalb hier ein Drugmonitoring durch die Bestimmung von Serumspiegeln sinnvoll erscheint (8).

Da antifungale Medikamente zur Behandlung invasiver Pilzinfektionen in der Regel bei Schwerkranken eingesetzt werden, spielen Nebenwirkungen und Interaktionen eine entscheidende Rolle. Letztere sind bei den Triazolen substanzspezifisch  durch eine ausgeprägte Interaktion mit Cytochromen der Leber, v. a. CYP2C19 und CYP3A4, sehr ausgeprägt (9). Durch die inhibitorische Wirkung von Azolen auf diese Enzyme kann es zu massiven Veränderungen der Wirkspiegel anderer Substanzen kommen. So führen beispielsweise Voriconazol und Fluconazol bei gleichzeitiger Gabe von Cumarinen (Phenprocoumon: Marcoumar, Generika; Acenocoumarol: Sintrom) zu einer Verstärkung der Gerinnungshemmung. Die Gabe von Itraconazol resultiert bei gleichzeitiger Einnahme von Statinen in einem erhöhten Risiko für Rhabdomyolyse. Besonders bedeutsam ist die Tatsache, dass die Applikation von Azolen zu mitunter toxischen Erhöhungen der Blutspiegel von Ciclosporin (Sandimmun, Ciclosporin Generika), Sirolimus (Rapamune) oder Tacrolimus (Advagraf, Modigraf, Prograf, Tacrolimus Generika)‚ führen kann, weshalb bei diesen PatientInnen eine engmaschige Überwachung der Immunsuppression unerlässlich ist (10,11). Umgekehrt können Induktoren des Cytochromsystems, wie Rifampicin, Carbamazepin oder Phenytoin die Wirkspiegel von Azolen im Blut reduzieren (10,11). 

 

Polyene:

Amphotericin B hat von allen verfügbaren Pilztherapeutika das breiteste antifungale Spektrum, und erfasst fast alle relevanten humanpathogenen Pilzspezies. Es wirkt fungizid, indem es nach Bindung an Ergosterol Poren in die Pilzzellwand macht und diese dadurch zerstört (2,5,6). Aufgrund der schlechten oralen Bioverfügbarkeit ist dieses Medikament zur Behandlung von systemischen Pilzinfektionen nur als intravenöse Applikation als Amphotericin-desoxycholat verfügbar. Als direkte infusionsassoziierte Nebenwirkungen können unmittelbar nach Infusion Fieber, Schüttelfrost, Übelkeit und Erbrechen auftreten, weshalb bei Gabe dieses Medikaments häufig Antipyretika, Antiemetika oder Kortikosteroide prophylaktisch appliziert werden. Neben Elektrolytentgleisungen (v.a. Hypokaliämie und Hypomagnesiämie) stellt die Nephrotoxizität oft einen limitierenden Faktor beim Einsatz von Amphotericin  dar. Diese Nebenwirkung kann in bis zu 80% der PatientInnen auftreten und ist in der Regel reversibel. Die langsame Infusion von Amphotericin (kontinuierlich) sowie begleitende Flüssigkeitsgabe können die Inzidenz und Schwere der Nephrotoxizität signifikant reduzieren (12). Insgesamt ist zu bemerken, dass es für diese seit über 40 Jahren im klinischen Einsatz befindliche Substanz kaum pharmakokinetische Daten gibt (13). Man hat versucht, durch Kopplung dieses Medikaments an Lipide die Nebenwirkungen zu reduzieren und dadurch die klinische Anwendbarkeit zu verbessern.  Drei  derartige Formulierungen sind in Österreich verfügbar, nämlich Amphotericin B–Lipid-Complex  (ABLC, Abelcet), kolloidales Amphotericin B (ABCD, Amphocil, Amphotericin B BMS) und liposomales Amphotericin B (Ambisome). All diesen Substanzen ist gemeinsam, dass die therapieassoziierte Nephrotoxizität deutlich geringer ist (14) als bei der „Muttersubstanz“, allerdings fehlen weitgehend Vergleichsdaten zur Muttersubstanz aus prospektiven, randomisierten Studien bei nachgewiesenen Pilzinfektionen in Bezug auf die therapeutische Effektivität (15). Für alle drei Amphotericin Lipidformulierungen wird dieselbe Applikationsdosis empfohlen (2-4), obwohl sich die drei Substanzen massiv hinsichtlich des Verteilungsvolumens, der Serumkonzentrationen, der Eliminationshalbwertszeit oder der Gewebepenetration unterscheiden (16).

 

Echinocandine

Echinocandine umfassen die neueste Gruppe von Medikamenten, die in der Behandlung invasiver Pilzinfektionen Verwendung finden. Echinocandine hemmen die Zellwandsynthese von Pilzen, indem sie ein pilzspezifisches Enzym, die β-1,3-D-Glucansynthase, blockieren (17). Das Wirkspektrum von Echinocandinen umfaßt fast alle Candidaspezies, wobei auch biofilmbildende Varianten in vivo gut empfindlich sind (18), und Aspergillen, während keine Wirksamkeit gegenüber Zygomyzeten besteht (2,4). Die Aktivität gegenüber Pilzisolaten ist in vitro für alle drei in Österreich verfügbaren Substanzen, Anidulafungin (Ecalta), Caspofungin (Cancidas) und Micafungin (Mycamine) vergleichbar (2,3).

Im Vergleich zu Azolen und Polyenen weisen Echinocandine ein deutlich geringeres Nebenwirkungs- und Interaktionsspektrum auf, wobei gelegentlich gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit) und Erhöhungen der Leberfunktionsparameter beschrieben werden, weshalb Caspofungin bei fortgeschrittener Leberzirrhose nicht verwendet werden darf (19). Für Micafungin muss wegen eines möglichen Risikos von Lebertumoren die Indikation streng gestellt und die Leberfunktion laufend überwacht werden (siehe FI). Caspofungin kann zu einer Reduktion der Serumspiegel von Tacrolimus (Advagraf, Modigraf, Prograf, Tacrolimus Generika) führen, wohingegen Rifampicin, Phenytoin oder Carbamazepin zu einem verstärkten Abbau von Caspofungin führen. Dagegen erhöht Micafungin die Eliminationshalbwertszeit von Ciclosporin (Sandimmun, Ciclosporin Generika) und Sirolimus (Rapamune), weshalb eine Monitorisierung der Immunsuppression empfohlen wird (2,4,20). Anidulafungin weist das geringste Interaktionspotential auf (ist aber auch im Vergleich mit den beiden anderen Echinocandinen für die wenigsten Indikationen zugelassen) und beeinflusst nicht die Wirkkonzentration der erwähnten Immunsuppressiva. Echinocandine finden Verwendung bei der Behandlung von Candidainfektionen mit azol-resistenten Erregern, bei der Therapie von septischen PatientInnen mit vermuteter Candidainfektion, da hier aufgrund der fungiziden Wirkung ein rascheres klinisches Ansprechen erwartet wird (4,7), als empirische Therapie bei prolongiertem neutropenischen Fieber und als Salvage Therapie bei invasiven Aspergillusinfektionen sowie auch (Micafungin) in der Prophylaxe (2-4,7).

Nicht detailliert besprochen wird 5-Flucytosin, das in keiner einzigen Indikation als Monosubstanz zugelassen ist, aber als Kombinationspartner bei Kryptokokkeninfektionen einen nachweisbaren klinischen Benefit besitzt (21).

Hinsichtlich der indikationsspezifischen Zulassungen, den mitunter variablen Dosierungen und den klinischen Anwendungen der hier beschriebenen antifungalen Medikamente für Prophylaxe, empirische oder spezifische Therapie sei auf rezente Reviews einschlägiger Fachgesellschaften (2-4,7,12,22-24) und die spezifischen Fachinformationen verwiesen. Die hohen Mortalitätsraten bei invasiven Pilzinfektionen und die Angst vor einer zu späten Erkennung dieser Infektionen führen auch dazu, dass die beschriebenen Pilzmedikamente mitunter unkritisch eingesetzt werden und auch bei PatientInnen Anwendung finden, die nicht zu den Risikogruppen gehören oder bei denen keine epidemiologische Veranlassung besteht, etwa ein Medikament gegen Aspergillus einzusetzen. Dabei wird mitunter vergessen, dass abgesehen von den hohen Kosten, durch Interaktionen mit anderen Medikamenten (v.a. Immunsuppressiva) und durch den Selektionsdruck gegenüber Pilzen auch Schaden für PatientInnen entstehen kann. Deshalb sollte die Behandlung invasiver Pilzinfektionen weitgehend auf SpezialistInnen und Fachabteilungen, die Erfahrungen im Umgang mit diesen HochrisikopatientInnen haben, beschränkt sein.

Literatur:
(1) Clin Microbiol Infect 15, Suppl 5,93,2009
(2) Clin Infect Dis 48,1042,2009
(3) Bone Marrow Transplant 46,709,2011
(4) Clin Infect Dis 46,327,2008
(5) Semin Respir Crit Care Med 29,198,2008
(6) Clin Infect Dis 48,503,2009
(7) Österreichische Ärztezeitung Suppl 1,12.Dez 2009
(8) Antimicrob Agents Chemoth 53,24,2009
(9) Clin Pharmacokinet 47,79,2008
(10) Clin Infect Dis 14,165,1992
(11) Pharmacotherapy 26,170,2006
(12) Brit Med J 322,579,2001
(13) Clin Pharmacokinet 8,17,1983
(14) Clin Infect Dis 26,1383,1998
(15) Clin Infect Dis 35,359,2002
(16) Antimicrob Agents Chemoth 51,4211,2007
(17) Med Mycol 39,Suppl 1,55,2001
(18) Antimicrob Agents Chemoth 46,3634,2002
(19) Drugs 64,1997,2004
(20) Clin Microbiol Rev 19,363,2006
(21) Ann Intern Med 113,183,1990
(22) Clin Microbiol Infect 17,Suppl 5,1-12,2011
(23) Blood 118,1216,2011
(24) Mycoses 54,546,2011

 

Update für Ivabradin (Procoralan), Nicorandil (Dancor, Nicorandil Generika) und Ranolazin (Ranexa)

Wir diskutieren, wie derzeit die Position dieser Medikamente im Rahmen der Therapie der Angina pectoris zu sehen ist. Zusätzlich besprechen wir für Ivabradin die 2012 neu zugelassene Indikation für Herzinsuffizienz.

Das englische Institut NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence) hat 2011 eine ausführliche Analyse (Guideline 126) zur Angina pectoris Therapie publiziert, die wir als Vergleichsbasis einbeziehen.

Vorausgeschickt sei, dass die wichtigsten Medikamente zur Behandlung der stabilen Angina pectoris Betablocker und Calciumkanalblocker darstellen. Sie sind für die Besserung der klinischen Symptomatik, insbesondere Anfallsreduzierung und Erhöhung der Belastungstoleranz als gleichwertig zu betrachten. Für die Beurteilung eines Medikaments zur Dauerbehandlung ist aber entscheidend, inwieweit kardiovaskuläre Ereignisse inklusive Mortalität beeinflusst werden. Für Betablocker liegen keine Langzeitstudien vor, die diese Frage an einer Angina pectoris PatientInnengruppe getestet hätten, zahlreiche Studien haben aber gezeigt, dass diese Substanzen die kardiovaskuläre Mortalität bei PatientInnengruppen reduzieren, die einen signifikanten Anteil von Angina pectoris PatientInnen haben, nämlich bei PatientInnen mit Hochdruck, Herzinsuffizienz und bei der Reinfarktprophylaxe. Calciumkanalblocker senken die Mortalität bei Herzinsuffizienz und bei Reinfarktprophylaxe nicht, bei Hypertonie dagegen schon. Eine große Studie bei Angina pectoris PatientInnen (1, siehe auch 1a) fand aber Betablocker und Calciumkanalblocker (Verapamil: Generika, Isoptin) für den Kombinationsparameter (Mortalität, nicht tödlicher Herzinfarkt und Schlaganfall) gleichwertig; für retardiertes Nifedipin (Generika, Adalat retard) konnte aber keine Verbesserung der Prognose gezeigt werden (1b).

Für die im Folgenden besprochenen drei Substanzen diskutieren wir Langzeitergebnisse für kardiovaskuläre Endpunkte. Die Wirkung dieser Substanzen auf Anfallsfrequenz und Belastungstoleranz ist vergleichbar mit der von Betablockern und Calciumkanalblockern (siehe NICE).

Für langwirksame Nitrate (Isosorbidmononitrat: ISMN Generika) ist die Wirkung auf diese Parameter ebenfalls gegeben, wird allerdings bei längerer Gabe durch eine häufige Toleranzentwicklung beeinträchtigt. Langzeitdaten für kardiovaskuläre Endpunkte liegen nicht vor. Eine Verwendung ist nur in Erwägung zu ziehen, wenn Betablocker und Calciumkanalblocker nicht in Frage kommen (siehe NICE).

 

Ivabradin (Procoralan)

Ivabradin blockiert im Sinusknoten des Herzens einen Kaliumkanal und senkt dadurch die Herzfrequenz. Es erhielt 2005 eine zentrale Zulassung zur Behandlung der chronischen Angina pectoris bei Kontraindikation oder Unverträglichkeit der Betablocker. Wir haben damals (Pharmainfo XXII/4/2007) diese second line Therapie als vertretbar erachtet, aber betont, dass Studien mit kardiovaskulären Endpunkten fehlen. In der Zwischenzeit wurden weitere Ergebnisse publiziert. In einer Studie (Associate Study: 2) wurde untersucht, ob Ivabradin Zugabe zu einer Betablocker Therapie (Atenolol 50 mg/Tag) zu einer Verbesserung der Angina pectoris Symptome führt. Im Verlauf von 4 Monaten wurden zwar Parameter wie Belastungstoleranz signifikant verbessert, der wichtige klinische Parameter Anfallsfrequenz verblieb aber versus Placebo unverändert. Ob eine Dosiserhöhung des Betablockers (Atenolol Maximaldosis 100 mg) das gleiche oder ein besseres Resultat erreicht hätte, blieb unbeantwortet. Eine rezente Studie sollte dies klären (3). PatientInnen mit einer Basistherapie eines Betablockers (5 mg Bisoprolol) erhielten entweder Ivabradin oder eine Verdoppelung der Betablocker Dosis. Die Ivabradingruppe zeigte eine verbesserte Belastungstoleranz, da die Studie aber nur single-blinded war und zu wenige PatientInnen (3 Zentren in Italien und Ukraine, n = 29)) einschloss, sind die Resultate nicht verwertbar (siehe auch 4). Eine Studie zur Lebensqualität, die offen durchgeführt wurde, ist gerade bei diesen subjektiven Parametern nicht brauchbar (5).

Kardiovaskuläre Endpunkte wurden in einer Studie (6) mit dem vielversprechenden Namen Beautiful mit 10.000 PatientInnen mit stabiler Angina pectoris und Herzinsuffizienz (LVEV: < 40%, 62% NYHA II, 23% NYHA III), die eine kardiale Standardtherapie erhielten, über 18 Monate untersucht (5 – 7,5 mg Ivabradin versus Placebo). Für den Primärparameter (Kardiovaskuläre Todesfälle, Hospitaleinweisung wegen Herzinfarkt und Herzinsuffizienz) ergab sich nicht einmal numerisch ein Unterschied. Die Herzfrequenz war zu Beginn 79,1/min und sank gegenüber Placebo nach 24 Monaten um 5,6/min. Eine während des Studienverlaufs geplante Subgruppenanalyse für PatientInnen mit einer Herzfrequenz von über 70/min ergab für den Primärparameter ebenfalls keinen Effekt, auch nicht für Todesfälle (Gesamt und kardiovaskulär) und Hospitaleinweisung wegen Herzinsuffizienz, hingegen waren Infarkteinweisungen und koronare Revaskularisationen signifikant erniedrigt. Offensichtlich sind Daten für eine Subgruppe, die nur einzelne Parameter betreffen, unverlässlich. Vor allem verbleibt es aber offen, ob nicht eine Dosiserhöhung des Betablockers eine vergleichbare Herzfrequenzsenkung und möglicherweise bessere klinische Endpunktdaten erzielt hätte.

Inzwischen wurde für Ivabradin eine Erweiterung der Indikation bei Angina pectoris zugelassen: in Kombination mit Betablockern, wenn PatientInnen mit einer optimalen Betablockerdosis nicht kontrolliert sind und eine Herzfrequenz über 60 haben. Wir sehen wenig Evidenz für diese Indikation: Es wurde in keiner der gerade diskutierten Studien gezeigt, dass PatientInnen eine optimale (titrierte) Betablockerdosis erhielten und dann Ivabradin zusätzlich bekamen. Hat ein/e PatientIn trotz Betablockergabe noch Angina pectoris Symptome und eine hohe Herzfrequenz (in der Beautiful Studie war 70/min und nicht 60/min der Schnittpunkt), dann ist ein möglicher Grund dafür eine zu niedrige Betablockerdosis und diese sollte daher erhöht werden. Erst wenn diese sich als „unverträglich“ oder ineffektiv erweist und auch Calciumkanalblocker (siehe NICE) keine Symptomfreiheit bewirken, kann man entsprechend der ersten Indikation Ivabradin in Betracht ziehen. Eine Studie in Österreich zeigte, dass zwar 74% der PatientInnen mit Angina pectoris Betablocker erhielten, allerdings die durchschnittliche Dosis nur etwa 50% der möglichen Maximaldosis betrug (6a).

Auch die NICE Guideline sieht für Ivabradin nur dann eine Indikation, wenn Betablocker / Calciumkanalblocker kontraindiziert oder unverträglich sind.

Eine typische Nebenwirkung von Ivabradin sind Phosphene (vor allem Lichtblitze), die bei einigen Prozent der PatientInnen auftreten (siehe 2, und EPAR).

Indikation Herzinsuffizienz:
Diese Indikation lautet: chronische Herzinsuffizienz NYHA II bis IV mit systolischer Dysfunktion bei PatientInnen mit Sinusrhythmus und einer Herzfrequenz von über 75/min in Kombination mit einer Standard Therapie einschließlich Betablockern oder wenn Betablocker kontraindiziert oder nicht verträglich sind. Diese Zulassung beruht auf der SHIFT Studie, die in mehreren Publikationen veröffentlicht wurde (7 – 10). Inkludiert waren 6.558 PatientInnen mit Herzinsuffizienz (LVEF < 35%) mit einer Pulsfrequenz über 70 unter Standard Therapie, die entweder Ivabradin oder Placebo erhielten. Nach im Mittel 22,9 Monaten zeigte sich für den Primärparameter (Kardiovaskuläre Todesfälle und Spitalseinweisung wegen Herzinsuffizienz) eine signifikante Senkung um 18%, die vor allem auf eine Verringerung von Spitalseinweisungen zurückzuführen war, da sich die kardiovaskuläre Mortalität (- 9%) und auch die Gesamtmortalität (- 10%) nicht signifikant senkten (7). Die Senkung des Primärparameters korrelierte mit der Absenkung der Herzfrequenz, je höher diese war, desto mehr fiel jener (8). Tatsächlich war aber eine signifikante Absenkung des Primärparameters nur bei einer Ausgangsfrequenz von über 77 zu sehen (7). In weiteren Publikationen (9,10) wurde über eine Verbesserung des „ventricular remodelling“ und über eine Verbesserung der Lebensqualität berichtet, wobei allerdings die positive Veränderung der Lebensqualität gegenüber Placebo nur 2 Einheiten auf einer Skala von 0 – 100 darstellte.

Kritisch ist anzumerken: Auch in der oben zitierten Beautiful Studie wurden ebenfalls PatientInnen mit Herzinsuffizienz (zusätzlich zu Angina pectoris) mit Ivabradin behandelt. Für Spitalseinweisung wegen Herzinsuffizienz wurde auch bei PatientInnen mit hoher Herzfrequenz keine Verbesserung beobachtet, sodass hier ein klarer Widerspruch besteht. So wie in dieser Studie ist auch in der SHIFT Studie nicht klar, inwieweit die Betablocker Therapie ausreichend war (siehe auch Editorial: 11). Nur 56% der PatientInnen erhielten mehr als die Hälfte der Zieldosis für Betablocker (inkludiert 26%, die diese Dosis erhielten), 33% erhielten weniger als die Zieldosis und 11% überhaupt keine Betablocker. Die Resultate (7) zeigen nun, dass bei denjenigen 56%, die mehr Betablocker erhielten, Ivabradin nur mehr eine reduzierte Wirkung zeigte (Primärparameter nur um 10% und nicht um 18%, wie für die Gesamtgruppe, reduziert), obwohl die Herzfrequenzsenkung für beide Gruppen gleich war. Bei PatientInnen, die keine Betablocker erhielten, war Ivabradin deutlich besser wirksam (32% versus 15%).

Damit ist so wie für PatientInnen mit Angina pectoris auch hier die entscheidende Frage: Ist es besser eine höhere Dosis von Betablockern anzustreben oder bei noch hoher Herzfrequenz Ivabradin zu geben? Für Betablocker bei Herzinsuffizienz liegen eindeutige Daten vor, dass sie zu einer Reduktion der kardiovaskulären und auch der Gesamtmortalität führen (Pharmainfo XV/3/2000, siehe auch 11). Es ist daher essentiell den Betablocker hinaufzutitrieren, und Nebenwirkungs-Beschwerden wie sie durch Blutdruckabfall oder durch Müdigkeit auftreten, im Einvernehmen mit den PatientInnen wenn möglich zu akzeptieren, um in den Genuss einer verringerten Mortalität zu kommen. Nur wenn eine Kontraindikation oder eine klare Unverträglichkeit bei höheren Dosen vorliegt, kann man bei einer Herzfrequenz über 75/min Ivabradin in Erwägung ziehen. In der Erstattungsregelung der Sozialversicherung heißt es dementsprechend: zuerst müssen Betablocker „in maximal verträglicher Dosierung“ verabreicht werden.

Laut einer englischen Studie dürfte eine solche Indikation nur auf wenige Prozent der PatientInnen zutreffen (12).

 

Ranolazin (Ranexa)

Diese Substanz hemmt den späten Na+-Einstrom in die Herzmuskelzelle und dadurch eine mögliche intrazelluläre Calciumüberladung mit negativen Folgen. Ranexa ist zugelassen für PatientInnen mit stabiler Angina pectoris, die unzureichend behandelt sind oder antianginöse Mittel erster Wahl (wie Betablocker und Calciumantagonisten) nicht vertragen. Wir haben 2009 (Pharmainfo XXIV/4/2009) festgestellt: „Die Wirkung bei Angina pectoris auf Belastungstoleranz und Anfallshäufigkeit ist bescheiden. Daten zur Verbesserung von prognostisch wichtigen kardiovaskulären Endpunkten liegen nicht vor. Bis diese Daten vorliegen ist Ranexa höchstens für Einzelfälle zu vertreten.“ Kardiovaskuläre Endpunkte wurden in einer Studie (n = 6.560 PatientInnen: 13) bei PatientInnen mit akutem Koronarsyndrom (Nicht ST-Hebungsinfarkt) untersucht. Nach einem Jahr waren weder die wesentlichen Primärparameter einschließlich Mortalität, noch die Sekundärparameter signifikant verändert. Als einziges signifikantes Ergebnis war eine Verschlechterung der Angina bei nur 135 statt 175 PatientInnen zu beobachten. Trotzdem wurden diese Ergebnisse noch für die große Gruppe der PatientInnen mit stabiler Angina (54%) getrennt ausgewertet (14). Auch hier waren kardiovaskuläre Mortalität und Myokardinfarkt nicht reduziert, eine Verschlechterung der Angina und Wiederauftreten von Ischämien aber schon. Diese Daten zeigen, dass Ranolazin auf die entscheidenden Endpunkte (Mortalität und Herzinfarkt) keinen positiven Einfluss hat, sie belegen aber zumindest, dass kein negativer Effekt auftritt.

Eine Therapie mit Ranexa ist daher erst in Erwägung zu ziehen (siehe auch NICE), wenn Betablocker, Calciumkanalblocker bzw. auch Ivabradin und Nicorandil kontraindiziert sind oder wenn diese Substanzen die Krankheit nicht mit Dosen kontrollieren können, die für die PatientInnen verträglich sind.

Auf zahlreiche Wechselwirkungen (siehe Fachinformation), die insbesondere zu einer QT-Verlängerung führen können, ist bei Ranexa zu achten.

 

Nicorandil (Dancor, Nicorandil Generika)

Dieses Präparat hat eine Zulassung zur Behandlung von chronischer Angina pectoris. Nicorandil hat nitratähnliche Wirkung, zusätzlich öffnet es am Herzen einen K+-Kanal, was zur Hyperpolarisation und zur Verminderung des Ca2+-Einstroms führt. Vor allem letztere Wirkung soll einen kardioprotektiven Effekt bedingen (15). Belegen nun Langzeitstudien tatsächlich einen günstigen Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisse bei Angina pectoris PatientInnen? In der doppelblinden Iona Studie (16) wurden 5.126 PatientInnen mit Angina pectoris und zusätzlichen Risikofaktoren unter Standardtherapie mit Nicorandil oder Placebo für 1,6 Jahre behandelt. Der kombinierte Primärparameter (kardiovaskuläre Todesfälle, nicht tödlicher Herzinfarkt und Spitalsaufenthalt aufgrund von kardialen Schmerzen) wurde durch Nicorandil signifikant von 15,5 auf 13,1%, also um 17% (NNT: 41) gesenkt, wobei die einzelnen Parameter nicht signifikant aber numerisch absanken. Da die PatientInnen eine komplexe Basaltherapie erhielten (z.B. 50% Betablocker bzw. 50% Calciumkanalblocker), erlauben diese Daten nicht zu definieren, zusätzlich zu welcher Medikation Nicorandil einen günstigen Effekt entfaltet, bzw. ob dieser z.B. mit Betablockern vergleichbar ist. Eine Subgruppenanalyse dieser Studie (17) zeigte, dass bei den PatientInnen (n = 1.096), die Betablocker erhielten, Nicorandil keinen signifikanten Effekt mehr hatte, bei denen ohne Betablocker aber schon. Es liegen keine weiteren Doppelblindstudien vor, die differenzierte Schlussfolgerungen erlauben. An Nebenwirkungen finden sich Kopfschmerzen und gastrointestinale Beschwerden und das ungewöhnliche, aber sehr seltene Auftreten von Ulcera im Verdauungstrakt (von Mund über Magen bis perianal: 15) oder am Penis (18).

Zusammengefasst: Trotz vorliegender Daten zu einer günstigen Langzeitwirkung ist nicht belegt, ob Nicorandil einen mit Betablockern vergleichbaren positiven Effekt auf kardiovaskuläre Endpunkte hat und ob eine zusätzliche Gabe zu Betablockern deren positive Effekte verstärkt. Eine Indikation für Nicorandil als Monotherapie kann gesehen werden, wenn Betablocker und Calciumkanalblocker kontraindiziert oder unverträglich sind, oder als Zusatztherapie, wenn nur eine Gruppe zur Verfügung steht (siehe auch NICE Empfehlungen). Aufgrund der Daten der Iona Studie erscheint es berechtigt, für diese Indikationen Nicorandil gegenüber Ivabradin und Ranolazin vorzuziehen.

 

Schlussfolgerungen:

Zur Behandlung der stabilen Angina pectoris sind Betablocker und Calciumkanalblocker als Monotherapie und, wenn notwendig, auch als Kombination Mittel der ersten Wahl.

Langwirksame Nitrate, Ivabradin, Nicorandil und Ranolazin sind nur einzusetzen, wenn Betablocker und Calciumkanalblocker kontraindiziert sind oder wegen Nebenwirkungen nicht in Frage kommen. Bei Betablockern ist es wichtig die Dosis zu finden, bei der die Anfälle reduziert oder verhindert werden und die Nebenwirkungen erträglich sind. Es ist nicht zweckmäßig, beim Auftreten leichter Nebenwirkungen (Hypotension und Müdigkeit) die für die Prognose günstigen Betablocker durch diese anderen Mittel zu ersetzen. Es gibt keine überzeugenden Daten, dass bei mangelnder Wirkung einer 2er Kombination eine dritte Substanz das klinische Bild verbessert (siehe NICE).

Ivabradin für Herzinsuffizienz ist nur zweckmäßig, wenn die Herzfrequenz trotz „maximal verträglicher Dosierung“ von Betablockern Therapie noch immer über 70/min liegt oder wenn Betablocker kontraindiziert sind.

Literatur:
(1) JAMA 290,2805,2003
(1a) Eur Heart J 17,76,1996
(1b) Lancet 364,849,2004
(2) Eur Heart J 30,540,2009
(3) Cardiovasc Drugs Ther 25,531,2011
(4) Cardiovasc Drugs Ther 25,501,2011
(5) Clin Res Cardiol 101,365,2012
(6) Lancet 372,807,2008
(6a) W Klin Wschr 22,486,2012
(7) Lancet 376,875,2010
(8) Lancet 376,886,2010
(9) Eur Heart J 32,2507,2011
(10) Eur Heart J 32,2395,2011
(11) Lancet 376,847,2010
(12) Heart 97,1961,2011
(13) JAMA 297,1775,2007
(14) J Am Coll Card 53,1510,2009
(15) Drugs 71,1106,2011
(16) Lancet 359,1269,2002
(17) Heart 90,1427,2004
(18) BJU Int 107,268,2010

 

Die symptomatische Therapie des Hustens

Husten ist ein Kardinalsymptom zahlreicher bronchopulmonaler Erkrankungen wie z.B. Atemwegsinfektionen, Asthma oder chronische Bronchitis. Prinzipiell strebt man an, ihn durch Behandlung der zu Grunde liegenden Erkrankung zu heilen oder zumindest zu lindern. In zahlreichen klinischen Situationen steht jedoch eine kausal orientierte Behandlung nicht oder nur mit verzögerter Wirksamkeit zur Verfügung. Dazu gehören etwa akute Virusinfekte der oberen Atemwege, bestimmte chronisch-entzündliche und neoplastische Erkrankungen oder auch der als Entität mittlerweile anerkannte „idiopathische“ Husten (1). In diesen Fällen kann - zumindest bis zum Wirksamwerden der kausalen Therapie - nur eine symptomatische Behandlung erfolgen. Bedauerlicherweise verfügen wir zur Pharmakotherapie des Hustens kaum über gut abgesichertes Wissen („evidence“): Methodisch hochwertige Studien an größeren PatientInnenzahlen, wie wir sie üblicherweise als Grundlage für unsere Therapieempfehlungen heranziehen, fehlen weitgehend (2).

Ansätze zur symptomatischen Therapie des Hustens umfassen die Unterdrückung des Hustenreizes durch Antitussiva, die Erleichterung des Sekretabhustens durch Mukolytika, Mukokinetika und Expektorantien sowie die Verringerung des Sputumvolumens durch Mukoregulatoren.

 

Antitussiva

Die Morphinderivate Codein (Codipertussin), Dihydrocodein (Paracodin) und Dextromethorphan (Tussastopp, Wick Formel 44 Hustenpastillen, Wick Formel 44 Hustenstiller) wirken zentral als Agonisten an Opiatrezeptoren des Hirnstamms. Sie gelten als die stärksten den Hustenreiz unterdrückenden Substanzen und als Mittel der ersten Wahl zur Unterdrückung eines quälenden, trockenen Reizhustens (3).

Die antitussive Wirkung von Noscapin ist wenig belegt. Zusätzlich ist Noscapin (in Kombination mit Guaifenesin in Tuscalman) ein Spindelgift (4). In der Fachinformation wird festgestellt: „Wegen der besonderen mutagenen Eigenschaften besteht die Möglichkeit einer verstärkten Gefährdung der Embryonal- und Fetalentwicklung. Von der Anwendung bei Frauen im gebärfähigen Alter wird abgeraten.“ Da mutagene Effekte auch mit kanzerogenen Wirkungen verbunden sein können, ist eine Verwendung von Noscapin generell nicht zu empfehlen, die Zulassung für Kinder wurde jetzt zurückgezogen.

Die antitussive Wirkung des peripher wirkenden Pentoxyverin ist ebenfalls wenig belegt, es liegt nur eine publizierte Studie (5) über eine antitussive Wirkung bei Meerschweinchen vor. Es soll keine sedierende oder atemdepressive Wirkung haben (3).

Für Kinder zugelassen sind nur Codein und Dihydrocodein.

Wenngleich Antitussiva in der klinischen Praxis häufig angewandt werden, so ist die Wirksamkeit bei einigen wichtigen Krankheitsbildern nicht erwiesen. So zeigte sich sogar das als hoch wirksam erachtete Codein bei akuten viralen Infekten des oberen Respirationstrakts (den „grippalen Infekten“) einem Placebo nicht eindeutig überlegen (6). Weiters erwies sich Codein als unwirksam bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (7). Auch bei Malignomen konnte – hauptsächlich wegen methodischer Mängel der wenigen verfügbaren randomisierten Studien – kein Antitussivum als wirksam eingestuft werden (8). 

Für pflanzliche Antitussiva ist die Datenlage noch schlechter, auch wenn für die akute Bronchitis in einer deutschen Leitlinie Mischpräparate aus Efeu, Thymian und Salbei oder Primel (in Österreich z.B. Bronchipret, Bronchostop, Bronchithym, Ivypan plus-Sirup, Prospan, Scottopect, Tussimont) empfohlen werden (9), und zwar aufgrund einer einzigen placebo-kontrollierten Studie (10) und der praktisch fehlenden Nebenwirkungen. Zur Wirksamkeit anderer, häufig verwendeter pflanzlicher Präparate wie Oleum spicae (Tavipec, Tussamag) oder Isländisch Moos (Bronchiplant) liegen keine auswertbaren Daten vor. Für „Teegläubige“ ist aber zumindest der Placeboeffekt stark, sodass sich zusammen mit der ja günstigen Flüssigkeitszufuhr ein klinisch relevanter Effekt ergeben kann.

 

Mukolytika

Mukolytika sollen das Abhusten erleichtern, indem sie übermäßig zähen Schleim verflüssigen. N-Acetyl-Cystein (Acetylcystein Hexal, Aeromuc, Fluimucil, Husten ACC Hexal, Hustenlöser 1A Pharma, Mucobene) spaltet Disulfidbrücken zwischen den Mucin-Monomeren und kann bei intrabronchialer Anwendung zur Auflösung zäher Schleimpfropfen verwendet werden (11). Bei oraler Anwendung ist fraglich, ob N-Acetyl-Cystein in ausreichender Konzentration in die Atemwege gelangt, um überhaupt mukolytisch wirksam zu sein (3). Es gibt zwar Hinweise, dass Mukolytika bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung die Exazerbationsfrequenz geringgradig vermindern können (12), doch werden diese Substanzen wegen insgesamt widersprüchlicher Studienergebnisse nicht als Dauertherapie bei COPD empfohlen (13). Eine klinisch relevante Wirksamkeit von N-Acetyl-Cystein bei akuten Atemwegsinfekten ist nicht gesichert (14).

Nur für die Indikation Zystische Fibrose zugelassen ist eine inhalative Präparation von humaner DNAse (Dornase α; Pulmozyme). Dornase alfa spaltet polymerisierte DNA, die bei dieser Erkrankung in hoher Konzentration in den eitrigen Atemwegssekreten enthalten ist. Das Sputum kann besser abgehustet werden, wodurch sich die Lungenfunktion bessert (15). Ebenfalls nur bei Zystischer Fibrose ist die Inhalation von hypertoner (7%iger) Kochsalzlösung wirksam (16).

 

Mukokinetika

Ambroxol (Ambrobene, Ambrohexal, Ambroxol Generika, Mucosolvan), der aktive Metabolit des Bromhexin (Bisolvon) soll die Produktion von Surfactant und Schleim fördern, die Schleimviskosität normalisieren und dadurch das Abhusten erleichtern. Studien zur klinischen Wirksamkeit von Ambroxol ergaben jedoch widersprüchliche Ergebnisse (17). 

 

Expektorantien

Guaifenesin (enthalten in Bronchostop, Luuf Guaifenesin Compositum, Resyl, Resyl mit Codein, Tuscalman, Wick Formel 44 Hustenlöser) soll durch Senkung der Oberflächenspannung des Schleims das Abhusten erleichtern, zeigte aber in randomisierten Studien keine klinische Wirksamkeit (17). Kombinationen des Expektorans Guaifenesin mit Antitussiva (Resyl mit Codein, Tuscalman) entbehren einer rationalen Grundlage, da sie – eine Wirksamkeit der Einzelkomponenten vorausgesetzt - gleichzeitig das Abhusten erleichtern, den Hustenreiz  aber unterdrücken würden.

 

Mukoregulatoren

Der verbal vielleicht beeindruckende Begriff des „Mukoregulators“ soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass kaum Substanzen zur  pharmakologischen Beeinflussung der Schleimproduktion und -sekretion zur Verfügung stehen (18). Die bei Asthma bronchiale und exazerbierter chronischer Bronchitis angewandten Corticosteroide und die bei COPD verwendeten Anticholinergika besitzen nur eine geringe Wirkung auf die Schleimproduktion (17). Makrolidantibiotika hingegen vermögen bei Erkrankungen mit exzessiver Sputumproduktion (z.B. Bronchiektasen) das Sekretvolumen zu vermindern und werden unter anderem bei Zystischer Fibrose empfohlen (17). 

 

Kombinationspräparate

Die angeführten Substanzen sind in reiner Form, aber auch als Mischpräparate („Grippemittel“) erhältlich, etwa in Kombination mit systemisch verabreichten Sympathomimetika (z.B. Ambroxol mit Clenbuterol: Mucospas; Paracetamol und Guaifenesin mit Phenylephrin: Wick Erkältungsgetränk Kombi oder Zitrone). Wegen potentiell lebensbedrohlicher (!) Nebenwirkungen müssen diese Kombinationen bei Säuglingen und Kleinkindern (unter vier Jahren) strikt gemieden werden (19,20). Gegen deren Anwendung spricht auch der fehlende Nachweis der Wirksamkeit bei grippalen Infekten im Kindesalter (21,22). Auch bei erwachsenen PatientInnen mit kardiovaskulären Grunderkrankungen besteht bei systemischer Gabe von Sympathomimetika die Gefahr schwerer Nebenwirkungen wie Myokardinfarkt oder Schlaganfall. 

Zusammenfassend gelten Codein und dessen Derivate als einzig empfohlene Antitussiva, sowie vielleicht pflanzliche Präparate, wenn auch die Datenlage zu deren Wirksamkeit als sehr unbefriedigend zu bezeichnen ist. Noch schlechter belegt ist der Nutzen der meisten „mukoaktiven Substanzen“. Das verlässlichste und nebenwirkungsärmste Mukokinetikum und Expektorans ist eine reichliche, heiße Flüssigkeitszufuhr (23). 


Literatur:
(1) Pulm Pharmacol Ther 20,438,2007
(2) Lung 186 (Suppl 1),S82,2008
(3) Pharm Unserer Zeit 37,462,2008
(4) Proc Natl Acad Sci 95,1601,1998
(5) Br J Pharmacol 141,233,2004
(6) Chest 129,238S,2006
(7) J Allergy Clin Immunol 117,831,2006
(8) Cochrane Database Syst Rev 2010 Sep 8;9:CD007881
(9) Pneumologie 64,336,2010
(10) Arzneimittelforschung 56,652,2006
(11) Ann Allergy 49,156,1982
(12) Cochrane Database Syst Rev 2010 Feb 17;2:CD001287
(13) www.goldcopd.org
(14) Cochrane Database Syst Rev 2009 Jan 21;1:CD003124
(15) J Pediatr 153,752,2008
(16) N Engl J Med 354,229,2006
(17) Eur Resp Rev 19,127,2010
(18) N Engl J Med 363,2233,2010
(19) JAMA 300,2354,2008
(20) Otolaryng Head Neck Surg 142,647,2010
(21) Pediatr Nurs 33,515,2007
(22) Pediatr Nurs 34,174,2008
(23) Am Fam Physician 75,515,2007

 

Update Oxycodon/Naloxon (Targin)

Bei diesem Kombinationspräparat soll die Zugabe des Opiatantagonisten Naloxon im Darm die obstipierende Wirkung des Opiats Oxycodon verhindern, aber aufgrund seiner mangelnden Resorption (Bioverfügbarkeit < 3%) nicht mit der analgetischen Wirkung interferieren. Wie wir in einer rezenten (Pharmainfo XXV/4/2010) Besprechung dieses Medikaments feststellten, ist die analgetische Wirkung der Kombination bis zu einer Tagesdosis von 40 mg Naloxon / 80 mg Oxycodon tatsächlich mit der Monosubstanz Oxycodon (Generika, Oxycontin, Oxynorm) vergleichbar. Bei den PatientInnen, die die Kombination erhielten, war die Obstipation reduziert und diese brauchten auch weniger Laxantien (43% versus 63,7%). Wir stellten aber fest, dass nicht gezeigt wurde, ob eine individuelle Laxantientherapie für die Reduktion der Obstipation bei der Monosubstanz das gleiche oder sogar ein besseres Resultat erbracht hätte – nahezu die Hälfte der PatientInnen der Kombinationsgruppe musste ja ebenfalls Laxantien einnehmen. Weiters stellten wir fest, dass für PatientInnen mit Karzinomschmerzen, der wichtigsten Gruppe für eine Opiattherapie, keine Daten vorlagen.

Inzwischen wurde eine Studie (von der Firma gesponsert: einschließlich „editorial assistance“) an diesen PatientInnen durchgeführt (1). PatientInnen, die bereits Opiate (äquivalent zu 20 – 80 mg Oxycodon/Tag) erhielten, bekamen für 4 Wochen entweder Targin (40/80 mg: n = 92) oder Oxycodon (n = 92). Bei Bedarf konnte die Oxycodon-Dosis bis auf 120 mg erhöht werden, wobei aber auch in der Targingruppe die Dosissteigerung nur mit Oxycodon erfolgte. Dies beruht auf dem Faktum, dass Naloxon zwar eine geringe Bioverfügbarkeit hat (< 3%), bei einer Dosis über 40 mg aber genügend resorbiert wird, um mit der analgetischen Wirkung von Oxycodon zu interferieren. Eine Dosissteigerung mit Targin über 80 mg Oxycodon ist daher nicht zweckmäßig. Leider ist in der Publikation dieser Studie nicht angeführt, für wie viele PatientInnen eine Dosiserhöhung über 80 mg Oxycodon erfolgte. Wir haben daher nur Daten für die Gesamtgruppe (PatientInnen bis 40 mg/80 mg Targin und solche, die zusätzlich Oxycodon erhielten). Für diese Gesamtgruppe war die analgetische Wirkung von Targin und Oxycodon ident, die Wirkung auf den Darm gemessen mit dem BFI (Bowel Function Index: bewertet Beschwerden durch Obstipation) war für Targin signifikant besser. Der Unterschied betrug aber nur 11,4 Punkte auf einer 100 (!) Punkte Skala. Die klinische Relevanz dieses geringen Unterschiedes erscheint daher fraglich. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass der Laxantienverbrauch (Bisacodyl) zwar in der Targingruppe niedriger, aber nicht signifikant vermindert war. Die Studienabbrüche waren in der Targingruppe deutlich (und nicht, wie in der Arbeit formuliert: „slightly more dropouts“) höher (20 von 92) als in der Oxycodongruppe (12 von 92), wobei leider keine einzelne Nebenwirkung dafür verantwortlich gemacht werden konnte; auf jeden Fall erscheint die Verträglichkeit von Targin problematisch.

In der Praxis bedeutet dies, dass man bei KarzinompatientInnen am Beginn der Therapie mit Targin ein geringfügig reduziertes Obstipationsproblem haben kann, allerdings heißt dies nicht, dass man auf Laxantien verzichten kann. Ein gleiches Resultat dürfte mit Oxycodon mit etwas höherer Laxantiendosis erreichbar sein. Bei der chronischen Therapie, die ja bei KarzinompatientInnen länger als 4 Wochen (wie in der Studie) andauert, muss die Opiatdosis laufend erhöht werden. Bei Targingabe muss bei Überschreiten von 40 mg/80 mg zusätzlich Oxycodon gegeben werden und dementsprechend auch mehr Laxantien.

Schlussfolgerungen: Für KarzinompatientInnen ist Targin eine nicht zu empfehlende Therapie. Es ist besser, mit der Monosubstanz Oxycodon zu beginnen und die Dosis nach Bedarf (bis zu 400 mg möglich) zu steigern und, wenn notwendig, individuell Laxantien zuzugeben. In diesem Fall braucht man zwei Medikamente: Oxycodon und Laxantien, mit Targin letztlich drei: Targin plus Laxantien, dann zusätzlich die Monosubstanz Oxycodon ebenfalls mit Laxantien.

Die einfachere Oxycodon/Laxantien-Therapie ist auch deutlich kostensparend im Vergleich zu Targin/Oxycodon/Laxantien. Wenn Laxantien nicht ausreichend wirksam sind, dann kann der s.c. zu verabreichende, nicht ZNS-gängige Opiatantagonist Methylnaltroxon (Relistor) zur Reduzierung der Obstipation versucht werden (siehe Pharmainfo XXV/4/2010).

Literatur:
(1) Palliative Med 26,50,2011

 

Fachinformationen in Österreich 2013: von sehr gut bis mangelhaft

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben sich die für den Arzt/die Ärztin bestimmten Fachinformationen für Arzneimittel (SPC: Summary of Product Characteristics) massiv verändert. Die alten Beipackzettel (noch gemeinsam für Ärzte/Ärztinnen und PatientInnen) enthielten unzureichende Information, sehr oft mit der klaren Tendenz, das Präparat vorteilhaft darzustellen. Über die Jahre hin wurden die Fachinformationen verbessert und mit der europäischen Zulassung kam es zu einem entscheidenden Qualitätssprung. Die SPC’s werden heute vom CHMP, dem wissenschaftlichen Entscheidungsgremium der Londoner Zulassungsbehörde, erarbeitet (oft in stundenlangen Diskussionen der 27 LändervertreterInnen) und stellen eine unabhängige (dies ist besonders wichtig) und daher auch pharmakologisch verlässliche Informationsquelle dar, die laufend (Pharmakovigilanz) auf den neuesten Stand gebracht wird (siehe z.B. Fachinformation für Dabigatran: Pradaxa).

In den SPC’s findet man u.a. ausführliche Daten zum Wirkungsmechanismus, zu Anwendung und Dosierung, zu klinischen Studien, die die Wirkung belegen, zu Wechselwirkungen, Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Es gibt keine vergleichbare andere, nützliche, unabhängige und laufend aktualisierte Information, die jederzeit leicht zugänglich ist. Es ist daher dringend zu empfehlen, die Fachinformationen bei Neuverschreibung eines Präparates, aber auch immer wieder in regelmäßigen Abständen zu lesen – die SPC’s sind aufgrund der detaillierten Informationen ja eher lang und eine einmalige Lektüre ist rasch vergessen.

Nach dieser positiven Bewertung für die europäischen SPC’s können wir feststellen, dass auch für Präparate, die früher national zugelassen wurden, die Fachinformationen an den europäischen Standard in den meisten Fällen (siehe z.B. Enalapril: Generika, Renitec: Zulassung in Österreich 09.10.1986) angeglichen wurden (dies erfolgte früher durch das Gesundheitsministerium und jetzt durch die AGES).

Für einzelne Fachinformationen, z.B. für die Subgruppe der pflanzlichen Arzneimittel, ist hingegen eine positive Beurteilung nicht möglich. Wir wollen dies für einige repräsentative Präparate aufzeigen, die wir kürzlich (Pharmainfo XXVI/4/2011) diskutiert haben. Dabei wollen wir uns auf den Fachinformations-Abschnitt 5.1 (Pharmakodynamische Eigenschaften) konzentrieren, in dem vor allem neben in vitro Befunden und Tierversuchen klinische Studien, die die Wirksamkeit belegen, im Detail dargestellt werden sollten. So sind für Enalapril (Generika, Renitec) für diese Frage drei Studien beschrieben.

Bei Extrakten aus Sägepalmenfrüchten steht für Prostasan in diesem Abschnitt nur ein Satz: „In klinischen Studien wurde eine Besserung der Miktionsstörungen im Rahmen der Prostatahyperplasie nachgewiesen“. Tatsächlich liegen unabhängige Studien und eine Cochrane Analyse vor, die keine über Placebo hinausgehende Wirkung belegen können (Pharmainfo XXVI/3/2011).

Bei Agnukliman (Cimicifuga Extrakt) steht: „Klinisch pharmakologische Studien weisen darauf hin, dass die vasomotorischen Symptome der menopausalen Beschwerden gebessert werden können.“ Tatsächlich liegen unabhängige negative Studien vor (siehe Pharmainfo XXVI/4/2011).

Für Crataegan Tropfen (Weißdornextrakt) steht: „Sie wirken leicht positiv inotrop, chronotrop und negativ bathmotrop.“ Dieser Satz stimmt, es wird aber nicht erwähnt, dass eine große Studie bei HerzinsuffizienzpatientInnen keinen positiven Effekt auf kardiale Ereignisse zeigte, und dies ist der entscheidende Parameter bei diesen PatientInnen.

Für Tebofortan (Ginkgo) steht: „Bei Menschen werden hypoxieprotektive Eigenschaften, eine Förderung der Durchblutung, insbesondere im Bereich der Mikrozirkulation, sowie eine Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes nachgewiesen.“ Zu Studien über die Indikation Demenz steht nichts; wir haben mehrmals ausführlich (siehe Pharmainfo XXVII/4/2012) auf die unzureichende Datenlage hingewiesen.

Für Krallendorn Kapseln steht: „Bei PatientInnen mit rheumatoider Arthritis wurde ein signifikanter Rückgang der Schmerzintensität und der Anzahl der schmerzhaften Gelenke, eine signifikante Abnahme der Dauer der Morgensteife und eine signifikante Besserstellung bezüglich des Rheumafaktors festgestellt“.

Dies bezieht sich offensichtlich auf die einzige kleine (n = 21 für die Verumgruppe) vorliegende Studie, allerdings war in dieser Studie nach der 24wöchigen Doppelblindphase nur 1 Parameter (schmerzhafte Gelenke) durch Krallendorn gerade noch signifikant reduziert, 5 andere (einschließlich Morgensteife) waren nicht signifikant verändert, für drei Werte war sogar die Placebogruppe numerisch besser (siehe Pharmainfo XX/3/2005; XXVI/4/2011).

Offensichtlich sind die Informationen in diesen für pflanzliche Präparate repräsentativen SPC‘s unzureichend, entsprechen nicht mehr dem heute zu fordernden Standard und stellen keine nützlichen Informationen für Ärzte/Ärztinnen dar. Es ist allerdings abzusehen, dass zumindest für einige dieser Präparate Informationen über klinische Studien nicht präsentiert werden können, da sonst die unzureichend belegte Wirkung offensichtlich würde. In einem solchen Fall sollten aber die pflanzlichen Mittel nicht als Arzneimittel, sondern als traditionell pflanzliche Arzneimittel, wie dies seit 2011 möglich ist (siehe Pharmainfo XXVI/4/2011) registriert werden; für diese sind kein Wirksamkeitsnachweis, sondern nur gewisse Sicherheitsstandards notwendig.

Für viele Aspekte des Arzneimittelmarkts haben die letzten Jahre entscheidende Fortschritte gebracht. Dies gilt auch für Fachinformationen, wenn wir von mangelhaften Altlasten, insbesondere bei pflanzlichen Präparaten, absehen.

 

Kombinationstherapie bei Alzheimer

Wir haben berichtet (Pharmainfo XXV/2/2010; XXVII/3/2012), dass für Cholinesterasehemmer (Donepezil: Generika, Aricept; Rivastigmin: Generika, Exelon und Galantamin: Generika, Reminyl) und Memantin (Axura, Ebixa) eine geringgradige positive Wirkung bei Alzheimer belegt ist. Für keine andere Medikamentengruppe (siehe Pharmainfo XXV/2/2010), auch nicht für Ginkgo (Pharmainfo XXIV/1/2009; XXVII/4/2012), ist das der Fall.

Für einen Zusatznutzen der Kombination von Cholinesterasehemmern mit Memantin hat es zwar einige positive Daten gegeben, die Datenlage war aber nicht eindeutig und die englische Bewertungsbehörde NICE hat (März 2012) diese Kombination, wie wir berichteten (Pharmainfo XXVII/3/2012), negativ bewertet. Dies erhält nun durch eine Entscheidung der europäischen Zulassungsbehörde eine weitere Bestätigung. Eine Zulassung des Kombinationspräparats Memantin mit Donepezil wurde abgelehnt (EMA Pressemitteilung 18. Oktober 2012). Zur Bewertung lagen 7 Studien vor, nur bei einer waren die Resultate positiv, allerdings war in dieser Studie kein Vergleichsarm mit Memantin alleine eingeschlossen. Das CHMP sah daher keine positive Nutzen/Risiko-Relation für dieses Kombinationspräparat. Bei mangelndem Zusatznutzen ist die Verschreibung einer Kombination, mit dem Risiko von mehr Nebenwirkungen durch zwei Substanzen und bei zusätzlichen Kosten, nicht zweckmäßig. 

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 11. Februar 2013

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

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