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Inhalt

 

Inkretine und Gliptine: EMA referral

Wir haben über die Diskussion zum Risiko von Pankreatitis und Pankreaskarzinomen für diese Antidiabetika berichtet (Pharmainfo XXVIII/2/2013).

Als Resultat des Referrals zu dieser Frage (EMA 26/07/2013) verweist die europäische Behörde auf die bereits in der Fachinformation enthaltenen Warnungen bezüglich Pankreatitis. Bezüglich Pankreaskarzinom wird festgestellt „some uncertainties remain in respect to the long-term effect of these medicines on the pancreas and more data collection efforts are under way“. Weitere Daten von größeren Studien zur Sicherheit dieser Arzneimittel werden 2014 erwartet. Die kontroversielle Diskussion (siehe 1,2) wird daher weitergehen.

Offensichtlich ist es schwierig, seltene Nebenwirkungen auszuschließen oder zu belegen. Langzeitsicherheitsstudien sollten daher viel früher vereinbart und begonnen werden. Derzeit erscheint eine zurückhaltende Verschreibung – also nur wenn spezifische Gründe dafür sprechen – auf jeden Fall zweckmäßig.

Für Saxagliptin (Onglyza) wurde jetzt (3) eine erste Studie mit einem kardiovaskulären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt und ischämischer Schlaganfall) publiziert, in der dieses Gliptin zusätzlich zu einer antidiabetischen Therapie 8.290 PatientInnen (8.282 Placebo) mit kardiovaskulärem Risiko gegeben wurde. Nach zwei Jahren wurde für diese Therapie kein Unterschied der primären Endpunkte gegenüber Placebo gefunden, die Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz war aber signifikant erhöht (3,5% versus 2,8%). Man kann es als positiv bewerten, dass dieses Gliptin keine größeren kardiovaskulären Nachteile bringt, tatsächlich sind diese Daten aber enttäuschend (siehe Editorial: 4), da man von einem idealen Diabetesmittel nicht nur eine Senkung des Blutzuckers sondern auch eine Reduktion der kardiovaskulären Komplikationen erwarten möchte, was aber bisher bestenfalls für Metformin (Generika, Glucophage) und Insulin zutrifft (siehe 3).

Literatur:
(1)  BMJ 346,13000,2013
(2)  BMJ 347,14386,2013
(3)  NEJM online, 2. Sept. 2013
(4)  NEJM online, Editorial, 2. Sept. 2013

 

Therapie der chronischen Hepatitis C

Markus Peck-Radosavljevic, Abt. Für Gastroenterologie und Hepatologie, AKH und Medizinische Universität Wien

Seit der Entdeckung des HC-Virus im Jahr 1989 steht die durch dieses Virus hervorgerufene chronische Hepatitis C Infektion im Zentrum sowohl der Wissenschaft im Bereich der Hepatologie als auch der breiten Öffentlichkeit. Bedingt durch die damit verbundenen wissenschaftlichen Anstrengungen konnten in den letzten 24 Jahren auch gewaltige Fortschritte im Bereich der Diagnostik, Prophylaxe sowie Therapie der chronischen Hepatitis C erreicht werden. Neuinfektionen sind so, auf Grund von rigoroser Überwachung von Blut und Blutprodukten sowie der Einhaltung entsprechender Hygienemaßnahmen im medizinischen Bereich, jenseits des Drogenmilieus absolute Seltenheiten geworden und auch in der Therapie können je nach spezifischer Situation bereits heute Heilungsraten bis an die 90% erreicht werden. Der Schwerpunkt in der westlichen Welt liegt heutzutage in der zeitgerechten Identifikation von infizierten Personen, damit diese einer entsprechenden antiviralen Therapie zugeführt werden können, um Spätkomplikationen wie fortgeschrittene Leberzirrhose oder hepatozelluläres Karzinom vermeiden zu können (1).

Epidemiologie und Diagnostik der chronischen Hepatitis C

Weltweit stellt die chronische Hepatitis C mit ca. 170 Millionen Infizierten die zweithäufigste chronische Virusinfektion nach der chronischen Hepatitis B dar, in Österreich ist die chronische Hepatitis C jedoch mit einer geschätzten Prävalenz von 0,3% – 0,5% der Bevölkerung klar führend im Vergleich zur chronischen Hepatitis B (1). Zwar ist die Meldung aller diagnostizierten Fälle, seit diese über die diagnostischen Laboratorien erfolgt, deutlich verbessert worden, allerdings könnte es immer noch eine relevante Dunkelziffer an nicht-diagnostizierten Fällen, insbesondere in der Generation der über 45-Jährigen und bei PatientInnen mit intravenösem Drogenabusus, geben.

Für die Initialdiagnostik einer Hepatitis C dienen der Hepatitis C Antikörper ELISA und die HCV (Hepatitis C Virus) PCR. Die weiterführende Diagnostik umfasst die Bestimmung des Hepatitis C Genotyps. Von den insgesamt 6 bekannten Hepatitis C Genotypen kommen in unseren Breiten vor allen Dingen die Genotypen 1 – 4 mit relevanter Häufigkeit vor. Die Bestimmung des Genotyps ist nur für den Fall einer beabsichtigten Therapie relevant, da sich Art und Dosis des Therapieregimes stark am Genotyp von HCV orientieren (2). Sollte keine Therapie geplant sein, so ist die Bestimmung des Genotyps unerheblich, da sich die Genotypen im Spontanverlauf der Hepatitis C nicht unterscheiden.

Die Quantifizierung der Hepatitis C Virusmenge wird heute in Österreich großteils mit einem quantitativen PCR Assay durchgeführt, welcher im Vergleich zu den Assays der älteren Generation einen sehr hohen linearen Messbereich und zudem eine herausragende Sensitivität aufweist, was für die Bestimmung von minimalen Virusmengen wichtig ist. Auch die Quantifizierung der Hepatitis C RNA ist nur zur Therapiesteuerung relevant, auf den Spontanverlauf der Hepatitis C Infektion hat die Virusmenge keinen Einfluss.

Aktuelle Therapiekonzepte der chronischen Hepatitis C

Seit mehr als 10 Jahren besteht die Basis der Hepatitis C Therapie aus einer Kombination von pegyliertem Interferon (IFN) α (Pegasys, PegIntron) und Ribavirin (Copegus, Rebetol). Dosis und Therapiedauer sind vom Genotyp abhängig sowie von weiteren Faktoren wie Viruslast, Vorliegen einer Leberzirrhose, Körpergewicht, Vortherapie oder sehr rasches Ansprechen auf die Therapie nach Therapiebeginn. Zusätzlich wurden in den letzten Jahren eine Vielzahl von direkt wirksamen antiviralen Substanzen (DAA's: Direct Acting Antivirals) entwickelt, von denen die ersten beiden Substanzen nun in der Routinetherapie eingesetzt werden. Bei diesen beiden handelt es sich um die NS3A-Proteaseinhibitoren Boceprevir (Victrelis) und Telaprevir (Incivo).

Standardtherapie bei Genotyp 1 Hepatitis C Infektion

Bis Ende 2011 bestand die Standardtherapie der Genotyp 1 Infektion aus pegyliertem IFN und Ribavirin. Seit Anfang 2012 ist die Standardtherapie eine Tripel-Therapie basierend auf pegyliertem IFN-α und Ribavirin, welche jedoch mit einem der beiden Proteaseinhibitoren Boceprevir bzw. Telaprevir kombiniert wird (3). Obwohl beide Proteaseinhibitoren einen ähnlichen Wirkmechanismus aufweisen, so werden sie doch entsprechend ihrer Registrierung unterschiedlich eingesetzt. Der Grund für diesen unterschiedlichen Einsatz liegt vorrangig in den verschiedenen Studiendesigns, welche in den Zulassungsstudien dieser Substanzen eingesetzt wurden.

 Boceprevir (Victrelis) wird bei PatientInnen ohne vorherige Hepatitis C Therapie erst nach einer 4-wöchigen Eingangsphase („lead-in“) mit pegyliertem IFN und Ribavirin angewandt. Nach diesen 4 Wochen lead-in wird Boceprevir als drittes Medikament zu den beiden anderen Medikamenten hinzugegeben und entweder bis zur Woche 28 (bei PatientInnen ohne Leberzirrhose, welche zur Therapiewoche 8 HCV-RNA negativ sind) oder bis zur Woche 48 (bei PatientInnen, welche erst zur Woche 24 HCV-RNA negativ sind) verabreicht (4). Diese Steuerung der Therapiedauer anhand des virologischen Ansprechens wird "Response-Guided Therapy" (RGT) genannt.

 

Bei PatientInnen, die bereits erfolglos mit pegyliertem IFN und Ribavirin vorbehandelt wurden, wird nach einer ebenfalls 4-wöchigen lead-in Periode die Tripel-Therapie bis zur Woche 48 fortgesetzt (5). PatientInnen, welche zur Woche 8 (Ersttherapie) oder zur Woche 12 (Wiederbehandlung) eine HCV-RNA Konzentration über 100 IU/mL haben, wird die Behandlung wegen Ineffektivität beendet. PatientInnen, welche zu diesen Zeitpunkten eine nachweisbare HCV-RNA < 100 IU/mL zeigen, zur Woche 24 aber negativ sind und keine Leberzirrhose aufweisen, benötigen die Tripel-Therapie bis zur 36. Therapiewoche, wobei die Therapie mit pegyliertem IFN und Ribavirin dennoch bis zur Woche 48 fortgesetzt wird. Die Dauerheilungsraten (SVR: Sustained Virologic Response) unter Tripel-Therapie mit Boceprevir waren bei Erstbehandlung 68% (verglichen mit 40% in der PegIFN-Ribavirin Dualtherapie-Gruppe), bei vorbehandelten PatientInnen lag die SVR bei 66% (21% in der PegIFN-Ribavirin Kontrollgruppe). Alle PatientInnen, bei denen zur Woche 24 auch nur geringe Mengen von HCV-RNA nachweisbar sind, werden zu diesem Zeitpunkt die Therapie beenden.

PatientInnen, welche eine Ersttherapie mit pegyliertem IFN und Ribavirin erhalten und zur Woche 4 keine HCV-RNA mehr aufweisen, können ohne Tripel-Therapie für 24 Wochen sehr erfolgreich behandelt werden.

Im Gegensatz dazu wird bei der Tripel-Therapie mit Telaprevir (Incivo) kein Lead-in durchgeführt. Die PatientInnen werden vom Tag 1 an mit pegyliertem IFN, Ribavirin und Telaprevir behandelt, nach 12 Wochen wird das Telaprevir abgesetzt und die PatientInnen erhalten während der restlichen Therapiedauer nur pegyliertes IFN und Ribavirin. Auch bei Telaprevir wird das Prinzip der Response-Guided-Therapy (RGT) angewandt (6).

Im Falle einer Ersttherapie bei PatientInnen ohne Leberzirrhose und negativer HCV-RNA nach 4 Wochen wird die Therapie nach insgesamt 24 Wochen beendet. Bei PatientInnen, deren HCV-RNA zur Woche 4 oder zur Woche 12 > 1.000 IU/mL ist, wird ebenfalls die Therapie beendet, da eine virologische Dauerheilung kaum mehr Chance auf Erfolg hat. Spätestens zur Woche 24 müssen alle anderen PatientInnen völlig virusnegativ sein, dann wird die Therapie bis zur Woche 48 fortgesetzt (7), andernfalls wird sie abgebrochen. Im Falle einer Re-Therapie von bereits mit pegyliertem IFN und Ribavirin vorbehandelten PatientInnen gilt das gleiche Behandlungsschema wie bei der Ersttherapie (8), wobei die Behandlungsverkürzung auf 24 Wochen für PatientInnen mit negativer HCV-RNA zur Woche 4 nur für solche PatientInnen gilt, welche in der Vortherapie einen Relaps erlitten hatten, nicht jedoch für Non-Responder auf die Vortherapie.

Die Dauerheilungsraten (SVR) unter Tripel-Therapie mit Telaprevir waren bei Erstbehandlung 75% (verglichen mit 44% in der PegIFN-Ribavirin Dualtherapie-Gruppe), bei vorbehandelten PatientInnen lag die SVR bei 83% (24% in der PegIFN-Ribavirin Kontrollgruppe).

Die verbesserten Heilungsraten der Tripel-Therapie werden jedoch um den Preis von mehr Nebenwirkungen erkauft, welche zusätzlich zu den bekannten Nebenwirkungen der PegIFN-Ribavirin Therapie auftreten. Bei Boceprevir handelt es sich dabei in erster Linie um eine Verstärkung der Anämie sowie um eine Verdopplung der Häufigkeit von Geschmacksstörungen im Vergleich zur PegIFN-Ribavirin Dualtherapie. Telaprevir führt ebenfalls zu einer Verstärkung der Anämie, dazu aber auch zu einer signifikanten Steigerung der Frequenz von Durchfall, Übelkeit, Juckreiz und Hautausschlägen bei 37% der PatientInnen. Sehr selten können diese Ausschläge zur toxischen epidermalen Nekrolyse (bisher 1 Todesfall berichtet), Drug-Rash mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS; ca. 0.4% der PatientInnen) und zum Stevens-Johnson-Syndrom (<0.1%) führen. Aus diesem Grund sollte bei progredientem Ausschlag, insbesondere wenn mit Allgemeinsymptomen wie Fieber, Gesichts-, oder Lymphknotenschwellung einhergehend, unbedingt der Kontakt mit dem/r behandelnden Arzt/Ärztin gesucht werden und je nach Schwere auch die Therapie beendet werden.

Ein frühzeitiger Therapieabbruch erfolgte unter Tripel-Therapie mit Boceprevir in  40% der Fälle, mit Telaprevir bei 27% der PatientInnen.

Standardtherapie der Genotyp 2/3 Infektion

Die Standardtherapie der Genotyp 2 und 3 Infektion hat sich in den letzten Jahren nicht geändert und entspricht den Empfehlungen der Deutsch-Österreichisch-Schweizerischen Leitlinie aus dem Jahr 2010 (2). Alle PatientInnen erhalten eine Kombinationstherapie aus pegyliertem IFN und Ribavirin (in einer Dosis von 12-15 mg/kg Körpergewicht). Vier Wochen nach Therapiebeginn wird die HCV-RNA bestimmt und im Falle einer nicht-quantifizierbar niedrigen oder negativen HCV-RNA die Therapie bis zur Woche 24, bei höherer Viruslast (>800.000 IU/mL) bis zur Woche 48 fortgesetzt, wobei zur Therapiewoche 12 die HCV-RNA zumindest um 2 Log-Stufen vom Ausgangswert abgefallen sein muss, idealerweise aber negativ sein sollte. Bei einem Abfall von weniger als 2 Log-Stufen zur Woche 12 sollte die Therapie abgebrochen werden. Bei negativer HCV-RNA zur Woche 4 sowie niedriger Ausgangsviruslast (< 800.000 IU/mL) und fehlender Leberzirrhose kann die Therapie unter Umständen sogar auf 16 Wochen verkürzt werden.

Therapie der Genotyp 4 Infektion

Die Therapie der Genotyp 4 Infektion erfolgt weitgehend nach dem Schema der Genotyp 1 Infektion, jedoch ohne Einsatz der Tripel-Therapie mit Proteaseinhibitoren. Die Therapie wird mit pegyliertem IFN und Ribavirin (15 mg/kg) durchgeführt, nach 4 Wochen erfolgt eine HCV-RNA Bestimmung, wobei bei nicht-quantifizierbarer oder negativer HCV-RNA zu diesem Zeitpunkt und niedriger Ausgangsviruslast sowie fehlender Leberzirrhose die Therapie auf 24 Wochen verkürzt werden kann. In der Mehrzahl der Fälle ist jedoch die HCV-RNA erst zur Woche 12 negativ, sodass die Therapie standardmäßig über 48 Wochen durchgeführt wird. Sollte die HCV-RNA zur Woche 12 um mehr als 2 Log-Stufen vom Ausgangswert abgefallen und < 30.000 IU/mL sein, so wird die Therapie bis zur Woche 24 fortgesetzt und im Falle der HCV-Negativierung zu diesem Zeitpunkt über insgesamt 72 Wochen durchgeführt. Sollten diese Voraussetzungen zur Woche 12 und 24 nicht vorliegen, so wird empfohlen die Therapie abzubrechen.

Therapiemonitoring: Response-Guided Therapy (RGT)

Bereits die konventionelle Kombinationstherapie mit pegyliertem Interferon alpha und Ribavirin erfolgte sowohl bei der Genotyp 1 und Genotyp 4 Infektion als auch bei der Genotyp 2 und 3 Infektion nach dem Prinzip der Response-Guided Therapy, wie oben dargestellt (2). Das Prinzip der RGT wird nun auch für die DAA-basierte Tripel-Therapie angewandt (6). Dabei wird vor der Therapie sowie in den meisten Fällen nach 4 und 12 Wochen die HCV-RNA bestimmt. Sollte diese zur Woche 12 noch nicht negativ sein, so erfolgt eine neuerliche Bestimmung zur Woche 24. Ist die HCV-RNA bereits nach 4 Wochen Therapie negativ, so wird von Rapid Virologic Response (RVR) gesprochen, was in vielen Fällen (mit Ausnahme von Leberzirrhose oder bei Non-Responder auf eine Vortherapie) zu einer Therapieverkürzung führen kann. Darüber hinaus wird bei DAA-basierter Tripel-Therapie eine rasche und anhaltende Virusnegativierung als extended Rapid Virologic Response (eRVR) bezeichnet. Dies bedeutet definitionsgemäß bei Boceprevir-basierter Tripel-Therapie Virusnegativität nach 8 und 24 Wochen Therapie, bei Telaprevir-basierter Therapie eine HCV-RNA Negativität zur Woche 4 und 12. Bei Standardkombinationstherapie mit pegyliertem IFN und Ribavirin wird darüber hinaus noch die Virusnegativität zur Woche 12 als Early Virologic Response (EVR) definiert. Diese ist im Falle der Kombinationstherapie mit pegyliertem IFN und Ribavirin ohne DAA als Entscheidungshilfe relevant, da PatientInnen, die keine EVR aufweisen, im Falle einer Genotyp 1 oder 4 Infektion eine Therapieverlängerung auf 72 Wochen erhalten sollten.

Kriterien für die Therapieentscheidung

Wichtige Zusatzkriterien für die Therapieentscheidung stellen neben dem Hepatitis C Genotyp und der Viruslast sowie dem Ansprechen auf eine Vortherapie auch Faktoren wie Dauer der Infektion, Schwere des Leberschadens und Alter der PatientInnen dar. So wird man z.B. bei fortgeschrittenem Leberschaden aber weiterhin bestehender Behandlungsmöglichkeit auch bei ungünstiger Konstellation (Versagen auf eine Vortherapie, Genotyp 1 Infektion, hohe Viruslast) sich für eine Tripel-Therapie entscheiden, auch wenn die Heilungschancen nicht hervorragend sind. Andererseits kann bei dokumentiertem langen Krankheitsverlauf und minimalem Leberschaden auch auf eine Therapie verzichtet werden, insbesondere wenn von Genotyp und Vortherapie her eine ungünstige Situation vorliegen sollte. Auch höheres PatientInnenalter mit geringem Leberschaden spricht gegen eine aktive Therapieentscheidung. Außerdem sind in den nächsten Jahren eine Reihe neuer, besser verträglicher und zum Teil auch Interferonfreier Therapieregime zu erwarten, so dass bei fehlender Dringlichkeit von Seiten der Lebererkrankung und ungünstigem Risikoprofil für eine SVR durchaus die Therapie auch für einige Jahre verschoben werden kann.

Therapeutika in Phase 3 Entwicklung

Wie bereits angedeutet, befindet sich das Feld der Medikamentenentwicklung bei der Hepatitis C derzeit in einer revolutionären Phase. Derzeit befinden sich mehr als 80 Substanzen in unterschiedlichen Phasen der klinischen Entwicklung. Von diesen Substanzen sind etliche bereits in Phase 3 Entwicklung entweder in Kombination mit Interferon und Ribavirin oder oft auch als Interferon-freie Regime. Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhang unter anderem Simeprevir (TMC435), Sofosbuvir (GS-7977) (9), Daclatasvir und die Kombination von ABT-450, ABT-267 und ABT-333 (10), welche allesamt verbesserte Heilungsraten erwarten lassen.

Zusammenfassung

In den letzten Jahren konnte eine deutliche Verbesserung in der Diagnostik, in der patientInnengerechten Auswahl der Therapie sowie in der Reduktion der Komplikationen der chronischen Hepatitis C erreicht werden. Wichtig ist in Westeuropa heutzutage vor allem, dass die Diagnose rechtzeitig gestellt wird, bevor Komplikationen des Endstadiums der Leberzirrhose oder ein hepatozelluläres Karzinom auftreten. Die Zweckmäßigkeit des Screenings von Risikogruppen, das in den USA rezent als wichtige gesundheitspolitische Maßnahme empfohlen wurde, wird derzeit auch in Europa geprüft. Frühere Detektion von Infizierten zusammen mit der Entwicklung von neuen, wirksameren und besser verträglichen Medikamenten werden die Inzidenz und die Prävalenz der Hepatitis C in den nächsten Jahren deutlich reduzieren können.

Literatur:
(1)     J Hepatol 58,593,2013
(2)     Z Gastroenterol 48,289,2010
(3)     Z Gastroenterol 50,57,2012
(4)     NEJM 364,1195,2011
(5)     NEJM 364,1207,2011
(6)     NEJM 365,1014,2011
(7)     NEJM 364,2405,2011
(8)     NEJM 364,2417,2011
(9)     NEJM 368,34,2013
(10)   NEJM 368,45,2013

 

Nikotinsucht 2013

Zu dieser häufigsten und tödlichen Suchterkrankung seien neuere Daten präsentiert, die für dieses komplexe Thema einige Aspekte betonen (für frühere Diskussion siehe Pharmainfo XXVI/4/2011).

Rauchen und seine Folgen:

In England wurden in einer prospektiven Studie (1) an 1,3 Mio. Frauen die Folgen des Rauchens untersucht. Zwei Drittel aller Todesfälle von Raucherinnen sind durch Rauchschäden bedingt, durch Erkrankungen wie Karzinome der Blase, Pankreas, Oesophagus und Lunge, durch kardio- und cerebrovaskuläre Erkrankungen und durch COPD. Das Risiko für diese Erkrankungen wird durch das Rauchen um das 2,3- 35,3-fache erhöht. Die Wahrscheinlichkeit vor dem siebzigsten Lebensjahr zu sterben ist für Raucherinnen 24% versus 9% für Nichtraucherinnen und vor dem achtzigsten Lebensjahr 53% versus 23%, wobei man oder hier frau nicht gegen Ende des Lebens früher verstirbt, sondern z.B. mit 35 Jahren an einem Herzinfarkt oder mit 45 Jahren an einem Lungenkarzinom. Im Jahre 2015 dürfte in Europa die Inzidenz von Lungenkrebs bei Frauen höher als die des bisher führenden Mammakarzinoms werden (1a). Bei Arzneimittelnebenwirkungen sprechen wir von der Number Needed to Harm (NNH), bei RaucherInnen dürfte der Begriff Number Needed to Kill (NNK) angebrachter sein: Für 70jährige ist die NNK 7, für 80jährige 3.

Letztlich alles von Studien bei Männern bekannte Fakten (siehe auch neueste analoge Daten für die USA: 2,3), aber es erscheint notwendig, immer wieder erinnert zu werden, dass wir hier mit der am häufigsten tödlich verlaufenden Suchtkrankheit konfrontiert sind. Wir diskutieren immer wieder, wie man die Zahl der Drogentoten, und meint damit vor allem Opiatopfer (ca. 100 – 200 pro Jahr: siehe Bericht zur Drogensituation: Österreich 2012) reduzieren könnte; die Todesfälle als Folge des Rauchens liegen aber in Österreich bei 11.000 pro Jahr (10.000 Aktivraucher, 1.000 für Passivraucher: siehe Pharmainfo XXVI/4/2011). Diese Zahl für Passivraucher müsste in den nächsten Jahren zumindest etwas abnehmen, auch wenn die gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz vor dem Passivrauchen in Österreich unzureichend sind.

Die obige Studie belegt aber auch ein positives Resultat: Für Frauen, die vor dem 40. Lebensjahr aufhören zu Rauchen, sinkt das 3fach erhöhte Sterberisiko wieder auf fast normale Werte (1,2fach).

Pharmakologische Hilfen zur Entwöhnung:

Wir haben die Medikamente diskutiert (Pharmainfo XXVI/4/2011), die für die Nikotinentwöhnung der suchtkranken RaucherInnen zur Verfügung stehen (für eine ausführliche Bewertung siehe Therapieempfehlungen der deutschen Ärzteschaft: 4: im Internet abrufbar). Nach wie vor sind Nikotinpräparate Mittel erster Wahl. Erhöhte Abstinenzraten bis 35% nach 6 Monaten können mit einer Kombination (4,5,5a) erzielt werden und zwar als Basis für mehr als 14 Wochen Nikotinpflaster und für eine plötzliche Verlangenssituation schnell wirksame Präparate (Nikotin Kaugummi, Lutschtabletten, Sublingualtabletten, Inhalationen). Vergleichbar hohe Erfolgsraten können mit Vareniclin (Champix) erreicht werden, das aber aufgrund einer noch immer unklaren Nebenwirkungssituation ein Mittel zweiter Wahl ist. Wir berichteten (Pharmainfo XXVI/4/2011), dass möglicherweise ein, allerdings geringes, kardiovaskuläres Risiko besteht, eine rezentere Metaanalyse spricht wieder dagegen (6, siehe auch 7), eine andere aber dafür (8). Auch psychiatrische Nebenwirkungen wie Depression, Suizidgedanken und Agitation sind nach wie vor in Diskussion (siehe z.B. 9), erst laufende prospektive Studien werden hier eine definitive Antwort geben. Die Zulassungsbehörden (FDA, EMA) sehen aber bei Beachtung der einschlägigen Warnhinweise eine positive Risiko/Nutzenrelation.

Auch Bupropion (Zyban) ist Mittel ferner Wahl, sowohl aufgrund seiner schwächeren Wirksamkeit als auch wegen seltener Krampfanfälle als Nebenwirkung.

Entwöhnung nach Herzinfarkt:

Für diese Frage hat eine rezente Studie die Effektivität von Bupropion untersucht (10). PatientInnen erhielten nach einem Herzinfarkt, noch bevor sie das Spital verließen, entweder Bupropion (n = 192) oder Placebo (n = 200). Nach einem Jahr war kein signifikanter Unterschied in der Abstinenz zu finden. Die Autoren vermuten, dass dies auf die hohe Abstinenzrate (32%) bereits in der Placebogruppe zurückzuführen ist. Dieser Wert ist tatsächlich höher als in Studien mit noch gesunden Rauchern, wo der Placeboerfolg nur bei 5%-15% liegt (siehe Pharmainfo XXVI/4/2011). Aber auch nach einem lebensbedrohlichen akuten Ereignis wie einem Herzinfarkt können offensichtlich wegen ihrer Abhängigkeit nur ein Drittel der RaucherInnen aufhören. In dieser Phase erscheint aber der/die PatientIn einer intensiven Beratung besonders zugänglich. So zeigt eine Studie, dass eine psychologische intensive Betreuung (1 Stunde im Spital, schriftliches Material zum Mitnehmen und 7 Telefonkonsultationen über die nächsten 2 Monate), zu Abstinenzraten nach einem Jahr von über 60% führen (11,12) - ein Wert, der bei gesunden Aufhörwilligen mit keiner Methode erreichbar ist. Offensichtlich ist für die Raucherentwöhnung nach Herzinfarkt ein intensives Beratungsprogramm die beste Maßnahme für die PatientInnen. Diese intensive Beratung nicht anzuwenden gereicht bei dieser Erkrankung zum Schaden der PatientInnen, vergleichbar mit (oder auch noch gravierender als) eine Nichtverschreibung von Acetylsalizylsäure, ß-Blockern, ACE-Hemmern und Statinen. Eine zusätzliche Wirkung von Bupropion scheint nicht gegeben, Vareniclin ist bei diesen PatientInnen aufgrund der nicht völlig geklärten Sicherheit nicht indiziert. Für Nikotinersatzpräparate liegen für diese Gruppe von PatientInnen keine Daten vor, aufgrund ihrer generellen Wirksamkeit kann man von ihnen im Rahmen eines psychologischen Programmes eine zusätzliche Wirkung erwarten. Sie haben sich bei kardiovaskulär belasteten PatientInnen als sicher erwiesen (13), immerhin sollten sie innerhalb der ersten 14 – 28 Tage nach einem Herzinfarkt „mit Vorsicht (unter ärztlicher Beratung) angewandt werden“ (siehe 4, Fachinformationen).

Folgerungen:

In den USA ist aufgrund von intensiven Diskussionen und von gesetzgeberischen Maßnahmen der Zigarettenkonsum im Zeitraum von 2000 – 2011 um 40,7% gesunken (14). Es rauchen nur mehr 19,3% der Bevölkerung (in manchen Bundesstaaten unter 10%) und nur mehr 1% der Ärzte/innen (15). Ist es in Österreich nicht an der Zeit, die Bestrebungen der österreichischen Ärztekammer zur Eindämmung der Nikotinsucht durch strengere Gesetze ernster zu nehmen und unsere halbherzigen Maßnahmen gegen die am häufigsten tödlich verlaufende Sucht dem internationalen Trend anzupassen? Der Vorwurf ist berechtigt: „We are killing people by not acting“: So der Gesundheitsminister von Australien (16, nicht zu verwechseln mit Austria). Im 20. Jahrhundert starben 100 Millionen Menschen als direkte Folge des Rauchens; wenn die RaucherInnenzahlen in der Welt nicht deutlich sinken, werden es im 21. Jahrhundert 1 Milliarde (!) sein (2).

Für das ärztliche tägliche Gespräch müssten wir erreichen, dass Nikotin nicht als Genuss- sondern als Suchtmittel bezeichnet wird und RaucherInnen als Suchtkranke betrachtet werden, die einer speziellen ärztlichen Obsorge bedürfen.

Literatur:
(1)    Lancet 381,133,2013
(1a)  Ann Oncol 24,792,2013
(2)    NEJM 368,341,2013
(3)    NEJM 368,351,2013
(4)    Arzneiverordnung in der Praxis 37, Sonderheft 2, 2010
(5)    NEJM 365,1222,2011
(5a)  Drugs 73,407,2013
(6)    BMJ 344,e2856,2012
(7)    BMJ 345,e7176,2012
(8)    JAMA 309,333,2013
(9)    PLoSONE 6,e27016,2011
(10)  J Am Coll Card 61,524,2013
(11)  CMAJ 180,1297,2012
(12)  Cochrane Library Issue 5,2012
(13)  Am J Cardiol 110,968,2012
(14)  JAMA 308,1422,2012
(15)  JAMA 308,1586,2012
(16)  NEJM 368,389,2013

 

 

Medikamente bei Endometriose

L. Wildt, Universitätsklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktions-medizin, Medizinische Universität Innsbruck

Die Endometriose gehört zu den häufigsten gutartigen Erkrankungen der Frau im reproduktionsfähigen Alter. Sie entsteht durch eine Ansiedlung von Endometriumgewebe außerhalb der Gebärmutter und ist gekennzeichnet durch Dysmenorrhoe, chronische Unterbauchschmerzen und Subfertilität. Wegen der chronischen Schmerzzustände besitzt sie auch eine erhebliche sozial-medizinische Bedeutung.

Pathogenese und Ätiologie der Endometriose sind bis heute trotz aller Anstrengungen der klinischen und Grundlagenforschung nur unvollständig bekannt, dementsprechend sind die Therapien der Endometriose empirisch. Sie sind mehr oder weniger effektiv, was die Bekämpfung der Schmerzen angeht, eine kausale Therapie der Endometriose mit dauerhaftem Erfolg stellen sie jedoch in den meisten Fällen nicht dar (1).

Eine Indikation zur Operation muss kritisch gestellt werden, um nicht unnötig Wiederholungseingriffe zu riskieren.

Zur Schmerztherapie werden seit vielen Jahren nicht-steroidale Antiphlogistika eingesetzt. 

Orale Kontrazeptiva:

Bei Frauen, die eine Verhütung wünschen, können kombinierte orale Kontrazeptiva versucht werden. Eine off label Verwendung dieser Mittel im Langzyklus (3 – 4 Monate) kann eine Verbesserung der Wirkung bringen.

Gestagene:

Vor mehr als 50 Jahren wurde erkannt, dass die Symptome der Endometriose während der Schwangerschaft rückläufig sind. Deswegen wurde das Prinzip der Induktion einer „Pseudoschwangerschaft“ bereits früh neben der operativen Therapie in die Behandlung der Endometriose eingeführt. Dazu wurden verschiedene Gestagene (siehe unten) mit unterschiedlichem, insgesamt begrenztem Erfolg verwendet.

Zu den zur medikamentösen Therapie der Endometriose verwendeten Gestagenen gehören neben dem natürlichen Progesteron, welches in der Therapie heute keine Bedeutung mehr besitzt, synthetische Gestagene mit antiöstrogener, antiandrogener oder androgener Partialwirkung (in Österreich für Endometriose registriert: Medroxyprogesteronacetat: Prodafem und Lynestrenol: Orgametril).

Für das Präparat Dienogest (Visanne) wurde 2010 die Zulassung für die Behandlung der Endometriose erteilt. Dienogest ist ein 19-Nortestosteronderivat mit starker Gestagenwirkung am Endometrium. Dienogest besitzt weder antiöstrogene noch glucocorticoid- oder mineralocorticoid-artige Wirkung, weist jedoch im Gegensatz zu den anderen Nortestosteronderivaten eine antiandrogene Partialwirkung auf. Die Suppression der endogenen Östrogenproduktion ist geringer als die von anderen Gestagenen, was für die relativ geringen Östrogenmangelsymptome unter Dienogesttherapie verantwortlich sein dürfte (2,3).

Drei zulassungsrelevante Studien (4-6) wurden durchgeführt. In der ersten Studie wurden 1, 2 und 4 mg Dienogest täglich über 24 Wochen bei 68 Patientinnen mit laparoskopisch gesicherter Endometriose untersucht. Die Randomisierung in der 1 mg-Dosierung musste wegen der unzureichenden Blutungskontrolle vorzeitig beendet werden. Die 2 und 4 mg-Dosierungen waren hinsichtlich der Verminderung der Schmerzsymptomatik gleich effektiv, weshalb zwei weitere Studien mit der 2 mg-Dosierung durchgeführt wurden. Diese bestanden einerseits aus einer 12-wöchigen placebo-kontrollierten Studie an knapp 200 Patientinnen mit histologisch nachgewiesener Endometriose sowie aus einer 24-wöchigen Vergleichsstudie gegen das GnRH-Analogon Leuprorelinacetat (Enantone-Gyn) an 252 Patientinnen. Untersucht wurden u.a. der Schmerzscore, das Blutungsmuster und die Knochendichte.  Dabei zeigte sich ebenfalls, dass diese Dosierung effektiv war und zu einer mit dem GnRH-Analogon vergleichbaren Reduzierung der Schmerzsymptomatik führte. Unter Dienogest wurden jedoch mehr Zwischenblutungen beobachtet. Die Knochendichte nahm erwartungsgemäß unter Leuprorelinacetattherapie ab, während unter Dienogest im Beobachtungszeitraum keine Veränderung der Knochendichte zu verzeichnen war. Das Auftreten von Hitzewallungen unter der Therapie mit GnRH-Analoga stellte die gravierendste Nebenwirkung dar. Unter Dienogesttherapie wurde dies nicht beobachtet. Obwohl eine kleinere Studie gezeigt hat, dass 2 mg Dienogest die Ovulation unterdrücken kann (7), ist die Monotherapie mit Dienogest nicht als Kontrazeptivum zugelassen, weshalb unter der Anwendung andere nicht hormonale kontrazeptive Maßnahmen zu ergreifen sind.

Im Gegensatz zu den oft angeführten Behauptungen der Industrie, dass dieses Gestagen speziell zur Behandlung der Endometriose entwickelt worden ist, muss festgestellt werden, dass Dienogest bereits 1977 synthetisiert worden ist und als Gestagenanteil in oralen Kontrazeptiva (Bonisara, Dienovel, Larissa, Mayra, Motion Ratiopharm, Qlaira, Sibilla, Stella, Valette) bereits vor vielen Jahren in die Therapie eingeführt wurde. Zeitgleich mit der Einführung von Dienogest zur Therapie der Endometriose wurden interessanterweise einige über viele Jahre verwendete Gestagenpräparate wie Norethisteronacetat oder Chlormadinonacetat aus dem Handel genommen. In Österreich sind Lynestrenol (Orgametril) und Medroxyprogesteronacetat (Prodafem) jedoch weiterhin zur Therapie der Endometriose verfügbar. Diese Präparate sind um ein Vielfaches preisgünstiger als Dienogest.

Gestagene sind im Allgemeinen gut verträglich. Als Nebenwirkungen können sie zu Zwischenblutungen, depressiven Zuständen und Gewichtszunahme führen.

GnRH-Analoga:

In den letzten 25 Jahren sind GnRH-Analoga zur temporären Ausschaltung der Ovarialfunktion in die Therapie der Endometriose eingeführt worden. Dies geschah unter der Vorstellung, dass durch eine temporäre Kastration mit Ausschaltung der Ovarialfunktion die Proliferation des ektopen Endometriums reduziert bzw. verhindert werden kann. Diese Therapie ist allerdings durch den dadurch induzierten Östrogenmangel mit erheblichen Nebenwirkungen (klimakterische Beschwerden aller Abstufungen) verbunden. Diese Therapie, die normalerweise auf 6 Monate begrenzt ist, ist deshalb nur bei Versagen der anderen Medikamente indiziert. In Österreich sind folgende Präparate zugelassen: Triptorelin (Decapeptyl Depot), Goserelin (Zoladex) und Leuprorelin (Enantone-Gyn).

Zusammenfassung:

  1. Zur medikamentösen Behandlung stehen neben einer Schmerztherapie mit nicht-steroidalen Antiphlogistika kombinierte orale Kontrazeptiva (auch off label als Langzyklus), Gestagene und GnRH-Analoga zur Verfügung. Entsprechend dieser Reihenfolge ist eine Therapie zu finden, die den besten Nutzen bei erträglichen Nebenwirkungen erzielt.
  2. Das im Jahre 2010 zugelassene Gestagen Dienogest (Visanne) stellt eine mit anderen bereits seit langem verfügbaren Medikamenten vergleichbar effektive Therapie der mit der Endometriose verbundenen Schmerzsymptomatik dar.
  3. Die Zulassungsstudien für Dienogest (Visanne) wurden nicht, wie es an sich erwünscht wäre, gegen bereits seit langem, wenn auch z.T. off label eingesetzte  Präparate durchgeführt - sondern gegenüber einem Präparat, das zwar effektiv ist, von dem aber bekannt ist, dass es die meisten Nebenwirkungen aufweist, nämlich einem GnRH-Analogon. Ein direkter Vergleich von Dienogest mit z.B. der Pille im Langzyklus und mit anderen reinen Gestagenpräparaten wäre zu wünschen gewesen.
  4. Insgesamt ist auffallend, dass mit der Einführung von Visanne ältere Gestagenpräparate weitgehend vom Markt verschwunden sind. In Österreich sind aber Lynestrenol (Orgametril) und Medroxyprogesteronacetat (Prodafem) zur Behandlung der Endometriose verfügbar, die bewährt und viel preisgünstiger und damit vorzuziehen sind.


Literatur:
(1)   Interdisziplinäre S1-Leitlinie für die Diagnostik u. Therapie der Endometriose der DGGG, SEF, OEGGG u. SGGG,Nr. 015-045,2010
(2)   Expert Reviews Obstet Gynecol 6,5,2011
(3)   Maturitas 71,337,2012
(4)   Hum Reprod 25,633,2010
(5)   Int J Gynaecol Obstet 108,21,2010
(6)   Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 151,193,2010
(7)   J Clin Pharmacol 52,1704,2012

   

Asasantin revisited

Dieses Kombinationspräparat (Acetylsalizylsäure: ASS und Dipyridamol) ist zur Sekundärprophylaxe von Schlaganfällen zugelassen.

In der Pharmainfo XXVI/2/2011 haben wir berichtet, dass das Deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) in einer ausführlichen Stellungnahme (unter Einbeziehung einer neuen, damals noch unveröffentlichten Studie) zu folgender Bewertung gekommen ist: Eine bessere Wirkung der Kombination versus ASS (zahlreiche Präparate) bzw. Clopidogrel (Generika, Plavix) ist nicht belegt. Die Kombination hat als Nebenwirkung eine höhere Rate von schweren Blutungen und von Therapieabbrüchen (vor allem wegen Kopfschmerzen). In der inzwischen veröffentlichten großen (n = 1.295) japanischen Studie über ein Jahr war sogar die Inzidenz von Schlaganfällen für die Kombination signifikant höher (8,7 versus 6,1; HR 1,52; CI 1,01 – 2,29) als für ASS (1; für eine Stellungnahme der Firma siehe 2). Dies ergibt für Schlaganfälle eine NNH von 39 für Asasantin.

Wenn jemand ASS als wichtiges Mittel zur Sekundärprophylaxe von Schlaganfällen nicht verträgt, ist Clopidogrel eine Alternative. Ein Umsteigen auf Asasantin ist nicht möglich, da dieses ja auch ASS enthält. Es gibt damit für Asasantin keine Indikation mehr (siehe 3,4). Man möchte daher erwarten, dass dieses Mittel vom Markt genommen würde. Die Verschreibungen in Österreich dürften abgesunken sein. Die zuständige Firma, die ja viele und wichtige Medikamente vertritt, ist mit der Überlegung konfrontiert, ob es nicht ein Risiko für den Ruf einer seriösen Firma bedeutet, wenn offensichtlich obsolete Präparate noch weiter vermarktet werden. Solche Überlegungen werden sicherlich zu Konsequenzen führen, wenn die Verschreibungen deutlich absinken.

Literatur:
(1)   Cerebrovasc Dis 31,601,2011
(2)   DAZ 151,55,2011
(3)   AVP 40,24,2013
(4)   Acta Cardiol 67,431,2012

  

Nootropika, Geriatrika: Marktbereinigung

Substanzen dieser Gruppe werden gegen Altersbeschwerden, insbesondere Abfall der kognitiven Fähigkeiten und der Gedächtnisleistung, eingesetzt. Zulassungen erfolgten bereits vor vielen Jahren unter nicht sehr stringenten Kriterien, und wir mussten feststellen (Pharmainfo VI/4/1991; VII/2/1992), dass eine Wirkung nicht belegt war. Dies galt für Procain, Pyritinol, Piracetam, Nicergolin, Co-Dergocrin und Nimodipin). Das damals populäre Procain ist schon lange vom Markt verschwunden, Pyritinol (Encephabol) wurde 2013 zurückgezogen. Für Piracetam (Cerebryl) ist nur mehr die Indikation Myoklonus und „psychoorganisches Hirnsyndrom“ verblieben.

Für Ergot Derivate (Nicergolin, Co-Dergocrinmesilat) kam die europäische Behörde in einem Referral zu folgenden Schlussfolgerungen (EMA 28/06/2013): Diese Substanzen sind durch das Risiko von Organfibrosen und Ergotismus (vor allem Gefäßspasmen) belastet, ihre Wirkung bei Kreislaufproblemen, zur Prävention von Migräne und Gedächtnisstörungen ist „very limited“. Leider wurde die Wirkung bei Demenz nicht bewertet. Diese Substanzen haben daher ein negatives Nutzen/Risiko Verhältnis und sollten daher u.a. nicht zur Behandlung von „chronic pathological cognitive and neurosensorial impairment in the elderly“ verwendet werden. Co-Dergocrinmesilat (Ergomed, Hydergin) ist in Österreich zur Behandlung von „Hirnleistungsstörungen im Alter“ zugelassen, allerdings mit Zusätzen “zur Zielgruppe gehören PatientInnen mit dementiellen Erkrankungen“, und „es ist auch nicht sicher, welche Krankheitserscheinungen bei den einzelnen PatientInnen günstig zu beeinflussen sind“.

Nicergolin (Ergotop, Nicergin, Sermion) ist für chronische Cerebralinsuffizienz und dementielles Syndrom zugelassen, mit dem Zusatz „positive Erfahrungen liegen vor bei Rehabilitation nach ischämischem Herzinfarkt…….“).

Solche Texte in der Fachinformation unter Indikation sind offensichtlich eine „österreichische Lösung“, wenn keine ausreichenden Studienergebnisse vorliegen („es ist nicht sicher“, „positive Erfahrungen“ statt Studien). Es wäre dringend zu wünschen, dass bald alle Fachinformationen in Österreich (siehe auch Pharmainfo XXVIII/1/2013) an europäische Standards angeglichen werden. Auf jeden Fall haben Mutterkornalkaloide laut europäischer Bewertung ein Risiko und ihre Wirkung bei cerebraler Insuffizienz ist nicht belegt. Eine Wirkung dieser Substanzen, wie dies eine unabhängige und kritische Guideline der Deutschen Psychiatrischen Gesellschaft (S3-Leitlinie, Demenz: November 2009) feststellt, ist auch bei Alzheimer PatientInnen nicht gegeben. Diese Mutterkornalkaloide sollten daher bei laut der europäischen Behörde gegebenem Risiko und nicht ausreichend belegter Wirkung vom Markt genommen werden.

Für Ginkgopräparate (Cerebokan, Ceremin, Tebofortan) haben wir bereits mehrfach über eine nicht belegte Wirkung bei kognitiven Defiziten berichtet (Pharmainfo XXIV/1/2009; XXVII/4/2012).

Zusammenfassung

Es gibt kein Geriatrikum/Nootropikum mit belegter Wirkung gegen das Absinken kognitiver Fähigkeiten und des Gedächtnisses im Alter. Indikationen dafür wurden bereits gestrichen und Medikamente mit dieser Indikation vom Markt genommen, dies sollte auch für Derivate der Mutterkornalkaloide mit belegtem Risiko erfolgen.

Leider fehlt damit eine wirksame medikamentöse Therapie für kognitive Defizite im Alter. Geldmittel sollten daher nicht für Medikamente mit nicht belegter Wirkung verschwendet werden, sondern für psychosoziale Maßnahmen zur Prävention und Linderung dieser Beschwerden.

 

NSAR: Diclofenac oder Naproxen?

Mit der Einführung der Cox-II-Hemmer (Coxibe) begann eine intensive Diskussion über das kardiovaskuläre Risiko dieser Substanzen, die aber auch bald schon lange am Markt befindliche NSAR (Nicht Steroidale Anti-Rheumatika) einschloss. Im Jahr 2008 (Pharmainfo XXIII/3/2008) stellten wir fest, dass Diclofenac (Generika, Voltaren) und andere NSAR ein mit den Coxiben vergleichbares Risiko haben dürften, Naproxen (Generika, Proxen) hingegen das Risiko nicht erhöhte. Dieses Thema wurde jetzt mit einer neuen großen Metaanalyse (1) von 280 bzw. 474 randomisierten Studien versus Placebo bzw. von NSAR untereinander (insgesamt über 280.000 PatientInnen) aktualisiert und führte zu einem Referral in London, das jetzt (EMA 14/06/2013) abgeschlossen wurde. Die Metaanalyse zeigte, dass gegenüber Placebo höhere Dosen von Coxiben (Celecoxib: Celebrex, Etoricoxib: Arcoxia, Lumiracoxib: in Österreich nicht registriert, Rofecoxib: vom Markt genommen) und auch Diclofenac schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskuläre Todesfälle) signifikant um 37% bzw. 41% (HR 1,37, Cl 1,14 – 1,66; HR 1,41, CI 1,12 – 1,78) erhöhen. Insgesamt bedingt dies für 1.000 PatientInnen pro Jahr 3 zusätzliche schwerwiegende Ereignisse, davon 1 tödlicher Fall. Bei PatientInnen mit kardiovaskulärem Risiko bedeutet natürlich eine Steigerung der Ereignisse um 40% auch eine erhöhte absolute Zahl von Fällen pro 1.000 (bei einem berechneten kardiovaskulären Risiko von 2% pro Jahr eine Verdoppelung der obigen Zahlen: siehe 1). Für hohe Dosen von Ibuprofen (Brufen, Generika) war das Risiko weniger verlässlich („possibly“) abgesichert, für Naproxen war kein Risiko nachweisbar.

Ähnliche Daten wurden in einer Analyse von „observational studies“ erhoben (2); und zwar ein höheres Risiko für Coxibe und Diclofenac, kein Risiko für Naproxen (unabhängig von der Dosis) und kein Risiko für niedere Dosen von Ibuprofen.

Die obige Metaanalyse randomisierter Studien (1) fand für alle untersuchten NSAR ein um den Faktor 2.0 erhöhtes Risiko für Herzinsuffizienz; für gastrointestinale Komplikationen (vor allem Blutungen) ein geringeres Risiko für Coxibe (HR versus Placebo 1,81) und Diclofenac (1,89) als für Ibuprofen (3,97) und Naproxen (4,22). Dies ergibt pro Jahr und 1.000 PatientInnen 4 zusätzliche Fälle für Coxibe und Diclofenac, 15 für Ibuprofen und 16 für Naproxen. Allerdings waren nur 2% dieser Komplikationen tödlich, ganz im Gegensatz zu den kardiovaskulären Ereignissen (1 von 3 tödlich).

Als Ergebnis des Londoner Referrals wurden nun für Diclofenac die gleichen Einschränkungen in der Fachinformation wie für Coxibe empfohlen:

Kontraindikationen: Herzinsuffizienz, ischämische Herzerkrankungen, periphere und cerebrale Durchblutungsstörungen.

PatientInnen mit kardiovaskulären Risikofaktoren (Hypertension, Hyperlipidämie, Diabetes und Rauchen) sollten Diclofenac nur nach sorgfältiger Überlegung erhalten. Für alle NSAR gilt eine Kontraindikation im 3. Trimenon der Schwangerschaft.

Praktische Folgerungen:

Es sei daran erinnert (siehe Pharmainfo XXIII/3/2008), dass bei Schmerzzuständen, z.B. Osteoarthrose) international gesehen Paracetamol (Mexalen, Generika) das Mittel erster Wahl darstellt. Zu dieser Schlussfolgerung kamen auch kürzlich wieder über 453 RheumatologInnen (darunter auch aus Österreich) sogar für „inflammatory arthritis“ (3). Paracetamol hat kein kardiovaskuläres und gastrointestinales Risiko, allerdings eine Lebertoxizität bei hohen Dosen. Um eine gute Wirkung zu erzielen, muss es aber ausreichend dosiert werden (4 x 500 mg/Tag), womit die für Österreich zugelassene Tagesmaximaldosis erreicht wird (in vielen Ländern liegt diese allerdings bei 4g).

Wenn man sich für ein NSAR entschließt, dann dürften bei älteren PatientInnen (wohl die größte Gruppe) auf Grund der bei vielen vorhandenen Kontraindikationen und gebotenen Vorsichtsmaßnahmen Coxibe und Diclofenac nicht mehr primär in Frage kommen. Naproxen bzw. auch niedere Dosen von Ibuprofen sind vorzuziehen. Da für diese Substanzen gastrointestinale Beschwerden häufiger sind, wird die Compliance der PatientInnen leiden, da diese Beschwerden zwar sehr selten letal sind, aber akut gespürt werden. Das erhöhte Herzinfarktrisiko von Diclofenac wird hingegen nicht subjektiv akut wahrgenommen. Die kardiologischen Nebenwirkungen sind auch in der täglichen Praxis kaum zu erkennen, da man, wenn ein/e ältere/r Patient/in einen tödlichen Herzinfarkt erleidet, an eine „natürliche“ Ursache denkt und nicht Diclofenac als möglichen Verursacher in Betracht zieht.

Eine Kombination von Naproxen plus einem Protonenpumpenblocker dürfte daher bei der jetzigen Datenlage die optimale Therapie darstellen.

Weitere NSAR:

Indomethacin (Generika) ist schlecht verträglich und hat so wie Diclofenac ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko (2). Für akute Gicht, wofür Indomethacin öfter verwendet wurde, ist Naproxen ebenfalls wirksam (siehe Pharmainfo XXIII/4/2008).

Oxicame (Piroxicam: Felden, Generika, Meloxicam: Movalis, Generika) sind durch schwere dermatologische Nebenwirkungen belastet (Pharmainfo XXVII/4/2012). Für Piroxicam wurde die Indikation schon vor längerer Zeit auch wegen schwerer gastrointestinaler Nebenwirkungen eingeschränkt (Pharmainfo XXIV/1/2009).

Literatur:
(1)  Lancet 382,769,2013
(2)  PLoS Medicine 8,e1001098,2011
(3)  Rheumatology 51,1416,2012

 

Conflict of interest - am Beispiel Roflumilast (Daxas)

In der Pharmainfo XXVI/4/2011 haben wir für Roflumilast (Daxas) zur Therapie der COPD festgestellt: „Die leichte Erhöhung der FEV1 und die geringe Senkung der Exazerbationen durch Roflumilast ist von fraglicher klinischer Relevanz. Bis jetzt ist ungeklärt, ob Roflumilast vergleichbar wie inhalatives Cortison wirkt und als Zugabe zu Bronchodilatatoren und Cortison eine zusätzliche Wirkung entfaltet.“

In der Zwischenzeit sind 3 Arbeiten erschienen, die wir wegen ihrer unterschiedlichen Zielsetzung diskutieren wollen. Für die erste Studie, eine Metaanalyse (1) sind 11 (!) Autoren verantwortlich mit folgendem deklarierten conflict of interest: fünf Autoren sind bezahlte Konsulenten der zuständigen Firma, zwei sind und einer war Angestellter der Firma. Wenn betont wird, dass keiner der Autoren für die Präparation des Manuskripts eine Bezahlung erhielt, aber die 11 Autoren noch durch eine externe Hilfe zur Präparation der Tabellen und der Abbildung unterstützt wurden, erübrigt sich ein Kommentar. Als wesentliches Ergebnis einer Analyse von 14 Studien (12.054 PatientInnen) betonen die Autoren, dass Roflumilast Therapie einen zusammengesetzten Parameter von kardiovaskulärer Mortalität, nicht tödlichem Herzinfarkt und Schlaganfall reduziert (HR: 0,65; CI: 0,45 – 0,93) und damit kein safety signal zu finden war. In der Arbeit fehlt aber jedwede kritische Analyse des Risiko/Nutzen Verhältnisses. Enttäuschend sind z.B. die Daten für die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität, die nicht gesenkt wurde, wobei die Mortalität bei COPD PatientInnen quantitativ einen entscheidenden Parameter darstellt. Die Senkung der nicht tödlichen Herzinfarkte (von 10 auf 1) durch Roflumilast war nur bei der Subgruppe von PatientInnen mit kardiovaskulären Krankheiten zu beobachten, aber nicht bei PatientInnen ohne Vorbelastung (von 12 auf 10). Die Autoren können dies nicht erklären, dieser Befund könnte aber dafür sprechen, dass die Senkung in der Gruppe mit kardiovaskulärer Vorbelastung eine Zufallsbeobachtung darstellt. Wie dem auch sei, die Autoren betonen aus der Gesamtheit der Daten einen positiven Befund in einer Subgruppe.

Aber ziehen wir zum Vergleich eine zweite Metaanalyse (2) heran, in der 8 Studien (8.698 PatientInnen) eingeschlossen wurden und Wirkung und Nebenwirkungen bewertet wurden. Roflumilast reduziert bei COPD Exazerbationen um 15%, die Mortalität wird nicht gesenkt. An seltenen Nebenwirkungen ist ein erhöhtes Auftreten von Vorhofflimmern (0,4% versus 0,2%) und von Suiziden (0,08% versus 0%) zu beobachten. Die Autoren kamen zu folgender Schlussfolgerung: Die Wirkung von Roflumilast verglichen mit anderen Therapien erscheint bescheiden. „Before its wider use“ sind weitere Studien notwendig um die Risiko/Nutzen Ratio und Langzeitsicherheit von Roflumilast zu definieren. Die Autoren dieser Arbeit hatten keinen conflict of interest angegeben.

Dies trifft auch für die Autoren eines Letters to Lancet (3) zu, die aufgrund von FDA Auswertungen Nebenwirkungen von Roflumilast kommentieren. Gewichtsverlust ist eine davon; aufgegliedert nach Schwere zeigt sich, dass ein Verlust von 10% bei 7,1% der PatientInnen unter Roflumilast (versus 1,9% Placebo) auftritt, auch die Krebsinzidenz war höher. Auch Suizide waren unter Roflumilast zu beobachten. Die englischen Behörden (siehe 4) warnen erneut vor der Verwendung für PatientInnen mit bestehenden psychiatrischen Symptomen.

Wir haben für die Arbeit, bei der die Autoren einen conflict of interest haben, nicht ein krasses Beispiel einseitiger Präsentation gewählt, aber diese Arbeit zeigt doch eindeutig eine unkritische, gezielte Analyse der Daten und damit eine Information von beschränktem Wert. Die zweite unabhängige Arbeit präsentiert eine kritische und nützliche Nutzen/Risiko Analyse, während man der dritten vielleicht vorwerfen kann, zu stark einzelne Aspekte von Nebenwirkungen zu betonen.

Zwei Punkte seien noch diskutiert:

  1. Im Falle von Übersichtsartikeln und Metaanalysen, wo subjektive Bewertungen stärker als bei experimentellen Arbeiten einfließen, sollte ein conflict of interest (der AutorInnen z.B. Konsulenten und Firmenangestellte) zu einer skeptischen Haltung gegenüber diesen Publikationen führen
  2. Die Nutzen/Risiko Bewertung von Roflumilast, die schon bei der Zulassung umstritten war (Pharmainfo XXVI/4/2011), ist nach wie vor in Diskussion. Eine wesentliche Klärung dürfte durch eine schon begonnene (Resultate nach Auskunft der Firma 2014) Studie (React study: 5), erfolgen, in der die Wirkung von Roflumilast als Zugabe zu Bronchodilatation und inhalativer Cortison Therapie untersucht wird. Eine weitere Studie sollte klären, ob Roflumilast als Zugabe zu Bronchodilatatoren gleich gut wie Cortison wirkt und ob eine Langzeitgabe die Verschlechterung der Lungenfunktion und die hohe Mortalität reduzieren kann. Sollten diese Studien - aufgrund der bisherigen Daten ist Skepsis angebracht – klinisch relevante positive Daten für Roflumilast ergeben, dann kann diese Substanz für COPD empfohlen werden. Derzeit ist dies nicht der Fall.


Literatur:
(1)   Chest, W.B. White, Feb14,2013,Epub ahead of print
(2)   Ther Adv Resp Dis 7,13,2013
(3)   Lancet 379,710,2012
(4)   DTB 51,38,2013
(5)   Int J COPD 7,375,2012

 

Cannabis sativa (Sativex)

Für MS PatientInnen mit mittelschwerer bis schwerer Spastik wurde 2012 ein neues Kombinationspräparat zugelassen. Der Extrakt aus Cannabis sativa (Sativex) ist eine Kombination von 2,7 mg Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und 2,5 mg Cannabidiol (CBD).  Sativex steht als oromukosaler Spray zur Verfügung, welcher bis zu zwölfmal täglich verabreicht werden kann.

Sativex wurde nicht über das zentrale europäische Verfahren, sondern über das dezentrale mit England als Referenzstaat registriert. Eine Zulassung nach zuerst erfolgter Ablehnung erfolgte erst nach Vorlage einer zusätzlichen Studie. Diese beruhte auf einem sogenannten „enriched design“ (1). In einer 4wöchigen Vorphase wurden die PatientInnen ausgewählt, die mit dem Medikament eine 20%ige Besserung der Spastizität, gemessen mit der NRS (Numerical Rating Scale: 0-10 Punkte) hatten. Von 572 PatientInnen schieden wegen Nebenwirkungen 29 aus und letztlich verblieben nur 241, die diese 20% Verbesserung erzielten. In der folgenden Doppelblindstudie über 12 Wochen stieg für PatientInnen unter Placebo die Spastizität wieder an, unter Sativex verlief sie weiter gesenkt. Der Primärparameter (NRS-Skala) zeigte eine Differenz gegenüber Placebo von 0,8 Punkten auf der 10-teiligen Skala am Ende der Doppelblindstudie. Bezogen auf den NRS-Ausgangswert am Beginn der Selektion zeigten bei den ausgewählten PatientInnen 74% in der Sativexgruppe und 54% in der Placebogruppe eine 30%ige Besserung.

Da bei mehr als der Hälfte der PatientInnen in der Eingangsphase keine signifikante Wirkung erreicht wurde und bei den restlichen PatientInnen der Unterschied zur Placebogruppe (0,8 Punkte; bzw. 74% versus 54% Responder) relativ gering war, ist der Nutzen dieses Präparates kritisch zu sehen. Dies dürfte auch die sehr eingeschränkte Indikation verursacht haben: „bei PatientInnen mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose (MS), die nicht angemessen auf andere anti-spastische Medikamente angesprochen haben und eine klinisch erhebliche Verbesserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapieversuchs aufzeigen.“

An Nebenwirkungen wurden von Seiten des Kreislaufs Blutdruckabfall, Änderung der Pulsfrequenz und Ohnmachtsanfälle beschrieben und seitens des Zentralnervensystems nicht überraschend für ein Cannabis Präparat Angst, Stimmungsschwankung, paranoide Reaktionen, Halluzinationen und Suizidgefahr.

Zusammenfassend: Bei relativ geringer Wirkung und diese nur bei einem Teil der PatientInnen und bei signifikanten Nebenwirkungen, sollte eine Therapie mit diesem Mittel zweiter Wahl nur bei klarer klinischer Verbesserung länger durchgeführt werden.

In Deutschland werden neue Substanzen für eine Preiseinstufung durch ein neues Verfahren vom IQWIG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) beurteilt (2). Sativex wurde nur ein geringer Zusatznutzen eingeräumt und daher nur ein Preis von € 150,-- statt der geforderten € 464,-- genehmigt.

Literatur:
(1)  Eur J Neurol 18,1122,2011
(2)  DAZ 153,1261,2013

 

Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen durch Vitamine

Wir haben mehrfach (siehe Pharmainfo XXII/2/2007 u.a.) berichtet, dass randomisierte prospektive Studien keinen Nutzen von Vitaminen für kardiovaskuläre Erkrankungen zeigen. Eine rezente Metaanalyse (BMJ 346, f10, 2013, PLoSONE 8, e56803, 2013) von Studien mit insgesamt 294.478 PatientInnen bestätigt erneut, dass weder Vitamin A, B6, B12, C, D, E und Folsäure noch Selenium einen positiven Effekt auf Angina pectoris, Herzinfarkt, Schlaganfälle, TIA und kardiovaskuläre Mortalität entfalten. Frühere Studien hatten hingegen über negative Effekte von Vitamin A und E (Pharmainfo XXII/2/2007) berichtet. 

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 30. September 2013