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Inhalt

 

Editorial zu Langzeittherapien

(Konsequenzen aus der Problematik der Hormonersatztherapie) Wir haben in einem Editorial im vergangenen Jahr (Pharmainfo XVII/3/2002) auf die Konsequenzen aus der ersten großen prospektiven Studie zur Hormonersatztherapie (Hormone Replacement Therapy: HRT) hingewiesen und bringen nun in dieser Nummer (siehe unten) internationale Kommentare zu dieser Frage sowie neuere Daten zu HRT und Morbus Alzheimer. Inzwischen ist noch eine neue große Studie (Million Women Study: Lancet 362,419,2003) zum Brustkrebsrisiko durch HRT-Behandlung hinzugekommen. Sie bestätigt neuerlich dieses Risiko, das am stärksten für Östrogen/Progesteronkombination, aber in geringerem Maße auch für Östrogen allein und für Tibolon (Liviel) gegeben ist. Eine Zahl in dieser Arbeit lässt aber erschrecken: Im letzten Jahrzehnt sind durch die HRT in England 20.000 zusätzliche Brustkarzinome aufgetreten. Wir verzichten nun auf eine globale Hochrechnung, müssen aber folgendes feststellen: Es werden heute Medikamente vom Markt genommen, bei denen wenige Todesfälle, z.B. durch akutes Leberversagen (siehe Pharmainfo XIV/3/1999 für das Antibiotikum Trovan), aufgetreten sind. Wenn wie bei Lipobay 50 Todesfälle durch Rhabdomyolyse vor der Marktrücknahme auftreten (siehe Pharmainfo XVI/4/2001), dann ist das schon als ein Ereignis zu bezeichnen, das heute nicht mehr passieren dürfte.

 

Wir wollen nun nicht im Detail analysieren, warum es bei der HRT so lange gedauert hat, bis die negative Bilanz evident wurde. Es seien nur 3 Punkte erwähnt: (i) Epidemiologische Studien hatten positive Effekte für die HRT suggeriert. (ii) Die Nebenwirkungen der HRT wie Thrombosen, Infarkte, Karzinome sind im Gegensatz z.B. zu Lebertoxizität und Rhabdomyolyse Folgen, die in der häufigen "Spontanrate" dieser Erkrankungen leicht verschwinden können. (iii) Finanzielle Interessen haben sicherlich zum "positiven Image" der HRT beigetragen. Aber stellen wir Fragen für die Zukunft: Kann etwas Ähnliches für Langzeittherapien, die heute laufend durchgeführt werden, passieren? Kann es sein, dass wir einen positiven Effekt für andere Langzeittherapien sehen, aber keine Daten für akkumulierende negative Effekte haben?

Im Folgenden besprechen wir summarisch die Datenlage für Langzeittherapien. Für die Hochdrucktherapie sind die besten Langzeitdaten zu Mortalität und "negative events" für Diuretika und ß-Blocker gegeben, gefolgt von ACE-Hemmern (auch für Angiotensinrezeptorblocker, allerdings mit viel weniger ausführlichen Langzeitdaten) und dann Kalziumkanalblockern. Für α-Blocker wurden negative Daten erhalten (siehe Pharmainfo XV/3/2000). Bei der Therapie der Herzinsuffizienz sind ACE-Hemmer (und Angiotensinrezeptorblocker) und ß-Blocker belegt lebensverlängernd wirksam, für Diuretika fehlt bei dieser spezifischen Indikation dieser Nachweis, es sei aber darauf hingewiesen, dass solche Langzeitstudien für Diuretika bei der Hochdrucktherapie existieren. Herzglykoside wirken symptomatisch (Verbesserung der Beschwerden und Reduktion der Krankenhausaufenthalte), aber nicht lebensverlängernd und sind daher nicht Mittel erster Wahl.

Bei der Reinfarktprophylaxe (Pharmainfo XIII/1/1998) liegen gute Langzeitdaten für ß-Blocker, ACE-Hemmer und Acetylsalizylsäure vor, für Kalziumkanalblocker liegen keine positiven oder nur uneinheitliche Daten vor.

Als für die Therapie der Herzrhythmusstörungen für Antiarrhythmika der Klasse I Langzeitstudien durchgeführt wurden, wurde eine erhöhte Mortalität gefunden (Pharmainfo IX/3/1994). Für Klasse III Substanzen wurden hingegen positive Daten erhalten (Pharmainfo XIII/1/1998).

Für Statine als Lipidsenker liegen sehr gute Langzeitdaten vor. Es ist zu betonen, dass dies für die neu zugelassene Substanz Ezetimib (Ezetrol), die die Cholesterinresorption senkt, nicht der Fall ist (daher nur als Reservemittel zu betrachten).

Für Antidiabetika liegen gute Langzeitdaten (Pharmainfo XIV/4/1999) für Sulfonylharnstoffe (zahlreiche Präparate) und Metformin (Desugar, Diabetex, Glucophage, Meglucon, Metformin Generika, Orabet) vor. Für Insulinsekretagoga, i.e. Repaglinid (Novonorm), und die Insulinsensitizer, i.e. Pioglitazon (Actos) und Rosiglitazon (Avandia), liegen solche Daten nicht vor. Unangenehme Überraschungen sind daher möglich (z.B. Verschlechterung der Herzfunktion durch Glitazone: Can Med A J 166,219,2002) und Zurückhaltung ist daher am Platz (siehe auch Pharmainfo XV/2/2000XV/3/2000).

Für das Asthma bronchiale liegen gute Langzeitdaten (Pharmainfo XVI/3/2001) für die inhalative Cortisontherapie vor, eine Dauertherapie nur mit kurzwirksamen und langwirksamen Sympathomimetika hat sich als negativ erwiesen.

Für Osteoporose liegen gute Langzeitdaten für Biphosphonate vor (Pharmainfo XVI/2/2001).

Für die Abmagerungsmittel Orlistat (Xenical) und Sibutramin (Reductil) fehlen noch Langzeitdaten (Pharmainfo XVII/1/2002). Diese Substanzen sind daher nur bei strengster Indikation und bei gutem Erfolg über längere Zeit zu geben (Pharmainfo XVIII/2/2003).

Antikonzeption: Ein erhöhtes Brustkrebsrisiko ist nach neuesten Daten bei Langzeitgabe nicht gegeben. Für die Pillen der 2. und 3. Generation liegen genaue Daten zum Thromboserisiko vor, die 3. Generation schneidet hier schlechter ab (Pharmainfo XVII/1/2002). Für neue Präparate, z.B. Yasmin, sind erste Daten (Pharmainfo XVIII/2/2003) zwar positiv, aber nicht ausreichend, und daher ist bei solch neuen Präparaten, wie immer, Zurückhaltung am Platz.

Betreffend Hormone hat jetzt auch eine Kampagne für den Mann begonnen, seine "Wechseljahre" kommen ins Gespräch und die wichtige Funktion eines entsprechenden Testosteronspiegels wird diskutiert. Neue Testosteronpräparate (Testoderm Pflaster, Testogel im Beutel, Testosteron "Ferring" Pflaster) sollen laut Indikation nur verabreicht werden, wenn Testosteronmangel gegeben ist. Aber was heißt das in der Praxis? Es ist schon abzusehen, dass sich hier möglicherweise die Geschichte (HRT bei Frauen) wiederholt. Wird Testosteron-Gabe zum "Jungbrunnen" für müde Männer und werden wir dann Jahre später die zusätzliche Zahl z.B. von Prostatakarzinomen präsentiert bekommen? Wir können nur warnen! Auch für das Wachstumshormon (siehe NEJM 348,779,2003), das manchmal als Hormon gegen das Altern bezeichnet wird, gilt das Gleiche, denn negative Langzeiteffekte sind nicht untersucht.

Im Gesamten ergibt sich ein positives aber differenziertes Bild der Nutzen/Risikoabwägung bei Langzeittherapien. Bei Beachtung der vorliegenden Langzeitdaten und Bevorzugung von Substanzen, bei denen diese positiv sind, sollten wir in diesen Bereichen zumindest nicht eine ähnlich negative Entwicklung wie bei der HRT erleben.

 

Phytoöstrogene

Infolge der HRT-Problematik werden nun Phytoöstrogene, z.B. Rotkleepräparate (bei uns als Nahrungsergänzungsmittel im Handel), propagiert. Dazu nur kurz die Resultate einer gut durchgeführten Doppelblindstudie aus den USA (JAMA 290,207,2003) mit 2 Rotkleepräparaten (in den USA: Promensil und Rimostil) mit 252 Teilnehmerinnen. Der Primärparameter Wallungen trat am Beginn der Behandlung 7,8 8,5 mal pro Tag auf, nach 12 Wochen in der Placebogruppe 5,0 mal, in den beiden Rotkleegruppen 5,1 und 5,4 mal. Also überhaupt kein Effekt. Weitere Parameter veränderten sich nicht einheitlich oder nicht signifikant.

Bevor man also Ausweichpräparate wie Phytoöstrogene vorschlägt, sind die mangelnde Wirkung und der fehlende Nachweis der Sicherheit zu bedenken. Dass Pflanzenextrakte generell harmlos sind, ist ja schon lange (auch mit vielen Daten) widerlegt.

 

Noch einmal Hormonersatztherapie

Wir haben im September 2002 (Pharmainfo XVII/3/2002) zur notwendigen Neubewertung der Hormonersatztherapie (Hormone Replacement Therapy: HRT) bei Frauen aufgrund einer großen amerikanischen Studie (1) Stellung genommen. Nachdem in den ersten Diskussionen von mancher Seite versucht wurde, die Notwendigkeit einer neuen und kritischen Indikationsstellung wegzudiskutieren, ist nun festzustellen, dass unabhängige Kommentare immer mehr eine klare Linie finden. Wir möchten einige Kernsätze aus einem Artikel im New England Journal of Medicine (2) zitieren, die unser Editorial noch einmal für dieses wichtige Thema verstärken (übersetzt): "Postmenopausale Symptome - wie Wallungen, vaginale Trockenheit und Beschwerden - sind weiterhin eine wichtige Indikation für HRT, wenn keine Kontraindikationen wie Thromboembolien oder Koronarerkrankungen vorliegen. Wenn nur genitale Symptome vorliegen, dann können lokale Östrogene oder nicht-hormonale Gleitmittel ausreichen und sollten überlegt werden. Da die wesentlichen Symptome normalerweise vorübergehend sind, ist eine kurzzeitige Hormongabe (für nicht mehr als 2 oder 3 Jahre) im allgemeinen ausreichend.

 Was sollen Frauen tun, die Hormone aus anderen Gründen als den obgenannten Symptomen verwenden? Diesen Frauen sollte geraten werden, die Hormongabe abzusetzen (langsam und nicht abrupt). Langzeitgebrauch kann nicht als Routinetherapie für Osteoporose (wo es alternative Möglichkeiten gibt) empfohlen werden. Es gibt auch keine Daten von großen Studien, dass eine Langzeittherapie für den Erhalt kognitiver Funktionen oder für eine jugendliche Erscheinung günstig wäre"(aber siehe unten!).

 Zum auch in Österreich beliebten Begriff der "differenzierten" Verschreibung: "Unser derzeitiges Vermögen, gute Kandidatinnen für die HRT zu identifizieren, ist zu rudimentär, um "differential prescribing" zu unterstützen. Das vernünftige Vorgehen ist, eine Langzeit-Hormontherapie zur Verhinderung von Krankheiten zu vermeiden".

Schlussbemerkung:
Für dieses Thema, das so viele Frauen betrifft, wird unser damaliges Editorial noch einmal bestätigt und verstärkt.

Nachdem dies geschrieben war, hat die evidence-based medicine noch weitere Daten, und zwar für HRT und zerebrale Funktionen geliefert:

Epidemiologische Studien hatten, so wie früher für Kreislauferkrankungen, positive Effekte von HRT auf Demenz erwarten lassen. Als Ausweitung der Women's Health Initiative (WHI) Studie wurden nun auch prospektive Daten über die Entwicklung von Demenz unter HRT versus Placebo erhalten. Hormontherapie hat nicht nur keinen günstigen Effekt, sondern verdoppelt bei Frauen über 65 Jahren und schon nach 4jähriger Behandlung das Risiko (1,8% versus 0,9%), an Demenz zu erkranken (3), möglicherweise besonders in Form von vaskulärer Demenz (4). Die kognitiven Funktionen (global cognitive function) veränderten sich in der Gesamtgruppe nicht signifikant, aber mehr Frauen in der Hormongruppe (6,7% versus 4,8% in der Placebogruppe) hatten einen klinisch relevanten stärkeren Abfall (3). Ein déjà vu, wie es ein Editorial (4) bezeichnet, zuerst die negativen prospektiven Daten für Kreislauferkrankungen und jetzt für zerebrale Funktionen und Demenz.

Letztlich wurden auch noch frühere Studien zur Lebensqualität (Pharmainfo XVII/3/2002) bestätigt (5). HRT verbessert die Lebensqualität nur, wenn vasomotorische Symptome wie Wallungen vorliegen, ohne diese werden weder die allgemeine Gesundheit, Vitalität und geistige Gesundheit noch die depressive Symptomatik und, allen Gerüchten zum Trotz, auch nicht die sexuelle Zufriedenheit verbessert.

Ein Editorial kommt zum Schluss (6): "There is no role for hormone therapy in the treatment of women without menopausal symptoms." Für die Therapie bei entsprechenden Symptomen ist ein möglichst kurzer Zeitrahmen anzustreben.

Literatur:
(1) JAMA 288,321,2002
(2) NEJM 348,579,2003
(3) JAMA 289,2651,2003
(4) JAMA 289,2717,2003
(5) NEJM 348,1839,2003
(6) NEJM 348,1835,2003

 

Neu registriert:

Buprenorphin Pflaster (Transtec Transdermales Pflaster)

In der Pharmainfo XIII/4/1998 hatten wir transdermales Fentanyl (Durogesic Depot-Pflaster) besprochen und kamen zu dem Schluss, dass es eine zusätzliche Therapiemöglichkeit in der Stufe III der Behandlung von Tumorschmerzen darstellt, allerdings bezüglich der Nebenwirkungen keine Vorteile zu retardiertem oralem Morphin (Kapanol CSR, M-Dolor retard, M-long-Retardkapseln, Mundidol retard, Mundidol uno retard, Vendal retard) zeigt. Nun ist mit Transtec ein zweites Pflaster für "mäßig starke bis starke Tumorschmerzen sowie starke Schmerzen bei ungenügender Wirksamkeit nicht-opioider Analgetika" zugelassen. Die Verwendung der Wirksubstanz Buprenorphin für die Indikation Tumorschmerz kommt überraschend, weil für diese Substanz, die partial agonistisch/antagonistisch auf Morphinrezeptoren wirkt, ein sogenannter "ceiling effect" schon lange bekannt war, d.h. bei besonders schweren Schmerzen kann auch eine Dosissteigerung zu keiner verbesserten analgetischen Wirkung mehr führen. Buprenorphin wird daher in den Richtlinien des National Cancer Institute für die Behandlung des Krebs-schmerzes als nicht geeignet angesehen (http://www.cancer.gov/cancerinfo/pdq/supportivecare/pain/HealthProfessional; siehe auch 1,2).

 Gibt es nun Daten, die die Zweckmäßigkeit einer Buprenorphin-Therapie bei Krebspatienten/innen der Stufe III unterstützen? In einem von der Herstellerfirma gesponserten Review (3) wird als Beleg für die Zweckmäßigkeit einer Langzeitbehandlung mit Buprenorphin eine ältere Arbeit (4) zitiert, in deren Zusammenfassung tatsächlich von "einer guten Wirkungsstärke und -dauer bei Dauertherapie von Krebsschmerzen" gesprochen wird. In der zitierten Arbeit selbst aber steht "Die höchste Tagesdosis betrug 4 mg; oberhalb dieser Dosierung ließen sich keine Steigerungen des analgetischen Effekts mehr erreichen. Hier kommt dann der Ceiling Effekt des partiellen Agonisten Buprenorphin zur Geltung. Diese Tatsache muss ohne Zweifel als Nachteil bei dieser Substanz im Vergleich mit der Referenzsubstanz Morphiumangesehen werden, bei der Dosissteigerungen bis zur endgültigen Wirksamkeit klinisch möglich sind".

 

Für die Zulassung von Transtec Pflaster wurden offensichtlich 4 Studien verwendet, von denen bis jetzt nur zwei publiziert wurden (5, 5a). Die anderen Studien werden in Firmenbroschüren (http://www.buprenorphine-patch.com) und in einem Review beschrieben (6). Für unsere Bewertung ist nicht die Frage entscheidend, ob Buprenorphin analgetisch wirkt (dies ist belegt), sondern ob es bei schweren bis schwersten Carcinomschmerzen für eine Dauertherapie (trotz des bekannten ceiling effects) geeignet ist. Da 3 der Studien nur eine Doppelblindphase von 6 bzw. 9 und 15 Tagen hatten, können diese Studien unsere wesentliche Frage offensichtlich nicht beantworten. Die einzige Aussage, die diese Studien bestätigen, ist, dass Buprenorphin analgetische Wirkung besitzt.
In der 4. Studie (5a), einer follow up-Studie, wurden Patienten/innen mit Carcinom- und anderen schweren Schmerzen bis zu 2 Jahre behandelt. Innerhalb eines Jahres verstarben von den Krebspatienten/innen 33%, aber 50% schieden aus der Studie wegen "insufficient pain relief/deterioration of physical status" aus, während diese Zahl für Nicht-Krebspatienten/innen nur 19,5% war. Auch sublinguale Zusatzmedikation (mehr als 1 Tablette) von Buprenorphin war für die Carcinompatienten/innen in den ersten 2 Monaten bei 26,7% notwendig (Nicht-Krebspatienten/innen nur 13%). Im Abstract der Publikation heißt es überraschenderweise, 90% der Patienten/innen betrachteten die Schmerzreduktion als zufriedenstellend. Offensichtlich wurden nur die wenigen befragt, die in der Studie verblieben. Tatsächlich sprechen die vorliegenden Daten dafür, dass Buprenorphin Pflaster bei den schweren und ansteigenden Schmerzen der Carcinompatienten/innen (vermutlich wegen seines ceiling effects) keine ideale Therapie darstellt. Nur kontrollierte Vergleichsstudien mit oralen Opiaten und dem Fentanyl-Pflaster (Durogesic) können diesen Verdacht ausräumen. Im Interesse einer optimalen Schmerztherapie bei Carcinompatienten/innen sind diese Studien dringend zu fordern.

Zugelassen wurde Transtec nicht über das zentrale europäische Verfahren, das unserer Meinung nach ein Gütesiegel für einen hohen Standard darstellt und von den Firmen angestrebt werden sollte. Das für Transtec benützte Verfahren beginnt mit einer Zulassung in einem Staat, dem sich dann andere Staaten anschließen können (mutual recognition). Die Erfahrung zeigt, dass hier die Qualität der Zulassung sehr stark schwanken kann.

 

Zusammenfassend können wir feststellen: Buprenorphin wird als partieller Morphin-Agonist in Richtlinien zur Krebsschmerzbekämpfung wegen seines ceiling effects in der analgetischen Wirkung als ungeeignet zur Bekämpfung von schweren Carcinomschmerzen betrachtet. Für Transtec liegen zwar Daten vor, die eine analgetische Wirkung belegen, für die Dauertherapie von Krebsschmerzen sind diese Daten aber unzureichend. Sie geben sogar den Hinweis, dass diese Therapie bei Ansteigen der Schmerzen abgebrochen werden muss. Für eine/n Krebspatientin/en ist es eine unzumutbare Belastung, wenn in der Stufe III der Behandlung mit einem Pflaster begonnen wird, das aber dann wegen des ceiling effects wieder durch eine andere Therapie ersetzt werden muss. Nur Langzeit-Vergleichsstudien mit oralem retardiertem Morphin und/oder dem Fentanylpflaster könnten dieses Urteil über Transtec revidieren.

Technologisch ist das Pflaster ein Fortschritt, da es kein flüssiges Reservoir besitzt. Bei Beschädigung des Pflasters kann daher Buprenorphin nicht austreten.

 Literatur:
(1) Med Lett 42,77,2000
(2) NEJM 335,1124,1996
(3) Budd K.; Buprenorphin, Hayward Med. Communications, 2002
(4) D Med Wschr 110,448,1985
(5) Clinical Therapeutic 25,150,2003
(5a) Publikation eingereicht: Grünenthal (data on file)
(6) Clin Rheumatol Suppl I,S13-S16,2002

 

Tiotropiumbromid (Spiriva)

Die wichtigste Maßnahme in der Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease, COPD) bleibt die Nikotinentwöhnung - wie wir das in der Pharmainfo XV/1/2000 besprochen haben - da kein Medikament die Progression der Erkrankung aufhalten kann. Zur Linderung der Atemnot bei COPD werden seit langem bronchodilatatorisch wirksame Medikamente angewandt. Wenn die bedarfsweise Gabe von kurz wirksamen ß2-Rezeptor-Agonisten nicht ausreicht, wird eine Dauerbehandlung mit inhalativen Anticholinergika oder lang wirksamen ß2-Rezeptor-Agonisten empfohlen (1). Es gibt Hinweise darauf, dass Anticholinergika hier besser wirksam sind als ß2-Rezeptor-Agonisten (2), vermutlich weil das cholinerge vegetative System für einen erhöhten Basaltonus der Bronchialmuskulatur verantwortlich ist (3).

Bisher war in Österreich als inhalatives Anticholinergikum nur Ipratropiumbromid (Atrovent; als Kombination mit Sympathomimetika in Berodual, Berodualin, Combivent, Di-Promal) erhältlich. Seit Oktober 2002 ist nun das lang wirksame Anticholinergikum Tiotropiumbromid (Spiriva) zugelassen.

Bei Tiotropiumbromid handelt es sich um eine quaternäre Ammoniumverbindung, die als kompetitiver Antagonist zu Acetylcholin an den muskarinischen M1-, M2- und M3-Rezeptoren wirkt. Während die M1- und M2-Rezeptoren an Ganglien bzw. postganglionären Nervenfasern liegen, finden sich die M3-Rezeptoren unmittelbar an den glatten Muskelfasern und exokrinen Drüsen. Eine Blockade der M3-Rezeptoren führt zu einer Bronchodilatation. Die besonders langsame Dissoziation des Tiotropiumbromidmoleküls vom M3-Rezeptor erklärt die lange Wirksamkeit (4) und ermöglicht die einmal tägliche Anwendung, im Gegensatz zu Ipratropiumbromid, das drei- bis viermal täglich angewendet werden muss.

Tiotropiumbromid wird als Pulver aus dem speziell dafür entwickelten HandiHaler inhaliert. Zur Aufnahme einer ausreichenden Dosis ist ein inspiratorischer Flow von nur 20 l/min notwendig, sodass auch Patienten/innen mit schwerer COPD behandelt werden können (5).
Ca. 20% der Wirksubstanz gelangen in die Atemwege, der übrige Anteil wird im Verdauungstrakt deponiert. Etwa 10-15% der verabreichten Dosis werden in die systemische Zirkulation resorbiert, was die anticholinergen Nebenwirkungen an anderen Organen (Mundtrockenheit, tachykarde Rhythmusstörungen, Obstipation, Harnverhaltung, Steigerung des Augendrucks) erklärt. Da die Ausscheidung über die Niere erfolgt, wurden bei Patienten/innen mit eingeschränkter Nierenfunktion erhöhte Plasmakonzentrationen gefunden.
Im Vergleich zu Placebo (6), aber auch zu Ipratropiumbromid (7) und Salmeterol (Serevent: 8) führt Tiotropiumbromid nach sechs- bis zwölfmonatiger Behandlung zu signifikanten Verbesserungen von Atemnot, Lebensqualität, Einsekundenkapazität (FEV1), forcierter Vitalkapazität (FVC) und Spitzenfluss (peak expiratory flow, PEF). Verglichen mit Placebo und Ipratropiumbromid sinkt auch die Zahl der akuten Exazerbationen. In den Studien nicht explizit erwähnt ist eine mögliche Wirksamkeit gegen das oft sehr störende Symptom der vermehrten Schleimproduktion. Die Hustenfrequenz wird im Vergleich zu Placebo jedenfalls nicht gesenkt (6).
Die häufigste Nebenwirkung ist Mundtrockenheit, die bei bis zu 16% der behandelten Patienten/innen auftritt und meist bei Fortführung der Therapie wieder verschwindet. Allerdings ist diese unerwünschte Wirkung bei Tiotropiumbromid etwa doppelt so häufig wie bei Ipratropiumbromid. Weiters wurden Fälle von oraler Candidiasis, Pharyngitis und Sinusitis, möglicherweise als Folge der Schleimhauttrockenheit, beobachtet.

Zusammenfassung

Bei Tiotropiumbromid handelt es sich um eine neue Wirksubstanz zur symptomatischen Behandlung der COPD. Die einmal tägliche Gabe ist zweifellos ein Vorteil gegenüber dem Vorläuferpräparat. Wie bei den als Alternative in Frage kommenden Medikamenten (Ipratropiumbromid, lang wirksame ß2-Agonisten) sind die in Studien beobachteten Verbesserungen der Lungenfunktion zwar statistisch signifikant, aber in Absolutwerten betrachtet gering. Dies entspricht dem Charakter der Erkrankung, bei der die Atemwegsobstruktion im Gegensatz zum Asthma bronchiale überwiegend durch Gewebeumbau "fixiert" ist und medikamentöse Maßnahmen allein den progredienten Funktionsverlust nicht verhindern können. Deshalb ist die Nikotinabstinenz so entscheidend.

Literatur:
(1) Am J Respir Crit Care Med 163,1256,2001
(2) Chest 99,871,1991
(3) NEJM 319,486,1988
(4) Life Sci 52,537,1993
(5) J Aerosol Med 14,309,2001
(6) Eur Respir J 19,217,2002
(7) Eur Respir J 19,200,2002
(8) Chest 122,47,2002

 

Anakinra (Kineret)

Diese Substanz erhielt eine zentrale europäische Zulassung und wir können daher, wie wir dies bei solchen Substanzen tun, aus dem durch das Internet zugänglichen wissenschaftlichen Report der Europäischen Behörde (EPAR: http://www.emea.eu.int) zitieren.
Anakinra ist ein gentechnologisch hergestelltes Eiweiß (153 Aminosäuren), das dem natürlich vorkommenden Interleukin 1-Rezeptor-Antagonisten entspricht. Anakinra blockiert die Wirkung von Interleukin 1und 1ß, die als wichtige Mediatoren für die Entzündung und den Gelenkschaden bei rheumatoider Arthritis gelten. Für die Zulassung waren 2 klinische Studien mit insgesamt über 800 Patienten/innen und 24 Wochen Dauer entscheidend. Als wesentliche Parameter wurde die Verbesserung eines ACR (American College of Rheumatology) scores um 20% bestimmt. Mit diesem Parameter werden die Zahl der geschwollenen und schmerzempfindlichen Gelenke, Schmerz, CRP und andere Faktoren bestimmt. Anakinra erwies sich als signifikant wirksam, sowohl in Monotherapie, als zusätzlich zu Methotrexat (Methotrexat Präparate). Vergleichende Studien mit anderen Mitteln (z.B. Methotrexat) liegen aber noch nicht vor, sodass eine Zulassung als primäre Monotherapie nicht gerechtfertigt erschien.

Die genehmigte Indikation lautet daher für Behandlung von rheumatoider Arthritis in Kombination mit Methotrexat, wenn die Patienten/innen nur unzureichend auf dieses allein ansprechen. Anakinra muss einmal täglich s.c. injiziert werden. Als häufigste Nebenwirkung traten in den Studien Reaktionen an der Einstichstelle (bei 70%: Erythem, Entzündung, Schmerz) auf. Neutropenie trat bei 2,5% auf, schwerwiegende Infektionen bei 1,8% (Placebo 0,7%), Todesfälle wurden keine beobachtet. Erst die post marketing-Periode wird zu einer verlässlichen Bewertung des Nebenwirkungspotentials führen.

Zusammenfassung:
Anakinra blockiert spezifisch Interleukin1-Rezeptoren und stellt daher einen weiteren interessanten Versuch dar (so wie Blockade des Tumor Nekrose Faktors, TNF a, durch Infliximab: Remicade und Etanercept: EnbrelPharmainfo XV/2/2000 und XVI/1/2001), bei der rheumatoiden Arthritis gezielt in die pathophysiologischen Abläufe einzugreifen.

Die Wirkung ist ausreichend belegt, allerdings fehlen noch Vergleichsstudien mit anderen etablierten Therapien (z.B. Methotrexat), daher ist derzeit nur die Indikation als zusätzliche Gabe zu Methotrexat, wenn dieses allein nicht ausreichend wirkt, zugelassen.
Das Nebenwirkungsspektrum ist aufgrund der derzeit vorliegenden Resultate relativ günstig, aber Daten an größeren Patienten/innen-Zahlen müssen dies erst bestätigen.

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 5. Januar 2004

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

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