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Inhalt

 

Editorial zur Hormonersatztherapie

In der Pharmainfo VII/3/1992 haben wir zur Indikation für Hormonersatztherapie mit Östrogen festgestellt: "Mit Sicherheit sollten daher Patientinnen eine Substitution bekommen, die belastende Beschwerden haben. Inwieweit in Zukunft eine generelle Substitution empfohlen werden kann, ist derzeit noch nicht abzusehen". Es hat aber viele Stimmen, auch in Österreich, gegeben, die für eine "flächendeckende" Verschreibung eintraten. In den USA haben 40% der Frauen diese Therapie erhalten. Im Laufe der Jahre wurde aber die Risiko/Nutzenabwägung immer problematischer. So wurde im Jahre 1998 bezüglich des Risikos immer klarer, dass eine Langzeittherapie das Brustkrebsrisiko deutlich, nach 5 Jahren schon um 35% erhöht (Pharmainfo XIII/1/1998: "Es sollte daher die Hormoneinnahmedauer ab 5 Jahren kritisch überlegt werden"). Beim Nutzen kamen Zweifel zur positiven Wirkung auf Herz-Kreislauferkrankungen auf (Pharmainfo XIV/1/1999: "Allerdings ist diese positive Wirkung der Östrogene auf Kreislauferkrankungen, die durch epidemiologische Studien doch relativ sichergestellt schien, nun durch eine erste prospektive Studie in Frage gestellt. Dies bestätigt, dass diese Substitution keine generelle Routinetherapie darstellt"). Nun musste in der ersten großen prospektiven Studie, von der man sich eigentlich eine positive Beurteilung erwartete, der Östrogen/Progesteron-Arm wegen negativer Daten frühzeitig abgebrochen werden (1). Auf 10.000 Frauen kam es pro Jahr zu zusätzlichen Erkrankungsfällen und zwar 8 wegen Pulmonalembolie, 7 wegen Koronarerkrankungen, 8 wegen Schlaganfällen und 8 wegen Brustkrebs, aber dafür 6 weniger Colonkarzinome und 5 weniger Oberschenkelhalsfrakturen. Die Bilanz ist negativ, auch wenn man dies als kleines Risiko bezeichnen könnte, trifft es in 5 Jahren immerhin 1 Frau von 100, die zusätzlich schwer erkrankt. Diese Daten sind konsistent mit anderen Studien, was Brustkrebsrisiko (siehe oben), thromboembolische Nebenwirkungen (z.B. 2) und Koronarerkrankungen (3) betrifft (siehe auch 4,5). Die kombinierte Hormonersatztherapie schützt nicht vor Kreislauferkrankungen, sondern erhöht das Risiko für Lungenembolien, Schlaganfälle und Herzinfarkte und erhöht auch das Brustkrebsrisiko, allerdings bei einer Reduktion von Colonkarzinomen. Wie andere Studien zeigen, wird das Risiko für Gallensteine und dadurch notwendige Gallenoperationen ebenfalls erhöht (siehe 6). Positiv ist, auch in der obigen Studie, die Wirkung bei Osteoporose. Allerdings gibt es für diese Erkrankung zur Prävention und Therapie die Basisgabe von Calcium und Vitamin D3 und die gut wirksamen Bisphosphonate, die nicht zu zusätzlichen Todesfällen führen (Pharmainfo XVI/2/2001). Diese Medikamente sind daher klar vorzuziehen. Es ist daher nicht überraschend, dass in einem Editorial im Journal of the American Medical Association (7) festgestellt wird: "Given these results we recommend that clinicians stop prescribing this combination for long term use".Dem ist für die Langzeittherapie mit der Östrogen/Progesteronkombination nichts hinzuzufügen. Für eine Therapie mit Östrogen bei hysterektomierten Frauen sind die Daten des noch weiter laufenden Armes der obigen Studie abzuwarten. Überraschend ist aber, wenn es nun Experten (auch in Österreich) gibt, die von einer schlecht geplanten Studie, von Resultaten, die nur für die USA oder nur für ein bestimmtes Präparat gelten, sprechen. Vielleicht ist es etwas unangenehm, frühere optimistische Stellungnahmen für eine "flächendeckende" Substitution zurücknehmen zu müssen. Derzeit ist aber die Datenlage klar.
Wo bleibt aber das Argument des Wohlbefindens der Frau durch Östrogengabe? Hierzu ist zuerst einmal festzustellen, dass hier Plazeboeffekte zu erwarten sind, insbesondere, wenn man den Frauen über Jahre eingeredet hat, dass der Verlust der Hormone sie massiv schädigt, geradezu zu "Krüppeln" macht. Aber auch hier ist nicht Spekulation, sondern "evidence based medicine" entscheidend. Mehrere Studien (siehe 8) fanden einen Zusammenhang zwischen Lebensqualität, Vorliegen von Wechselbeschwerden und Therapie, d.h. nur bei solchen Patientinnen, die z.B. Wallungen hatten, führte die Therapie zu einer signifikanten Verbesserung von "Mental Health" und depressiven Symptomen gegenüber Plazebo. Damit sind wir bei der Frage der Kurzzeit-Hormonersatztherapie für klimakterische Symptome angelangt. Östrogene mildern klimakterische Beschwerden und trophische Störungen, wie z.B. Kolpitis, und nur bei Frauen mit diesen Symptomen verbessert dies nachweislich die Lebensqualität. Demgegenüber steht das schon im ersten Jahr erhöhte thromboembolische und koronare Risiko, während Schlaganfall- und insbesondere Brustkrebsrisiko erst später kommen. Eine Entscheidung für eine kurzzeitige Therapie je nach Schwere der Symptome und nach Aufklärung der Patientinnen erscheint nach wie vor möglich und damit sind wir wieder bei der eingangs zitierten Empfehlung (Pharmainfo VII/3/1992) angelangt: "Mit Sicherheit (heute: vertretbarerweise) sollten Patientinnen eine Substitution bekommen, die belastende (!) Beschwerden haben".

Literatur:
(1) JAMA 288,321,2002
(2) Ann Intern Med 132,689,2000
(3) JAMA 280,605,1998
(4) JAMA 288,49,2002
(5) JAMA 288,58,2002
(6) NEJM 345,37,2001
(7) JAMA 288,368,2002
(8) JAMA 287,591,2002

 

Update zur Behandlung von Alzheimer Demenz

Wir haben in der Pharmainfo XV/4/2000 diese Therapie ausführlich besprochen und sind zum Schluss gekommen, dass nur für Cholinesterasehemmer eine verlässlich belegte, positive Wirkung vorliegt (für Ginkgo siehe unten Pflanzenextrakte). Allerdings ist auch diese rein symptomatische Wirkung nur vorübergehend und verändert nicht den degenerativen Krankheitsverlauf. Diese Präparate sollten daher nur länger gegeben werden, wenn eine Besserung offensichtlich ist. Jetzt ist ein vierter Cholinesterasehemmer auf den Markt gekommen, den wir hier nur kurz unter Bezugnahme auf den Medical Letter besprechen (1).

 

Galantamin (Reminyl):

Diesem Medikament liegt ein ursprünglich aus Schneeglöckchen isoliertes Alkaloid zugrunde (2). Es hemmt die Cholinesterase und sensibilisiert auch den nikotinischen Rezeptor für Acetylcholin. Zur Wirkung (Studien siehe 1,2,3 und 4) stellt der Medical Letter fest: "Galantamine produces modest improvements in measures of cognition and functioning in patients with mild to moderate Alzheimer's disease. Gastrointestinal symptoms have been the most common adverse effects. Whether galantamine offers any advantage over donepezil or rivastigmine remains to be established by comparative trials".
Inzwischen wurde in einer weiteren Studie Galantamin bei Patienten/innen mit vaskulärer Demenz und Alzheimer Demenz getestet (5). Für beide Krankheitsbilder wurden positive Effekte gesehen. Auch in dieser Studie zeigte sich das beträchtliche Nebenwirkungspotential von Cholinesterasehemmern, da 16% der Patienten/innen aus der Studie wegen der Nebenwirkung Nausea und Erbrechen ausschieden (Plazebogruppe 3%). Derzeit wird spekuliert, dass die zusätzliche Wirkung auf Nikotinrezeptoren durch Galantamin einen Vorteil bietet (6), ob sich aber Galantamin dadurch von anderen Cholinesterasehemmern unterscheidet, werden erst direkt vergleichende Studien mit diesen Substanzen zeigen ("The clinical significance of its nicotinic activity remains to be established": siehe Medical Letter:1).
Ein weiteres Präparat, allerdings mit einem anderen Wirkungsmechanismus, wurde ebenfalls neu zugelassen.

 

Memantin (Axura, Ebixa)

Diese Substanz erhielt im Jahre 2002 eine zentrale europäische Zulassung. Im folgenden werden die wesentlichsten Punkte aus dem European Public Assessment Report (EPAR: www.emea.eu.int) zitiert. Memantin ist ein nicht-kompetitiver Antagonist von Glutamat an einem der Rezeptor-Subtypen (NMDA: N-Methyl-D-Aspartat), der in Neuronen am Calcium-Influx beteiligt ist. Eine Überstimulation von Glutamat-Rezeptoren soll zu Zellschädigungen führen können und diesem Prozess würde Memantin entgegenwirken. Inwieweit dies in der komplexen Pathogenese der Alzheimer Erkrankung eine rationale Therapie darstellt, bleibt offen. 
Die entscheidende Doppelblindstudie wurde an 250 Alzheimer Patienten/innen durchgeführt: Nach 28 Wochen verblieben nur mehr 181 Patienten/innen in der Studie (n=78 für Plazebo, n=97 für Memantin). Als Primärkriterien wurden für "Aktivitäten des täglichen Lebens" (ADCS-ADL Test) für Memantin signifikante Daten gefunden, für den CIBIC-Plus Test (Bewertung von Verhalten und kognitiven Funktionen durch den/die Kliniker/in) nur, wenn man die ausgefallenen Patienten/innen nicht inkludierte. Auch eine "Responder" Analyse ergab keine überwältigenden Resultate: Wenn man eine strenge Analyse mit 3 Kriterien (2 Verhaltenstests und 1 kognitiver Test) anwandte, dann waren in der Memantin Gruppe nur 11% und in der Plazebo Gruppe 6% gebessert - ein nicht signifikantes Resultat. Eine "mildere" Analyse (2 von 3 Kriterien positiv) ergab 29% versus 10% (signifikant).
Diese kurze Analyse zeigt, dass wir uns hier im Rahmen der derzeit für Alzheimer-Mittel typischen Resultate bewegen. So wie für Cholinesterasehemmer gilt auch für Memantin, dass in Studien gewisse Verbesserungen gesehen werden, aber nur bei einem Teil der Patienten/innen und im Gesamten von limitierter klinischer Signifikanz. Über 6 Monate hinaus liegen keine verlässlichen Daten aus Doppelblindstudien vor. Bezüglich Nebenwirkungen dürfte Memantin mit Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Halluzinationen günstiger als die Cholinesterasehemmer zu bewerten sein.
Auch für Memantin gilt, wie für die Cholinesterasehemmer, ein Therapieversuch ist mangels besserer Substanzen gerechtfertigt. Nur wenn positive Wirkungen gesehen werden, ist eine längerdauernde Verwendung bei dieser Subgruppe angebracht.

Literatur:
(1) Med Lett 43,53,2001
(2) Drugs 60,1095,2000
(3) Neurology 54,2269,2000
(4) BMJ 321,1,2000
(5) Lancet 359,1283,2002
(6) Biol Psychiatry 49,279,2001
(7) Lancet 356,1627,2000
(8) Lancet 360,7,2002

 

Pflanzenextrakte in Diskussion

Wir haben bereits in der Pharmainfo XVII/2/2002 über das Pflanzengemisch PC-SPES berichtet, dessen Wirkung bei Prostatakarzinom nicht belegt ist und bei dem Zumischungen von Tranquilizern wie Alprazolam u.a. gefunden wurden.

Vor kurzer Zeit mussten nun alle Kava-Präparate vom Markt genommen werden, da mehr als 30 Fälle von Lebertoxizität mit diesem Präparat in Verbindung gebracht werden. Diese Präparate mögen eine gewisse entspannende Wirkung haben und dies dürfte ihre Verwendung als soziale Droge in Ozeanien erklären. Für eine Indikation wie z.B. Gefühl der Überforderung war aber das Vorliegen von schweren Nebenwirkungen nicht zu vertreten.

Für Echinacea-Präparate (Echinacea Madaus Capsetten-Lutschpastillen, Echinacin Madaus Saft und Tropfen, Echinacea Bioforce Tropfen) stellt der unabhängige amerikanische Medical Letter (1) fest: "There is no convincing evidence that echinacea decreases the severity or shortens the duration of an upper respiratory infection. Allergic reactions, including anaphylaxis, have been reported". Anaphylaktische Reaktionen bei Pflanzenextrakten sind natürlich bei parenteralen Injektionen besonders problematisch, deshalb sind auch keine parenteralen Echinacea- (ausser homöopathische Zubereitungen, die hoffentlich zu verdünnt sind, um Allergien auslösen zu können) oder Ginkgo-Präparate mehr zugelassen. Orale Präparate sind weniger riskant, aber es fehlt für Echinacea-Präparate der Wirksamkeitsnachweis.

Zu den Ginkgo-Präparaten (CerebokanCeremin, Tebofortan, Tebonin retard) haben wir über Daten zur Demenztherapie und bei Tinnitus berichtet. Für letztere Erkrankung hat eine große Studie klar negative Resultate erbracht (Pharmainfo XVI/2/2001). Für die Demenztherapie lagen einige positive Studien vor, die Daten waren aber nicht ausreichend (Pharmainfo XV/4/2000; siehe auch 2). Eine weitere Studie fand nun an älteren Patienten/innen mit milden bis mittelstarken Gedächtnisstörungen keinen positiven Effekt von Ginkgo-Extrakten (3).
Bei älteren, gesunden Probanden wurden in einer weiteren Studie (4) keine positiven Effekte in psychologischen Tests (für Lernen und Gedächtnis) gefunden. Eine "abschließende" Studie mit ausreichender Patientenzahl, die so wie für Tinnitus klar negative oder, was kaum mehr zu erwarten ist, klar positive Daten erbringt, wäre wünschenswert.

Für Johanniskraut-Präparate (Dr. Böhm Johanniskraut 425 mg, Esbericum, Felis 425 mg, Hyperiforce, Jarsin 300 mg, Johanicum 425 mg, Kira 300 mg, Perikan, Psychotonin) haben wir festgestellt (Pharmainfo XV/2/2000), dass zwar positive Studien vorliegen, aber weder die optimale Dosis, noch die Langzeitwirkung und auch die Frage, welcher Wirkstoff (Hypericin oder Hyperforin) für eine mögliche Wirkung verantwortlich ist, geklärt sind. Über die potentiell gefährlichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben wir berichtet. 
Inzwischen hat eine größere Doppelblindstudie (n = 100/Gruppe) negative Resultate gebracht, und zwar unabhängig davon, ob leichtere oder schwerere Depressionen vorlagen (5). Ebenfalls negativ war eine weitere große Studie (6), in der Plazebo, Johanniskraut und Sertralin verglichen wurden. Allerdings war auch Sertralin in dieser Studie nur in einem Parameter (Clinical Global Impression Scale for Improvement) signifikant von Plazebo unterscheidbar.
Sowohl für Depressionen als auch Alzheimer Demenz gibt es belegt wirksame Therapien. Die Verwendung dieser Extrakte ist immer schwerer zu vertreten. Sollte dadurch der Millionenumsatz dieser Präparate sinken, wird dies endlich die Firmen dazu bringen, möglicherweise wirksame Substanzen aus diesen Pflanzen zu isolieren und zu testen und dann bei positiven Daten eine wirklich rationale Therapie zu ermöglichen.

Literatur:
(1) Med Lett 44,29,2002
(2) Neurology 56,1154,2001
(3) J Am Geriatr Soc 48,1183,2000
(4) JAMA 288,835,2002
(5) JAMA 285,1978,2001
(6) JAMA 287,1807,2002

 

Therapie der allergischen Rhinokonjunktivitis

Die allergische Rhinokonjunktivitis gehört zum Spektrum der Atopie-assoziierten Erkrankungen, ist also eine IgE-mediierte Entzündung der Nasenschleimhaut und/oder Konjunktiva. Symptome können sowohl durch Allergenkontakt als auch durch unspezifische Reize, wie kalte oder staubige Luft, ausgelöst werden. Die allergische Rhinokonjunktivitis betrifft bis zu 25% der Bevölkerung und scheint in den westlichen Ländern häufiger zu werden. Wenn die Erkrankung auch nicht "gefährlich" ist, so besteht doch ein beträchtlicher Leidensdruck durch Minderung der schulischen oder beruflichen Leistung und durch Einschränkungen im sozialen Bereich. Die allergische Rhinitis gilt als Risikofaktor für eine Asthmaentwicklung.
Neben der Unterteilung in saisonale, perenniale und berufliche allergische Rhinitis versucht man in einer neueren Klassifikation, die Erkrankung bezüglich der Häufigkeit und des Schweregrades der Beschwerden einzuteilen, und zwar als "intermittierend" (Symptome an weniger als 4 Tagen pro Woche oder insgesamt weniger als 4 Wochen) und "persistierend" (Symptome an mehr als 4 Tagen pro Woche und über 4 Wochen insgesamt). Von "milder Symptomatik" spricht man, wenn der Schlaf nicht beeinträchtigt ist, die Symptome als nicht sehr störend empfunden werden und die Schul- bzw. Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt sind, anderenfalls gilt die Symptomatik als "mittelgradig/schwer".
Eine "kausale" Therapie bestünde in Allergenkarenz, was aber bei den Pollenallergien in den meisten Fällen nicht realisierbar ist. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Hyposensibilisierungsbehandlung indiziert.
Die medikamentöse Therapie hat die Funktion, Krankheitssymptome zu bekämpfen. Zum Einsatz kommen vornehmlich lokal oder systemisch angewandte Antihistaminika, intranasal applizierte Corticosteroide und (kurzzeitig) lokale Vasokonstriktoren für Nase und Auge. Im November 2001 wurden im Rahmen der ARIA (Allergic Rhinitis and its Impact on Asthma)-Konferenz neue Therapierichtlinien für die saisonale allergische Rhinitis (den "Heuschnupfen") erstellt: Bei intermittierenden milden Symptomen genügen Antihistaminika (oral oder lokal als Nasenspray bzw. als Augentropfen), eventuell kurzzeitig ergänzt durch einen lokalen Vasokonstriktor. Bei persistierender Erkrankung und/oder mittelgradigen bis schweren Symptomen sollen intranasale Kortikosteroide verabreicht werden. Bei unzureichender Wirkung wird in den neuen ebenso wie in den älteren Richtlinien die Kombination intranasaler Corticosteroide mit Antihistaminika empfohlen, obwohl der Beweis für eine Überlegenheit dieser Kombination im Vergleich zu einer Monotherapie mit intranasalen Corticosteroiden aussteht (1).

 

Antihistaminika

Histamin ist neben den Cysteinyl-Leukotrienen der wesentliche Mediator der allergischen Sofortreaktion. Antihistaminika wirken als kompetitive Antagonisten vornehmlich an Histamin (H1)-Rezeptoren der glatten Gefäßmuskulatur und an Nervenendigungen. Klinisch zeigen sie eine besonders gute Wirkung gegen den Juckreiz an Nase und Augen und gegen das Niesen, kaum wirksam sind sie gegen die nasale Obstruktion. Diese ist Ausdruck der allergischen Spätreaktion, die vornehmlich durch Zytokine wie etwa Interleukine (IL-4, IL-5, IL-13) und Tumor necrosis factor-alpha und weniger durch Histamin vermittelt wird.
Diskutiert wird derzeit noch die Frage, ob durch längerdauernde Verabreichung von systemischen Antihistaminika im Kindesalter die Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale verhindert werden kann (2). Hier soll eine derzeit laufende Studie (Protection Against Asthma und Sinusitis, PAAS) Auskunft geben.
Antihistaminika können bei der Heuschnupfenbehandlung lokal als Nasenspray bzw. Augentropfen (Levocabastin: Livostin; Azelastin:Allergodil; Emedastin: Emadine Augentropfen) oder oral angewandt werden. Lokale und orale Anwendung sind in ihrer Wirksamkeit als gleichwertig zu betrachten (1).
Antihistaminika der ersten Generation wie Dimetindenmaleat (Fenistil), Oxatomid (Tinset) oder Ketotifen (Ketotifen "Nycomed", Zaditen)wirken sedierend und werden deshalb kaum mehr systemisch angewandt. Einige dieser Präparate erlangten auch durch das Auftreten lebensbedrohlicher Arrhythmien traurige Berühmtheit (Verlängerung der QT-Zeit mit der Gefahr von Torsades de pointes). Terfenadin (Triludan) und Astemizol (Hismanal) wurden deshalb vom Markt genommen. Unverständlicherweise wurde nun Terfenadin von mehreren Firmen in Österreich als Genericum registriert (siehe Pharmainfo XVII/1/2002). Klarerweise ist aufgrund der Datenlage auch die Anwendung dieser Generica-Präparate nicht vertretbar.
Loratadin (Clarityn, Loratadin Aesca, Loratyn), Fexofenadin (Telfast), Mizolastin (Mistamin, Mizollen), Acrivastin (Semprex) und Ebastin (Ebastin "Arcana", Ebastin "Merck") zählen zu den Antihistaminika der zweiten Generation, zeigen eine höhere Affinität zum H1-Rezeptor, sind länger wirksam und wirken deutlich weniger sedierend. Daher sind sie auch für Patienten/innen mit Berufen, die hohe Aufmerksamkeit erfordern, geeignet. Auch Cetirizin (Cetirizindihydrochlorid "Arcana", Cetirizin "ratiopharm", ZirtekZyrtec) gehört zur zweiten Generation, wirkt aber etwas sedierend. Bezüglich der Gefahr von Arrhythmien oder Arzneimittelinteraktionen gelten Fexofenadin, Acrivastatin, Cetirizin als unbedenklich und Loratadin als wahrscheinlich sicher (2a, 2b), für Ebastin ist, da es im Tierversuch die QT-Zeit verlängert (3), eine kardiotoxische Wirkung nicht auszuschließen. Allerdings ist am Menschen der Effekt auf die QT-Zeit geringer als der von Terfenadin (4). Auch für Mizolastin liegen negative Daten vor (2a). Ein Nachteil von Acrivastin ist die Notwendigkeit einer mehrmals (3x) täglichen Gabe.
Jüngst werden Nachfolgepräparate von bereits etablierten Antihistaminika, mit minimalen chemischen Abweichungen von der ursprünglichen Substanz, angeboten: Desloratadin (Aerius) und Levocetirizin (Xyzall)Die von den Herstellern postulierten klinischen Vorteile gegenüber den Ausgangssubstanzen ("erklärbar" durch höhere Affinität zum H1-Rezeptor, längere Rezeptorbindung und stärkere entzündungshemmende Wirkung) sind durch keine vergleichenden klinischen Studien bewiesen (5).
Bezüglich der Anwendung von Antihistaminika in der Schwangerschaft gibt es, zumindest für das erste Trimenon, wie bei anderen Substanzklassen auch, keine fixen Empfehlungen, außer der allgemeinen Regel, so wenig systemische Arzneimittel wie möglich anzuwenden. Die europäische Behörde überprüft derzeit die Sicherheitsdaten von Loratadin, da nach dessen Anwendung kürzlich über eine erhöhte Missbildungsrate berichtet wurde. Als unbedenklich gilt jedenfalls die lokale Anwendung von Cromoglycinsäure-Präparaten (siehe unten).
Orale Kombinationspräparate mit Vasokonstriktoren 
(Pseudoephedrin + Loratadin: Clarinase; Phenylephrin + Carbinoxamin: Rhinopront) gelten wegen der Gefahr der Blutdrucksteigerung, und insbesondere von Schlaganfällen, obsolet.

 

Intranasale Corticosteroide

Intranasal zu applizierende Corticosteroidpräparate (Fluticason: Flixonase; Budesonid: Rhinocort aqua; Rhinocortol Turbohaler; Mometason:Nasonex aquosum; Triamcinolon: Nasacort) sind gut wirksam gegen Niesen, Fließschnupfen und die nasale Obstruktion, jedoch weniger gegen den Juckreiz. Insgesamt zeigen sie eine stärkere Wirkung als Antihistaminika und werden daher eingesetzt, wenn diese zur Symptomenkontrolle nicht ausreichen. Neben dem Heuschnupfen gilt auch die nasale Polypose als Indikation für intranasale Corticosteroide (6). Vergleichende Untersuchungen zwischen den einzelnen Steroidpräparaten konnten keine wesentlichen und reproduzierbaren Wirkungsunterschiede aufzeigen (1).
Die Präparate führen gelegentlich zu Schleimhauttrockenheit, zum Teil mit Krustenbildung und blutig tingiertem Nasensekret. Eine Dosisreduktion vermag diese Beschwerden zu lindern. Nur in Einzelfällen wurden Septumperforationen beschrieben. Eine Suppression der körpereigenen Cortisolsynthese oder andere systemische Cortisonwirkungen wurden bei ausschließlich intranasaler Anwendung von topischen Corticosteroiden in den zugelassenen Dosen nicht beschrieben (1).
Systemische Corticosteroide sollen nur in ausgewählten Einzelfällen bei starken, anderweitig nicht ausreichend behandelbaren Beschwerden eingesetzt werden, und zwar - wie bei diesen Substanzen üblich - so kurz als möglich. Die früher sehr beliebte, intramuskuläre Injektion von Depot-Corticosteroiden (
z.B. Triamcinolon: Delphicort, Volon A) vor Beginn der Pollensaison gilt als obsolet.

 

Andere Entzündungshemmer

Dinatrium-Cromoglicinat (DNCG: Acromax, Cromoglin, Lomusol, Vividrin) und Nedocromil (Tilarin, Tilavist) kommen für die lokale Anwendung an Nase und Augen in Frage. Die Wirkung ist schwächer als die der Antihistaminika (7). Daher gelten sie nicht als Medikamente der ersten Wahl bei Heuschnupfen (bzgl. Schwangerschaft siehe oben). 
Die Cysteinyl-Leukotrien-Antagonisten (Montelukast: Singulair) haben derzeit ebenfalls keinen fixen Platz im Stufenplan der Heuschnupfenbehandlung, wenngleich erste Studien einen potenzierenden Effekt mit oralen Antihistaminika gezeigt haben. Hier sind weitere Erfahrungen und Empfehlungen abzuwarten.

 

Zusammenfassung

Die allergische Rhinokonjunktivitis, der Heuschnupfen, ist eine zwar harmlose Erkrankung, kann aber das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf sowie das soziale Leben des Betroffenen wesentlich beeinträchtigen. Orale oder lokale Antihistaminika und intranasale Corticosteroide sind die bewährten Grundpfeiler der symptomatischen medikamentösen Therapie. Mit diesen Substanzklassen, allein oder in Kombination, lässt sich in den meisten Fällen Beschwerdefreiheit erzielen.


Literatur:
(1) Drugs 61,1563,2001
(2) Pediatr Allergy Immunol 9,116,1998
(2a) Drug Ther Bull 40,57,2002
(2b) Drugs 61,207,2001
(3) Arzneimittelforschung 46,153,1996
(4) Clin Exp Allergy 29,suppl. 3,200,1999
(5) Med Lett 44,27,2002
(6) Drugs 61,573,2001
(7) Allergy 55,116,2000

 

Aktuelle Risiko/Nutzenbewertung von Medikamenten: Cisaprid (Prepulsid)

Wie wir berichteten (Pharmainfo XV/2/2000 und XIV/3/1999), ist dieses Präparat wegen der QT-Verlängerung im EKG und daraus resultierender Todesfälle in Diskussion gekommen. In den USA wurde es vom Markt genommen. In Europa hat nun die europäische Behörde die Indikation drastisch eingeschränkt.
Bei Erwachsenen: Behandlung von akuten und schweren Fällen von nachgewiesener chronisch idiopathischer und diabetischer Gastroparese nach Versagen anderer Behandlungen. Bei Kindern: Behandlung von nachgewiesenem pathologisch gastro-oesophagealem Reflux nach Versagen anderer Behandlungen bis zum Alter von 36 Monaten. Wenn diese strenge Indikation beachtet wird, dann ist diese Entscheidung gerade noch zu vertreten. Es wird aus den Umsatzzahlen zu bewerten sein, ob diese Indikation tatsächlich eingehalten wird. Wenn dies nicht gelingt, dann gehört dieses potentiell lebensgefährliche Medikament vom Markt.

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 28. Oktober 2002

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

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Fax: +43 (0)512/9003-73200  

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