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Inhalt

 

Editorial

Wir haben in der Pharmainfo XV/2/2000 das neue Raucherentwöhnungsmittel Bupropion (Zyban) vorgestellt und in der Pharmainfo XVI/3/2001 weiter kommentiert. Wie schon bei der Zulassung bekannt und nach der Einführung bestätigt, kann dieses Mittel in ca. 0,1% der Fälle zu Krampfanfällen führen. Andererseits führt Rauchen zu schwersten Schäden und erhöhter Mortalität. In der Risiko/Nutzenbewertung haben wir Zyban nur als Mittel zweiter Wahl, wenn eine Nikotinersatztherapie versagt, als vertretbar erachtet. Nun wurde von Deutschland bei der europäischen Zulassungsbehörde ein Verfahren zur Überprüfung der Risiko/Nutzenabwägung für dieses Präparat eingeleitet (siehehttp://www.emea.eu.int/pdfs/human/press/pr/059002.pdf).
In einem solchen Verfahren werden noch einmal alle Unterlagen, einschließlich neu hinzugekommener Details aus der Marktüberwachung, eingehend und von der höchsten wissenschaftlichen Instanz für Medikamente in Europa überprüft.
Wir werden darüber berichten, ob dieses Verfahren nun zu einer Einschränkung der Indikation auf ein Mittel zweiter Wahl (was unserem Vorschlag entsprechen würde) führt, oder weiterschreitende Maßnahmen wie Marktrücknahme einleitet. 
Ähnliches gilt für Sibutramin (Reductil: siehe Pharmainfo XVII/1/2002), das wegen Nebenwirkungen in Italien vom Markt genommen wurde. Die Londoner Behörde wird nach einem entsprechenden Verfahren auch über dieses Mittel entscheiden

 

Therapie der Hyperthyreose

M. Greifeneder, Nuklearmedizinisches Institut, Krankenhaus LAINZ der Stadt Wien

 Die ungeregelte Erhöhung der Schilddrüsenhormone im Blut kann Folge verschiedener Krankheitsprozesse sein, sodass die Hyperthyreose nur als Symptom einer speziellen Grunderkrankung zu verstehen ist. Die Einteilung der Ursachen der Hyperthyreose sollte nach pathogenetischen und ätiologischen Gesichtspunkten erfolgen, denn daraus resultiert eine unterschiedliche Therapie.

Pathogenetisch unterscheidet man die Autoimmunthyreopathie vom Typ Morbus Basedow und die nicht immunogene Hyperthyreose (Hyperthyreose bei funktioneller Schilddrüsenautonomie, Hyperthyreose bei Schilddrüsenentzündungen, bei differenzierten, metastasierenden Schilddrüsenkarzinomen, iatrogene Hyperthyreose bei Schilddrüsenhormonüberdosierung und Hyperthyreose in Folge von exzessiver Jodzufuhr).
Prinzipiell unterscheidet man auch zwischen einer manifesten Hyperthyreose (supprimiertes basales TSH und erhöhte periphere Schilddrüsenhormone) und der latenten (subklinischen) Hyperthyreose (supprimierter TSH-Wert, normale periphere Schilddrüsenhormone).
Das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH) wird vom Hypophysenvorderlappen freigesetzt und ist der zentrale Regulationsmechanismus für die Freisetzung von Schilddrüsenhormonen. Die TSH-Konzentration im Serum spiegelt indirekt die Hormonsekretion durch die Schilddrüse und so die Versorgung peripherer Organe mit Schilddrüsenhormonen wider. Zur Beurteilung der Schilddrüsenstoffwechsellage werden heute die freien, stoffwechselaktiven nicht an Transportproteine gebundenen Hormone bestimmt.
Für die Behandlung der Hyperthyreose stehen prinzipiell drei Therapiemöglichkeiten zur Verfügung (1): medikamentöse Therapie (Thyreostatika, Betablocker, Glucocorticoide, Jodid), Radiojodtherapie (131Jod) und die Schilddrüsenoperation. Es besteht jedoch kein internationaler Konsens, welche der Behandlungsmethoden im Einzelfall angewendet werden soll. Hier soll in erster Linie auf die medikamentöse Therapie der Hyperthyreose eingegangen werden.

 

Thyreostatika

Unabhängig von der Pathogenese der Hyperthyreose muß bei Vorliegen einer manifesten Hyperthyreose primär mit einer medikamentösen thyreostatischen Therapie begonnen werden (einzige Ausnahme ist jene Hyperthyreose, die mit einer Zerstörung der Follikel und dadurch einer erhöhten Schilddrüsenhormonfreisetzung einhergeht, z.B. akut subakute Thyreoiditis de Quervain).
Thyreostatika sind Derivate des Thioharnstoffes (Methimazole oder Thiamazol: Favistan, Carbimazol: Carbistad und Propylthiouracil: Prothiucil), die die Biosynthese der Schilddrüsenhormone auf der Stufe der Jodisation und auch der Kondensation durch Hemmung des Enzyms Schilddrüsenperoxidase blockieren. Propylthiouracil führt zusätzlich zu einer peripheren Konversionshemmung von T4 zu T3. Die relative therapeutische Wirkung von Methimazol ist jedoch wesentlich stärker als die von Propylthiouracil und führt zu einer rascheren Normalisierung der Schilddrüsenhormone (T3 und T4) im Serum (2).
Die intravenöse Verabreichung
 (Favistan-Ampullen i.e. 40 mg Thiamazol) ist nur dann indiziert, wenn eine orale Medikation nicht möglich ist (schwere Diarrhoe, Erbrechen, thyreotoxische Krise: darunter versteht man einen durch eine Konzentrationserhöhung von zirkulierenden Schilddrüsenhormonen hervorgerufenen Zustand, der durch einen erhöhten basalen Metabolismus gekennzeichnet ist. Von der Symptomatik betroffen sind vor allem das cardiovaskuläre und respiratorische System, aber auch das autonome und zentrale Nervensystem sowie der Gastrointestinaltrakt).
In der passageren hyperthyreoten Phase einer Schilddrüsenentzündung sollten nur unspezifische Maßnahmen wie die Behandlung mit nicht-steroidalen Antiphlogistika, mit Sedativa und Konversionshemmern (T4 zu T3), wie der Betablocker Propranolol und Glucocorticoide,angewendet werden.
Natriumperchlorat (Irenat) hemmt kompetitiv die Jodaufnahme in die Schilddrüse. Die Gabe von Natriumperchlorat ist jedoch zur Therapie der Hyperthyreose obsolet und findet seine Indikation heute lediglich vor der Gabe eines jodhältigen Kontrastmittels oder zur Vorbereitung von szintigraphischen Untersuchungen mit 123Jod-markierten Radiopharmaka, um die Strahlenbelastung der Schilddrüse gering zu halten. Erwähnenswert ist, dass bei Patienten mit latenter Hyperthyreose (grenzwertig niedriges TSH, periphere Euthyreose) vor i.v.-Verabreichung eines jodhältigen Röntgenkontrastmittels die Schilddrüse immer mit Natriumperchlorat blockiert werden sollte.
Nebenwirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen von Thyreostatika sind vor allem Hautveränderungen (1-5%) wie Exanthem, Erythem, Urticaria und Juckreiz. Seltene Nebenwirkungen sind Veränderungen des Blutbildes (in weniger als 1% der Fälle) wie Leukopenie (0,4%), Thrombopenie (0,2%) und Agranulozytose (in etwa 0,1-0,6%), daher sind regelmäßige Blutbildkontrollen notwendig. Weitere seltene Nebenwirkungen sind Beschwerden von Seiten des Bewegungsapparates (Arthralgien, Arthritiden und Muskelschmerzen) sowie gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Cholestase und Leberschäden).
Kontraindikation

Eine absolute Kontraindikation besteht bei schweren präexistenten Störungen der Hämatopoese sowie bereits bestehender Cholestase.

 

Thyreostatische Therapie bei der Autoimmunthyreopathie vom Typ Morbus Basedow (3,4)

Vor allem bei Erwachsenen über 40 Jahren, normal großer oder nur gering vergrößerter Schilddrüse, Erstmanifestation und niedrigen TSH-Rezeptorantikörpern (TRAK) wird durch die Thyreostatikatherapie der Zeitraum bis zum Eintritt einer Remission überbrückt (maximale Behandlungsdauer etwa 18 Monate). Wenn in den letzten 3 Monaten unter (niedrigst dosierter) thyreostatischer Therapie die Kontrolle der Schilddrüsenfunktionsparameter euthyreote Werte ergibt, der TSH-Rezeptorantikörpertiter im Normbereich liegt und auch der sonographische Befund eine Normalisierung der Echostruktur zeigt, sollte ein "Auslaßversuch" (=Absetzen des Thyreostatikums) der Autoimmunprozeß neigt zur Remission und Selbstlimitierung - begonnen werden. Falls es jedoch während eines "Auslaßversuches" neuerlich zum Auftreten einer hyperthyreoten Stoffwechselfunktion (Rezidivrate nach 3 - 6 Monaten bis zu 50%) kommt, sollte als definitive Therapie entweder die Schilddrüsenoperation oder eine höher dosierte perorale Radiojodtherapie erfolgen.

 

Therapie der funktionellen Autonomie

Bei Vorliegen einer funktionellen Autonomie (autonomes bzw. toxisches Adenom, multifokale/disseminierte Autonomie) und manifester hyperthyreoter Stoffwechselfunktion ist die thyreostatische Therapie zur Beherrschung der Hyperthyreose ebenfalls indiziert. Nach Erreichen einer Euthyreose sollte als definitives Verfahren ebenfalls die Operation oder Radiojodtherapie erfolgen, da das autonome Gewebe auch nach der Rückbildung der Hyperthyreose unverändert vorhanden ist und jederzeit die Gefahr einer neuerlichen Exazerbation, vor allem bei erhöhter Jodzufuhr (Gabe von jodhältigen Röntgenkontrastmitteln im Rahmen einer Computertomographie), gegeben ist.

 

Additive Maßnahmen bzw. weitere Präparate zur medikamentösen Behandlung der Hyperthyreose

Betablocker
Da der Effekt des Thyreostatikums erst zeitlich verzögert erwartet werden kann, ist die Gabe von Betablockern als Zusatztherapie wie Propranolol (Inderal) ein wesentlicher Teil der medikamentösen Therapie im Rahmen der Hyperthyreose. Die Blockade der bei dieser Erkrankung hinaufregulierten ß-adrenergen Rezeptoren führt rasch zu einer Besserung der klinisch hyperthyreoten Symptomatik wie Tremor, Palpitationen, Ängstlichkeit und Hitzeintoleranz. Da die Betablocker keinen Einfluß auf die Schilddrüsenhormonsynthese und freisetzung haben, sollte die Propranololtherapie nicht ohne Thyreostatika (einzige Ausnahme ist die Thyreoiditis mit passagerer Hyperthyreose) angewendet werden.

Jodid
Anorganisches Jodid kann den Jodtransport in die Schilddrüse herabsetzen, hemmt die Organifikation von Jod (Wolff-Chaikoff-Effekt) und hemmt rasch die Freisetzung von T3 und T4 aus der Schilddrüse. Die Gabe von Jodid (Natriumjodid: Jodonorm) ist im Rahmen einer nicht jod-induzierten thyreotoxischen Krise indiziert, wenn, was allerdings nur selten der Fall ist, die Therapie mit Betablockern und Thyreostatika nicht ausreichend erscheint. Die Gabe von Jod sollte jedoch erst nach Einleitung einer thyreostatischen Therapie mit Thioharnstoffderivaten erfolgen, damit dieses Jod nicht als zusätzliches Substrat zur Hormonsynthese zur Verfügung steht. 

Glucocorticoide
Glucocorticoide hemmen in hohen Dosen ebenfalls die Konversion von T4 zu T3, eine hohe Dosis ist jedoch lediglich bei der thyreotoxischen Krise indiziert.

 

Hyperthyreose und Schwangerschaft

Bei Schwangeren ist die Hyperthyreose gekennzeichnet durch einen pathologisch erhöhten fT3 und fT4-Wert sowie einen supprimierten basalen TSH-Spiegel. In den meisten Fällen ist die Hyperthyreose nur vorübergehend und die Schilddrüsenfunktionswerte normalisieren sich im 2. Schwangerschaftsdrittel ohne Behandlung (5).
Eine thyreostatische Therapie ist nur bei einer fortbestehenden Hyperthyreose indiziert, da bei Anhalten der Thyreotoxikose die Zahl von angeborenen Herzfehlern, Frühgeburten und auch die perinatale Mortalität zunehmen. Von den Thioamiden werden Propylthiouracil und Methimazol verwendet. Die Dosierung sollte möglichst niedrig gehalten werden (die Aufrechterhaltung der Schilddrüsenhormone im oberen Grenzbereich dürfte die optimale Einstellung sein, um für das Neugeborene eine Euthyreose zu sichern).
Da Thyreostatika die Plazentaschranke passieren, kann es zu einer fetalen Hypothyreose und Struma kommen. Propylthiouracil sollte aufgrund der geringeren Plazentagängigkeit und auch des niedrigen Gehaltes in der Muttermilch bevorzugt verwendet werden.

 

Zusammenfassung

Ziel der Therapie der Hyperthyreose ist es, die Grundkrankheit zu beseitigen, sodass in den meisten Fällen die Operation bzw. die Radiojodtherapie unumgänglich sind. Die medikamentöse Therapie der Hyperthyreose ist in erster Linie eine symptomatische Therapie. Mittel der Wahl sind die Thyreostatika (Thiamazol: Favistan, Carbimazol: Carbistad und Propylthiouracil: Prothiucil). Im Rahmen einer anhaltenden Hyperthyreose während der Schwangerschaft sollte Propylthiouracil aufgrund seiner geringeren Plazentagängigkeit und niedrigeren Ausscheidung in die Muttermilch bevorzugt verwendet werden. Um rascher eine klinische Besserung der hyperthyreoten Symptomatik zu erreichen, können zusätzlich auch Betablocker verabreicht werden. Bei der thyreotoxischen Krise ist auch die hochdosierte Gabe von Glucocorticoiden und Jod indiziert.

Literatur:
(1) NEJM 330,1731,1994
(2) JAMA 273,808,1995
(3) Thyroid Int 2,6,1995
(4) Thyroid 7,3,1997
(5) Endocrine Rev 14,194,1993

 

Aktueller Stand der Notfallkontrazeption

Helga Moncayo-Naveda, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Innsbruck

 Die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr liegt in der periovulatorischen Phase bei ca. 30%. Zwischen der Befruchtung und Implantation liegen im Schnitt etwa 7 Tage und diese vulnerable Phase kann z.B. durch eine kurzfristige Hormoneinnahme gestört werden. Dadurch wird nur die Nidation verhindert und nicht ein Frühabort induziert. Diese Phase eignet sich somit für eine postkoitale Verhütung, die jedoch lediglich im Einzelfall indiziert und nicht zur langfristigen Kontrazeption geeignet ist. Die Indikationen für die Notfallkontrazeption sind einerseits der Verzicht oder das Versagen konventioneller Verhütungsverfahren, z.B. Barrieremethoden, oder eine Vergewaltigung. Der problemlose Zugang zur Notfallkontrazeption könnte laut Schätzungen in den USA jährlich 1 Mio Schwangerschaftsabbrüche und zusätzlich 2 Mio unerwünschte Schwangerschaften verhindern (1).

Mitte der 60-er Jahre wurde die sogenannte "Östrogenmethode" nach Hospels eingeführt, die jedoch aufgrund häufiger unerwünschter Wirkungen, wie Blutungen, Übelkeit und Erbrechen inzwischen wieder verlassen wurde (1a). Bis vor kurzem war in Österreich die sogenannte"Östrogen-Gestagen-Methode" nach Yuzpe in Anwendung. Dabei wurde ein Kombinationspräparat, bestehend aus Ethinylestradiol und Levonorgestrel eingesetzt. In Ermangelung eines registrierten Präparates wurde hierzu ein Ovulationshemmer (Neogynon) verwendet. Die Yuzpe-Methode führt zu einer Störung der physiologischen Vorgänge rund um die Implantation, bei Einnahme vor der Ovulation kann es zu einer Verschiebung des Eisprunges und damit zu einer Verlängerung des Zyklus kommen. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen betrafen Übelkeit (54%) und Erbrechen (16%). Schwere unerwünschte Nebenwirkungen wie Thromboembolien wurden nicht berichtet. Die bei der oralen Kontrazeption üblichen Kontraindikationen können nicht auf diese kurzfristige Hormongabe übertragen werden. Die Versagerquote des Yuzpe-Regimes variierte zwischen 0,2 und 7,4%. Entscheidend für die Wirksamkeit war der Abstand zwischen ungeschütztem Verkehr und der Einnahme des Östrogen-Gestagen-Präparates (2).

 Seit Oktober letzten Jahres steht in Österreich ein neues, registriertes Präparat für die postkoitale Kontrazeption zur Verfügung. Es handelt sich um ein reines Gestagen-Präparat (Levonorgestrel: Vikela, Postinor). Der Wirkmechanismus ist letztlich nicht geklärt. In einer kürzlich von der WHO durchgeführten, randomisierten Multicenterstudie wurde eine Schwangerschaftsrate von 1,1% für das Levonorgestrel versus 3,2% für das Yuzpe-Regime berichtet (3). Die Einnahme von Levonorgestrel innerhalb von 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr kann ungefähr 85% der erwarteten Schwangerschaften verhindern. Der Anteil an unerwünschten Wirkungen war signifikant geringer, verglichen mit dem Yuzpe-Regime.

Eine ähnlich gute Wirksamkeit, ohne signifikante unerwünschte Wirkungen, zeigt Mifepriston (RU 486, Mifegyne), das bereits in sehr niedriger Dosierung und bis zu 5 Tage nach ungeschütztem Verkehr den Eintritt der Schwangerschaft verhindern kann (4). Derzeit gibt es allerdings keine Bestrebungen, eine Zulassung von Mifepriston für diese Indikation zu erreichen.
Eine nicht-hormonelle Notfallkontrazeption besteht im Einlegen eines Intrauterinpessars bis zu 5 Tage nach dem ungeschützten Verkehr. Die Schwangerschaftsrate für diese Verfahren betrug 0,1% und lag deutlich niedriger als für die hormonellen Maßnahmen. Zusätzlich kann das gelegte Intrauterinpessar für die weiterführende Kontrazeption intrauterin belassen werden. Allerdings sind Intrauterinpessare aufgrund der unerwünschten Wirkungen wie Schmerzen, Blutungen und Entzündungen nicht für alle Frauen geeignet.

Zusammenfassend stellt die Postkoitalpille eine wichtige Option bei Versagen oder Nichtanwendung anderer Kontrazeptionsmaßnahmen dar. Aufgrund der Wirksamkeit und des Nebenwirkungsprofils sollte die in Österreich zugelassene Levonorgestrel-Applikation (Vikela, Postinor) Therapie der ersten Wahl sein.

Literatur:
(1) Fam.Plann Perspet. 28,58,1996
(1a) Lancet 338,39,1991
(2) Contraception 59,147,1999
(3) Lancet 352,428,1998
(4) Lancet 353,697,1999

 

Anfrage: PC-SPES bei Prostatakarzinom

Dr. K. Dorfinger, Facharzt für Urologie, Wien, hat folgende Anfrage an uns gerichtet: "Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf das Kräuterprodukt PC-SPES lenken, das zur Behandlung des Prostatakarzinoms empfohlen und massiv über das Internet beworben wird (Kosten ca. 2.000,- EUR im Monat). Meine Bitte wäre, dieses Gemisch gründlich unter die Lupe zu nehmen und, soweit es zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist, als unabhängige Instanz eine Bewertung zu veröffentlichen". Wir kommen diesem Wunsch gerne nach.
PC-SPES (Prostate Cancer SPES = die Hoffnung) ist ein Gemisch aus 8 Kräutern (1). Es ist in den USA als Nahrungsergänzungsmittel (nutritional supplement) im Handel und unterliegt daher nicht den strengen FDA-Vorschriften, die die Zusammensetzung und Reinheit von Arzneimitteln kontrollieren. Es enthält wirksame Phytoöstrogene (2), die zwar chemisch sich von Östrogen und Diethylstilbestrol (DES) unterscheiden, aber ähnliche Wirkungen entfalten. DES war ein klassisches Mittel in der Prostatakarzinomtherapie (3), das vor allem über den feed back Mechanismus im Hypothalamus die Testosteronproduktion senkte und dadurch auf die hormonabhängigen Prostatakarzinomzellen wachstumshemmend wirkte. Die Gabe von DES war aber durch schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen und Todesfälle belastet, sodass in der Folge die Testosteron-Entzugstherapie im Vordergrund stand. Die Wirksamkeit dieser Methode, auch im Vergleich zur Radiotherapie, ist durch zahlreiche Studien belegt (4). 
Gibt es nun Daten, die eine Wirkung von PC-SPES in vitro und in vivo belegen?
 Neben den in vitro und in vivo belegten Östrogen-Wirkungen (z.B. tritt als Nebenwirkung Gynäkomastie bei Patienten auf) zeigen erste Untersuchungen möglicherweise auch eine Östrogen-unabhängige, zytostatische Wirkung auf Prostatatumorzellen. Die Charakterisierung einzelner Komponenten dieses komplexen Gemisches wurde begonnen, und für eine Komponente, Baicalin, wurden Tumorzell-Wachstumshemmende Eigenschaften gefunden (5,6,7). 

Es liegen auch erste klinische Studien vor:
In 8 Patienten mit Prostatakrebs senkte PC-SPES über einen Monat gegeben, den Testosteronspiegel und PSA (Prostata spezifisches Antigen) und zeigte typische östrogene Nebenwirkungen (2). Eine Studie (8) fand bei hormonabhängigem Prostatakarzinom (n=33) bei allen Patienten (100%) eine Abnahme von PSA (um 80%) mit einer mittleren Dauer von 57 Wochen. Bei den hormon-unabhängigen Prostatakarzinomen fand sich bei 54% der Patienten (n=37) eine Abnahme von PSA (bis 50%) mit einer mittleren Dauer von 16 Wochen. Auch in einer weiteren Studie (9) wurden Abnahmen von PSA bei 88% der Patienten (n=64) nach 12 Monaten beobachtet. Andere Studien konzentrieren sich auf Patienten mit hormon-unabhängigen Prostatakarzinomen. In einer Studie (10; n=16) sank der PSA-Spiegel im Mittelwert um 60% im Verlauf von 20 Wochen ab. Bei drei dieser Patienten begann er in diesem Zeitraum bereits wieder anzusteigen, Langzeitdaten wurden nicht mitgeteilt. In einer anderen, allerdings nur retrospektiven Studie (11) bewirkte PC-SPES (n=23) einen Abfall von PSA, das aber im Durchschnitt nach 6 Monaten wieder anstieg.
Diese Studien belegen einen Effekt von PC-SPES auch bei hormon-unabhängigen Tumoren auf den PSA-Spiegel. Dies könnte auf die Östrogenwirkung von PC-SPES zurückzuführen sein, da auch DES diese Wirkung hat. Es fehlen Daten über den Krankheitsverlauf, die Überlebensrate und vergleichende Studien mit Zytostatika und DES, die bei diesen Patienten auch Wirkung zeigen (3,12,13). Die vorliegenden Daten zeigen bereits, dass es sich um kein "Wundermittel" handelt, sondern bestenfalls, so wie bei Zytostatika und DES, eine vorübergehende Tumorhemmung auftreten kann.

Zusammenfassung:
PC-SPES hat östrogene Effekte
, ob zusätzlich klinisch relevante Wirkungen vorliegen, ist noch unklar. Entsprechend der östrogenen Wirkung hat es bei Prostatakarzinom einen wachstumshemmenden Effekt, aber auch Nebenwirkungen bis zu Thrombose und Pulmonalembolie (14). Außerdem wurden auch Blutungen beschrieben (15). Östrogene (wie DES) bei hormonabhängigem Prostatakarzinom sind heute durch die Testosteron-Entzugstherapie ersetzt. Es gibt keine Daten, dass PC-SPES von der Wirkung und den Nebenwirkungen her dieser Therapie ebenbürtig wäre oder als Zusatz eine Verbesserung bringen würde.
Bei hormon-unabhängigem, fortgeschrittenem Prostatakarzinom 
haben zytostatische Therapien und Östrogene (wie DES) eine gewisse Wirkung. Auch PC-SPES zeigt, allerdings nur belegt für PSA-Spiegel, einen positiven Effekt. Ob PC-SPES eine diesen anderen Substanzen vergleichbare, klinisch relevante Wirkung auf Tumorregression oder Überlebensrate hat, wird derzeit untersucht.
Von einer Therapie bei hormonabhängigen Tumoren mit PC-SPES ist abzuraten
. Auch eine Zugabe zur Hormonersatztherapie erscheint nicht zweckmäßig, da eine negative Interferenz, z.B. durch pharmakokinetische Wechselwirkung oder durch Abschwächung der Wirkung anderer Substanzen (vgl. Johanniskraut; Pharmainfo XV/2/2000), nicht ausgeschlossen werden kann. Bei hormon-unabhängigen, fortgeschrittenen Tumoren sind Substanzen mit genau definierter Zusammensetzung und bekannten Nebenwirkungen einem Kräutergemisch, das keiner genauen Kontrolle (wie für ein Arzneimittel vorgeschrieben) unterzogen wird, vorzuziehen. Wenn derzeit laufende Vergleichsstudien mit anderen Therapien für hormon-unabhängige Tumore positive Resultate bringen, wird ein möglicher Einsatz von PC-SPES neuerlich zu diskutieren sein. Positiv ist zu bemerken, dass auch bei diesem Mittel aus der Natur jetzt intensiv versucht wird, Wirkstoffe zu charakterisieren und einer seriösen klinischen Testung zu unterwerfen - eine Vorgangsweise, die die Basis (siehe Pharmainfo XIV/1/1999, XV/3/2000, XVI/4/2001) für eine moderne Naturheilkunde darstellt.

Literatur:
(1) Cancer J.Clin. 51,199,2001
(2) NEJM 339,785,1998
(3) Urology 58, suppl. 2A,108,2001
(4) Curr Opinion Onc 13,204,2001
(5) Prostate 49,285,2001
(6) Urology 58, suppl. 1,28,2001
(7) NEJM 339,787,1998
(8) J Clin Oncol 18,3595,2000
(9) J Urol 164,1229,2000
(10) BJU Int 85,481,2000
(11) Urology 57,122,2001
(12) Cancer, suppl. 88,3015,2000
(13) World J Urol 19,99,2001
(14) Med Letter 43,6,2001
(15) NEJM 335,1213,2001


Nachtrag: 

Der obige Artikel wurde am 31.01.2002 abgeschlossen. Im Februar 2002 berichtete die Produktionsfirma (Botanic Lab) in den USA, dass sie das Mittel zumindest vorübergehend vom Markte nimmt (http://www.botaniclab.com/html/recallmore.html). Die kalifornischen Behörden hatten in dem Teegemisch Spuren des Tranquilizers Alprazolam und des Antikoagulantiums Warfarin gefunden. Botanic Lab glaubt, dass diese Verunreinigungen in China in den Tee gekommen sind und hält es für möglich, dass nicht Warfarin, sondern ein anderer gerinnungshemmender Stoff enthalten ist. Wie dem auch sei, in unserer ursprünglichen Bewertung haben wir versucht, alles Positive und Negative darzustellen. Aber es hat sich wieder einmal die Befürchtung bestätigt, dass Naturprodukte, die nicht einer kontrollierten Zulassung durch Arzneimittelbehörden unterzogen werden, riskant sein können. Es sei an die frühere Teekatastrophe (Pharmainfo XV/3/2000) mit chinesischen Tees erinnert. Diese enthielten ein Karzinogen, das zu zahlreichen Fällen von Nierentumoren führte. Wir haben dies damals als Lehrbeispiel zur unkritischen Naturheilkunde bezeichnet, jetzt haben wir ein bestätigendes 2. Lehrbeispiel. Es verbleibt der zwingende Schluss, dass, auch wenn Naturprodukte wirksame Komponenten enthalten, grundsätzlich nur solche vertretbar sind, die einer genauen und überprüfbaren Kontrolle unterworfen sind. Als nächster zwingender Schritt ist die genaue Reinigung und die Definition von wirksamen Substanzen zu fordern, weil erst dann eine ausreichende Sicherheit und verlässliche Therapie gegeben ist. Wie in der Bewertung betont, fehlen für PC-SPES diese entscheidenden Vorbedingungen.


 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 13. Mai 2002

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

Tel.: +43 (0)512/9003-71200
Fax: +43 (0)512/9003-73200  

E-Mail: hans.winkler@i-med.ac.at

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