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Inhalt

 

Editorial

Wir haben in der letzten Pharmainfo (XIII/4/1998) diskutiert, daß in der EU nun zahlreiche Substanzen zentral zugelassen werden und daß diese Zulassung doch ein relativ hohes Niveau garantieren sollte. Auch eine noch so kritische Zulassung kann aber nie das Phänomen ausschalten, daß, wie wir ja schon sehr oft betont haben, bei neuen Medikamenten erst nach einiger Zeit seltene Nebenwirkungen erfaßbar werden. So hat sich nun bald nach der breiteren Verwendung des neuen Parkinsonmittels Tolcapon (Tasmar) gezeigt, daß diese Substanz zu schweren Leberschäden führen kann. Tatsächlich wurde aufgrund von Todesfällen, ausgelöst durch eine fulminante Hepatitis, die Vermarktung des Präparates suspendiert und es wird sich nun bald zeigen, ob eine endgültige Marktrücknahme in Europa erfolgt, eine Entscheidung, die wieder zentral erfolgen wird. Dabei ist auch die schwierige Frage zu berücksichtigen, ob das Nachfolgepräparat Entacapone (Comtan, Comtess) das auch über die Hemmung der Catechol-Oxy-Methyl-Transferase (COMT) ein Dopamin-abbauendes Enzym wirkt, einerseits klinisch eine gleich gute Wirkung bei Parkinsonpatienten zeigt und andererseits keine Leberschäden auslöst. 
Für eine weitere Substanz, und zwar das atypische Neurolepticum Sertindol (Serdolectist ebenfalls die Vermarktung suspendiert worden. Dieses Präparat wurde im sogenannten dezentralen Verfahren zugelassen, d.h. ein Land hat als Reference Member State (RMS) die primäre Zulassung vorgenommen, die anderen Länder haben diese dann anerkannt. Allerdings haben für diese Substanz zwei Länder sich der Zulassung nicht angeschlossen. Im letzten Jahr wurden diesem Präparat nun plötzliche Todesfälle (auch in Österreich) zugeschrieben, die in Zusammenhang mit einer QT-Intervall Verlängerung am Herzen in Zusammenhang gebracht werden. Auch hier muß nun die Londoner Behörde feststellen, ob dieses Präparat endgültig vom Markt genommen werden soll. Wir werden über beide Fälle berichten.
Eine weitere Information über das zentrale Verfahren sei angefügt. Die Londoner Behörde (EMEA) gibt für die neu zugelassenen Substanzen einen wissenschaftlichen Bericht heraus (EPAR: European Public Assessment Report). Dieser stellt eine sehr nützliche und objektive Information dar und wir werden aus ihm jeweils auch zitieren (siehe z.B. Orlistat: Xenical). Über das Internet kann sich jeder diese EPARs abrufen (http://www.eudra.org/humandocs/humans/epar.htm).
Als Ergänzung zum Editorial der letzten Pharmainfo seit angefügt, daß sich in Österreich Fachinformationen nicht nur im Austria Codex sondern auch im VIDAL Arzneimittelverzeichnis nachlesen lassen.

Wir haben mehrmals (Pharmainfo VII/3/1992VIII/4/1993 und XIII/1/1998) über Östrogenersatztherapie nach der Menopause berichtet, und u.a. auch den positiven Effekt dieser Hormone über eine Senkung von Herz-Kreislauferkrankungen diskutiert. Eine erste prospektive Studie stellt einen solchen positiven Effekt nun in Frage (siehe unten in der Besprechung von Raloxifen) und trägt damit sicherlich zu einer kontroversiellen Diskussion über die Indikationsstellung bei.

 

Risiko/Nutzenabwägung für Calciumkanalblocker

Als Einleitung zu diesem Thema sei die Frage diskutiert, wie unabhängig wissenschaftliche Stellungnahmen über Arzneimittel sind. Wir haben bereits in der Pharmainfo XII/1/1997 über das derzeit noch immer kontroversielle Thema der Risiko/Nutzenabwägung für Calciumkanalblocker berichtet. Dazu sind natürlich auch zahlreiche Stellungnahmen in der internationalen Literatur erschienen. Eine interessante Studie hat nun untersucht, ob die pro- oder kontra- Standpunkte für diese Arzneimittel mit einer finanziellen Beziehung der Autoren zu der Herstellerfirma in Zusammenhang zu bringen sind (1). Das relativ klare und statistisch signifikante Resultat war: Autoren, die positive Stellungnahmen über Calciumkanalblocker publizierten, hatten zu 96 Prozent eine finanzielle Beziehung zu Herstellerfirmen, neutrale Autoren zu 60 Prozent und Autoren die sich kritisch äußerten, nur zu 37 Prozent (p< 0,001). Ähnliche Zahlen galten auch für finanzielle Beziehungen von Autoren zu pharmazeutischen Firmen generell (100 Prozent versus 67 versus 43 Prozent; p< 0,001). Sicherlich kann man diese Studie methodisch kritisieren und man sollte auch nicht Autoren bewußte Einseitigkeit in einem so komplexen Thema unterstellen. Man könnte zum Beispiel argumentieren, daß eine Zusammenarbeit mit Firmen eine besonders gute Information ermöglicht. Trotz solch möglicher Argumente bestätigt diese Studie eigentlich doch unsere tägliche wissenschaftliche und menschliche Erfahrung, nämlich wie schwer es ist möglichst objektiv zu sein. Wie auch immer. Der Vorschlag der Autoren, daß bei Stellungnahmen über Arzneimittel die finanzielle Beziehung zur pharmazeutischen Industrie am Schluss des Artikels angegeben werden sollte, erscheint eine sehr zielführende Maßnahme. Von einigen Zeitschriften, zum Beispiel dem NEJM, wird dies auch durchgeführt.

 

Neue Gesichtspunkte für die Risiko Nutzenabwägung

Wir haben damals (Pharmainfo XII/1/1997) ein mögliches Karzinomrisiko für Calciumkanalblocker diskutiert. Eine weitere Arbeit (2) schien dies für Mammakarzinome zu bestätigen. Eine im letzten Jahr (3) erschienene große Studie an 9513 Karzinom-Patienten, konnte allerdings keinen Zusammenhang zwischen der Gabe von Calciumkanalblockern und Karzinominzidenz finden. Nur für Nierenkarzinome war sowohl bei Calciumkanalblockern, als auch bei ACE-Hemmern und Betablockern ein erhöhtes Risiko, das aber für hypertensive Patienten generell gelten dürfte, zu finden. Diese Frage ist derzeit wohl nicht endgültig zu beantworten, ein Krebsrisiko durch Calciumkanalblocker erscheint aber doch unwahrscheinlich.

1997 haben wir für Angina pectoris und Herzinfarkt festgestellt: Calciumkanalblocker sind Mittel erster Wahl bei der Prinz-Metal-Angina, bei der klassichen Angina sind dies Nitrate und vor allem Betablocker, Calciumkanalblocker mit Ausnahme der kurzwirksamen Dihydropyridine, die nicht verwendet werden sollten, sind als Mittel zweiter Wahl oder als Zusatzmedikament zu vertreten. Bei der instabilen Angina und bei der Postinfarkttherapie sind sie nicht zweckentsprechend. Zu dieser Frage hat sich in der Zwischenzeit nichts Wesentliches geändert.

Bei der Hypertonie, wie damals festgestellt (März 1997), sind Diuretica und Betablocker, für die ein lebensverlängernder Nutzen nachgewiesen ist, Mittel erster Wahl, für ACE-Hemmer gilt dies, wenn Zeichen einer Herzinsuffizienz, vorliegen. Wenn diese Mittel nicht in Frage kommen, oder eine Zusatztherapie gebraucht wird, sind Calciumkanalblocker sicher besser als keine Therapie oder eine insuffiziente Therapie. Tatsächlich zeigt eine Ende 1997 publizierte Studie (4), daß der Calciumkanalblocker Nitrendipin (Baypress) bei älteren Patienten mit isolierter systolischer Hypertension nach zwei Jahren Behandlung Schlaganfälle um 42% und kardiale Ereignisse um 26% senkt. Allerdings war die kardiovaskuläre Mortalität nur insignifikant und die Gesamtmortalität nicht gesenkt (nur in einer post hoc durchgeführten Subgruppenanalyse wurde auch für diese Parameter eine signifikante Wirkung gesehen: 5). Diese Studie zeigt einen klaren positiven Effekt, beantwortet aber nach wie vor nicht die entscheidende Frage, ob Calciumkanalblocker gleich gut wie Diuretica und Betablocker wirken. Betablocker und Diuretica führten bei einer ähnlichen Indikation zu einer signifikanten Senkung von Schlaganfällen und Herzinfarkt, aber auch zu einer signifikanten Reduktion der Gesamttodesfälle (6). Wenn die für Nitrendipin zuständige Firma in einem Brief an alle Ärzte/Ärztinnen schreibt, daß durch diese oben zitierte Studie die Diskussion um die Dihydropyridin-Calciumkanalblocker als Medikamente der ersten Wahl in der Hypertoniebehandlung eindeutig zu ihrem Gunsten beendet ist, dann stimmt dies einfach nicht, denn diese Diskussion wird erst durch große Vergleichsstudien beendet sein.

Zumindest für Patienten mit Diabetes und Hypertension liegt eine Vergleichsstudie des Calciumkanalblockers Nisoldipin (Syscor) mit dem ACE-Hemmer Enalapril (Enalapril Kwizda, Regomed, Renitec) vor (7). Nach fünf Jahren waren in der Nisoldipingruppe (n=235) 25 Herzinfarkte, aber in der Enalaprilgruppe (n=235) nur 5 Infarkte zu beobachten. Auch wenn diese Studie noch bestätigt werden sollte, dürfte für Hypertonie mit Diabetes eine Therapie mit ACE-Hemmern vorzuziehen sein. Zusammengefaßt verbleibt der Schluß: Bis für mehrere offene Fragen vergleichende Studien vorliegen, ist die Indikation für Calciumkanalblocker bei der Hypertonie weiterhin kritisch zu stellen.

Literatur:
(1) New England J. Med. 338, 101, 1998
(2) Cancer 80, 1438, 1997
(3) JAMA 279, 1000, 1998
(4) Lancet 350, 757, 1997
(5) Hypertension 32,410,1998
(6) Lancet 338, 1281, 1991
(7) New England J Med. 338, 645, 1998

 

Neu registriert:

Orlistat (Xenical)

Für diese zentral in Europa zugelassene Substanz seien nur die wichtigsten Punkte angeführt. Orlistat hemmt gastrointestinale Lipasen und verhindert dadurch die Resorption von Fetten. In Doppelblindstudien bewirkte Orlistat im Vergleich mit einer Plazebogruppe einen zwar signifikanten, aber relativ geringen Gewichtsabfall (10,2% nach Orlistat, 6% nach Placebo: siehe 1). Für einen Teil der PatientIinnen (pooled studies: European Public Assessment Report, EPAR: für Orlistat siehe Editorial) ist aber ein deutlicher Gewichtsverlust zu erzielen (mehr als 5% Gewichtsreduktion bei 45,3% der PatientIinnen gegenüber 23,4% bei Plazebo und mehr als 10% Gewichtsabfall bei 20,2% der PatientIinnen gegenüber 8,3% bei Plazebo). Entscheidend bei der Therapie mit dieser Substanz ist die Bereitschaft der PatientIinnen eine Diät einzuhalten. Nur diejenigen, die nach 4 Wochen Diät eine Gewichtsabnahme von 2,5 Kilogramm erreichen, sollten anschließend Orlistat erhalten. Nach 3 Monaten soll bei all den PatientIinnen, die nicht zumindest 5 Prozent ihres Gesamtgewichtes verloren haben, die Therapie als nicht wirksam beendet werden. Nebenwirkungen betreffen vor allem den Gastrointestinalbereich: Blähungen, ölige Stühle sowie ungewollte Fett-und Faecesdurchtritte (Inkontinenz) im Analbereich. Da erhöhter Fettgehalt im Darm in epidemiologischen Studien mit einem erhöhten Kolonkarzinomrisiko in Verbindung gebracht wurde, wurde diesem Risiko nach Orlistat besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Es konnte aber kein Hinweis auf ein solches Risiko erhalten werden. Auch ein mögliches Brustkrebsrisiko wurde diskutiert, aufgrund der derzeit vorliegenden Daten, wird es aber als unwahrscheinlich erachtet.

Wir haben in der Pharmainfo XII/4/1997) diskutiert, daß Anorektika vom Fenfluramintyp (Ponderax, Isomeride) vom Markte genommen wurden und solche die sich vom Amphetamin herleiten (Adipex, Mirapront, Regenon) ein negatives Nutzen/ Risikoverhältnis haben. Mit Orlistat ist ein neues Wirkprinzip am Markt, daß bei einem Teil (!) der Patient eine signifikante Gewichtsreduktion bringt. Da die Langzeitsicherheit wie bei allen neuen Medikamenten noch offen ist, darf Orlistat nur bei Patienten mit einem Body Mass Index (BMI) von mehr als 30 kg pro m2 verwendet werden (BMI: Körpergewicht dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in Meter). Wenn diese Therapie nach 3 Monaten nicht erfolgreich ist, d. h. nicht mehr als 5 Prozent Gewichtsverlust eintritt, muß die Therapie beendet werden, um den Patienten nicht einem unnotwendigem Risiko auszusetzen. Wenn diese Vorgangsweise beachtet wird, dann dürfte mit Orlistat zum ersten Male eine gewichtsreduzierende Substanz mit einem positiven Nutzen/Risikoverhältnis auf dem Markt sein.

Literatur:
(1) Lancet 352,167,1998

 

Raloxifen (Evista)

Da diese Substanz in Europa zentral zugelassen wurde, seien nur einige wesentliche Punkte angeführt. Raloxifen soll als selektiver Östrogenrezeptoren-Modulator (SERM) unterschiedlich wirken. Wie ein Östrogen beeinflußt es den Knochen und den Lipidstoffwechsel, nicht aber den Uterus und das Brustgewebe. Man würde sich also eine günstige Wirkung bei postmenopausaler Osteoporose und bei der Prevention von Herzkreislauferkrankungen in der Menopause erwarten. Es ist für die Indikation Verhinderung von nicht traumatischen Wirbelfrakturen von Frauen nach der Menopause mit erhöhtem Osteoporoserisiko zugelassen.

In klinischen Studien bewirkt Raloxifen eine signifikante Erhöhung der Knochendichte, die Frequenz vertebraler Frakturen wurde gesenkt, für extravertebrale Frakturen liegen noch (?) keine verlässlichen Aussagen vor. Bezüglich des Lipidstoffwechsels führt Raloxifen zu einer Senkung des LDL- Cholesterins und zu einem Anstieg des HDL2- Cholesterin. Insgesamt waren diese Effekte geringer als nach Östrogengabe (1). Ob sich dieser anscheinend günstige Effekt mit Raloxifen auch auf eine Reduktion von Herzkreislauferkrankungen auswirkt ist noch nicht geklärt. Für Östrogene ist festzustellen, daß der Effekt auf Lipide stärker ausgeprägt ist und Kreislauferkrankungen anscheinend deutlich reduziert werden (siehe Pharmainfo VII/3/1992, VIII/4/1993 und XIII/1/1998). Allerdings ist diese Wirkung der Östrogene auf Kreislauferkrankungen, die durch epidemiologische Studien doch relativ sichergestellt schien, nun durch eine erste prospektive Studie in Frage gestellt (2). Patientinnen mit Coronargefäßerkrankungen (n=2763) wurden auf eine Placebo- und eine Verumgruppe aufgeteilt (konjugierte Östrogene mit Gestagen) aufgeteilt. Nach durchschnittlich 4.1 Jahren hatten in der Placebogruppe 176 Patienten einen Herzinfarkt oder waren an einem cardiovaskulären Ereignis verschieden, in der Verumgruppe 172. Diese Studie gibt keine endgültige Antwort, zeigt aber zumindest, daß eine Östrogensubstitution als Sekundärtherapie bei bereits vorliegender Herzerkrankung offensichtlich keinen Vorteil bringt. Die Diskussion über die Zweckmäßigkeit der Östrogentherapie nach der Menopause ist dadurch nicht leichter geworden, der von uns bereits früher vertretene Standpunkt, daß diese Substitution keine generelle Routinetherapie darstellt, dürfte aber bestätigt sein (Pharmainfo VII/3/1992, XIII/1/1998).

Raloxifen hat keine signifikante stimulierende Wirkung auf das Endometrium des Uterus, ein Risiko für ein Endometriumkarzinom dürfte daher gering sein. DasRisiko venöser Thrombosen ist um das 2 bis 4fache erhöht, wobei dies mit Östrogenen vergleichbar ist. Die wichtige Frage, ob Raloxifen das Brustkrebsrisiko, das durch Östrogene etwas ansteigt (siehe Pharmainfo XIII/1/1998), unbeeinflußt läßt oder sogar senkt ist noch nicht verläßlich zu beantworten. In den vorliegenden Studien (Dauer bis zwei Jahre), war das Brustkrebsrisiko sogar erniedrigt. Weitere Daten müssen erst zeigen, ob sich dies bestätigen läßt und wie sich der Langzeiteffekt über zwei Jahre hinaus entwickelt. Für Tamoxifen das auf die Brustöstrogenrezeptoren ähnlich wirkt, liegen derzeit widersprüchliche Daten bezüglich Brustkrebsrisiko vor (amerikanische Studie, siehe 3, mit einer Reduktion versus zweier europäischer Studien ohne signifikanten Effekt: 4,5).
Die Frequenz postmenopausaler Symptome wie z. B. Wallungen, die durch Östrogene unterdrückt werden, kann unter Raloxifen sogar ansteigen.

Zusammenfassung: Der Platz von Raloxifen in der Therapie und Prophylaxe im Rahmen der Postmenopause wird erst in den nächsten Jahren verlässlich definierbar sein. Raloxifen ist nicht geeignet, postmenopausale Symptome zu lindern, sie können sogar verstärkt werden. Sichergestellt ist bis jetzt eine Senkung der Wirbelfrakturen, aber (noch?) nicht von extravertebralen Frakturen bei osteoporotischen Frauen in der Menopause. Es entfaltet günstigen Effekte auf die Blutfette, allerdings schwächer als Östrogene. Ob diese Wirkung zu einer Reduktion von Herzkreislauferkrankungen führt, ist noch unbekannt, wie oben angeführt, ist aber auch für Östroge diese Frage derzeit wieder kontrovers zu betrachten. Wie Östrogene erhöht Raloxifen thromboembolische Komplikationen. Vorläufige Daten lassen eine Reduktion von Brustkrebserkrankungen möglich erscheinen, sie erlauben aber noch keinesfalls eine verlässliche Aussage über eine Langzeitwirkung. Aufgrund dieser Daten ist derzeit Raloxifen gegenüber Östrogenen als Mittel zweiter Wahl zu bezeichnen. Sollten derzeit laufende Langzeituntersuchungen (Ruth trial: bis 2003: siehe 6) positive Daten bezüglich Herzkreislauferkrankungen und Brustkrebsrisiko bringen, könnte sich dies ändern.

Literatur:
(1) JAMA 279, 1445, 1998
(2) JAMA 280,605,1998
(3) J.Natl. Cancer Inst. 90,648,1998
(4) Lancet 352,93,1998
(5) Lancet 352,98,1998
(6) Maturitas 31,1,1998

 

Tibolon (Liviel)

Die Abwägung von Risiko und Nutzen einer Hormonersatztherapie im Klimakterium war bereits mehrmals Thema unserer Pharmainfo (VII/3/1992; VIII/4/1993; XIII/1/1998). Die günstige Beeinflussung des Knochen- und Lipidstoffwechsels mit der daraus resultierenden Reduktion von Osteoporose und Frakturen sowie kardiovaskulärer Erkrankungen und Herzinfarkte (siehe aber für letzteres die Diskussion bei Raloxifen über Östrogene bei Patientinnen mit cardiovaskulären Erkrankungen) hat zu einer positiven Bewertung dieser Therapie geführt. Diese Beurteilung war trotz der möglichen unerwünschten Wirkungen wie irreguläre vaginale Blutungen sowie geringfügig erhöhtes Risiko für Endometrium- oder Mammakarzinom möglich (siehe Beurteilung Pharmainfo XIII/1/1998). Kürzlich wurde in Österreich eine neue Substanz zur Therapie klimakterischer Beschwerden eingeführt : Tibolon (Liviel). Es handelt sich dabei um ein synthetisches Steroid, das durch Bindung an verschiedene Hormonrezeptoren neben östrogenen auch gestagene und androgene Effekte vermittelt. In prospektiv randomisierten Studien war Tibolon in der Reduktion der klassischen klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen oder nächtliche Schweißausbrüche signifikant besser als Placebo (1). Im Vergleich zu anderen Formen der Hormonersatztherapie wie Östradiolvalerianat oder konjugierten Östrogene zeigte Tibolon eine ähnliche Wirksamkeit (2). Dyspareunie und vaginale Infektionen werden häufig durch lokalen Östrogenmangel in der Vagina ausgelöst. Tibolon hat eine relativ milde östrogene Aktivität am Vaginalepithel, ähnlich wie konjugierte Östrogene aber eindeutig besser als Placebo (2,3).

Das Klimakterium ist häufig assoziiert mit depressiven Verstimmungen. Anders als für die vasovegetativen oder trophischen Symptome zeigt die Hormonersatztherapie für diese Beschwerden nur eingeschränkte Wirksamkeit. Auch für Tibolon konnte in randomisierten Studien kein einheitlich positiver Effekt beobachtet werden (2, 4, 5, 6). Allerdings weisen die Mehrzahl der Untersuchungen methodische Probleme auf. Der günstige Effekt einer Hormonersatztherapie auf die Psyche kann auch indirekt, durch die Linderung der vasovegativen Symptome, die einen beträchtlichen Leidensdruck auslösen, ermöglicht werden ("Dominoeffekt"). In diesem Zusammenhang sind auch sexuelle Störungen und insbesondere die Verminderung der Libido im Klimakterium zu erwähnen. Besonders die Androgene werden als jene Hormone angesehen, welche die Libido aktivieren können. Tibolon hat aufgrund der androgenen Wirksamkeit theoretisch einen Vorteil gegenüber den etablierten Methoden der Hormonersatztherapie. Allerdings waren die Ergebnisse von Plazebo-kontrollierten Studien widersprüchlich (5, 7). Insbesondere zeigte Tibolon im Vergleich zu konjugierten Östrogenen oder Östradiolvalerianat keine günstigere Beeinflussung der Libido. Bisher liegen für die Reduktion der Herzinfarkthäufigkeit nach Tibolontherapie noch keine verläßlichen Zahlen vor, allerdings wird der Lipidstoffwechsel teilweise ungünstig beeinflußt: die Konzentration der Triglyzeride, des Lipoprotein-a und des VLDL- Cholesterins wird zwar vermindert, allerdings bleibt die LDL-Cholesterin-Konzentration unverändert und das HDL-Cholesterin sinkt um durchschnittlich 18% ab (8). Für die Beurteilung des kardiovaskulären Risikos gibt es keinen etablierten Surrogatmarker, so daß weitere langfristige Untersuchungen abgewartet werden müssen, um die Frage der kardialen Mortalität während oder nach Tibolontherapie definitiv zu klären. Ein ähnliches Problem liegt auch beim Nachweis der Wirkung auf die Osteoporose vor. Zwar konnte unter einer Tibolontherapie die Knochendichte stabilisiert bzw. sogar gesteigert werden, allerdings ist nicht erwiesen ob dieser Effekt auch zu einer Reduktion der Frakturrate führt (9,10).

Eine, subjektiv als sehr unangenehm empfundene, unerwünschte Wirkung bei der Östrogenersatztherapie stellen die irregulären Blutungen dar. Aufgrund der nicht gesicherten Kausalität zieht dieses Symptom häufig diagnostische Maßnahmen wie Hysteroskopie oder Abrasio nach sich. Tibolon stimuliert, wenn überhaupt, nur in geringem Maße das Endometrium. Das Auftreten von irregulären Blutungen ist dementsprechend relativ selten und betrifft in einer retrospektiven Studie nur etwa 13% der behandelten Frauen (11). Eine randomisierte Untersuchung ergab, daß Tibolon im Vergleich zu einem Kombinationspräparat (Kliogest) signifikant seltener zu irregulären Blutungen (4% vs. 17%) und dadurch seltener zum Absetzen der Hormonersatztherapie aufgrund von Nebenwirkungen führte (16% vs. 25%: 12). Ob dieser günstige Effekt auf die Blutungshäufigkeit im gleichen Sinne mit einer Reduktion der Endometriumkarzinom-Häufigkeit einhergeht, läßt sich derzeit noch nicht definitiv beantworten. Auch für das Mammakarzinom gibt es derzeit noch keine Studien, die eine konklusive Bewertung des Risikos erlauben. In vitro Untersuchungen zeigen allerdings eine Hemmung der Proliferation von einzelnen Mammakarzinomzellinien durch Tibolon (13). Ebenso kam es bei einer von 14 Patientinnen mit Mammakarzinom unter Tibolonbehandlung zu einer Remission der Metastasen (14). Derzeit laufende randomisierte Studien versuchen den Effekt von Tibolon auf das Mammakarzinom klären.

Insgesamt kommt mit Tibolon ein neues, interessantes Medikament zum Einsatz, das aufgrund seiner Wirkung über verschiedene Hormonrezeptorsysteme eine Reihe günstiger Effekte auslöst. Mit Ausnahme der verminderten Blutungshäufigkeit konnte bisher allerdings in klinischen Untersuchungen kein signifikanter Vorteil gegenüber etablierten Substanzen zur Hormonersatztherapie nachgewiesen werden. Fehlende Daten über eine mögliche Senkung der Frakturrate und zur Reduktion von Herzerkrankungen machen zusammen mit der fehlenden Langzeiterfahrung dieses Präparat derzeit nur zum Mittel zweiter Wahl.

Literatur:
(1) Br Med J 1980, 280, 1207
(2) Maturitas 1986, 8, 327
(3) Maturitas 1984, 5, 281
(4) Maturitas 1984, 6, 120
(5) Reproduction 1982, 6, 81
(6) Gynecol Obstet Invest 1988, 26, 153
(7) Arch Gynecol 1983, 234, 27
(8) Maturitas 1995, 20, 215
(9) J Clin Endocrinol Metab 1996, 81, 2419
(10) Bone 1996, 19, 395
(11) Maturitas 1995, 21, 71
(12) Br.J.Obstet.Gynecol. 105,904,1998
(13) J Steroid Biochem Molec Biol 1994, 49, 311
(14) Br J Cancer 1996, 73, 1086

 

Knoblauchpräparate

Wir haben in der Pharmainfo V/3/1990 berichtet, daß der Verzehr frischen Knoblauchs (7- 28 Zehen pro Tag) zu einer signifikanten Senkung des Cholesterinspiegels im Serum führen und die fibrinolytische Aktivität im Serum erhöhen kann. Für Knoblauchextrakte lagen damals keine überzeugenden Studien vor. In der Zwischenzeit wurden für diese Zubereitungen widersprüchliche Ergebnisse publiziert. Eine kürzlich erschienene Multizenterstudie (1), die methodisch verläßlich erscheint, sei hier diskutiert. In dieser Studie wurde der Knoblauchextrakt Kwai 300 mg-Dragees (3mal täglich) getestet, also mit einer Dosis, die einer Knoblauchzehe pro Tag entspricht. Nach 12 Wochen Behandlung (n=28) war im Cholesterinspiegel und allen anderen Lipidparametern keine Änderung zu beobachten. Die vorliegenden Studien widerlegen nicht, daß Knoblauch medizinisch interessante Stoffe enthält. Sie zeigen aber, daß die Definition und Extraktion dieser möglicherweise nützlichen Stoffe noch nicht in ausreichendem Maße erfolgt ist. Es verbleibt daher nach wie vor die gleiche Situation: Man kann zwischen 7-28 Knoblauchzehen pro Tag (Spaghetti all' aglio dürften nicht ausreichen) essen und dann sein Leben zwar allein, aber etwas gesünder fortführen. Die zweite Möglichkeit wäre die Wirkstoffe aus dem Knoblauch so zu isolieren und zu definieren, daß damit eine wirklich moderne naturheilkundliche Therapie durchgeführt werden kann: und zwar Gabe von entsprechend dosierten und gereinigten Wirkstoffen ohne oft schädliche Beimengung anderer Stoffe. Dies ist dann eine moderne Therapie mit Stoffen aus der Natur, so wie dies für Vitamine, Alkaloide (Morphin!), Glycoside (Digoxin!), aber auch für die meisten Antibiotika, für Lovastatin (Mevacor) und Ciclosporin (Sandimmun), alle aus Pilzen isoliert, gilt und heute durch die gentechnologische Darstellung von Naturstoffen wie Interleukin, Interferon etc. mit einer wichtigen zusätzlichen Dimension bereichert wurde.

Literatur:
(1) Arch.Int.Med.158,1189,1998

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 15. März 1999

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

Tel.: +43 (0)512/9003-71200
Fax: +43 (0)512/9003-73200  

E-Mail: hans.winkler@i-med.ac.at

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