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Inhalt

 

Editorial

Dieses Mal schließen wir das umfangreiche Kapitel der Hochdrucktherapie ab und berichten zusätzlich über einige Fragen aus unterschiedlichen Bereichen. Das nächste Mal werden die Medikamente zur Herzinsuffizienzbehandlung besprochen, ein Gebiet, wo sich in den letzten Jahren sehr viel geändert hat.

 

Hypertoniebehandlung (Schluß)

Grundsätze der Auswahl der Medikamentengruppen

Wir wollen im folgenden versuchen, unter Berücksichtigung der in der letzten Pharmainfo gegebenen Hinweise zu den einzelnen Substanzgruppen, einige Möglichkeiten der Auswahl aufzuzeigen (siehe auch Empfehlungen aus anderen Ländern: BRD: 20, USA: 21). Es ist nicht richtig mit einer Kombinationstherapie zu beginnen, da Monotherapien bei bis zu zwei Drittel der Patienten erfolgreich sind.
Für junge Patienten
 sind Betablocker nach wie vor die bewährte Therapie. Hat der Patient eine coronare Herzkrankheit oder schon einen Infarkt erlitten, sind Betablocker sozusagen doppelt indiziert (zur Reinfarktprophylaxe sind vermutlich solche ohne intrinsische Aktivität vorzuziehen). Bei folgenden Erkrankungen sind die in Klammer angegebenen Alternativen vorzuziehen: Herzinsuffizienz (Diuretica und ACE-Hemmer), obstruktive Lungenfunktionsstörungen (Calciumantagonisten, ACE-Hemmer), periphere Durchblutungsstörungen (Calciumantagonisten) oder Diabetes mellitus (Calciumantagonisten, besonders bei Nierenbeteiligung ACE-Hemmer: 24). Eine Alternative sollte natürlich auch gewählt werden, wenn deutliche Nebenwirkungen auftreten oder leichtere Nebenwirkungen, die für den Patienten belastend sind (Lebensqualität), auch nach längerer Therapie nicht verschwinden. Wird der Betablocker gut vertragen, führt er aber nicht zur ausreichenden RR-Senkung, dann ist eine Kombination mit Diuretica (primär Benzothiazidgruppe) oder mit Calciumantagonisten (in dieser Kombination nur Nifedipingruppe) zweckmäßig.
Bei älteren Patienten
 (über 65 Jahre) sind Diuretica den Betablockern als erste Wahl vorzuziehen (21). Liegen gleichzeitig Zeichen von Herzinsuffizienz vor, dann sind Diuretica, da sie dieses Symptom günstig beeinflussen (Alternative: ACE-Hemmer: siehe nächste Pharmainfo), sozusagen doppelt indiziert. Bei Vorliegen einer Niereninsuffizienz wirken Benzothiaziddiuretica nicht mehr, aber Schleifendiuretica schon (kaliumsparende Diuretica kontraindiziert). Liegt eine Hyperurikämie, eine diabetische Stoffwechsellage oder ein schlechter Lipidstatus vor, oder werden Diuretica schlecht vertragen, dann sind bei älteren Menschen Calciumantagonisten Mittel der Wahl. Nach einem Herzinfarkt ist natürlich auch bei älteren Patienten, wenn keine Kontraindikationen vorliegen (z.B. die doch relativ häufige Herzinsuffizienz), ein Betablocker zweckmäßig.
Wenn die Monotherapie nicht ausreicht, stehen folgende Zweierkombinationen im Vordergrund: Diuretica oder Betablocker in Kombination mit Calciumantagonisten oder ACE-Hemmer oder alpha1-Blocker, bzw. Calciumantagonisten plus Betablocker oder ACE-Hemmer. Beim relativ seltenen Nichtansprechen von Patienten auf diese Kombinationen können Diuretica plus ACE-Hemmer mit Calciumantagonisten kombiniert werden. Letztlich verbleiben dann noch als zusätzliche Medikamente für eine Dreierkombination direkt gefäßerweiternde Substanzen (Hydralazin: nur in Kombinationen: Minoxidil: Loniten für resistente Fälle: siehe Pharmainfo III/1) bzw. zentral wirksame Substanzen (Clonidin: Catapresan, Clonidinhydrochlorid "Arcana", Clonidintosilat "Arcana", alpha-Methyldopa: Aldometil, Presinol).

 

Fixe Substanzkombinationen

Rein pharmakologisch gesehen sind fixe Kombinationen von Antihypertonika schwer zu vertreten, da sie aus einer flexiblen Therapie eine starre machen, ganz abgesehen davon, daß oft die Wirkungsdauer und Dosis/Wirkungs-Kurve von 2 verschiedenen Medikamenten nicht übereinstimmen. Ein praktisches Beispiel sei angeführt; bei einem fixen Diuretica-Betablocker-Kombinationspräprat kann man z.B. bei Bedarf nicht die Dosis des Betablockers erhöhen und weiterhin eine niedrig dosierte Diuretica-Therapie mit geringerem Risiko der Hypokaliämie beibehalten.
Eine starre Kombination ist erst dann wirklich vertretbar, wenn beim Patienten die Austestung der Einzel-Präparate die gleiche Dosis-Relation wie bei der fixen Kombination ergeben hat (22). Andererseits ist ein belegtes Problem der Hochdrucktherapie die oft mangelnde Compliance der Patienten, so daß bis zu 50% ihre verschriebenen Medikamente nicht oder nur unregelmäßig einnehmen. Es wird immer wieder behauptet und ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, daß die Einnahme einer geringen Zahl von Tabletten die Compliance erhöht. Dies wäre ein triftiger Grund für fixe Kombinationen. Auch hier braucht es also die überlegte ärztliche Entscheidung, die je nach Patient abwiegt, ob eine intelligente flexible Therapie bei guter Compliance möglich ist oder eine starre Fixkombination eher Erfolg verspricht. Eine klassische Kombination ist die eines Diureticums mit einem Betablocker. Kombinationen von zwei lang bewährten Präparaten sind Chlortalidon plus Metoprolol (Logrotan) oder plus Atenolol (Tenoretic) und Hydrochlorothiazid plus Metoprolol (Beloc comp.). Weitere Präparate sind Corindocomb, Selecturon, Torrat, Trasitensin, Viskaldix. Zusätzlich mit einem kaliumsparenden Diuretikum (Amilorid) gibt es eine Timolol/Hydrochlorothiazid-Kombination (Moducrin). Auf Kombinationen von Diuretica mit Reserpin, die heute nicht mehr erste Wahl darstellen, haben wir bereits hingewiesen, ebenso auf Spironolacton Kombinationen, die nur in speziellen Situationen bei der Hochdrucktherapie vertretbar sind.
Fixe Kombinationen von Diuretica (Hydrochlorothiazid) mit dem ACE-Hemmer Captopril sind ebenfalls verfügbar (Capozide, Captopril "Mayrhofer"-compositum). Calciumantagonisten liegen in Kombination mit Betablockern vor (Nifedipin+Atenolol: Beta-Adalat, Niften).
Weitere Zweifachkombinationen betreffend die zentral wirksamen Substanzen Clonidin (+Chlortalidon: Combipresan) und alpha-Methyldopa (+Hydrochlorthiazid, Amilorid: Aldoretic), die heute allerdings eher Reservemittel darstellen (siehe oben).
Dreifachkombinationen liegen für Diuretica, Betablocker und das direkt gefäßerweiternde Hydralazin vor (Polinorm, Trepress, Triloc). Hier wird es schon schwierig, an eine für den jeweiligen Patienten entsprechende Therapie zu glauben. Es müssen z.B. immer 3 Gruppen von Kontraindikationen durchdacht werden. Gerade bei fixen Dreifachkombinationen kann dies leicht übersehen werden. Auf jeden Fall dürfte diese Kombination heute selten notwendig sein, da die verfügbaren Monotherapie und Zweifachkombinationen bei einem Großteil der Patienten ausreichend blutdrucksenkend sind (siehe oben). Die Kombination Reserpin, Diuretica plus Hydralazin (Elfanex, Adelphan-Exidrex) erscheint heute durch das Vorliegen neuerer Therapieschemata (siehe oben) nicht mehr zeitgemäß.

 

Langzeit-Kosten/Nutzenrechnung

Die Pharmainfo beschäftigte sich bis jetzt nur wenig mit der Wirtschaftlichkeit der Medikamentenverschreibung und stellt auch nicht Preisvergleiche zwischen einzelnen Medikamenten her, und sie betrachtet dies auch nicht als ihre Aufgabe. Bei der Behandlung der doch sehr häufigen Hypertonie erscheint aber eine Diskussion der Kosten/Nutzenrechnung sinnvoll. In den USA (200 Mio Einwohner) sollen bis zu 30% der Bevölkerung an Hochdruck leiden und die tatsächlichen Kosten der Therapie werden auf ca. 9 Milliarden Dollar (ca. 100 Milliarden Schilling pro Jahr) geschätzt. Bei solchen Dimensionen ist es nicht mehr belanglos, wie teuer die Therapie mit den jeweiligen Antihypertensiva-Gruppen ist. Eine kürzlich publizierte Studie (14) hat nun die Kosten einer Therapie pro Jahr Lebensverlängerung geschätzt. Es wurde also nicht einfach ein simpler Vergleich der Medikamente untereinander durchgeführt, sondern die Wirksamkeit der Medikamente auf den Blutdruck, die Beeinflussung des Cholesterinspiegels und die letztlich daraus resultierende Lebensverlängerung berücksichtigt. Dabei ergaben sich folgende Zahlen für die Kosten (für den Zeitraum von 1990-2010) pro Jahr Lebensverlängerung: Betablocker (10.900 USD), Diuretica (16.400), Calciumantagonisten (31.600), Prazosin (61.900) und Captopril (72.100). Da der Zweck einer Senkung des Blutdrucks vor allem in der Lebensverlängerung liegt, müßte wohl dieser Preisvergleich, wenn medizinische Auswahlkriterien (siehe oben) ausgeschöpft sind, auch zu denken geben.

 

Schlußbemerkungen

Für die primäre Monotherapie des Hochdrucks stehen heute neben den am längsten bewährten Diuretica und Betablockern auch Calciumantagonisten und ACE-Hemmer zur Verfügung. Die Auswahl sollte nicht "modisch" oder schematisch erfolgen, sondern angepaßt an den jeweiligen Patienten bezüglich vorliegender zusätzlicher Krankheiten und der sich bei der Behandlung ergebender Verträglichkeit der einzelnen Substanzen. Diese Möglichkeit zur individuellen, maßgeschneiderten Therapie ist für die Ärztin/den Arzt eine intellektuelle Herausforderung und, wenn gelungen, für den Patienten von großem Nutzen.

Literatur:
(1) Goodman & Gilman, 7th Edition, 1985
(2) Drugs 31 /suppl.4) 40, 1986
(3) Drugs 22, 188, 1981
(4) Transparenztelegramm 1990/91, Arzneimittelformation Berlin
(5) Medical letter, 1989, p.104
(6) W.Forth, D. Henschler, W. Rummel: Wissenschaftsverlag 1987
(7) Arzneitelegramm 1988, Seite 96
(8) Drugs 29, 162, 1985
(9) Drugs 36 (suppl. 2), 1, 1988
(10) N. Engl. J. Med. 321, 868, 1989
(11) Drugs 36 (suppl.2) 6, 1988
(12) Drugs 36 (suppl.2) 33, 1988
(13) N. Engl. J. Med. 314, 1657, 1986
(14) JAMA 263, 407, 1990
(15) Martindale Extra Pharmacopoeia, 29th Ed.
(16) Criuckshank & Prichard, Churchill Livingstone, 1988
(17) JAMA 259, 1976, 1988
(18) Brit. med. J. 300, 71, 1990
(19) JAMA 261, 2087, 1989
(20) Münchn. med. Wschr. 130, 837, 1988
(21) Arch. int. Med. 148, 1023, 1988
(22) Drug Ther. Bull. 27, 57, 1989
(23) Arch. int. Med.148, 779, 1988
(24) Drugs 38, 621, 1984

 

Tranquilizer bei älteren Personen

In den Pharmainfos Nr. 3 bzw. 4 (III/4) im Jahre 1988 haben wir auf das Abhängigkeitspotential dieser Medikamentengruppen hingewiesen, da es nach Gebrauch über Monate auch bei normaler Dosierung (low dose dependence) nach Absetzen bei ca. 40% der Patienten zu Entzugserscheinungen u.a. auch epileptischen Anfällen kommen kann. Wir haben auch besonders vor Kombinationspräparaten von Tranquilizern mit anderen Substanzen Anxiocard, Persumbran, Acordin, Pentrium, Betamed, Harmomed, Limbritol, Pantrop, Tranquo Buscopan, Librax, Spasmo Praxiten) gewarnt, da der Tranquilizerzusatz zur Abhängigkeit und damit zu nicht medizinisch zweckmäßigem Verbrauch dieser Substanzen führen kann.
Das Bundesgesundheitsamt (BRD) teilt nun Zahlen über den Tranquilizer-Verbrauch (Benzodiazepine) mit. Bei den 25- bis 69jährigen erfolgte im Untersuchungszeitraum von 1987 - 1989 eine Einnahme bei ca. 4% (1984 - 1986: 5%). Höher sind die Zahlen für über 60jährige, wo sie für Frauen bei ca. 10% und bei Männern bei 6% liegen. Gerade für ältere Menschen ist aber seit langem bekannt, daß diese auf Tranquilizer stärker ansprechen, da u.a. auch die Wirkdauer zunimmt, was zur Kumulation führen kann. Auch paradoxe Erregungszustände sind beschrieben (2). Diese Warnungen dürften oft nicht ernstgenommen werden, weil es sich nur um sehr allgemein klingende Behauptungen handelt. Eine kürzlich publizierte (3) kanadische Studie zeigt nun für einen objektiven und sehr definierten Parameter diese Problematik auf. Bei 4501 Fällen von Oberschenkelhalsfrakturen wurde untersucht, ob ein Zusammenhang mit vorheriger Einnahme von Tranquilizern vorlag. Für Patienten, die Tranquilizer mit langer Halbwertszeit (Chlordiazepoxide: Librium, Chlorazepate: Tranxilium, Flurazepam: Dalmadorm (ab 1989 nicht mehr lieferbar), Diazepam: Gewacalm, Psychopax, Umbrium, Valium; nicht in der Studie erfaßte Tranquilizer mit langer Halbwertszeit: Clobazam: Frisium, Parazepam: Demetrin) eingenommen hatten, war das Risiko einer Oberschenkelhalsfraktur nahezu verdoppelt, bei solchen, die Tranquilizer mit kürzerer Halbwertszeit verwendet hatten, war dies nicht der Fall. Damit ist eine schädliche Konsequenz der Tranquilizer bei älteren Menschen objektiv erfaßt. Oberschenkelhalsfrakturen sind aber nur eine mögliche negative Auswirkung. Was ergeben sich z.B. für ältere Menschen unter Tranquilizern für Probleme im Straßenverkehr? Die zu ziehende Schlußfolgerung ist, daß die oben genannten Tranquilizer mit langer Halbwertszeit bei älteren Menschen vermieden werden sollten. Aber auch solche mit mittellanger (2), aber nicht sehr kurzer (s.u.) Halbwertszeit (z.B. Oxacepam: Adumbran, Anxiolit, Praxiten, Lormetazepam: Noctamid) sollten zurückhaltend verwendet werden. Auch wenn sie laut der diskutierten Studie keine Steigerung der Schenkelhalsfrakturen verursachten, sind auch hier psychisch und psychomotorisch negative Effekte in Betracht zu ziehen, die z.B. aufgrund der Dämpfung zu einer noch stärkeren Abkapselung des älteren Menschen führen können.
Letztlich sei noch darauf verwiesen (siehe 4,5) daß Tranquilizer mit besonders kurzer Halbwertszeit (3 Stunden bei dem auch sehr stark wirksamen Triazolam: Halcion) ein erhöhtes Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen wie Angstzuständen, Verwirrtheit, Depressionen und insbesondere anterograder Amnesie (Erinnerungsstörungen für Ereignisse) aufweisen, wobei letztere nach Einnahme von Triazolam ca. 40mal häufiger auftrat als nach anderen Tranquilizern. So erinnerte sich ein Geschäftsreisender nach Einnahme von Triazolam nicht mehr daran, wie er durch die Flughafenkontrolle gekommen war. Ob für diese Amnesien die besonders kurze Halbwertszeit oder eine hohe Affinität zum Rezeptor verantwortlich ist, wird noch diskutiert (5). Auf jeden Fall wurden aufgrund solcher Nebenwirkungen in mehreren Ländern die 0,5 mg Tabletten von Halcion vom Markt genommen, die obgenannten Probleme sprechen aber auch für eine zurückhaltende Verwendung, wenn überhaupt, von 0,25 mg Halcion Tabletten.

Literatur:
(1) BGA Pressedienst 7. Mai 1990
(2) Transparenztelegramm 1990/91, Arzneimittelinformation Berlin
(3) JAMA 262, 3303, 1989
(4) Arzneitelegramm 1990, S.49
(5) Pharmacology 35, 286, 1987

 

Naturheilmittel

In der Pharmainfo IV/1/1989, haben wir bereits einige Gesichtspunkte zu der Frage Naturheilmittel diskutiert. Wir haben damals betont, daß auch für ein Naturheilmittel der Nachweis der Wirksamkeit erfolgen sollte und dann, wie das bereits schon so oft geschehen ist (Morphin, Herzglycoside, Antibiotica etc.) der Wirkstoff extrahiert und charakterisiert werden sollte, um eine verläßliche Therapie durchführen zu können. Wie ist nun die Situation bei einem alten Volksheilmittel, dem Knoblauch?

 

Knoblauch

Dem Knoblauch wird eine anti-atherosklerotische Wirkung zugesprochen. Am ehesten könnte dies über eine Senkung des Cholesterinspiegels im Blut und auch über eine Aktivierung fibrinolytischer Prozesse erfolgen. Eine kürzlich publizierte Studie (1) hat aus den Hunderten von Arbeiten über Knoblauch eine kritische Analyse der verwertbaren, also kontrollierten Studien, vorgelegt.
Sechs Studien beschäftigen sich mit der Wirkung frischen Knoblauchs auf den Cholesterinspiegel. Diese Studien hatten zwar eine randomisierte Kontrollgruppe, waren aber aus verständlichen Gründen (Geruch!) nicht doppelblind. Auf jeden Fall zeigte sich in 5 von 6 Studien eine Senkung des Cholesterins von -6 bis -18% und in 5 von 5 Studien eine Steigerung der fibrinolytischen Aktivität. Daher ist es berechtigt, Knoblauch eine positive Wirkung auf atherogene Risikofaktoren zuzusprechen, allerdings hat die Sache einen Haken: die für diese Wirkung notwendigen Dosen lagen zwischen 15 und 50g, was ca. 7 - 28 Knoblauchzehen pro Tag entspricht. Dies dürfte bei Dauergebrauch die Compliance des Patienten oder der Umgebung drastisch reduzieren. Es wäre daher notwendig, die Wirkstoffe zu extrahieren und möglicherweise Präparate zu produzieren, die ohne Knoblauchgeruch wirken. Allerdings ist nicht sicher, ob nicht der entscheidende Wirkstoff Allicin ist, das bei Umwandlung in Sulfide zum Geruch führt (1). Wie dem auch sei, für kommerziell gefertigte Knoblauchpräparate (in nur 5 kontrollierten Studien) zeigte sich bei 3 Studien kein Effekt auf das Cholesterin, bei zweien, allerdings mit geringen Patientenzahlen, eine leichte Senkung. Diese Daten zeigen, daß entweder die Extraktionsmethoden insuffizient waren oder die eingenommene Dosis der nicht charakterisierten Wirkstoffe unzureichend war.
In Österreich sind von Knoblauchpräparaten als Arzneimittel Alliviscin und Intergen registriert. Zahlreiche zusätzliche Präparate sind als Verzehrprodukte eingestuft, die von der Zusammensetzung her nicht genau definiert sind. Allivisicin enthält Trinksaft von Wald- und Gartenknoblauch, Baldrianextrakt und Mistelpulver. Als Indikation ist Hypertonie angegeben. Wir haben gerade (in dieser und in der letzten Info) die vielen Möglichkeiten zur wirksamen Hochdrucktherapie diskutiert, eine Gabe eines solch undefinierten Knoblauchpräparates erscheint unverantwortlich. Ein Präparat dieser Art dürfte für die Indikation Hochdrucktherapie auch nicht registriert sein. Das Präparat Interden bzw. Intergen forte enthält neben Knoblauch u.a. noch Cholin und Thyreoidea (0,3% Jod). Laut Austria Codex ist die Indikation für dieses Präparat Geriatrie, lt. Gebrauchsinformation aber Nachbehandlung von Operationen und Bestrahlungen, Alterskrankheiten, Artherosklerose, Thromboseverhütung usw. Diese Präparate sollten laut Gebrauchsinformation in steigenden Dosen verabreicht werden, solange keine Sympathicotonussteigerung (Puls über 90, Nervosität, Herzklopfen) auftritt. Schilddrüsenpräparate (Thyreoidea) sind nur bei Mangel am entsprechenden Hormon (Thyroxin) indiziert, eine Gabe als Geriatricum (!) ist gefährlich (Gefahr für das Herz!) und abzulehnen, der Knoblauchzusatz soll offensichtlich den Bezug zu einem Naturheilmittel herstellen. Auch hier ist nicht verständlich, daß dieses Präparat für die obigen Indikationen als Arzneimittel zugelassen ist.
Knoblauch ist ein Naturprodukt, das günstige Wirkungen entfalten kann, die pharmazeutische Industrie hat aber offensichtlich die Wirkprinzipien noch nicht genügend erfaßt. Es ist nur belegt, daß hohe Dosen frischen Knoblauchs nützlich sein können, diese sind aber sozial kaum zu verkraften. Bei niederen Dosen bleibt für den Liebhaber zumindest der gute Geschmack, eine positive Wirkung bei Atherosklerose dürfte nicht mehr auftreten. Bei kommerziell verarbeiteten Knoblauchpräparaten - und das dürfte auch für die zahlreichen Knoblauchpräparate gelten, die als Verzehrprodukte angeboten werden - ist eine Wirkung offensichtlich nicht belegt (siehe auch 2).

Literatur:
(1) Br. J. Clin. Pharmac. 28, 535, 1989
(2) Arzneitelegramm 1989, S.92

 

Metoclopramid (Imperan, Paspertin)

Das BGA (BRD) macht auf den möglichen Zusammenhang zwischen Metoclopramid und einem malignen neuroleptischen Syndrom aufmerksam (1).
Metoclopramid wirkt auf periphere und zentrale Dopaminrezeptoren antagonistisch. Klinisch interessant ist seine antiemetische und magen- und darmmotilitätssteigernde Wirkung. Das Medikament ist indiziert (1) in schweren Fällen von Übelkeit, Erbrechen und Motilitätsstörungen des oberen Gastrointestinaltraktes, wie z.B. bei Zytostaticabehandlung bzw. bei Refluxösophagitis, sowie zur wirksamen antiemetischen Prophylaxe von endoskopischen Eingriffen. Die dopaminantagonistische Wirkung im ZNS bewirkt wie bei Neuroleptika das Auftreten von extrapyramidalmotorischen Nebenwirkungen. Bei Erwachsenen sind diese seltener (ca. 1-2%), bei Patienten unter 30 und Kindern können allerdings diese bei hohen Dosen bis zu 27% betroffen sein (2). Bei diesen jungen Patienten sind die Symptome meist vom akuten dystonen Typ, wie Nackensteife, Trismus, Torticollis und Gesichtskrämpfe (3). Auch späte Dyskinesien nach längerer Gabe, die dann irreversibel sind, wie dies auch relativ häufig bei dopaminantagonistischen Neuroleptika beobachtet wird, treten nach Metoclopramid auf (3).
Das in seltenen Einzelfällen nach Metoclopramid auftretende maligne neuroleptische Syndrom ist durch Hyperpyrexie, erhöhten Muskeltonus, autonome Dysregulation und Bewußtseinsstörungen gekennzeichnet (1). Es wird eine Letalität um 20% angegeben. Was ergeben sich aufgrund dieses Nebenwirkungspotentials für Konsequenzen? Metoclopramid sollte nur bei strenger Indikationsstellung verwendet werden. Eine Gabe z.B. bereits bei Appetitlosigkeit oder sogenanntem Reizmagen ist nicht vertretbar. Auch eine Gabe über längere Zeiträume sollte vermieden werden. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen ist Zurückhaltung zweckmäßig. In diesem Zusammenhang erscheint es bedenklich, daß Paspertin auch als Paspertinsaft registriert ist, da diese Verabreichungsform eher das Image eines harmlosen Arzneimittels (vgl. Hustensaft) vermittelt. Zumindest für jüngere Patienten dürfte Domperidon (Motilium) eine Alternative darstellen (4), da es weniger ins ZNS überdringt und daher seltener extrapyramidale Symptome auslöst (3).

Literatur:
(1) Bundesgesundheitsblatt 4, 179, 1990
(2) N. Engl. J. Med. 309, 433, 1983
(3) Arzneimittelbrief 19, 81, 1985
(4) Drug and Therapeutic Bull. 1988, 59

 

Zurückgezogen: Pirprofen (Rengasil)

Dieses nichtsteroidale Antirheumaticum wurde jetzt aus dem Handel genommen. Das Arzneitelegramm hat schon seit längerem auf erhöhte Risiken bei Gabe dieses Medikaments hingewiesen, insbesondere auch auf die Hepatotoxizität, die 12% aller Nebenwirkungen betraf (Arzneitelegramm 1988, S.110). Das hepatotoxische Risiko für Pirprofen soll um ca. 3-4fach höher liegen als bei anderen nichtsteroidalen Antirheumatica, wobei Letalverläufe nicht selten sind (Arzneitelegramm 1990, S.26). Die jetzt erfolgte Zurücknahme des Präparates zeigt wieder einmal auf, daß Warnungen kritischer Publikationen wie das Arzneitelegramm in der BRD sie darstellt, ernst zu nehmen sind. Der Rückzug vom Markt benötigt oft längere Zeit, im Interesse der Patient(inn)en sollten Präparate, die als problematisch eingestuft werden, nur verschrieben werden, wenn keine entsprechenden Alternativen vorliegen und die Schwere der Krankheit es verlangt. Für Rengasil hat es genügend lang bewährte Alternativen bei den nichtsteroidalen Antirheumatica (siehe Pharmainfo II/1, II/2 und II/3) gegeben.

 

Neubewertung: Nitroderm TTS - 5 mg/24 h und 10 mg/24 h Depot-Pflaster

In einer der ersten Pharmainfos (I/2) im Jahre 1986 haben wir dieses Präparat bereits einmal besprochen.
Es handelt sich um ein transdermales System (Pflaster), das dann durch die Haut resorbiert wird. Wir hatten 1986 festgestellt, daß dieses System zu wirksamen Blutspiegeln von Nitroglycerin führt und daß sich eine positive, anfallverhindernde Wirkung bei Angina pectoris objektiv belegen läßt. Weiters stellten wir fest: "Eine Dauertherapie (zumindest über 2-3 Wochen) ergibt laut einiger Studien immer noch wirksame Effekte. Aber diese Frage wird nicht einheitlich beurteilt, und die Frage der Toleranzentwicklung bleibt problematisch". Inzwischen liegt eher Konsens darüber vor, daß Nitratpflaster wenn sie für 24 Stunden kontinuierlich auf die Haut aufgebracht werden, relativ bald zur Toleranz und damit zur Unwirksamkeit oder zumindest zu deutlicher Wirkungsabschwächung führen (1,2,3). Wie sie oft bei Neueinführungen von Substanzen war es auch hier offensichtlich so, daß am Beginn relativ optimistische Berichte erschienen (als Erklärung dafür ließen sich leicht Ursachen aufzeigen), die dann doch einer kritischen Bewertung weichen müssen.
Diese Erkenntnisse haben nun zu einer Änderungsempfehlung für die Anwendung geführt. Das Pflaster soll nicht kontinuierlich für 24 Stunden aufgebracht werden, sondern mit jeweils einem Intervall von 8 - 10 Stunden (am ehesten in der Nacht).
Diese intermittierende Methode soll die Toleranzentwicklung verhindern, wobei allerdings auch hier meist nur relativ kurze Studien (1 Woche: 4,5,6) vorliegen, und längere Zeiträume (1 Monat) weniger (7) untersucht wurden. Auch negative Arbeiten für die Art der Therapie liegen vor (8). In einer Studie waren nach 29 Tagen signifikante Effekte nur bei hohen Dosen (15 oder 20 mg/ 24 h) bei der intermittierenden Pflastertherapie zu sehen (9). In dieser Studie wurde auch über das vermehrte Auftreten von Angina-pectoris-Anfällen in der nitratfreien Nacht (8 von 130 Patienten) berichtet.
Wie ist nun das Nitroderm System heute zu bewerten?
Ein wesentliches Characteristicum transdermaler Systeme ist, daß eine sehr konstante Wirkstoffzufuhr und damit konstante Blutspiegel erreicht werden können. Im Gegensatz zu anfänglich optimistischen Berichten ist dies aber gerade im Falle der Angina pectoris Therapie von Nachteil. Es wird daher das Entfernen des Pflasters für 8 - 10 Stunden empfohlen, bzw. sind bereits Pflaster in Vorbereitung, die eine diskontinuierliche Abgabe von Nitroglycerin (höhere Anfangsrate) zeigen. Damit wird aber eigentlich klar, daß das transdermale System für die Angina pectoris Therapie keine sinnreiche Entwicklung darstellt. Eine orale Therapie ist viel flexibler und kann daher dem einzelnen Patienten besser angepaßt werden. So hat z.B. eine Studie (10) gezeigt, daß Isosorbiddinitrat (Cedocard, Isoket, Isomack, Sorbidilat, Vasorbate) wenn es nur 3 mal täglich (7 Uhr, 12 Uhr, 17 Uhr) gegeben wird, zu keiner Toleranz führte, eine zusätzliche Abenddosis (23 Uhr) offensichtlich durch die Verkürzung des nitratfreien Intervalls hingegen schon. Dieses orale Dosisschema kann ohne Probleme variiert werden, um eventuelle Anfälle in der nitratfreien Zeit zu reduzieren (10). Sollte dies mit der oralen Nitrotherapie nicht ausreichend möglich sein, sind Betablocker und Calciumantagonisten einzusetzen oder zusätzlich zu geben. Eine orale Therapie ist wirksam, flexibel, kann ohne Toleranzentwicklung durchgeführt werden und ist preislich deutlich günstiger. Die transdermale Nitrodermtherapie kann daher derzeit nicht mehr als eine überzeugende Alternative zur oralen Therapie betrachtet werden. Daran kann auch die hohe Akzeptanz durch die Patienten (Pflaster in der Herzgegend als subjektiv besonders wirksam empfunden) nichts ändern.

Literatur:
(1) The Medical Letter 31, 65, 1989
(2) DMW 114, 2023, 1989
(3) Lancet II, 4, 1988
(4) J. Amer. College Cardiol. 60, 642, 1987
(5) Amer. J. Card. 60, 271, 1987
(6) DMW 114, 1551, 1989
(7) Amer. J. Card. 59, 895, 1987
(8) J. Amer. Coll. Cardiol. 13, 421, 1989
(9) J. Amer. Coll. Card. 13, 781, 1989
(10) N. Engl. J. Med. 316, 1140, 1987

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Freitag, 22. November 1996

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