search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

info2-2.jpg 

 

Inhalt

 

Editorial: Ab dieser Pharmainformation werden die Texte vom Herausgeberteam gemeinsam getragen. Das wird sich in der Praxis so abspielen, daß die jeweiligen Kapitel je nach Schwerpunkt von einem Herausgeber in einem Rohentwurf vorgelegt werden und dann vom Herausgeberteam nach Diskussion in eine Endfassung gebracht werden. Natürlich werden wir auch noch zusätzlich den Rat und die Hilfe weiterer Experten einbeziehen und diese jeweils namentlich nennen.
Die Herausgeber

 

Analgetica, Antipyretica, Antiphlogistica

Grippemittel:

Die sogenannten Grippemittel stellen natürlich keine kausale Therapie von Grippe oder Verkühlung dar, die ja primär Virusinfektionen sind, sondern es handelt sich meist um rational schlecht begründbare Mischungen mehrerer Substanzen. Neben einem oder mehreren Antipyretica finden sich oft Antihistaminica. Deren Wirkung ist zwar bei allergischem Heuschnupfen (siehe Pharmainformation 1,3), wo Histamin eine Rolle spielt, belegt, bei gewöhnlicher Rhinitis könnten sie höchstens aufgrund der anticholinergen Komponente etwas "trocknend" wirken. Wegen der Unverläßlichkeit dieser Nebenwirkungen sind sie aber bei Virus-Rhinitis und Verkühlungen von zweifelhaftem Wert (1) und können durch die Sedierung nachteilig sein: in Apracur, Apragon, Grippinon, Capramin, Influbene, Trimedil.
Weitere Zusätze sind gefäßverengende Substanzen. Diese können sicherlich nicht bei oraler Gabe gezielt auf die Scheimhautgefäße der Nase wirken und dadurch den Schnupfen erleichtern (1). Eine kurzzeitige lokale Gabe von gefäßverengenden Substanzen als Nasentropfen erscheint hier zweckmäßig. Eine Kreislaufstützung durch diese Substanzen wird propagiert, dürfte aber nicht zweckmäßig sein. Wenn jemand Fieber hat und dieses senkt, kann eine orthostatische Reaktion des Kreislaufes als sinnvolle Antwort des Organismus andeuten, daß man ins Bett gehört. Bei kreislaufempfindlichen Patienten kann die unkontrollierte Erhöhung des Blutdrucks schädlich sein. Präparate wie Apracur, Capramin, Influbene und Trimedil, erscheinen daher nicht zweckmäßig. Ist eine Fiebersenkung beim Erwachsenen im Rahmen einer Grippe erwünscht, sind Monopräparate wie Acetylsalicylat oder Paracetamol Mittel der Wahl. Alles andere ist eine nicht rational begründbare Vorgangsweise und kann sogar schädlich sein.

Literatur:
1. Goodmann & Gilman, 7. Auflage, 1985

 

Acetylsalicylsäure (ASS) und Paracetamol (Mexalen, Momentum Analgeticum) in der Schwangerschaft

Wie für alle Medikamente sind auch für diese beiden Substanzen verläßliche Aussagen über die Sicherheit in der Schwangerschaft nur schwer zu bekommen. Zumindest für Paracetamol gibt es keine Hinweise für negative Effekte für die Schwangere oder den Fötus (1, 2). Für ASS in hohen Dosen sind teratogene Effekte bei Nagetieren beschrieben, am Menschen sind keine entsprechenden Daten vorhanden (1, 3). Allerdings hat sich gezeigt, daß chronische Einnahme von ASS am Ende der Schwangerschaft zu verzögerter Geburt und verstärkten Blutungen führt und für den Fötus reduziertes Geburtsgewicht bis erhöhte Sterblichkeit bedingt. Diese Wirkungen lassen sich durch die Hemmung der Prostaglandin-Synthese erklären. Diese kann auch erklären, daß es unter der Gabe von PG-Synthesehemmern bei Föten zu einer frühzeitigen Konstriktion des Ductus Botalli, der durch PG offengehalten wird, kommen kann. Die dadurch entstehende pulmonale Hypertonie könnte zur erhöhten Sterblichkeit beitragen (1). Paracetamol ist daher in der Schwangerschaft bei entsprechender Indikation in niederen Dosen vertretbar, bei ASS dürfte dies mit der Einschränkung, daß die Substanz nicht während der letzten Wochen der Gravidität (4) genommen werden darf, ebenfalls gelten.

Literatur:
1. Arch. int. Med. 141, 358, 1981
2. Schw. med. Wschr. 112, 1200, 1982
3. Pediatrics (suppl.) 62, 930,1978
4. Schmerztelegramm (AT) I, 2, 1982

 

Pyrazol-Derivate:

Die zu dieser chemischen Gruppe gehörendes Substanzen haben neben einer analgetischen und antipyretischen Wirkung auch einen starken antiphlogistischen Effekt, die alle über den bereits für Salizylate diskutierten Wirkungsmechanismuns verlaufen dürften (1). Seit Einführung dieser Substanzen ist bekannt, daß sie durch schwerwiegende Nebenwirkungen, z. B. Blutblildschäden, Magenulcera, belastet sind. Daher wurde immer eine strenge Indikationsstellung gefordert, einzelne Substanzen (Aminophenazon, Metamizol) waren in einigen Ländern verboten. Andererseits wurden diese Substanzen wegen ihrer starken antiphlogistischen Wirkung millionenfach (z. B. 1982: Tanderil und Ambene: ca. 1 Million Packungen) verschrieben und auch als Zusatz zu Grippemitteln (Metamizol bis 1984 in Influbene) millionenfach verwendet. Die immer wieder aufflammende Diskussion über diese Mittel wurde dann schlagartig aktualisiert, als bekannt wurde, daß für Butazolodin und Oxyphenbutazon im Laufe der Jahre über 1000 Todesfälle registriert wurden (11).
Niemand kann bezweifeln, daß Verbindungen aus dieser Gruppe Agranulozytosen und aplastische Anämien mit einer hohen Mortalität auslösen. Die Frage, die immer noch umstritten ist, ist die Häufigkeit dieser schweren Nebenwirkungen, wobei die Schätzungen z. B. bei Metazimol von einem Fall auf einige tausend bis auf eine Million reichen (s.u.). Es dürfte am zweckmäßigsten sein, wenn wir die einzelnen Pyrazolderivate nacheinander besprechen und jeweils versuchen ein entsprechendes Risiko-Nutzen-Verhältnis zu definieren.

Phenazon, Antipyrin
Diese Substanz wird wegen ihrer analgetischen Wirkung verwendet. Eine Auslösung von Agranulozytosen ist nicht sicher belegt, dafür kommt es häufiger als bei anderen Substanzen zu Arzneimittelexanthemen, weshalb sie nicht zu empfehlen ist (2). Die Verwendung in oralen Kombinationspräparaten (siehe Pharmainformation 2, 1) zusammen mit anderen Analgetica oder Coffein erscheint nicht zweckmäßig (Coffo-Selt, Eu-Med). Die Zugabe von Phenazon zu einem Asthmamittel (Priatan-Tbl.) ist wegen der Auslösung von Asthmaanfällen durch nicht steroidale Antiphlogistica (siehe Pharmainformation 2, 1) unverständlich.

Amidopyrin (Aminophenazon)
Für Amidopyrin ist das Auftreten von Agranulozytosen belegt (bis zu 1%:3), auch wenn Endgültiges über die tatsächliche Frequenz schwer auszusagen ist (siehe Metamizoldiskussion). Aufgrund dieser Eigenschaft war diese Substanz in vielen Ländern verboten. Zusätzlich ist Amidopyrin als potentielles Carcinogen zu betrachten, da es zusammen mit Nitriten das Carcinogen Dimethylnitrosamin bilden kann (3). Allerdings ist nicht geklärt, ob relevante Konzentrationen dieses Carcinogens in vivo gebildet werden. Schon auf Grund der Schädigung des Blutbildes ist aber diese Substanz heute nicht mehr vertretbar, und Kombinationspräparate wie Avamigran-Supp., Butylonyl-Supp., Ditonal-Zäpf., Europan-Amp., Inalgon, Neokratin-Supp. sollten auch in Österreich vom Markt genommen werden.

Metamizol
Diese Substanz hat eine gute analgetische und antipyretische Wirksamkeit. Da in früheren Studien für Metamizol ein relativ hohes (bis zu 1%) Agranulozytoserisiko beschrieben wurde, war Metamizol in einigen Ländern verboten. In der BRD und bei uns wurde diese Substanz hingegen viel verwendet, obwohl immer wieder die Diskussion über die Vertretbarkeit dieses häufigen Einsatzes aufflammte. Von einer internationalen Studie (Boston-Studie: 4), die von der Firma Hoechst finanziert, aber von unabhängigen Fachleuten durchgeführt wurde, erwartete man sich eine verläßliche Antwort für die Frage der Blutbildschäden. In dieser Studie wurde in zahlreichen Kliniken in Israel, Spanien, der BRD, Ungarn und Italien versucht, alle Agranulozytosefälle und aplastischen Anämien zu erfassen und anamnestisch nach Analgeticakonsum im Vergleich zu Kontrollgruppen zu untersuchen. In der BRD und in Spanien wurde für Matamizol ein erhöhtes Agranulozytoserisiko gefunden (ca. ein Viertel der Agranulozytosefälle hatte Metamizol eingenommen, während dies in der Kontrollgruppe nur in ca. 2,5% der Fall war). Überraschenderweise wurde aber kein erhöhtes Risiko in Ungarn oder Israel gefunden. Diskrepanzen wie diese wurden in mehreren kritischen Analysen als problematisch dargestellt (z. B. 5). Die Studie hat aber folgendes sichergestellt:
1. Metamizol ist ein Agens, das Agranulozytosen auslösen kann. Die Mortalität beträgt 9% und erscheint daher heute mit moderner Therapie niedriger als in früheren Jahren.
2. Frühere Zahlen, die ein Agranulozytoserisiko von 1 auf 150 bis 3000 behauptet haben, waren sicherlich zu hoch gegriffen. Die jetzige Studie gibt bei einem 14tägigen Gebrauch eine Agranulozytoseinzidenz von 1 auf 330.000 an. Wenn man die Dunkelziffer und gewisse Schwächen der Studien bedenkt, dürfte die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen und das Risiko steigt natürlich bei längerer Einnahme (6). Dieses Agranulozytoserisiko muß in die Risiko-Nutzen-Abwägung einbezogen werden. Eine weitere wesentliche Nebenwirkung betrifft die Auslösung von allergischen Geschehen, wie Asthmaanfällen bis zum anaphylaktischen Schock. Hier muß man zwischen zwei pathogenetischen Mechanismen unterscheiden (2). 
1. Die bereits bei den Salizylaten besprochene Auslösung von Asthmaanfällen bei gewissen Personengruppen (z.B. Asthmatikern), die vermutlich auf vermehrte Leukotrien-Produktion zurückzuführen ist und für alle nicht steroidalen Antiphlogistica gilt. 
2. Ein allergischer Vorgang, der bis zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock führen kann und der für Metamizol besonders typisch zu sein scheint. Auch hier kann man bezüglich der Häufigkeit nur Schätzungen vornehmen (bei oraler [!| Gabe 1 auf 50.000, bei intravenöser Gabe auf 1 auf 5.000 für schwerste Schockformen, für leichtere Schockformen 1 auf 1.000 [7]). Beim Auftreten eines solchen Schocks ist die Injektion sofort abzubrechen und wie bei der Behandlung anaphylaktischer Reaktionen mit Adrenalin-Injektion und Gabe von Glucocorticoiden und Antihistaminica vorzugehen (8). Diese allergische Reaktion ist zu unterscheiden von Blutdruckabfällen, wie sie besonders bei schneller intravenöser Injektion bei älteren Menschen auftreten, wobei hier eine spasmolytische Gefäßwirkung zusammen mit einer - z.B. auch eintretenden - Fiebersenkung zugrunde liegen dürfte (2). Was ergeben sich für Konsequenzen für die Riskio-Nutzen-Abwägung? Eine Zugabe von Metamizol z. B. zu Grippemitteln, die häufig verwendet werden, ist nicht zu vertreten, da hier andere Substanzen (s. o.) völlig ausreichend sind. Es war daher eine späte aber wichtige Maßnahme, daß Metamizol aus Influbene herausgenommen wurde (1983).
Ein Einschluß von Metamizol in analgetische Mischpräparate (Arantil, Brachialin, Dolonerv, Dolo-Baralgin, Gardan, Inalgon-Tropfen, Judolor comp.-Manteltabl., Nealgon, Panax) und überhaupt die Gabe als Analgeticum (Novalgin) erscheinen, da hier ASS und Paracetamol zur Verfügung stehen, nicht zweckmäßig. Es ist zu hoffen, daß für Kombinationspräparate dieser Art die Registrierung in Österreich bald zurückgezogen wird. Zur Fiebersenkung (siehe Pharmainformation 2, 1), stehen andere Präparate zur Verfügung. Metamizol könnte nur vertreten werden, wenn diese anderen Mittel (wie Salizylate und Paracetamol) nicht wirksam sind, oder eine intravenöse Injektion notwendig ist. In Österreich ist leider eine injizierbares Salizylatpräparat (Aspisol in der BRD) nicht registriert. Für starke Schmerzen dürfte es zweckmäßiger sein, Opiate und opiatähnliche Präparate (siehe eine der nächsten Pharmainformationen) zu verwenden.
Metamizol ist auch in Kombination mit Spasmolytika registriert (Baralgin, Buscopan comp., Dolpasse, Spasmium comp.) Bei Gallengangs- und Nierenkoliken werden diese Substanzen noch immer viel verwendet. Da Metamizol in vielen Ländern verboten ist, müssen offensichtlich auch Alternativen wirksam sein. Schon wegen der Schockgefahr (s. u.) sollten Metamizolpräparate nur verwendet werden, wenn Alternativen (s. u.) nicht zweckmäßig erscheinen oder nicht in Frage kommen.
Diese kritische Nutzen-Risiko-Abwägung für Metamizol entspricht weitgehend den neuen Auflagen des Bundesgesundheitsamtes in der BRD (9). Es ist anzunehmen, daß auch in Österreich bald entsprechende Maßnahmen getroffen werden. In der Praxis kann jeder selbst seine Entscheidung schon jetzt treffen.

Propyphenazon:
Für diese Verbindung ist eine Risiko-Nutzen-Abwägung schwierig. Die analgetische Wirkung ist gegeben, die Frage nach den Nebenwirkungen, insbesondere Agranulozytose bzw. Schockauslösung ist, da die Substanz erst kürzer in Gebrauch ist, schwierig zu beantworten. Von den einen (10) wird ein ähnliches Risiko wie von Metamizol erwartet, von anderen (7) wird dieses Risiko als geringer angesehen. Auf jeden Fall sind Kombinationspräparate, die neben Salizylaten, Paracetamol und anderen Analgetica auch Propyphenazon enthalten oder Kombinationen von Propyphenazon mit Coffein als nicht zweckmäßig zu betrachten (siehe Präparate in Diskussion über Kombinatiospräparate) und zwar folgende: Adolorin, APA-Kinderzäpfchen, Arantil, Dilascorban, Gardan, Montamed, Neuro-Europan. Für Propyphenazon als Monopräparat (Dim-Antos, Febral: + Ascorbinsäure), erscheint die Verwendung höchstens als Mittel zweiter Wahl, wenn z. B. Salizylate , Paracetamol und in der nächsten Pharmainformation zu besprechende nicht steroidale Antirheumatica, nicht ausreichen oder nicht vertragen werden, vertretbar.

Phenylbutazon, Oxyphenbutazon:
Bei beiden Substanzen ist neben der analgetischen Wirkung vor allem die starke antiphlogistische Wirkungen interessant. Die Risiko-Nutzen-Abwägung dieser Substanzen wurden 1984 aktualisiert, als bekannt wurde, daß ihre Verwendung zu mindestens 1030 Todesfällen geführt hatte. Als Ursache standen Blutbildschäden (aplastische Anämien und Agranulozytosen), Magen-Darm-Blutungen und seltener eine Hepatitis im Vordergrund (11). Auch hier ist wieder die Frequenz schwierig zu bestimmen. Zwei Studien sprechen von einem Todesfall durch Blutbildschäden pro ca. 30.000 Verwendungen (12, 13). In der oben zitierten Boston-Studie (4) wurde ein Fall von aplastischer Anämie (Mortalität ca. 50%) pro ca. 150.000 Patienten erfaßt. Auf jeden Fall haben diese Daten zu einer erneuten Diskussion über die Risiko-Nutzen-Verhältnisse geführt und zahlreiche Maßnahmen und Indikationseinschränkungen bewirkt. Für Oxyphenbutazon (Tanderil: bis 1984) hat die Firma Geigy sich zur Zurückziehung entschlossen, nachdem trotz Einschränkung der Indikation der Absatz nicht (!) entsprechend zurückging. Phenylbutazon (Butazolidin; Tomanol: plus Isopropylaminophenazon, Ambene N: plus unzweckmäßige Vitaminzugabe) soll nur als Mittel zweiter Wahl (für Mittel erster Wahl siehe nächste Pharmainformation) gegeben werden, und zwar bei aktiver, ankylosierender Spondylitis (M. Bechterew), akuter Gichtarthritis, aktiver rheumatischer Polyarthritis und aktivierter Arthrose, wenn andere Mittel nicht wirksam sind ; also sicherlich nicht mehr als Routinemittel bei radikulären Schmerzen (z. B. "Ischialgie"). Es gibt vor allem auch Stimmen, die für einen völligen Verzicht auf diese Mittel eintreten. In Norwegen z. B. wurde die Registrierung bereits 1984 entzogen (14). Kombinationen von Butazolidin mit Cortison (Ambene, Delta-Tormanol B12) sind nicht zweckmäßig, da sie z. B. das Magenulcusrisiko einschließlich der Perforation erhöhen (15). Diese Mittel wurden in der Bundesrepublik Deutschland bereits zurückgezogen, und es ist zu hoffen, daß dies auch in Österreich endlich geschieht. Weitere Pyrazolderivate sind Mofebutazon (Monobutyl), Feprazon (Zepelin), Kebuzon (Ketazon) und Azapropazon (Prolixan). Die Nachteile dieser zum Teil neueren Substanzen sind, daß man über die Schwere und Häufigkeit ihrer Nebenwirkungen relativ wenig weiß. Für Azapropazon z. B. sollen Blutbildschäden seltener sein (1) dafür ist diese Substanz durch Photosensibilisierung belasteter (8). Feprazon (Zepelin) ist auf Grund englischer Statistiken (15a) häufig durch schwere Nebenwirkungen belastet und wurde in England bereits zurückgezogen (15a). Bis zum Vorliegen von überzeugenden Daten, daß die anderen Präparate weniger durch Blutbildschäden und andere schwerwiegende Nebenwirkungen belastet sind, sind sie mit der gleichen Zurückhaltung wie Butazolidin zu behandeln und eher nur als Mittel zweiter Wahl einzusetzen. Besonders gilt dies natürlich für Kombinationen mit allen möglichen Analgetica, Cortison oder Venenmittel (Mofebutazon: Clinit, Buta-Lyseen Hommel, Phlebiven forte Drg.; Kebuzon: Rheumesser, Azapropazon: Algo-Prolixan). Es erscheint einfach nicht annehmbar, daß wir bei jedem einzelnen Pyrazolderivat von neuem erst nach Todesfällen von einer verbreiteten Verwendung über eine strengere Indikation letztendlich zum Rückzug der Präparate kommen. 
Abschließend sei wieder einmal auf die gerade für Pyrazolderivate typischen Schäden (Ischiadicuslähmungen, Nebenwirkungen bei versehentlicher i. a. Injektion) bei nicht sehr sorgfältiger i. m. Injektion (16) und auf die Wechselwirkung mit anderen Pharmaka (Verdrängung aus der Plasmaeiweißbindung und in der Folge lebensgefährliche Blutungen bei Antikoagulantien und hypoglykämischer Schock bei oralen Antidiabetica) hingewiesen.

 

Welches Mittel bei Koliken:

Wir haben gerade diskutiert, daß Metamizol in vielen Ländern nicht zur Verfügung steht und bei uns zumindest umstritten ist. Was gibt es also für Alternativen (18), z. B. für Novalgin, Baralgin, Buscopan compositum, zur Behandlung von schmerzhaften Gallen- und Nierenkoliken: von den Opiaten wird vor allem Pethidin (Alodan) empfohlen, das geringere spasmogene Wirkung im Bereich der glatten Muskulatur besitzt (1), aber auch Morphium und andere Opiate werden verwendet. Hierbei zeigt sich aber ein gewisser Gegensatz zwischen z. B. angelsächsischen Ländern und unseren Gegebenheiten. Für Alodan (siehe Austriacodex) werden bei uns und Gallengangskoliken als Kontraindikation angegeben. Eine zusätzliche Gabe von Spasmolytica wird daher als besonders zweckmäßig (18) betrachtet: z. B. Butylscopolamin (Buscopan) und neuerdings Nitropräparate (17, 18) Isosorbiddinitrat als Kaukapseln (Sorbidilat 5 mg) oder Sprays (Isoket-Dosieraerosol) oder nicht-retard-Tabletten (20 mg, viermal Sorbidilat 5 mg, zweimal Vasorbate à 10 mg). 
Von den Nichtopiaten hat sich das nicht steriodale Analgeticum Diclofenac (Magluphen, Voltaren) 75 mg i. m. in mehren Studien als gut wirksam bei Gallen- oder Nierenkoliken erwiesen (18, 19). Vom Wirkungsmechanismus her erscheint dies eine sehr einleuchtende Alternative.

Literatur:
1. Goodmann & Gilman 7. Auflage 1985
2. E. Weber, G. Fischer-Verlag, 1983
3. Martindale Extrapharmacopoeia, 28th Edition, 1982; 
4. JAMA 256, 1749, 1986
5. Editorial, Lancet II, 899, 1986
6. Arzneitelegramm 9, 82, 1986
7. Füllgraff & Palm, G. Fischer-Verlag 1986
8. Transparenztelegramm, A.V.I Berlin 1985/86
9. Arzneitelegramm II 106, 1986
10. Kuschinsky & Lüllmann, G. Thieme-Verlag 1987, 
11. Arzneitelegramm 4, 26, 1985
12. Brit. Med. J. I, 1500, 1977
13. Brit. Med. J. 3, 339, 1973
14. Drug & Ther. Bull. 22, 5, 1984
15a. Brit. Med. J. 292, 1191, 1986
15. Arzneitelegramm 1, 8, 1985
16. Deutsches Ärzteblatt 82, 2626, 1985
17. Arzneitelegramm 1, 8, 1987
18. Arzneitelegramm 11, 106, 1986
19. Amer. J. Med. 80 (suppl, 4 B) 64, 1986

 

Neu registriert: Aciclovir (Zovirax)

Aciclovir (ACV) hat als Virostaticum große Bedeutung bei der Behandlung von schweren Herpesvirusinfektionen insbesondere bei Immunsupprimierten erlangt. 
Der Wirkungsmechanismus (1) erklärt die weitgehend selektive Wirkung auf infizierte Zellen und die geringe Toxizität der Substanz. ACV ist ein Nukleosidanalog des Guanosins und wird durch die nur in infizierten Zellen vorhandene virusspezifische Thymidinkinase zu ACV-Monophosphat und dann durch zelleigene Kinasen zum ACV-Triphosphat - der eigentlich wirksamen Substanz - umgeformt. ACV-Triphosphat hemmt die Virusvermehrung durch Blockade der viralen DNS-Replikation.
Wirkungsspektrum
 (1): ACV ist hochaktiv gegen Herpes simplex Virus (HSV) Typ 1 und Typ 2 und hat auch ausgezeichnete Aktivität gegen Varicella-Zostervirus (VZV), wenn auch fünf- bis zehnmal höhere Konzentrationen notwendig sind. ACV hat eine mittelstarke Aktivität gegen Epstein-Barr-Virus in vitro, die klinische Signifikanz ist derzeit noch nicht klar. Das letzte Virus der Herpes-Gruppe, das Cytomegalievirus, ist resistent gegen ACV. Allen humanen Herpesviren ist die Eigenschaft der Latenz und Reaktivierung gemeinsam. ACV hemmt nur aktiv replizierende Herpesviren, ist jedoch gegen latente Viren leider nicht aktiv. ACV resistente Herpes simplex Viren wurden in vitro und in vivo nachgewiesen. Dies ist, soweit derzeit feststellbar, von geringer klinischer Bedeutung, da die entsprechenden Virusisolate bisher nicht völlig ACV-resistent waren und eine niedrigere Pathogenität zu besitzen scheinen. Trotz mehrjährigen Einsatzes von ACV gibt es derzeit noch keine Anzeichen dafür, daß sich ACV-resistente HSV-Stämme ausbreiten. Dies könnte sich allerdings bei unkritischer Verwendung (Indikation, suboptimale Dosis) ändern.
ACV erreicht in den meisten Geweben in etwa die Plasmakonzentration; im zentralen Nervensystem sind allerdings die Spiegel zwei- bis viermal niedriger (daher Verwendung höherer Dosen bei Therapie der Herpesencephalitis). ACV wird über die Niere ausgeschieden, bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion muß die Dosierung daher entsprechend angepaßt werden. Die Toxizität von ACV ist bei sachgemäßer Verwendung gering. Bei zu schneller Infusion kann es zum Auftreten einer Phlebitis und einer Nierenfunktionsstörung kommen. Selten kommt es bei intravenöser Therapie zu Übelkeit, Erbrechen, erhöhten Leberenzymwerten, und bei Anwendung hoher Dosen zum Auftreten reversibler neurologischer Reaktionen. Bei oraler Therapie wurden gastrointestinale Beschwerden beobachtet, bei topischer Applikation leichtes Stechen oder Brennen. ACV ist im Tierversuch nicht teratogen, soll aber bei Schwangeren nur bei entsprechender Abwägung des Nutzen/Risikoverhältnisses eingesetzt werden. Es ist nicht bekannt, ob ACV in die Muttermilch übergeht.

Klinische Anwendungen:
Herpes simplex Virus Infektionen bei immunkompetenten Personen Herpes genitalis:
 Bei primärem Herpes genitalis (vor allem bei Frauen meist schwer verlaufend) ist die systemische Gabe von ACV indiziert (orale, bei schweren Fällen intravenöse Applikation). Topisches ACV allein hat zwar einen positiven Effekt am Ort der Applikation, hat jedoch keinen Einfluß auf die häufig mitbefallene Zervix und Urethra oder auf die Systemerscheinungen. Die virale Latenz und damit die Schwere oder Frequenz der Rezidive werden durch die ACV-Therapie des primären Herpes genitalis leider nicht beeinflußt.
Für rezidivierenden Herpes genitalis zeigen zwei europäische Placebo-kontrollierte Studien (2, 3), daß die vom Patienten initiierte frühzeitige Applikation von Zovirax-Creme zu einer Verminderung der Virusausscheidung und zu einer verringerten Neubildung von Hautläsionen führte und eine Verkürzung der Schmerzdauer bewirkte: der Effekt auf die Gesamtabheilungszeit war aber eher marginal. Orales ACV beschleunigt die Abheilung von Läsionen und verkürzt auch die Dauer der Virusausscheidung; eine Indikation ist bei Patienten mit schweren rezidivierenden Episoden gegeben, die Therapie sollte bei den ersten Prodromalsymptomen begonnen werden. Die prophylaktische Gabe (4) von oralem ACV (zwei- bis fünfmal 200 mg täglich) setzt die Häufigkeit und Schwere von Rezidiven herab und ist bei Patienten, die an sehr schweren oder häufigen Attacken (mehr als acht pro Jahr) leiden, zu erwägen. Nach Absetzen von ACV treten die Rezidive leider wieder in gleicher Häufigkeit wie vorher auf. Orales ACV erwies sich während vier- bis sechsmonatiger Therapie als gut verträglich, soll aber nach Empfehlung der FDA bis auf weiteres nicht länger angewendet werden. Die Vorteile der Suppression müssen gegen eine potentielle Toxizität (theoretische Möglichkeit von Langzeiteffekten auf die DNA des Patienten), das potentielle Risiko des Auftretens resistenter Stämme und die hohen Kosten abgewogen werden. Die Patienten müssen auf jeden Fall aufgeklärt werden, insbesondere darüber, daß es sich um eine Suppression und nicht um eine Heilung handelt.

Herpes labialis:
Es existieren keine Studien über ACV Therapie bei primärer orolabialer Herpesinfektion. Eine Wirkung ist aber wahrscheinlich, allerdings erfordert eine unkompliziert verlaufende Gingivostomatitis herpetica bei gesunden Kindern keine ACV-Therapie. Bei Schüben von rezidivierendem Herpes labialis zeigten zwei Studien (5, 6) einen günstigen klinischen Effekt von ACV Creme, wogegen eine andere Studie (7) keinen signifikanten klinischen Nutzen demonstrieren konnte. Bis zum Abschluß größerer Studien kann daher die generelle Anwendung von Zovirax-Creme bei rezidivierendem Herpes simplex nicht empfohlen werden.

Neonataler Herpes:
ACV kann bei Neugeborenen offenbar gefahrlos angewendet werden und ist bei neonatalem Herpes indiziert (3).

Herpesencephalitis:
ACV ist das Mittel der Wahl, die lebensrettende Wirksamkeit ist durch Studien belegt (8). Frühzeitige Gabe ist hier besonders wichtig, um irreparable Schäden zu minimieren.

Herpes simplex-Keratitis:
ACV-Salbe ist zumindest gleich gut wirksam wie andere topische Therapeutica (8).

Herpes simplex Virus Infektionen bei immunsupprimierten Patienten
Studien (8) haben gezeigt, daß ACV außerordentlich effektiv mukokutane Infektionen bei diesen Patienten beeinflußt und eine systemische Dissemination verhindert. Berichte zeigen auch, daß eingetretene systemische Infektionen (Pneumonie, Ösophagitis) mit ACV beherrschbar sind. Die orale oder intravenöse prophylaktische Gabe von ACV ist wirksam und während Phasen intensivster Immunosuppression zu erwägen.

 

Infektionen durch das Varicella Zoster-Virus

Varicellen bei Patienten mit normaler Immunabwehr:
Bei gesunden Kindern verlaufen Varicellen normalerweise unkompliziert und benötigen dann keine antivirale Therapie. In einer Studie (siehe 8) bei jungen Erwachsenen mit ausschließlichen Hautmanifestationen reduzierte intravenöses ACV Bläschendauer und Fieber, wegen dies milden Krankheitsverlaufes war der Nutzen jedoch marginal. Da Varicellen bei Erwachsenen (insbesondere älteren Patienten) häufiger schwerer verlaufen (90% der berichteten Fälle von Varicellenpneumonie treten bei Erwachsenen auf), erscheint die mancherorts praktizierte ACV-Therapie trotz des Fehlens größerer Studien vertretbar, auf jeden Fall ist sie indiziert bei sich abzeichnendem schweren Verlauf oder bei Auftreten von Komplikationen.

Herpes zoster bei Patienten mit normaler Immunabwehr:
Intravenöses ACV vermindert den akuten Schmerz und beschleunigt die Abheilung, wobei es bei älteren Patienten und bei Einsetzen der Therapie innerhalb von drei Tagen am effektivsten war (8). Die ACV-Therapie hat nach den vorliegenden Daten keinen Einfluß auf die Entwicklung einer postherpetischen Neuralgie. Es existieren noch keine etablierten Richtlinien für die Anwendung von ACV bei Herpes zoster. Indiziert erscheint eine intravenöse Behandlung bei Herpes zoster im Kopfbereich (Herpes zoster ophthalmicus sowie oticus) wegen der drohenden Komplikationen (Befall des Auges, des ZNS bzw. des 7. und 8. Hirnnerven), aber auch sonst - insbesondere bei Patienten über 50 Jahren - ist sie vertretbar, wenn auch kostspielig. Eine intravenöse Therapie ist natürlich auf jeden Fall indiziert bei lokal schwerem Verlauf bzw. bei Auftreten einer signifikanten kutanen Dissemination oder einer visceralen bzw. ZNS-Beteiligung. Mit der üblichen oralen Therapie (fünfmal ein Tabl. täglich) können die für die Behandlung von Herpes zoster notwendigen Serumspiegel nicht sicher erreicht werden, mehrere Studien über die Verwendung höherer oraler Dosen sind im Gange. Vorläufige Ergebnisse (9) zeigen, daß fünfmal 800 mg ACV täglich über sieben Tage ohne besondere Nebenwirkungen einen günstigen Einfluß auf den Verlauf des Herpes zoster hat. Sobald ein sicheres und effektives orales Dosierungsschema etabliert ist, wird eine ambulante und damit kostengünstigere Behandlung möglich sein.

Varicellen und Herpes zoster bei immunsupprimierten Patienten:
ACV ist indiziert, seine Effektivität durch mehrere Studien belegt (8).

Zusammenfassend kann man Aciclovir (siehe auch 9) als wesentlichen Fortschritt in der Virustherapie bezeichnen, die Nebenwirkungen erscheinen beim derzeitigen Stand des Wissens gering. Wichtig ist jeweils der frühzeitige Einsatz. Eine endgültige Bewertung der möglichen Resistenzentwicklung, insbesondere bei häufigem und chronischem Gebrauch, wird aber erst nach längerer Erfahrung möglich sein.

Literatur:
1. Lancet 2, 503, 1984
2. J. Antimicrob. Chemother. 12 (suppl. B), 67, 1983
3. Antivir. Res. 3, 291, 1983
4. N. Engl. J. Med., 310, 1545, 1984
5. Brit. Med. J. 286, 1699, 1983
6. J. Antimicrob. Chemother. 12 (suppl. B.), 89, 1983
7. Brit. Med. J. 291, 7, 1985
8. Wien. Klin. Wschr. 98, 1, 1986
9. Brit. Med. J. 293, 1529, 1986
10. Arzneimittelbrief 19, 49, 1985

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Dienstag, 15. Oktober 1996

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

Tel.: +43 (0)512/9003-71200
Fax: +43 (0)512/9003-73200  

E-Mail: hans.winkler@i-med.ac.at

Peter-Mayr-Straße 1a
A-6020 Innbruck

Sie finden uns hier.

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

Tel.: +43 (0)512/9003-71200
Fax: +43 (0)512/9003-73200  

E-Mail: hans.winkler@i-med.ac.at

Peter-Mayr-Straße 1a
A-6020 Innbruck

Sie finden uns hier.