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Inhalt

 

Editorial

Einer der Mitherausgeber, Professor Dr. Heinz Huber (früher Klinik für Innere Medizin, Innsbruck) hat einen Ruf an die Universität Wien angenommen, wozu wir ihm herzlich gratulieren. Wir sehen es als eine gute Entwicklung an, wenn Herausgeber nicht nur in Innsbruck und Zürich, sondern auch in Wien sitzen.

 

Kommentar zu Dexfenfluramin (Isomeride)

Wir hatten in der Pharmainfo VII/4/1992 über die Bewertung von Dexfenfluramin berichtet. Wir hatten festgestellt: "Diese Studie hat die gute Verträglichkeit von Dexfenfluramin im Verlaufe eines Jahres bestätigt. Inzwischen wurden aber Befunde publiziert, die bezüglich möglicher Schäden zur Vorsicht mahnen. Am Affen führt eine viertägige Behandlung mit Dexfenfluramin, wie dies schon für Fenfluramin an Ratten in früheren Untersuchungen gezeigt wurde, nicht nur zur Entleerung der Serotoninspeicher im Gehirn, sondern offensichtlich auch zur Schädigung von serotoninenthaltenden Neuronen. Die in dieser Studie verwendeten Dosen waren zwar pro kg ca. fünf mal höher als am Menschen, aber andererseits genügte schon eine viertägige Gabe. Diese erst 1991 erhobenen Befunde lassen eine höher dosierte Langzeittherapie mit Fenfluramin (Ponderax) oder Dexfenfluramin (Isomeride) nicht vertretbar erscheinen.

Zu diesem Punkt ist uns nun eine Stellungnahme von Prof. Dr. H.G. Baumgarten vom Institut für Anatomie der Freien Universität Berlin zugegangen. Wir drucken diesen Kommentar gerne ab, weil er sich mit der Fragestellung sehr kompetent und differenziert auseinandersetzt und auch die Aussagen durch Originalliteratur belegt sind. Wenn Stellungnahmen diese Bedingungen erfüllen, können sie in die Pharmainformation aufgenommen werden. Hier nun der Kommentar im vollen Wortlaut: "Die gute Verträglichkeit von d,1-Fenfluramin (Ponderax) ist durch 25-jährige weltweite Anwendung erwiesen. Die Einführung der Isomerform (Isomeride) läßt die Dosis des Wirkungsträgers, i.e. d-Fenfluramin, in der handelsüblichen Einzeldosis unverändert; sie eliminiert nur die am Wirkmechanismus nicht beteiligte 1-Komponente. Es ist daher keine Änderung der Wirkung pro Dosis und eher eine Abschwächung der Nebenwirkungen zu erwarten. Die multinationale Dexfenfluramin-Studie (1) bestätigt dies. Die Annahme, daß die bei einer nicht-menschenverwandten, urtümlichen Neuweltaffenart (Squirrel monkey) beobachteten Langzeitwirkungen am zentralen Serotoninsystem (2) nach parenteraler Gabe von hohen Dosen d-Fenfluramin (beim 5- bis 10fachen der oral üblichen Dosis), die für ein potentielles Neurotoxizitätsrisiko beim Menschen relevant seien, ist aus folgenden Gründen unwahrscheinlich:

d,1- und d-Fenfluramin werden oral verabreicht und unterliegen damit beim ersten Leberdurchlauf einer Teilelimination (first-pass Effekt); hierdurch werden die Plasmaspiegel niedrig gehalten. Im Gegensatz zu den meisten Tierspezies verfügt der Mensch über eine sehr wirksame Stoffwechsel- und Eliminationskaskade für Fenfluramin: Es wird rasch zu Norfenfluramin de-ethyliert. Norfenfluramin und Fenfluramin werden zu inaktiven Metaboliten (Proprandiole) umgewandelt und als Konjugate mit dem Urin ausgeschieden (3, 4, 5). Dadurch ist sichergestellt, daß selbst bei eigenmächtiger Überdosierung keine unangemessene Erhöhung der Blut- und Gehirnkonzentration von Fenfluramin und Norfenfluramin erfolgen kann. Dies ist bei der von Ricaurte et al., (2) benutzten Neuweltaffenart ganz anders: Bei parenteraler Gabe der Substanz kommt es schnell zur überproportionalen Anreicherung von Norfenfluramin im Blut und Gehirn (2, 3, 4, 5), weil die Mechanismen für Metabolismus und Ausscheidung gesättigt sind und weil diese Spezies keine enzymatische Voraussetzung für eine wirksame Desaminierung besitzt (nicht-lineare Pharmakokinetik). Diese ungünstige Kinetik für Fenfluramin und Norfenfluramin beim Squirrel monkey zeigt, daß eine Hochrechnung von Sicherheits- oder Gefährdungsmargen für den Menschen aus Daten beim Neuweltaffen zu falschen Annahmen führen muß. D-Fenfluramin dürfte daher beim Menschen selbst bei Überschreiten der empfohlenen Tagesdosis (2x15 mg/die) unbedenklich sein. Eine Überschreitung der Regeldosierung ist für die sättigungsverstärkende Wirkung des Pharmakons nicht erforderlich."

Literatur:
(1) Lancet ii, November 11, 1142-1145, 1989
(2) Lancet 338, 1487-1488, 1991
(3) Handbook Pharmacol. (Herken H., Hucho F. eds.) Springer, Berlin, Vol. 102, 265-270, 1992
(4) Progr. Pharmacol. Clin. Pharmacol. (Hlavica P., Damani L.A., Gorrod, J.W., eds.), Fischer, Stuttgart, Vol. 8/3, 23-30, 1991
(5) Development of drug and modern medicines (Gorrod J.W., Gibson G.G., Mitchard M., eds.), Ellis Horwood, Chichester, 298-311, 1986.

Im Anschluß daran sei nun noch einmal unsere zusammenfassende Bewertung für Dexfenfluramin angeführt. Das darin angeführte Wort möglicherweise dürfte aufgrund der Stellungnahme von Prof. Baumgarten eher ein sehr geringes Risiko andeuten. Dies ändert aber letztlich nichts an der vorgenommenen Bewertung: "Fenfluramin (Ponderax) und das neuere spezifischer wirkende Dexfenfluramin (Isomeride) können eine über Placebo hinausgehende Gewichtsreduktion herbeiführen. Bei längerer Gabe (ein Jahr) von Dexfenfluramin ist diese aber zu gering, um eine Dauertherapie zu rechtfertigen. Überdies kann es möglicherweise zu Schäden von Serotoninneuronen im Gehirn kommen. Diese Substanzen sollten daher höchstens kurzzeitig zur einleitenden Unterstützung bei entsprechenden Abmagerungsprogrammen gegeben werden.

 

Neu registriert:

Medikamente bei der benignen Prostatahyperplasie

Im Zusammenhang mit der kürzlich erfolgten Neuzulassung von zwei Präparaten zur Behandlung dieser Erkrankung sei eine kurze Übersicht über die Verläßlichkeit medikamentöser Therapie bei dieser Erkrankung gegeben. Da es bei der Prostatahyperplasie lange Zeit offensichtlich keine rationell begründete und belegt wirksame medikamentöse Therapie gegeben hat, waren und sind noch zahlreiche Präparate (noch mehr in Deutschland als in Österreich) mit fraglicher Wirkung in Verwendung. Dies ist ein typisches Phänomen für solche Fälle. Im Gegensatz dazu sind bei Krankheiten, wie z.B. Hochdruck, bei denen seit langem eine gute Therapie möglich ist, praktisch nur pharmakologisch definierte und wirksame Substanzen auf dem Markt (siehe Pharmainfo V/31990 und Pharmainfo V/2/1990).

Im Jahre 1991 fand in Paris eine von der WHO organisierte Tagung, getragen von zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften, über die konservative Therapie von Prostatahyperplasie statt, und wir zitieren im folgenden einiges aus den Schlußfolgerungen (The international consultation on benign prostatahyperplasy, Paris, June 26-27, 1991). Phytotherapeutika werden aus zahlreichen Pflanzen extrahiert, unter anderen aus Kürbissamen, Brennesselwurzel und Pygeum africanum (siehe Tadenan). Hierzu wurde festgestellt: "Die Wirkungsweise dieser Substanzen ist unklar. Es wird vorgeschlagen, daß die Substanzen einer Langzeitevaluierung unterworfen werden." Das gleiche gilt für Organextrakte. So ist in Österreich ein Organextrakt aus tierischer Prostata im Handel (Raveron). Dieser Extrakt soll hormonfrei sein, es ist aber unklar, welche Stoffe er enthält. Er soll myotrop im Bereich der Prostata wirken ("eine objektive Verbesserung im Urinfluß und Restharn wurde nicht beobachtet": Paris, 1991). In einer kritischen Übersicht von Dreikorn et al., (Urologe, A, 29, 8, 1990) wird festgestellt: "Ein Nachweis für den hemmenden Einfluß auf das Prostatawachstum ist nicht erbracht, die subjektive Besserungsrate liegt in der Größenordnung des zu erwartenden Placeboeffektes, die objektive Verbesserung ist klinisch nicht relevant." Es sei weiters daran erinnert, daß tierische Extrakte generell gefährliche allergische Reaktionen auslösen können. Dementsprechend wurden Frischzellenextrakte bereits verboten (Pharmainfo VI/2/1991), Arteparon (tierisches Mukopolysaccharid) wurde 1992 vom Markt genommen, da Todesfälle nach anaphylaktischen Reaktionen mit dieser Verbindung in Zusammenhang gebracht wurden. Die Gefahr allergischer Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock ist daher bei Raveron bei fraglichem Nutzen zu bedenken und spricht gegen die Verwendung dieser Substanz.

 

Eine positive Bewertung (siehe auch Dreikorn et al., 1990) nahm die Pariser Konferenz für Alphablocker vor: "Das Komitee glaubt, daß es genügend Beweise gibt, die Verwendung von Alphablockern bei der benignen Prostatahyperplasie zu rechtfertigen." Zu klären wären allerdings noch: "Welcher Prozentsatz der Patienten erleidet trotz Gabe dieses Medikamentes eine fortschreitende Obstruktion, und bei wie vielen Patienten verbleibt die Krankheit stationär?" Wir haben über die heute vor allem zur Blutdrucktherapie verwendeten Alpha-1-Blocker mit Prazosin (Minipress) als der am längsten etablierten Substanz in Pharmainfo VII/4/1992 berichtet.

 

Tadenan

Tadenan enthält einen standardisierten Extrakt (Liposterinkomplex) aus der Rinde von Pygeum africanum (afrikanischer Hochgebirgsbaum). Als Indikation wird angegeben: Miktionsstörungen bei Prostataadenom im Frühstadium, wenn keine Indikation zur Prostatektomie vorliegt. Eine Bewertung dieser Substanz ist schwierig, weil nur sehr wenige verläßlich auswertbare Unterlagen vorliegen. Der Substanz werden z.B. antiphlogistische Effekte zugeschrieben. Dies bezieht sich offensichtlich auf einen unveröffentlichten Befund (Lacolle, 1984) und auf eine Studie von Gagliardi (1) in der allerdings nur eine nicht signifikante Senkung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit als Indiz genommen wird, und eine Studie von Bongi (2), in der in einer Doppelblindstudie am Menschen eine Reduktion der Hyperämie in histologischen Schnitten der Prostata gefunden wurde. Diese Art von eher sehr beschränkten pharmakologischen Unterlagen ermöglicht keine sinnreiche Diskussion über mögliche Wirkungsmechanismen. In Ratten soll das Prostatasekret vermehrt werden (3). Am Menschen soll es nach einer unkontrollierten Studie (3a) zur Änderung des Prostataepithels mit Zeichen vermehrter Sekretion kommen.

Im klinischen Bereich liegen einige unkontrollierte Studien vor, die aber wegen deutlicher Plazebowirkung bei dieser Erkrankung auf das Verhalten der Harnblase nicht zu bewerten sind. In älteren klinischen Doppelblindstudien beobachtete Clavert et al. (3) unter Tadenan einen Anstieg der sauren Phosphatase und von Eiweiß im Prostatasekret bei Männern mit verringerter Prostatasekretion. Zwei weitere Studien (2) und (4) sahen positive Effekte bei Männern mit Prostatahyperplasie. Die Resultate widersprechen sich aber teilweise weil z.B. in der einen Studie signifikante Effekte bei der Pollakisurie am Tage und bei der anderen Studie dies nicht gefunden wurde. Die gleiche Diskrepanz trat bei Harnträufeln auf. Positive Befunde von Maver (5) werden von Donkervoort et al. (1977) als eine Fehlinterpretation der Daten ausgelegt (6). In dieser Doppelblindstudie von Donkervoort et al. (1977) konnte weder nach klinischen Standardkriterien noch in urodynamischen Daten ein signifikanter Effekt für Tadenan gefunden werden, allerdings war die Zahl der untersuchten Patienten klein. Auffälligerweise fehlte gerade diese Studie in einer von der Firma zusammengestellten Literaturübersicht. Dies erscheint informationsethisch äußerst bedenklich und entspricht in keiner Weise mehr einer verantwortungsbewußten Informations-politik, auf die heute doch viele Firmen besonderen Wert legen. Im Gesamten gesehen, sind diese älteren Studien widersprüchlich und erlauben keine verläßliche Aussage, daß Tadenan eine wirksame Substanz darstellt. Es verbleibt somit eine einzige neuere Studie zur Auswertung (7). Leider sind die beiden Erstautoren dieser Studie anscheinend Mitglieder der Herstellerfirma. Grundsätzlich ist festzustellen, daß die verantwortlichen Erstautoren firmenunabhängig sein sollten. In dieser Multizenterstudie mit 263 Patienten wurde Tadenan über 60 Tage verabreicht. An objektiven Parametern wurde der Restharn, das Miktionsvolumen, die maximale Harnflußrate, Nykturie und Pollakisurie bei Tage signifikant gebessert. Im Gegensatz zu früheren Behauptungen, daß Tadenan die Größe der Prostata reduzieren könnte, wurde in dieser Studie kein Effekt auf die Organgröße gesehen. Diese Studie spricht für einen gewissen symptomatischen Effekt bei Prostatahyperplasie. Eine Studiendauer von 6 Monaten bis 1 Jahr wäre aber notwendig, um die klinische Relevanz zu belegen (siehe Paris 1991). An Nebenwirkungen wurden nur in drei Fällen gastro-intestinale Beschwerden (Diarrhoe) bzw. Obstipation bzw. Schwindel und verschwommenes Sehen beobachtet.

 

Zusammenfassend können wir feststellen: Es liegen unzureichende Daten vor, um einen pharmakologischen Wirkungsmechanismus für Tadenan bei der Prostatahyperplasie zu belegen. Die älteren klinischen Studien sind widersprüchlich. Eine neuere Doppelblindstudie berichtet über eine symptomatische Besserung. Die Behandlungsdauer (60 Tage) ist aber zu kurz, um die klinische Relevanz zu beurteilen. Eine Verminderung der Adenomgröße trat nicht auf. Für Tadenan gilt daher die Schlußfolgerung der WHO-Konferenz im Jahre 1991 so wie für andere Phytopharmaka noch immer: "Es fehlen klinische Studien, um ihren therapeutischen Ansatzpunkt zu belegen."

Literatur:
(1) Arch.ital.Urol.Nefrol. 55, 51, 1983
(2) Minerva urologica 24, 129, 1972
(3) Annal.Urol. 20, 341, 1986
(3a) J.Med.Strassb., 4, 253, 1979
(4) Gaz.Med.de France 90, 2338, 1983
(5) Minerva Med. 63, 2126, 1972
(6) Eur. Urol. 3, 218, 1977
(7) Wien.Klin.Wschr. 102, 667, 1990

 

Finasterid (Proscar)

Diese Verbindung, ein 4-aza-Steroid ist ein spezifischer Hemmer der Steroid-5-alpha-reductase, eines Enzyms, das Testosteron in Dihydrotestosteron umwandelt. Dihydrotestosteron ist für die Entwicklung der Prostata von wesentlicher Bedeutung (1). Die Wichtigkeit der alpha-Reductase für die Prostata zeigt sich besonders bei Männern mit einem genetischen Defekt, bei denen dieses Enzym fehlt. In der Pubertät kommt es trotzdem zu der Testosteron-abhängigen normalen Entwicklung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale einschließlich der Spermatogenese, gleichzeitig haben sie aber eine völlig unterentwickelte, kleine Prostata. Wenn man ihnen Dihydrotestosteron verabreicht, kommt es zu normalem Prostatawachstum (1). In der Prostata reagiert Dihydrotestosteron mit spezifischen Rezeptoren, die im Zellkern zu vermehrter Bildung von messenger-Ribonukleinsäure für verschiedene Eiweiße führen, so wie das auch für andere Steroide typisch ist. Umstritten war, ob bei der Prostatahyperplasie Dihydrotestosteron eine wesentliche Rolle spielt. Die therapeutischen Erfolge von Finasterid dürften dies nun wahrscheinlich machen.

Bei Patienten führt die Behandlung mit Finasterid zu Abfall des Dihydrotestosterons im Serum. Im Prostatagewebe (nach Prostatektomie) dieser Patienten war der Gehalt dieses Steroids um 80% gesenkt (2). In einer ersten klinischen Studie (3) wurde festgestellt, daß 12 bzw. 24 Wochen Behandlung mit Finasterid zu einer Verkleinerung der Prostatagröße um ca. 25% führte. Nach Abschluß der Therapie wurde nach einigen Wochen wieder das alte Volumen erreicht. Im weiteren wurden zwei große Studien, eine in den USA und eine ein Europa durchgeführt (4), wobei die erstere bereits publiziert ist (5). Leider sind auch hier die Erstautoren Mitglieder eines Labors der Herstellerfirma. 895 Männer wurden für 12 Monate entweder mit Finasterid oder Placebo behandelt. Es kam zu einer signifikanten, wenn auch keineswegs dramatischen Verbesserung der subjektiven Symptome und zu einer Verbesserung des Harnflusses. Den wichtigsten Befund dürfte aber die Verkleinerung der Prostatagröße um ca. 20% nach einem Jahr darstellen. Diese Verkleinerung scheint, wie sich das an einer kleineren Zahl von Weiterbehandelten zeigt, auch nach 2 und 3 Jahren noch beobachtbar zu sein (4). An signifikanten Nebenwirkungen traten bei 4 - 5% der Patienten Ejakulationsstörungen und Impotenz auf. Da es unter Finasterid zu einer Abnahme des Prostata-spezifischen Antigens im Serum kommt, kann ein niederer Spiegel dieses Antigens nicht als Hinweis auf das Fehlen einer Prostatakarzinom-Entwicklung gewertet werden.

 

Zusammenfassung: Finasterid bietet zum ersten Male eine pathophysiologisch begründete und daher rationelle medikamentöse Therapie der Prostatahyperplasie an. Es ist derzeit das einzige Medikament, bei dem eine Verringerung der Prostatagröße unter der Therapie demonstriert werden konnte. Bei Vorliegen einer Prostatahyperplasie stellt dieses Medikament daher eine neue Therapiemöglichkeit dar. Die Langzeitsicherheit des Präparates ist derzeit noch nicht abzuschätzen. Eine Gabe zur Prophylaxe ist daher nicht zu vertreten. Inwieweit die Nebenwirkungen bezüglich Potenz und Ejakulation oder neue, dzt. noch unbekannte, seltenere Nebenwirkungen ein Problem darstellen, wird sich erst bei der jetzt erfolgenden breiteren Verwendung zeigen.

 

Schlußfolgerung:
Für den Organextrakt Raveron gibt es aufgrund des Risikos allergischer Reaktionen und der umstrittenen Wirkung keine Indikation bei Prostatahyperplasie. Tadenan hat aufgrund der Daten keine Verwendung zur prophylaktischen Gabe oder zur Dauerbehandlung der Prostatahyperplasie (keineVerkleinerung der Organgröße). Höchstens in der kurzzeitigen symptomatischen Behandlung kann eine Indikation gesehen werden, dafür sind aber die alpha-1-Blocker(Prazosin: Minipress u.a.) in ihrem Wirkungsmechanismus und ihrer Wirkung besser dokumentiert. Eine pathophysiologisch und klinisch positive Neuentwicklung stellt Finasterid (Tadenan) dar. Wenn die Erfahrungen bei vielfacher und längerer Verwendung die Anfangsdaten bestätigen, könnte diese Substanz einen wesentlichen Fortschritt bei der konservativen Behandlung dieser so häufigen Erkrankung bringen.

Literatur:
(1) World J. Urol. 9, 41,1991
(2) J. Clin. End. 74, 505, 1992
(3) J. Urol. 147, 1298, 1992
(4) Medical Letter 34, 83, 1992
(5) NEJ Med. 327, 1185, 1992.

 

Tiaprid (Delpral Ampullen, Tabletten)

G. Ransmayr, Neurologie

Tiaprid ist ein Benzamid-Neuroleptikum mit Dopamin-2-Rezeptor antagonistischer Wirkung. Die Substanz findet vor allem in der Behandlung hyperkinetischer Syndrome Verwendung. In einer placebokontrollierten, doppelblinden Studie über die Behandlung von generalisierten Tics, insbesondere auch des Gilles de la Tourette-Syndrom, wurde ein signifikanter therapeutischer Effekt auf die Intensität der motorischen Phänomene beschrieben (1). In der Behandlung der Chorea Huntingtonkonnte in Dosierungen von 300 bis 800 mg/d kein eindeutiger therapeutischer Effekt beobachtet werden. Einzelne Patienten sprachen jedoch auf die Behandlung an (2, 3). In Dosierungen von 300 bis 1200 mg täglich vermindert Tiaprid dosisabhängig die Intensität abnormer, unwillkürlicher Bewegungen bei Patienten mit tardiven Dyskinesien nach Neuroleptika-Therapie (4). Ein völliges Sistieren der tardiven Hyperkinesien wurde nicht beobachtet. Von der Verwendung der Substanz in der Behandlung L-Dopa-induzierter peak-dose-Dyskinesien ist man wegen der Verstärkung von Rigor und Akinese abgekommen. Tiaprid wird mancherorts zur Behandlung von Alkoholentzugssymptomatik und in der Schmerztherapie verwendet. Diesbezüglich liegen keine überzeugenden Literaturhinweise vor. Die antipsychotische Potenz der Substanz ist gering. Tiaprid wird im allgemeinen gut toleriert. An Nebenwirkungen wurden Vigilanzminderung, Hyperprolaktinämie und Amenorrhoe, die Entwicklung eines neuroleptischen Parkinsonoids und selten dermatologische Nebenwirkungen beschrieben. Es wurde auch von einzelnen Fällen eines malignen neuroleptischen Syndroms berichtet. Ob unter bzw. nach Behandlung mit Tiaprid tardive Dyskinesien auftreten können, ist bisher nicht eindeutig geklärt.

Zusammenfassend hat Tiaprid seinen Stellenwert in erster Linie in der Behandlung von multiplen oder generalisierten, längerfristig bestehenden und störenden Tics und des Gilles de la Tourette-Syndroms. Im Kindesalter sind häufig milde Tics zu beobachten, die meist spontan verschwinden. Diese sollen nicht mit Tiaprid behandelt werden. Eine weitere Indikation für Tiaprid ist die Behandlung tardiver Dyskinesien, sofern nicht andere Substanzklassen als Neuroleptika wirksam sind. Es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß die Substanz, wie andere Neuroleptika, die tardiven Dyskinesien verstärken könnte.

Literatur:
(1) Eur.Arch.Psychiatr.Neurol.Sci. 237, 223-229, 1988
(2) Acta neurol.scandinav. 65, 45-50, 1982
(3) J.Neurol.Neurosurg.Psychiatry 47, 848-852, 1984
(4) J.Neurol.Neurosurg.Psychiatry 49, 1055-1058, 1986

 

Nachtrag: Zintona

Wir hatten in der Pharmainfo IV/2/1989 über dieses Medikament berichtet. Es enthält gemahlene Ingwerwurzeln und soll als Vorbeugung bei Reisekrankheit (Kinetose) gegen Schwindel, Übelkeit und Erbrechen wirken. Wir hatten damals festgestellt:

"Die vorliegenden Studien reichen sicher nicht aus, um zu belegen, daß Kinetose-empfindliche Personen, wenn sie einer schweren Belastung ausgesetzt sind, mit Ingwer eine wirksame Prophylaxe erhalten. Bei zu erwartender, mittlerer Belastung kann Ingwer vermutlich eine prophylaktische Wirkung entfalten." Eine weitere sehr sorgfältige Studie zeigt nun, daß die damalige Skepsis mehr als berechtigt war. In dieser Studie (Pharmacology 92,111,1991) wurden Probanden einem Kinetosetest unterworfen, wobei die Wirkung von Ingwer auf das Auftreten von Übelkeit und die Magentätigkeit untersucht wurde. Während Scopolamin die erwartete Antikinetosewirkung zeigte, war Ingwer wirkungslos. Die Autoren schließen, daß Ingwer keine Antikinetoseaktivität besitzt, und daß es auch nicht die Magenfunktion während Seekrankheit signifikant beeinflußt. Es zeigt sich hier wieder einmal: Wenn schon die ersten Studien über eine Substanz nicht sehr überzeugend sind, dann stellt sich im Laufe der Zeit fast immer heraus, daß diese Substanz tatsächlich keine verläßliche Wirkung hat.

 

Folsäure in der Schwangerschaft

Zahlreiche Vitamine werden eingenommen, ohne daß eine klare Indikation besteht. In der Pharmainfo V/4/1990 haben wir darüber berichtet, daß aufgrund von kontrollierten Studien kein Zusammenhang zwischen Vitamineinnahmen und der Schulleistung von Kindern besteht. Dieses Mal sei über eine belegbare Wirkung von Folsäure zur Verhinderung von angeborenen Neuralrohrdefekten berichtet. Einige frühere Studien hatten bereits die Bedeutung der Folsäure für diese Wirkung angedeutet (z.B. JAMA 262, 2847, 1989). Eine wirklich verläßliche Aussage war aber nur von einer prospektiven Studie zu erwarten. Diese wurde an 1817 Frauen durchgeführt (Lancet 338, 131, 1991), die aufgrund von Neuralrohrdefekten im Rahmen früherer Schwangerschaften, als eine Gruppe mit relativ hohem Risiko zu betrachten waren. Es wurde der Effekt von Folsäure bzw. von einem Vitamingemisch (A, D, B1, B2, B6, C und Nikotinamid) auf die Prävention der Defekte getestet, wobei die Vitamingaben vor der Konzeption begonnen wurden. In der Folsäuregruppe waren 6 Neuralrohrdefekte auf 593 Schwangerschaften zu finden, in der Placebogruppe 21 auf 602. Die anderen Vitamine hatten hierbei keinen Schutzeffekt. Damit wurde ein signifikant präventiver Effekt von Folsäure gegen Neuralrohrdefekte belegt. Frauen mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten dieses Defektes (z.B. Neuralrohrdefekt in früherer Schwangerschaft, Frauen mit Spina bifida occulta, oder unter Antieplipetikatherapie), sollten Folsäure bereits vor der Konzeption einzunehmen beginnen, auch für andere Frauen erscheint eine ausreichende Folsäureaufnahme (insbesondere Ernährung!) wichtig, da auch das erstmalige Auftreten von Neuralrohrdefekten durch dieses Vitamin reduziert wird (JAMA 269,1257,1993). Der Zusatz anderer Vitamine für diese Indikation ist laut obiger Studie unnotwendig, im Hinblick auf mögliche toxische Wirkungen, z.B. von Vitamin A, in der Schwangerschaft auch nicht zweckmäßig.

 

In Kürze:

Das Deutsche Bundesgesundheitsamt hat folgende Berichte einer Expertenkommission über zwei Substanzen veröffentlicht (DAZ 133, Seite 397, 398, 1993):

 

Benzydamin

Gesamtbeurteilung: "Da ausreichende Belege zur klinischen Wirksamkeit von Benzydamin bei systemischer Anwendung fehlen, kann auch im Hinblick auf die bestehenden Risiken (Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen, zentralnervöse Störungen wie Müdigkeit, Unruhe, Verwirrtheitszustände, optische Halluzinationen wie Flimmern, Farben und Schneeflocken sehen) die Gabe in den beanspruchten Indikationen nicht empfohlen werden." 
Für die systemische Anwendung sind in Österreich folgende Benzydamin-hältige Präparate registriert : Tantum Ampullen, Tantum Dragees, Tantum Suppositorien, Tantum Tropfen.
Als Indikationen werden unter anderen angegeben: postoperative Entzündung, Schwellungszustände, entzündliche Affektion des Stütz- und Bewegungsapparates, Unterstützung einer Antibiotikatherapie bei der Behandlung unspezifischer Erkrankungen der Luftwege. Bei dieser letzten Indikation dürfte auch schon die Verwendung von Antibiotika zweifelhaft sein.

 

Fusafungin

Gesamtbeurteilung: "Die Anwendung von Fusafungin kann aus folgenden Gründen nicht empfohlen werden: Die vorliegenden klinischen Untersuchungen sind aus klinischer und biometrischer Sicht weder für einen Nachweis der Wirksamkeit von Fusafungin gegenüber Placebo, noch für einen Nachweis der Überlegenheit von Fusafungin oder dessen Gleichwirksamkeit gegenüber einer Vergleichstherapie geeignet. Grundsätzlich kann eine lediglich an der Oberfläche wirksame Substanz bei der Behandlung von bakteriellen und viralen Infektionen nicht oder nur sehr begrenzt wirksam sein, da der eigentliche Ort der Infektion nicht erreicht wird. Insofern gibt es derzeit keine rationalen Argumente für den Einsatz von Fusafungin bei den beanspruchten Anwendungsgebieten."
In Österreich ist Fusafungin in Locabiosol Dosieraerosol enthalten. Als Indikationen werden angegeben: Infektionen und Entzündungen der Atemwege.
Wir werden demnächst auch über andere sogenannte lokal desinfizierend wirkende Mittel und ihre Zweckmäßigkeit bei Infektionen der oberen Atemwege berichten.

 

Methaqualon und Barbiturate

Das Deutsche Bundesgesundheitsamt (DAZ 133, 596, 1993) empfiehlt den Herstellern, die notwendige Anpassung an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand vorzunehmen und auf Methaqualon und barbiturathältige Arzneimittel zu verzichten. Die österreichischen Gesundheitsbehörden waren mit dieser Maßnahme zügiger und so sind diese Arzneimittel (außer Narkosemittel) seit 1992 aus dem Verkehr gezogen!

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Dienstag, 30. Jänner 1996

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

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E-Mail: hans.winkler@i-med.ac.at

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