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Inhalt

 

Update: Insulintherapie des Diabetes mellitus

Primaria Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner, Landeskrankenhaus Hochzirl, Interne Abteilung

Die Insulintherapie stellt bei Typ 1 Diabetes mellitus (DM) eine lebensnotwendige Hormonersatztherapie dar. Bei Typ 2 DM besteht die Indikation zur Insulintherapie dann, wenn durch diätetische Maßnahmen und orale Antidiabetika oder GLP-1 Analoga das individuelle Therapieziel nicht erreicht wird oder Kontraindikationen bestehen. Eine vorübergehende Insulintherapie kann bei Typ 2 DM bei schweren Begleiterkrankungen oder perioperativ angezeigt sein, sowie bei einer hyperglykämischen Entgleisung.

Ein Hauptziel der Entwicklungen auf dem Gebiet der Insulintherapie bei DM ist es, die pharmakokinetischen Eigenschaften des Insulins an die physiologische Insulinwirkung anzugleichen. Im Rahmen der Therapie des DM erfolgt die Substitution von Insulin als subkutane Injektion, wobei Insulin im subkutanen Gewebe zu Dimer- und Hexamerstrukturen aggregiert, die kapilläre Absorption jedoch nur in der monomeren Form erfolgen kann. Dies führt zu einer Verzögerung des Wirkeintritts und zu einer Variabilität in der Wirkung in Abhängigkeit von der Dosis und Größe der Insulinaggregate.

Die gentechnologische Herstellung von humanem Insulin erlaubt gezielte Mutationen in der Aminosäuresequenz, um die Aggregationsneigung und damit Wirkeintritt und Wirkdauer des subkutan verabreichten Insulins zu verkürzen bzw. zu verlängern. Kurzwirksame Insulinanaloga [Lispro (Humalog, Insulin Lispro Sanofi), Aspart (Fiasp, Novorapid), Glulisin (Apidra)] zeigen geringere Aggregationsneigung (1). Der dadurch gegenüber Normalinsulin raschere Wirkeintritt und die geringere Wirkdauer haben die Lebensqualität der DiabetikerInnen insofern verbessert, als kein Spritz-Ess-Abstand mehr eingehalten werden muß. In klinischen Studien war die Hypoglykämierate, insbesondere für schwere und nächtliche Hypoglykämien, unter kurzwirksamen Insulinanaloga deutlich geringer als unter Normalinsulin (2-6).

Die Entwicklung langwirksamer Insulinanaloga hatte zum Ziel, eine gegenüber NPH-Insulin flachere Wirkkurve und längere Wirkdauer zu erreichen. Die strukturellen Modifikationen (gezielte Aminosureaustausche) am Insulinmolekül bei Insulin Glargin (Abasaglar, Lantus, Toujeo) führen zu einer verstärkten Präzipitation bei subkutaner Injektion. Die verlängerte Wirkdauer von Insulin Detemir (Levemir) wird durch Acylierung eines Lysins mit Myristinsäure erzielt. Dies bewirkt eine verstärkte Selbstaggregation und Albuminbindung. Langwirksame Insulinanaloga zeigten in klinischen Studien gegenüber NPH-Insulin eine Reduktion vor allem nächtlicher Hypoglykämien (7-9). Von Vorteil in der klinischen Praxis und Handhabung ist auch das Vorliegen der langwirksamen Insulinanaloga in Form einer klaren Lösung, während bei Applikation von NPH-Insulin eine vorausgehende Suspension des Insulins erforderlich ist.

Zu den rezenten Entwicklungen auf dem Gebiet der Insulintherapie zählen die sogenannten ultralangwirksamen Insulinanaloga – Insulin Glargin 300 E/ml (Toujeo) und Insulin Degludec (Tresiba) (10-12). Beide stellen keine neuen Insulinstrukturen dar, sondern beruhen auf Modifikationen von Insulin Glargin und Insulin Detemir. Die lange Wirkdauer wird bei Insulin Glargin 300 E/ml lediglich durch die höhere Wirkstoffkonzentration und damit verzögerte Freisetzung aus einer im Vergleich zu Insulin Glargin 100 E/ml (Lantus) kleineren subkutanen Präzipitationsoberfläche erklärt. Die lange Wirkdauer von Insulin Degludec beruht auf einer verzögerten Freisetzung des zugrundeliegenden, dem Detemir ähnlichen Insulinmoleküls aus einer kettenähnlichen Multihexamerbildung. Die Wirkdauer von Insulin Glargin 300 E/ml beträgt über 30 Stunden (Halbwertszeit 18-19 Stunden), jene von Insulin Degludec rund 42 Stunden (Halbwertszeit 25 Stunden). Der Steady-State wird bei täglicher Gabe bei beiden ultralangwirksamen Insulinen nach rund 4 Tagen erreicht (13). Für Insulin Degludec ist bei einer eingeschränkten Nieren- oder Leberfunktion keine Dosisadaptierung erforderlich, für Insulin Glargin 300 E/ml liegen keine publizierten Studienergebnisse über den Einsatz bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion vor (13).

Die lange Wirkdauer und flache Wirkkurve der ultralangwirksamen Insulinanaloga ermöglicht eine Reduktion der Injektionshäufigkeit des basalen Insulins - üblicherweise auf einmal täglich - und größere Flexibilität in der Wahl des Injektionszeitpunktes. In klinischen Studien wurde für die ultralangwirksamen Insuline insgesamt eine gegenüber Insulin Glargin 100 E/ml geringere Hypoglykämierate und geringere Variabilität der Blutzuckerschwankungen beschrieben (14-16). Für beide ultralangwirksamen Insulinpräparate liegen Studienreihen zum Einsatz bei erwachsenen PatientInnen mit Typ 1 und Typ 2 DM vor.

Insulin Glargin 300 E/ml (Toujeo)

Seine Wirkeffektivität wurde in der EDITION-Studienreihe für Erwachsene mit Typ-2- und Typ-1-DM untersucht. Der primäre Endpunkt dieser Studien bezog sich auf die HbA1c-Änderung nach sechsmonatiger Therapie. Die Vergleichsgruppe wurde mit Insulin Glargin 100 E/ml (Lantus) behandelt (17-20). Hinsichtlich der Reduktion des HbA1c-Wertes und dem Prozentsatz an PatientInnen, die den Ziel-HbA1c-Wert von <7% erreichten, fanden sich keine statistisch signifikanten Unterschiede. Die Insulindosis war zu Studienende unter Glargin 300 E/ml in der EDITION 1- und 2-Studie um rund 10%, in EDITION 3 um rund 17% höher als unter Glargin 100 E/ml. Dieser Umstand wird durch eine möglicherweise geringere Bioverfügbarkeit bei langer subkutaner Verweildauer des Insulinmoleküls interpretiert (21).

Die Analyse der gepoolten Daten aus den EDITION 1-, 2- und 3-Studien konnte aufzeigen, dass bei Therapie mit Insulin Glargin 300 E/ml im Vergleich zu Glargin 100 E/ml signifikant weniger symptomatische (<70 mg%) oder schwere Hypoglykämien (mit Fremdhilfe) während der Nachtstunden (00:00-5:59 Uhr; 2,10 vs. 3,06 Ereignisse pro Personenjahr, p<0,0002), aber auch zu jeder anderen Tageszeit auftraten (15,32 vs. 17,73 Ereignisse pro Personenjahr, p<0,0116; 21).

Bei PatientInnen mit Typ 1 DM wurden anhand einer kontinuierlichen Glukosemessung mittels subkutanem Sensor die Blutzuckerschwankungen bei morgendlicher oder abendlicher Verabreichung von Insulin Glargin 300 E/ml und Insulin Glargin 100 E/ml bestimmt. Die Daten von insgesamt 59 PatientInnen zeigten für Insulin Glargin 300 E/ml geringere Blutzuckerschwankungen sowie eine Reduktion der Rate an symptomatischen (<54 mg%) oder schweren Hypoglykämien (rate ratio 0,66, nicht signifikant), die für solche während der Nachtstunden signifikant war (4,0 vs. 9,0, rate ratio 0,45, 95% CI 0,24-0,82, während 16 Wochen). Die Ergebnisse waren unabhängig davon, ob die Insulininjektion am Morgen oder Abend erfolgte (16).

Insulin Degludec (Tresiba)

Die Wirkeffektivität von Insulin Degludec wurde in der BEGIN-Studienreihe für Typ 1 und Typ 2 DM untersucht. Auch für das ultralangwirksame Insulin Degludec fand sich bei Typ 1 DiabetikerInnen gegenüber einer Standardtherapie mit Glargin 100 E/ml eine signifikant geringere nächtliche Rate symtomatischer (<56 mg%) oder schwerer Hypoglykämien (4,41 vs. 5,86 pro PatientInnenjahr, p<0,021; 22). Ein ähnliches Ergebnis fand sich bei Typ 2 DM (1,4 vs. 1,8, p<0,0399; 23).

Die Durchführung der DEVOTE-Studie erfolgte aufgrund einer Forderung der FDA als Zulassungsvoraussetzung (sh. Editorial in Pharmainfo XXVIII/2/2013) zur Darlegung der kardiovaskulären Sicherheit (Nicht-Unterlegenheitsstudie zu Glargin 100 E/ml) von Insulin Degludec (24). Die Studienpopulation umfasste deshalb 7637 Typ 2 DiabetikerInnen mit einem hohen kardiovaskulären Risiko; 85,2% der PatientInnen wiesen eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung oder Nephropathie auf, das mittlere Lebensalter betrug 65 Jahre und die Diabetesdauer 16,4 Jahre. Bei Einschluss in die Studie waren bereits 83,9% der PatientInnen unter Insulintherapie. Die mittlere Beobachtungsdauer betrug rund 2 Jahre bei einer sehr geringen Ausfallsrate. Der primäre Endpunkt - die Kombination von kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Myokardinfarkt und nicht-tödlichem Schlaganfall - trat in der Degludec-Gruppe bei 8,5% der PatientInnen auf, in der Kontrollgruppe mit Glargin 100 E/ml bei 9,3% (hazard ratio 0,91, 95% CI 0,78–1,06, p<0,001 für Nicht-Unterlegenheit). Zu den sekundären Endpunkten zählten die Anzahl und Inzidenz von schweren (3,70 vs. 6,25 pro 100 PatientInnenjahre, rate ratio 0,60) und schweren nächtlichen Hypoglykämien (0,65 vs. 1,40 pro 100 PatientInnenjahre, rate ratio 0,47), die unter Insulin Degludec beide signifikant geringer waren als unter Insulin Glargin 100 E/ml (24). In weiteren Analysen der Gesamtdaten der DEVOTE-Studienreihe konnte eine signifikante Korrelation zwischen der Variabilität der Nüchternblutzuckerwerte und dem Risiko für schwere Hypoglykämien, kardiovaskulären Ereignissen und der Gesamtmortalität aufgezeigt werden (25,26).

Eine Reduktion der nächtlichen Hypoglykämierate unter beiden ultralangwirksamen Insulinanaloga, Toujeo und Degludec , im Vergleich zu Insulin Glargin 100 E/ml ließ sich auch für Typ 2 DiabetikerInnen im Alter über 65 Jahren nachweisen (27,28).

Ultrakurzwirksame Insulinanaloga

Diese stellen eine weitere Neuerung dar. So wird durch Zugabe von Niacinamid und L-Arginin eine noch raschere Absorption von Insulin Aspart erreicht (29). Das unter dem Namen Insulin Fiasp seit 2017 in der EU zugelassene Insulin erscheint ca. 10 Minuten rascher in der Zirkulation als Insulin Aspart und zeigt eine 74% höhere Insulinwirkung in den ersten 30 Minuten nach Injektion. Insgesamt wird damit eine präzisere Therapie des postprandialen Blutzuckeranstiegs ermöglicht (29).

Als kritischer Aspekt für den Einsatz von Insulinanaloga wurde über Jahre eine mögliche Einflussnahme auf das bei DiabetikerInnen grundsätzlich für einige Entitäten erhöhte Tumorrisiko diskutiert (30,31). Aktuelle Meta-Analysen konnten unter Einschluss großer PatientInnenpopulationen aus Diabetesregistern keine Zunahme des Tumorrisikos für Insulinanaloga nachweisen (32,33).

Zusammenfassung

Nächtliche Hypoglykämien stellen bei manchen PatientInnen mit DM eine schwere unerwünschte Wirkung von Basalinsulinen dar. Diese sind unter Therapie mit ultralangwirksamen Insulinen etwas seltener, sodass solche bei PatientInnen mit symptomatischen wiederkehrenden Hypoglykämien unter anderen Basalinsulinen eine Therapieoption darstellen.

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Eisensubstitutionstherapie

Pathologische Veränderungen des Eisenstoffwechsels gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern, wobei dabei Eisenmangelzustände im Vordergrund stehen, die mit der Zeit zur Entwicklung einer Anämie führen können (1). Dieser Pathologie liegen im Wesentlichen zwei pathophysiologische Entitäten zugrunde (2). An erster Stelle ist bei ca. 50% der Betroffenen der wahre Eisenmangel zu nennen. Ursache dafür sind entweder eine verminderte Resorption von Eisen aus der Nahrung im Duodenum, ein erhöhter Verlust, vor allem durch akute und chronische Blutungen, oder ein vermehrter Bedarf (z.B. Schwangerschaft, Adoleszenz), der nicht durch Eisenresorption aus der Nahrung kompensiert werden kann (3). Der wahre Eisenmangel oder auch die Eisenmangelanämie präsentieren sich durch reduzierte zirkulierende Eisenkonzentrationen, eine verminderte Sättigung des Eisentransportproteins Transferrin (Transferrinsättigung) sowie durch eine verminderte Serumkonzentration des Eisenspeicherproteins Ferritin (<30 µg/L).

Demgegenüber steht der funktionelle Eisenmangel, der durch eine Fehlverteilung von Eisen durch entzündliche Prozesse bedingt ist. Hierbei kommt es u.a. durch die Wirkung von Zytokinen und einer vermehrten Produktion des den Eisenstoffwechsel regulierenden Hormons Hepcidin, nicht nur zu einer verminderten Resorption von Eisen im Duodenum, sondern auch zu einer Retention des Metalls in Zellen des retikuloendothelialen Systems, wo das Metall in Ferritin gespeichert wird und nicht mehr für die Erythropoese zur Verfügung steht. Dadurch kommt es zu einer verminderten Verfügbarkeit von Eisen für die Blutbildung und zur Entwicklung der Anämie bei chronischen Erkrankungen, der häufigsten Anämie bei hospitalisierten PatientInnen (4), die sich v.a. bei PatientInnen mit Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Malignomen findet. Wie bei der Eisenmangelanämie finden sich ein reduzierter Serumeisenspiegel und eine verminderte Transferrinsättigung, allerdings ist der Ferritinwert normal oder mitunter erhöht und meist auch mit systemischen Entzündungszeichen. Die Differenzierung zwischen wahrem und funktionellem Eisenmangel ist eine Grundvoraussetzung für die Indikation und Wahl einer Eisensubstitutionstherapie. Darüber hinaus gibt es auch eine nicht zu unterschätzende Zahl von PatientInnen, die an einer Anämie mit einem wahren Eisenmangel im Rahmen chronischer Erkrankungen, v.a. aufgrund von assoziierten Blutungsereignissen, leiden. Die korrekte Diagnostik dieses klinischen Krankheitsbildes stellt aufgrund des Fehlens von einfach zu handhabenden und interpretierenden Laborparametern und aufgrund des Umstandes, dass der Ferritinwert im Rahmen einer entzündlichen Erkrankung nicht nur durch den Eisengehalt des Körpers, sondern auch durch Entzündungsmediatoren beeinflusst wird, immer noch eine klinische Herausforderung dar (5,6).

Am Anfang der Therapieentscheidung hinsichtlich einer Eisensubstitution stehen die korrekte Diagnose der Art des Eisenmangels und die Identifikation und Therapie der zugrundeliegenden Erkrankung oder des pathologischen Prozesses. Auch die Differenzierung zwischen Anämie bei chronischer Erkrankung und Anämie chronischer Erkrankung mit wahrem Eisenmangel ist von Bedeutung, da diese PatientInnen mitunter differente Strategien der Eisensubstitution benötigen.

Prinzipiell stehen zwei Methoden der Eisensupplementierung zur Verfügung, nämlich die orale und die intravenöse Eisentherapie.

Orale Eisensubstitution

Die Hauptindikation für eine orale Eisensubstitution ist der wahre (absolute) Eisenmangel. Eine orale Eisentherapie ist allerdings bei einem Resorptionsdefekt (wie Zoeliakie, Autoimmungastritis) oder bei einem funktionellen Eisendefizit auf Basis einer Entzündung meist nicht effektiv, da in letzterem Fall auch die Eisenresorption aus dem Darm durch die entzündlichen Prozesse reduziert ist (3,7). Orale Eisensubstitution erfolgt üblicherweise in Formulierungen mit zweiwertigem Eisen als Eisen(II)-sulfat (Aktiferrin, Ferrogradumet, Tardyferon), Eisen(II)-fumarat (Ferretab) oder Eisen(II)-gluconat (Lösferron forte). Aufgrund rezenter klinischer Studien erscheint es sinnvoll, diese Präparate nur einmal täglich morgens auf nüchternen Magen einzunehmen (8), weil eine mehrmals tägliche Gabe die Effektivität der Eisenresorption reduziert. Die Nüchterngabe erhöht allerdings die Häufigkeit von gastrointestinalen Nebenwirkungen, die bei bis zu 30% der PatientInnen auftreten können. Die zusätzliche Gabe von Vitamin C kann die Eisenresorption steigern, weshalb dies in einigen Präparaten enthalten ist. Die Häufigkeit der Nebenwirkungen ist Dosis-assoziiert (9). Da die  Eisenresorption primär im Duodenum stattfindet, sind Präparate mit rascher Resorption vorzuziehen (10). Von retardierten Formulierungen ist daher abzuraten. Zur Behandlung der Eisenmangelanämie bei erwachsenen PatientInnen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wurde mit Eisen(III)-maltol (Feraccru) ein neues orales Eisenpräparat zugelassen, welches dreiwertiges Eisen in Komplex mit Maltol (einem natürlich vorkommenden Aromastoff) enthält. Dafür wird eine bessere Schleimhautverträglichkeit, insbesondere bei bestehender Schleimhautinflammation postuliert (10). Es wurde in niedrigeren Einzeldosierungen (30 mg Eisen, allerdings zwei Mal täglich) als andere orale Präparate gegeben. In einer Phase III-Studie zeigte sich im Vergleich zu Placebo eine gute therapeutische Effizienz bei PatientInnen mit Anämie und CED mit geringer Krankheitsaktivität und oftmals auch zusätzlichem wahren Eisenmangel (11). Die für Eisenpräparate typischen gastrointestinalen Nebenwirkungen wurden allerdings auch in dieser Studie beobachtet (11,12). Da keine direkten Vergleichsstudien mit anderen oralen Präparaten vorliegen, sind Vorteile dieses Präparats hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit noch unklar. Daneben stehen den KonsumentInnen auch eine fast unüberschaubare Zahl von Präparaten zur Verfügung, die nicht der EMA-Zulassung unterliegen, sondern als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden und unterschiedliche Dosierungen und Formulierungen von Eisen oft in Kombination mit anderen Spurenelementen und Vitaminen enthalten.

Intravenöse Eisentherapie

Die Indikationen für eine intravenöse Eisentherapie sind vor allem Intoleranz gegenüber einer oralen Therapie meist auf Basis gastrointestinaler Nebenwirkungen, mangelnde Effektivität einer oralen Eisentherapie, ein Resorptionsdefekt oder eine bestehende systemische entzündliche Erkrankung, die die Eisenresorption aus dem Duodenum vor allem durch die Wirkung von Hepcidin herabsetzt (4,13). Bei letzterem Punkt ist allerdings zu bemerken, dass fast alle Studien mit intravenösen Eisenpräparaten bei PatientInnen mit systemischen inflammatorischen Erkrankungen primär bei Personen mit geringer Entzündungsaktivität und/oder gleichzeitigem wahren Eisenmangel durchgeführt wurden (sh. z.B. 14,15) und bisher zu wenig Daten vorliegen, inwieweit eine intravenöse Eisentherapie auch bei massiver Entzündung therapeutisch effektiv ist. Interessanterweise erwies sich bei PatientInnen mit CED und geringer Krankheitsaktivität eine intravenöse Eisentherapie einer oralen Applikation nicht überlegen (15). Dazu kommen als weitere Faktoren für eine intravenöse Therapie das Ziel eines rascheren Ausgleichs eines massiven Eisendefizites oder, auch nicht unwesentlich, der PatientInnenwunsch nach einer Infusion, sowohl um sich die regelmäßige Einnahme eines Eisenpräparates zu ersparen als auch im Sinne einer „Lifestyle“-Medikation zur vermeintlichen Steigerung des Wohlbefindens und der Leistungsfähigkeit. Letztlich erfreut sich der Einsatz intravenöser Eisenpräparate vermehrt auch im Zusammenhang mit dem sog. „patient blood management“ zunehmender Beliebtheit, mit dem Ziel, den Hämoglobinwert und die Eisenspeicher bei elektiven operativen Eingriffen zu erhöhen und damit die Notwendigkeit von Bluttransfusionen zu reduzieren. Aufgrund des sehr seltenen Auftretens von schweren anaphylaktischen Nebenwirkungen informierten 2013 EMA und AGES Medizinmarktaufsicht, dass bei Applikation von intravenösem Eisen entsprechende Einrichtungen zur Wiederbelebung vorhanden sein sollten. Schwere anaphylaktische Reaktionen nach intravenöser Eisengabe waren früher bei Verwendung höhermolekularer Dextranpräparate noch etwas häufiger, wenngleich aber auch selten (16,17). Infusionsassoziierte Nebenwirkungen bei Eisengabe sind vor allem eine Flush-Symptomatik, Hyperventilation, Kribbeln oder auch Unwohlsein. Diese Beschwerden treten mitunter bei einer zu raschen Infusionsgeschwindigkeit auf bzw. auch bei PatientInnen, die an anderen Allergien bzw. Arzneimittelunverträglichkeiten leiden (18). In Österreich stehen an intravenösen Präparaten mit dreiwertigem Eisen niedermolekulare Komplexe (bis 75 kD) von Eisen(III)-hydroxid-Saccharose (Fermed, Venofer) und höhermolekulare (Molekulargewicht >150 kD) Eisen(III)-carboxymaltose (Ferinject) und Eisen(III)-isomaltosid (Monofer) zur Verfügung. Die beiden letzteren ermöglichen die einmalige Applikation von bis zu 1000 mg Eisen im Vergleich zu maximal 200 mg bei den niedermolekularen Präparaten. Eine Testdosis muss heute nicht mehr gegeben werden. Als Nebenwirkung findet sich neben den oben beschriebenen infusionsassoziierten Problemen vor allem bei höhermolekularen Präparaten gelegentlich eine Hypophosphatämie, deren Genese bzw. Risikopopulation nicht geklärt ist (19). Hinsichtlich der Berechnung der benötigten Dosis zum Ausgleich eines Eisenmangels sowie des Monitorings des Therapieerfolgs wird auf entsprechende Publikationen bzw. die Fachinformationen verwiesen (2,7,16).

Während bei einem wahren Eisenmangel die Sinnhaftigkeit und Sicherheit einer Eisenersatztherapie außer Zweifel stehen und durch Studien belegt sind, bleiben bei der Eisentherapie im Rahmen von chronischen Erkrankungen nach wie vor viele Fragen ungeklärt. Die der Anämie im Gefolge chronischer Erkrankungen zugrundeliegende Eisenretention ist evolutionsgeschichtlich als ein Immunabwehrmechanismus gegen eindringende Pathogene zu sehen, die Eisen für ihre Proliferation und Pathogenität benötigen. Prospektive, randomisierte Studien haben gezeigt, dass die Applikation von Eisen über Beimischung zur Diät in Hochendemie-Gebieten zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität an Infektionskrankheiten geführt hat (20,21). Es erscheint deshalb auch bei uns nicht sinnvoll, PatientInnen mit einer akuten Infektion Eisen zu applizieren. Ebenso sollte die Eisentherapie bei PatientInnen in einem nichtpalliativen Setting einer Tumortherapie und mit funktionellem Eisenmangel, zumindest solange es keine klinischen Endpunktdaten hinsichtlich der Effekte der Eisentherapie auf den Verlauf der zugrundeliegenden Erkrankung gibt, sehr restriktiv gehandhabt werden.

Insgesamt werden weitere Studien benötigt, nicht nur um die Diagnostik von Eisenmangelzuständen zu verbessern, sondern auch um Informationen über prädiktive Parameter hinsichtlich des wahrscheinlichen therapeutischen Ansprechens, die optimierte Applikation in Abhängigkeit der zugrundeliegenden Pathologie und über die positiven und negativen Effekte der Eisensubstitution vor allem in Hinblick auf die mit Veränderungen der Eisenhomöostase assoziierten Erkrankungen zu erhalten.

Literatur
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Glucosamin- und Chondroitinsulfat (Dona, Cartexan, Condrosulf): fehlende Wirkung

Wir haben schon sehr früh berichtet, dass für diese Substanzen eine positive Wirkung bei Osteoarthrose nicht belegt ist (siehe Pharmainfo X/3/1995; XXII/4/2007; XXIII/3/2008).

Trotzdem werden diese Mittel noch immer vielfach verwendet. Eine rezente Studie (1) zeigt nun in überzeugender Weise, dass hier keine wirksame Therapie vorliegt. Diese Studie ist zweifach bemerkenswert:

(i) Es wurden 164 PatientInnen mit Kniegelenksschmerzen (mittlerer Schmerzscore 62,1 auf Visual Analog Scale von max. 100) und radiographisch gesicherter Osteoarthrose eingeschlossen und über 6 Monate mit oralem Glucosamin plus Chondroitinsulfat oder mit Placebo behandelt. Die Schmerzintensität (gemessen mit den VAS global pain scores) in der Verumgruppe nahm im Mittel (Standardabweichung) um 11,8 ± 2,4 mm ab, in der Placebogruppe allerdings um 20,5 ± 2,4 mm (p<0,03). Für den Funktionsparameter (WOMAC score) war in beiden Gruppen die Verbesserung gleich.
Wirkt hier also das Placebo besser auf den Schmerz oder erzeugen diese Mittel Schmerzen? Es ist gut daran erinnert zu werden, dass ein statistischer Unterschied bei Studien nicht einen realen Unterschied bedeuten muss, es sich also um einen Zufallsbefund handeln kann. Bei einer von 33 Studien (p=0,03) kann dieser Zufall eben eintreten.

(ii) Diese Studie wurde von der Produktionsfirma unterstützt. Obwohl sie eindeutig negativ war, wurde sie publiziert. Zeigt die jahrelange Kritik an Nichtveröffentlichungen von negativen Studien eine Wirkung (auch ausgelöst durch Studienregistrierungs- und Veröffentlichungsdruck)?

Zusammengefasst: Glucosamin und Chondroitinsulfat haben keinen Platz in der Therapie der Osteoarthrose.

Literatur
(1)   Roman-Blas JA et al. Arthr Rheum 69, 77, 2017

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 4. Juni 2018