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Inhalt

 

Update der medikamentösen Osteoporosetherapie

G. Finkenstedt (Universitätsklinik für Innere Medizin, Innsbruck)

Das Osteoporosemanagement mit Knochendichtemessung und medikamentöser Therapie hat in den letzten Jahren eine Trendwende in der Inzidenz von Knochenfrakturen bei über 50-jährigen gebracht, wie kürzlich in einer kanadischen Studie gezeigt wurde (1). Parallel zur Zunahme der Zahl der Knochendichtemessungen und Verschreibungen von Antiresorptiva sinken seit 1997 die Raten von Hüft- und Radiusfrakturen trotz der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung. Dieser positive Trend könnte durch eine bessere Erfassung der Zielgruppen für die Osteoporosetherapie – die Patienten/innen mit besonders hohem Frakturrisiko – sogar noch verbessert werden. Dementsprechend wird sich die Therapieindikation in Zukunft am individuellen 10-Jahresrisiko für Hüft- oder Wirbelfrakturen orientieren und nicht primär an der Knochendichte.

Solche Frakturrisiko-basierten Interventionsschwellen zielen darauf ab, eine spezifische Osteoporosetherapie den Patienten/innen mit hohem Frakturrisiko (und nicht nur niedriger Knochendichte) zukommen zu lassen, bei denen die Therapie am wirksamsten und auch kosteneffektiv ist. Das betrifft insbesondere die älteren fragilen Menschen, die immer noch zu einem hohen Grad unterdiagnostiziert und untertherapiert sind.

Seit dem letzten Osteoporose Update (Pharmainfo XVI/2/2001) sind einige Neuerungen zu besprechen.

Kalzium und Vitamin D3 in täglichen Dosen von 500 – 1000 mg bzw. 400 – 800 IE sind unverzichtbare Basismedikation bei einer spezifischen Osteoporosetherapie, zumal die positiven Ergebnisse aller wichtigen Therapiestudien mit dieser Begleitmedikation erarbeitet wurden. Eine Therapie einer manifesten Osteoporose nur mit diesen Substanzen ist aber nicht vertretbar. Kalzium und Vitamin D3 sind auch ein wesentlicher Bestandteil der Prävention. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass mindestens 700 IE Vitamin D3 verabreicht werden müssen um positive Effekte zu erzielen (2).

Die Hormonersatztherapie ist seit den Ergebnissen der WHI Studie (3) nur mehr für die Behandlung von klimakterischen Beschwerden einzusetzen und zur Osteoporosetherapie nur dann, wenn andere Behandlungen unverträglich oder kontraindiziert sind (siehe auch Pharmainformation XVII/3/2002 und XVIII/4/2003).

Raloxifen (Evista): Die Wirkung des selektiven Östrogen Rezeptor Modulators Raloxifen (Evista) auf vertebrale Frakturen ist mit den Bisphosphonaten vergleichbar. In einer posthoc definierten Risikogruppe von Frauen mit prävalenten schweren Wirbelfrakturen Grad 3 wurde auch das relative Risiko (RR) für nicht-vertebrale Frakturen um 47% reduziert (4). Allerdings ist ein um 44% erhöhtes Thromboembolierisiko und das um 49% erhöhte Risiko eines tödlichen Schlaganfalles zu beachten (5). Ein nicht zu vernachlässigender zusätzlicher Effekt von Raloxifen ist eine Senkung des Risikos für ein invasives Mammakarzinom, in der MORE und CORE Studie (6,7) um 76% bzw. 59%. Die STAR Studie hat gezeigt, dass Raloxifen bei Patientinnen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko eine mit Tamoxifen (Ebefen, Nolvadex, Tamoxifen Präparate) vergleichbare protektive Wirkung auf das invasive Mammakarzinom hat, aber mit deutlich weniger Nebenwirkungen behaftet ist (8). Es könnte somit für Frauen mit erhöhtem Mammakarzinomrisiko (positive Familienanamnese) eine attraktive Osteoporosetherapie darstellen, mit der gleichzeitig Karzinomprophylaxe betrieben wird.

Von den N-Bisphosphonaten sind Alendronat (Fosamax) und Risedronat (Actonel) als Mittel der ersten Wahl gut etabliert. Ein Problem bei der Langzeittherapie ist die schlechte Compliance von unter 50% (9). Mit den mittlerweile breit eingesetzten einmal wöchentlich Präparationen kann diesbezüglich eine Verbesserung erzielt (10) und auch die Verträglichkeit verbessert werden (Fosamax 70 mg - einmal wöchentlich Tabletten, Alendronat Nycomed 70 mg, Alendronsäure Präparate 70 mg - einmal wöchentlich Tabletten, Alendronstad 70 mg - einmal wöchentlich Tabletten, Actonel einmal wöchentlich 35 mg - Tabletten). Die bisher vielfach ausgesprochene Empfehlung bei Patientinnen, die unter einer 5-6-jährigen Alendronattherapie stabil sind, niedrige Knochenumsatzmarker, keine sehr niedrige Knochendichte und somit kein hohes Frakturrisiko mehr haben, eine 2-3-jährige Behandlungspause einzulegen und dann die Behandlungsindikation neuerlich zu evaluieren, wird durch die nun vorliegenden Ergebnisse der FLEX Studie (10a) bestätigt. 5 Jahre Placebo nach 5 Jahren Alendronat (in den ersten 2 Jahren nur 5 mg Tagesdosis) waren für ein solches Patientinnenkollektiv mit keinem höheren Frakturrisiko als bei 10 Jahren Alendronatbehandlung verbunden. Nur die Hochrisikopatientinnen mit sehr niedriger Knochendichte hatten um 45% signifikant mehr neue klinische Wirbelfrakturen. Diese Ergebnisse zeigen aber auch, dass bei einer 10jährigen Alendronattherapie nicht mit einem höheren Frakturrisiko zu rechnen ist, was man bei langdauernder Suppression des Knochenumbaus vielleicht hätte befürchten müssen.

Eine in den letzten drei Jahren bekannt gewordene mögliche ernsthafte Nebenwirkung der N-Bisphosphonate muss erwähnt werden, die Kieferosteonekrose. Diese schmerzhafte Knochennekrose ist mit einer Prävalenz von 6 – 10% bei Tumorpatienten/innen nicht selten und betrifft hauptsächlich Patienten/innen mit Myelom oder Mammakarzinom, die eine intravenöse hoch dosierte Bisphosphonattherapie bekommen haben. Sehr selten wurde diese Knochennekrose auch bei peroraler Bisphosphonattherapie für Osteoporose beobachtet (0,7 auf 100.000). Gefährdet sind offenbar Patienten/innen mit langer Behandlungsdauer in höheren Dosen und kieferchirurgischen Eingriffen bzw. Zahnextraktionen (11). Es wird deshalb eine Zahnsanierung vor oder bei Beginn einer Bisphosphonattherapie empfohlen. Ob eine Behandlungspause bei Eingriffen im Kieferbereich oder bereits eingetretener Nekrose von Vorteil ist, ist noch unklar.

Zu den bereits früher besprochenen kommt nun mit Ibandronat (Bonviva) noch ein neues (altes) N-Bisphosphonat dazu. Die BONE Studie hat nach zuerst unklaren Studien letztlich doch positive Ergebnisse zur Frakturprävention gebracht (12). Bei 2946 postmenopausalen Frauen (Durchschnittsalter 69 Jahre) mit mindestens einer prävalenten Wirbelfraktur wurde das relative Risiko für eine neue Wirbelfraktur mit täglich 2,5 mg Ibandronat über 3 Jahre um 62% (RR 0,38; CI 0,25 – 0,59) vs. Placebo reduziert. Im Risiko für nichtvertebrale Frakturen fand sich im Gesamtkollektiv kein Unterschied, in einer posthoc definierten Hochrisikogruppe mit einem Schenkelhals T-score £-3,0 war die Risikoreduktion 69%.Zu multiplen vertrebralen und Hüftfrakturen gibt es keine Daten. Der Umstand, dass mit einem potenten N-Bisphosphonat nur das vertebrale, nicht sicher aber das extravertebrale Frakturrisiko gesenkt wird, könnte auf eine nicht optimale Dosierung zurückzuführen sein. Aus Gründen der Verbesserung der Compliance und wohl auch des Marketings wurde eine einmal monatliche Dosierung angestrebt, die in der Bioäquivalenz/Noninferiority Studie MOBILE getestet wurde (13). Bei 1609 postmenopausalen Frauen wurden 2,5 mg täglich u. a. mit 150 mg 1 x monatlich über ein Jahr verglichen. Die Zunahme der lumbalen Knochendichte war mit der monatlichen 150 mg Dosis signifikant größer und der Abfall des Knochenmarkers bCrossLaps (CTX) gleich wie mit den täglichen 2,5 mg und deshalb wurde auch eine gleiche Frakturwirksamkeit angenommen. Die 150 mg Tablette einmal monatlich wurde in der Indikation postmenopausale Osteoporose zur Verringerung des Risikos für Wirbelfrakturen zugelassen.

Auch die intravenöse Injektion von 2 mg alle 2 Monate und 3 mg alle 3 Monate wurde in einem ähnlichen Studiendesign gegen 2,5 mg täglich p.o. über 1 Jahr bei 1395 postmenopausalen Frauen mit Osteoporose in der DIVA Studie untersucht (14). Die Anstiege der DXA Knochendichte waren mit der intravenösen Gabe signifikant höher als mit der peroralen. Der Knochenabbaumarker CTX im Serum war in allen Gruppen um rund 60% supprimiert. Die Inzidenz von grippeähnlichen („flu-like“) Symptomen durch eine Akutphasenreaktion nach der Injektion war mit rund 5% niedrig. Die 3 mg pro 3 Monate Fertigspritze ist mittlerweile in Österreich für die postmenopausale Osteoporose zugelassen.

Die Datenlage zur Frakturprävention mit Ibandronat ist allerdings insgesamt mit der von Alendronat oder Risedronat nicht ganz vergleichbar. Dem Vorteil (bessere Compliance) einer monatlichen oralen oder 3-monatlichen intravenösen Gabe steht der Nachteil von limitierten Daten zur Frakturprophylaxe gegenüber.

Ein anderes bereits bekanntes N-Bisphosphonat, Zoledronsäure (Zometa, Aclasta), wurde ebenfalls in der Indikation Osteoporose als einmal jährliche Infusion untersucht. Positive Daten zu Knochendichte und -umsatz aus der Dosisfindungsstudie wurden bereits publiziert (15). Die Frakturdaten aus der groß angelegten Phase III Studie HORIZON mit 5 mg einmal jährlich sind kürzlich auf einem Kongress (28th Annual Meeting of the American Society for Bone and Mineral Research, September 15-19, Philadelphia, 2006) vorgestellt worden. Nach 3 Jahren war das Risiko für neue Wirbelfrakturen um 70% (RR 0,30; Cl 0,24 - 0,38) und für Hüftfrakturen um 40% (RR 0,60; Cl 0,43 - 0,85) reduziert. Dieses sehr gute Ergebnis hängt wohl nicht zuletzt mit der guten Compliance durch die jährliche Infusion beim Arzt zusammen. Die Präparation mit 5 mg als Infusionslösung ist als Aclasta bereits im Handel und für die Therapie des M. Paget zugelassen. Es ist wohl mit der Zulassung für die Osteoporosetherapie im Laufe des Jahres zu rechnen. Die Inzidenz an grippeähnlichen Symptomen in den ersten Tagen nach Infusion war in der Studie zum M. Paget mit 28% allerdings ziemlich hoch (16), und ist bei Osteoporose wohl nicht geringer, kann aber durch Vorbehandlung mit Paracetamol oder NSAR gemindert werden.

Parathormon(PTH) hat bei intermittierender Applikation starke anabole Effekte am Skelett und führt zu einer echten Zunahme an Knochenmasse. Am besten untersucht ist das N-terminale Fragment rhPTH(1-34),Teriparatid, TPTD (Forsteo). Das intakte rhPTH(1-84) (Preotact), ist mittlerweile ebenfalls zugelassen, die Datenlage ist wenig umfangreich und teilweise noch nicht publiziert.

Über die Aktivierung von ruhenden Belegzellen zu aktiven Osteoblasten (17) und Hemmung der Osteoblastenapoptose kommt es zur Vermehrung der Osteoblasten mit verlängerter Lebensdauer und dadurch zu einer direkten Knochenneubildung ohne vorherige Knochenresorption. In weiterer Folge wird auch der Knochenumsatz im anfangs nicht sehr stark mineralisierten neu gebildeten Knochen gesteigert. Es resultiert eine Zunahme der Trabekeldicke, -konnektivität und -zahl (18), sowie eine Zunahme des kortikalen Volumens und des Knochenumfangs, aber auch der intrakortikalen Resorption. Densitometrisch sind die Zuwächse an Knochendichte größer als unter antiresorptiven Behandlungen, insbesondere die der trabekulären Knochendichte. Trotz des initial weniger gut mineralisierten Knochens steigt die Knochenstabilität (19).

In der für die Zulassung von Teriparatid maßgeblichen Studie, dem Fracture Prevention Trial (20), wurden 1637 postmenopausale Frauen mit prävalenten Wirbelfrakturen (Ø Alter 70 Jahre; Ø 2,3 Wirbelfrakturen; Ø LWS T-score -2,6) über median 19 Monate mit Placebo oder 20 µg TPTD täglich subcutan behandelt. Neben einer Zunahme der Knochendichte kam es zu einer signifikanten Senkung des relativen Risikos für eine neue Wirbelfraktur um 65% (RR 0,35; CI 0,22 – 0,55), für mehrfache Wirbelfrakturen um 77% (RR 0,23; CI 0,09 – 0,60) und für nichtvertebrale Fragilitätsfrakturen um 53% (RR 0,47). Die Frakturrisikoreduktion scheint etwas größer als mit Bisphosphonaten zu sein, aber die Konfidenzintervalle überlappen sich, so dass derzeit eine Überlegenheit hinsichtlich der Frakturwirkung nicht dokumentiert ist. Auch gibt es für Hüftfrakturen keine ausreichenden Daten.

Ähnliche Ergebnisse wie bei Frauen bezüglich Knochendichte und -umsatz (21) und wohl auch Frakturen (22) wurden in einer parallel angelegten kleineren Studie mit Männern erzielt. Dennoch ist rhPTH(1-34), Teriparatid (Forsteo) in der 20 µg Dosis (Selbstinjektion mittels Pen) in Österreich nur für die Behandlung der manifesten (mit Frakturen) postmenopausalen Osteoporose der Frau zugelassen. Auf Grund der hohen Kosten und des Nachteils der subcutanen Injektion erscheint es vorerst nur indiziert, wenn vorher ein potentes Bisphosphonat versucht wurde. Allerdings scheint zumindest eine Vorbehandlung mit Alendronat die volle Wirkungsentfaltung von Teriparatid zu hemmen (23). Auch eine Kombinationstherapie von PTH(1-34) bzw. PTH(1-84) mit Alendronat (24,25), die wegen der unterschiedlichen Wirkmechanismen Sinn machen könnte, zeigte überraschenderweise eine Abschwächung der vollen PTH Wirkung, zumindest was Knochenumsatz und Knochendichte anlangt. Eine solche Kombination kann also derzeit nicht empfohlen werden. Aber in einer neuen Studie mit zyklisch appliziertem PTH(1-34) plus Alendronat (26), was auch kostengünstiger ist, sind die Ergebnisse besser, so dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Anders steht es mit der Weiterbehandlung nach Beendigung der 18-monatigen PTH Therapie. Da es unbehandelt zu einem relativ raschen Verlust an gewonnener Knochenmasse kommt (27), ist eine weitere antiresorptive Therapie, am ehesten mit Alendronat, angezeigt (28).

Die Behandlung mit Teriparatid ist meist gut verträglich. In der Zulassungsstudie waren Schwindel, Beinkrämpfe und Hyperkalzämie in der Behandlungsgruppe etwas häufiger als in der Placebogruppe. Kontrollen des Serumkalziums und der Harnkalziumausscheidung sind zu empfehlen. In den präklinischen Toxizitätsstudien mit Ratten kam es zu einer erhöhten Inzidenz von Osteosarkomen. Dies ist wohl durch die angewendeten extrem hohen Dosen bei dem ständig wachsenden Skelett der Ratten zu erklären. Beim Menschen gibt es bislang keine Hinweise für ein gesteigertes Auftreten von Malignomen. Die Behandlungsdauer ist aber trotzdem aus Sicherheitsgründen auf 18 Monate beschränkt.

PTH(1-84) hat eine andere Pharmakokinetik, weshalb die Wirkung nicht ganz mit Teriparatid gleich gesetzt werden kann. Es ist auch die Inzidenz von Hyperkalzämien mit 28% deutlich höher.

Das divalente Kation Strontium, Sr2+, hat im Organismus ähnliche Eigenschaften wie Kalzium. Als Salz der Ranelicsäure, Strontiumranelat (Protelos), ist es in den letzten Jahren intensiv auf seine Wirkungen am Skelett untersucht worden. Über einen letztlich noch nicht geklärten molekularen Mechanismus (involviert sind offenbar der Kalzium- und der Kationen-Sensing-Rezeptor), bewirkt Sr2+ eine Steigerung der Knochenneubildung durch Förderung der Osteoblastenproliferation (29) und eine Hemmung der Knochenresorption durch Reduktion der Osteoklastenzahl und -aktivität (30). Beide Effekte sind nicht sehr stark ausgeprägt. Es kommt dadurch zur Entkoppelung des Knochenumbaus zugunsten der Knochenneubildung und Zunahme der Knochenstabilität (31).

Strontiumranelat wurde in einer Dosis von 2,0 g p.o. täglich gegen Placebo in zwei groß angelegten Studien auf seine Frakturwirksamkeit getestet. In der Wirbelfrakturstudie SOTI (32) wurden 1649 postmenopausale Frauen mit mindestens einer Wirbelfraktur (Ø Alter 69 Jahre; Ø 2,2 Wirbelfrakturen; Ø LWS T-score -3,5) zunächst über 3 Jahre untersucht (Gesamtdauer der Studie 5 Jahre). Das relative Risiko für eine neue Wirbelfraktur wurde um 41% (RR 0,59; CI 0,48 – 0,73) und für mehrfache Wirbelfrakturen um 36% (RR 0,64; CI 0,44 – 0,93) reduziert.Die Knochendichte stieg stark an, wobei zu berücksichtigen ist, dass aufgrund der im Vergleich zu Kalzium höheren Atomzahl eine stärkere Strahlenabsorption gegeben ist und dadurch eine größere Knochendichte vorgetäuscht wird.

In der peripheren Frakturstudie TROPOS (33) wurden 5091 Frauen mit niedriger Knochendichte (Schenkelhals T-score <-2,5) ab einem Alter von 74 Jahren oder einem Alter von 70 – 74 Jahren mit einem zusätzlichen Risikofaktor für osteoporotische Frakturen eingeschlossen (Ø Alter 76,7 Jahre; Ø LWS T-score -2,8; 53% mit prävalenten osteoporotischen Frakturen). Die Behandlung erfolgte nach dem gleichen Protokoll wie in SOTI. Nach 3 Jahren wurde das Risiko für eine neue nicht vertebrale Fraktur um 16% (RR 0,84; CI 0,70 – 0,99) und für eine vertebrale Fraktur (Subgruppe mit Wirbelsäulenröntgen) um 39% (RR 0,61; CI 0,51 – 0,73) reduziert. Das Risiko für Hüftfrakturen war im Gesamtkollektiv mit 15% nicht signifikant vermindert. In einer posthoc definierten Hochrisikosubgruppe (³74 Jahre, Schenkelhals T-score £-3,0) fanden sich 36% weniger Hüftfrakturen (RR 0,64; CI 0,41 – 0,99). Die Ergebnisse dieser beiden Studien sind in Bezug auf die Frakturwirksamkeit mit denen der N-Bisphosphonate annähernd vergleichbar.

Nausea, Diarrhoe, Kopfschmerzen, Dermatitis, Ekzem waren in den ersten 3 Behandlungsmonaten in der Strontiumgruppe etwas häufiger als unter Placebo. Die europäische Zulassungsbehörde EMEA betont im Beurteilungsbericht (EPAR) insbesondere das auf 1,5 erhöhte relative Risiko für venöse Thromboembolien (0,9% unter Strontiumranelat vs. 0,6% unter Placebo), das auch tödliche Lungenembolien einschließt. Allerdings ist das Risiko geringer als unter Hormonersatztherapie und selektiven Östrogenrezeptor Modulatoren. Auch zentralnervöse Effekte, wie Bewusstseinsstörungen, Amnesie und Krämpfe, waren Anlass für die EMEA zu „concern“. Die über 80-Jährigen schienen relativ stärker gefährdet zu sein. In den soeben publizierten Ergebnissen bei den ³80-Jährigen aus den gepoolten SOTI und TROPOS Daten war aber die Verträglichkeit mit Placebo vergleichbar (34), so dass erst Pharmakovigilanz Studien, wie sie im Rahmen der Zulassung fixiert wurden, eine endgültige Wertung des Risikos ermöglichen werden.

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Die Bisphosphonate Alendronat, Risedronat und der selektive Östrogenrezeptor Modulator Raloxifen haben ihren festen Platz in der Osteoporosetherapie. Für das Bisphosphonat Ibandronat ist eine Einmonatstablette und eine intravenöse Applikationsform zur Osteoporosebehandlung zugelassen. Dem Vorteil einer verbesserten Compliance steht der Nachteil von limitierten Daten zur Frakturprophylaxe gegenüber. Für die Einjahresinfusion des Bisphosphonates Zoledronsäure liegen jetzt sehr günstige Frakturdaten vor, es dürfte nach der Zulassung eine wertvolle Alternative darstellen. Teriparatid (in Zukunft vielleicht auch das intakte hPTH), ist wegen der ausgeprägten anabolen Wirkungen am Skelett besonders für Patienten/innen mit schwerer Osteoporose vom Therapieansatz her vielversprechender als reine antiresorptive Behandlungen, wobei aber eine Überlegenheit der Frakturwirkung nicht belegt ist und es keine Daten bzgl. Hüftfrakturrisiko gibt.  Es ist zurzeit in erster Linie für die Therapieversager unter antiresorptiver Therapie einzusetzen. Strontiumranelat (Protelos) ist vor allem für die Patientinnen vorgesehen, die die Bisphosphonate nicht vertragen oder nicht richtig einnehmen können. Dies wird insbesondere die Gruppe der älteren Patientinnen betreffen, zumal es aus den Studien gute Daten für diese Altersgruppe gibt.

Literatur:
(1) J Bone Miner Res 20,898, 2005 
(2) JAMA 293,2257, 2005
(3) JAMA 288,321, 2002
(4) Bone 33,522, 2003
(5) N Engl J Med 355,125, 2006
(6) JAMA 281,2189, 1999
(7) J Natl Cancer Inst 96,1751, 2004
(8)  JAMA 295,2727, 2006
(9)  Maturitas 48,271, 2004
(10) Curr Med Res Opin 21,1453, 2005
(10a) JAMA 296,2927, 2006
(11) Ann Intern Med 144,753, 2006
(12) J Bone Miner Res 19,1241, 2004
(13) J Bone Miner Res 20,1315, 2005
(14) Arthritis Rheum 54,1838,2006
(15) N Engl J Med 346,653,2002
(16) N Engl J Med 353,898, 2005
(17) Endocrinology 138,4607, 1997
(18) Bone 28,150, 2001
(19) Osteoporos Int 11,871, 2000
(20) N Engl J Med 344,1434, 2001
(21) J Bone Miner Res 18,9, 2003
(22) Osteoporos Int  16,510, 2005
(23) J Bone Miner Res 19,745, 2004
(24) N Engl J Med 349,1216, 2003
(25) N Engl J Med 349,1207, 2003
(26) N Engl J Med 353,566, 2005
(27) Arch Intern Med 164,2024, 2004
(28) N Engl J Med 353,555, 2005
(29) Bone 18,517, 1996
(30) J Bone Miner Res 18,1082, 2003
(31) J Bone Miner Res 19,2012, 2004
(32) N Engl J Med 350,459, 2004
(33) J Clin Endocrinol Metab 90,2816, 2005
(34) J Bone Miner Res 21,1113, 2006

 

Nachfolgepräparate nach Patentablauf

In den letzten Jahren sind Patente für mehrere viel verkaufte Präparate ausgelaufen und es ist nicht überraschend, dass die zuständigen Firmen versucht haben, durch Nachfolgepräparate die Umsätze ihrer "blockbusters" zu halten. In der Pharmainfo XVIII/2/2003 haben wir einige dieser Präparate, insbesondere reine Isomere, die razemische Präparate ersetzen sollen, besprochen. Wir zitieren nun, was das Britische Drug and Therapeutic Bulletin (44,73,2006) zu diesen Präparaten feststellt. Diese Aussagen bestätigen unsere damalige Wertung aus dem Jahre 2003.

Escitalopram (Cipralex, Entact): Diese Substanz ist die aktive S-enantiomere Form von Citalopram (Citalopram Präparate, Citalostad, Eostar, Pram, Seropram). Dazu das Bulletin: "Wir können keine überzeugenden Beweise finden, die die Behauptung stützen, dass Escitalopram effektiver ist oder einen schnelleren Wirkungseintritt als Citalopram hat".

Levocetirizin (Xyzall): Hier handelt es sich um das R-Enantiomer von Cetirizin (Cetiderm, Cetiristad, Cetirizin Präparate, RatioAllerg, Tirizin, Zyrtec). "Es gibt keine Studien, die diese beiden Substanzen vergleichen. Bei Fehlen dieser Studien sehen wir keinen Grund, Levocetirizin anstelle von Cetirizin zu verschreiben".

Esomeprazol (Nexium): S-Isomer von Omeprazol (Gastroplex, Losec, Omec, Omeprazol Präparate). "S-Omeprazol wird langsamer als die R-Form abgebaut. So werden nach der Verabreichung von Esomeprazol im Serum 70 - 90% höhere Blutspiegel als mit razemischen Omeprazol erreicht. Daher wird die gleiche Hemmung der Säureproduktion durch niedrigere Dosen von Esomeprazol, verglichen mit Omeprazol, erreicht. Beide isomere Formen sind Prodrugs, die in der Parietalzelle zum gleichen (nicht mehr stereoisomeren) aktiven Hemmer umgewandelt werden. Eine höhere Dosis von Omeprazol hat daher den gleichen Effekt wie Esomeprazol ohne einen Hinweis auf Unterschiede in Nebenwirkungen". Etwas vereinfacht ausgedrückt, Omeprazol in einer etwas höheren Dosis hat die gleiche Wirkung und Nebenwirkungen wie Esomeprazol. Wer in einer etwas höheren Dosis das billigere Omeprazol einnimmt hat auch ausreichend Nexium geschluckt.

Desloratadine (Aerius) ist ein Abbauprodukt von Loratadin (Allernon, Clarityn, Lictyn, Lorane, Loratadin Generika). "Es gibt keine (klinischen) Vergleichsstudien. Ohne diese sehen wir keinen Grund, Desloratadin anstelle von Loratadin zu verabreichen".

Neue Präparate stellen erfreulicherweise oft einen Fortschritt dar und sind zu begrüßen. Es gibt aber auch Scheininnovationen, insbesondere wenn die alten Präparate sich mit einer guten Nutzen/Risiko-Rate bewährt haben. Die Verschreibung der genauso guten alten Präparate als Generika hilft, die Finanzierung des Gesundheitssystems, ein für uns alle wichtiges Anliegen, zu unterstützen und fordert die Pharmaindustrie auf (siehe Pharmainfo XX/3/2005), neue und wirklich innovative Produkte zu produzieren.

 

Selen in der Intensivmedizin

In unserem Artikel (Pharmainfo XX/2/2005) über belegte Indikationen für Selen stellten wir fest: "Erst bei Vorliegen von verlässlichen Daten wäre eine Selensubstitution bei Intensivpatienten/innen zu rechtfertigen". Ein Übersichtsartikel aus dem Jahre 2005 (Intensive Care Med 31,327,2005) fasste die Daten von 7 Studien zusammen und konnte nur einen Trend zu einer verminderten Mortalität finden. Ein Teil dieser Daten beruhte auf Studien einer Münchner Gruppe, die eine große Studie zu diesem Thema ankündigte. Diese wurde in den Jahren 1999 - 2004 durchgeführt und leider erst jetzt, im Jahre 2007, publiziert (Crit Care Med 35, 118,2007). Die Sponsorfirma für diese Studie hat schon im Jahr 2005 in Broschüren festgestellt, dass Selen die Mortalität signifikant reduziert und die Überlebenszeit signifikant verlängert, und hat Selen als die "Chance für Sepsispatienten/innen bezeichnet"Belegen die Daten diese optimistische Ankündigung? Die Doppelblindstudie wurde an 249 Patienten/innen (Sepsis, septischer Schock und schweres "systemic inflammatory response syndrome") durchgeführt (n=116 bzw. 122: Selen bzw. Placebo). Vor der endgültigen Analyse fielen 10 Patienten/innen aus, 5 weil die Zustimmung der Patienten/innen zurückgenommen wurde. Diese hätten aber in die ITT-Analyse eingehen sollen. In dieser Analyse zeigt sich zwar eine reduzierte Mortalität von 48,4 auf 37,9%, dies war aber nicht statistisch signifikant. 49 Patienten/innen wurden dann für die Per Protokoll (PP)-Analyse exkludiert, weil sie die Einschlusskriterien nicht erfüllten. Zwischen den verbleibenden Gruppen von 92 bzw. 97 Patienten/innen war dann die Mortalität in der Selengruppe mit grenzwertiger Signifikanz (0,049) niedriger. Für alle anderen Parameter wurde kein signifikanter Unterschied gefunden. Diese schlossen wichtige Verlaufskriterien wie Veränderungen des Apache III Score, logistic organ dysfunktion system score, acute respiratory distress syndrome, Inzidenz von renalem und cardialem Versagen, Auftreten von Pneumonie und Zahl der Tage in der Intensivstation ein.

Die Daten dieser Studie bezüglich Mortalität können nicht als sicherer Beleg einer Wirkung gewertet werden, da sie, abgesehen von methodischer Unklarheit (Ausschluss von vielen Patienten/innen) in der wichtigeren ITT-Analyse nicht signifikant und in der PP-Analyse nur grenzwertig signifikant waren. Insbesondere sollte aber eine Substanz, die die Mortalität senkt, auch signifikante Effekte auf den Krankheitsverlauf der nicht verstorbenen Patienten/innen haben. Wenn sich der Krankheitsverlauf nicht ändert, dann kann man auch keine reale Änderung der Mortalität erwarten, die statistisch grenzwertige Senkung der Mortalität nur in der PP-Analyse kann daher einen Zufallsbefund darstellen. Korrekterweise stellen die Autoren fest: "Eine größere Studie ist nun notwendig um die Resultate dieser Studie zu bestätigen". Wir müssen daher auch im Jahre 2007 feststellen: Erst bei Vorliegen verlässlicher Daten ist eine Selensubstitution bei Intensivpatienten/innen zu rechtfertigen.

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 5. Februar 2007

Pharmainformation

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em.Univ.Prof.Dr.
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