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Inhalt

Neu registriert: 2 Lipidsenker

Ezetimib (Ezetrol)

Ezetimib ist ein Vertreter einer neuen Substanzgruppe (Azetidinone). Dieses Medikament hemmt die Resorption von Cholesterin (exogenes und biliäres endogenes) im Bürstensaum der Dünndarmenterozyten, wobei der molekulare Wirkungsmechanismus bisher nicht geklärt ist (1). Die Cholesterinzufuhr kann durch Ezetimib bis 50% gesenkt werden, allerdings wird dann die hepatische Cholesterinsynthese gesteigert, sodass letztlich der Cholesterinspiegel (LDL) im Serum um bis zu 20% gesenkt werden kann. Eine Senkung der Cholesterinresorption bewirkt auch das Austauschharz Cholestyramin (Quantalan).

In einer klinischen Studie senkte Ezetimib bei Patienten/innen mit essentieller und familiärer homozygoter Hypercholesterinämie die LDL-Konzentrationen um 16,9%, Triglyceride um 5,7%, HDL war nur geringfügig erhöht - Wirkungen, die geringer als nach Statingabe sind (1).

Weiters wurde Ezetimib als zusätzliche Gabe zu einer Statintherapie getestet. Ezetimib verstärkte die Wirkung der Statine, wobei auch bei hohen Dosen (40-80 mg) von Simvastatin (Gerosim, Nyzoc, Simvastad, Simvastatin Präparate, Simvatin, Zocord) noch eine weitere Senkung von LDL um 15% erzielt werden konnte (siehe 1).

Ezetimib wird gut vertragen, zeigte aber in den klinischen Studien sowohl bei Einzelgabe als auch in der Statinkombination bei einigen Patienten/innen starke Anstiege der Lebertransaminasen, die allerdings reversibel waren. Hinweise auf eine Muskeltoxizität (vgl. Statine) von Ezetimib liegen bisher nicht vor.

Die Wirkung von Ezetimib auf den Cholesterinspiegel erscheint ausreichend belegt, hingegen ist das Fehlen von Langzeitstudien sowohl was die Bewertung des Nutzens als auch von Nebenwirkungen betrifft, ein signifikanter Mangel. Nicht die Senkung des Surrogatparameters Cholesterinspiegel ist für die Patienten/innen relevant, sondern positive Effekte auf das Krankheitsgeschehen und die Lebenserwartung sind entscheidend. Für mehrere Statine belegen Langzeitstudien, insbesondere auch bei Patienten/innen mit kardiovaskulären Risiken und mit Diabetes, die Senkung der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität, aber auch der Gesamtsterblichkeit. Hierbei ist nicht klar, ob diese positiven Effekte nur durch die Cholesterinsenkung, oder möglicherweise durch andere Effekte der Statine bedingt sind. Diese Langzeitstudien definierten auch das Nebenwirkungsprofil der Statine.

Solange für Ezetimib nicht vergleichbare Studien vorliegen, kann diese Substanz nur Reservemittel sein.

Zusammenfassung: Ezetimib senkt den Cholesterinspiegel, es fehlen aber Langzeitstudien, die die Relation zwischen Nutzen und möglichen Langzeitrisken bestimmen. Erst daraus resultieren ja positive Effekte (i.e. Senkung der Mortalität) für die Patienten/innen. Ezetimib ist daher als Monotherapie nur vertretbar, wenn Statine klar unverträglich sind. Sollte ein Statin trotz Dosiserhöhung nicht ausreichend wirken, dann kann eine zusätzliche Gabe von Ezetimib erwogen werden. Als Alternative steht hier auch Cholestyramin (Quantalan), das ebenfalls die Cholesterinsynthese senkt, zur Verfügung. Die Langzeitsicherheit dieser Substanz und die Wirkung auf kardiovaskuläre Mortalität sind belegt (siehe 2). Allerdings wird diese Substanz wegen des unangenehmen Geschmackes und der gastrointestinalen Beschwerden (Blähungen) von einigen Patienten/innen abgelehnt.

Literatur:
(1)   Arzneimittelbrief 37,41,2003
(2)   Goodman and Gilman's The Pharmaceutical Basis of Therapeutics, McGraw-Hill Comp. Inc. 2001

 

Rosuvastatin (Crestor)

Diese Substanz gehört zur Gruppe der cholesterinsenkenden Statine und ist das 6. Präparat dieser Gruppe, das eine Zulassung erhalten hat. Um in dieser schwierigen Konkurrenzsituation zu reüssieren, hat die Firma versucht, mit relativ hohen Dosen (80 mg) eine besonders starke Senkung des Cholesterinspiegels zu erzielen. Während des Zulassungsverfahrens bei der FDA mussten aber klinische Studien mit dieser hohen Dosis beendet werden, da mehrere Fälle von Rhabdomyolyse und auch Nierenversagen auftraten (1-3). Offensichtlich hatte man aus den Erfahrungen mit Cerivastatin (Lipobay) nichts gelernt, wo u.a. die Propagierung einer hohen Dosis zu vermehrtem Auftreten von tödlichen Rhabdomyolysen (über 50 Fälle) beigetragen hatte (siehe Pharmainfo XVI/4/2001). Letztlich erhielt dann Crestor für Dosen bis zu 40 mg die Zulassung in den USA und Europa (allerdings nicht über das zentrale Verfahren in London).

Die Wirkung von Rosuvastatin auf die Lipidparameter ist durch mehrere Studien bis zu 52 Wochen ausreichend belegt (1,4,5).

Offensichtlich um Vorteile gegenüber anderen Statinen belegen zu können, wurde die Wirkung von Rosuvastatin mit anderen Statinen verglichen. In einer großen Studie (1) wurde LDL-Cholesterin durch Rosuvastatin (40 mg: Crestor) um 55%, durch Atorvastatin (80 mg: Sortis) um 51,1%, durch Simvastatin (80 mg: Zocord) um 45,8% und durch Pravastatin (40 mg:Pravachol, die in den USA zugelassene Dosis von 80 mg wurde nicht getestet) um 29,7% gesenkt. Für HDL war der Anstieg bei Rosuvastatin bei 9,6%, für die anderen zwischen 4,4 und 6,8%, bei Triglyceriden der Abfall 26% versus 13,2 bis 26,8%. Darauf basierend könnte man feststellen, dass pro mg gesehen Rosuvastatin stärker als die anderen Statine wirkt, was aber irrelevant ist. Weiters wurde versucht zu propagieren, dass eine fixe Anfangsdosis von Rosuvastatin bei mehr Patienten/innen zu einer ausreichenden Lipidsenkung im Vergleich mit anderen Statinen führt (6). Entscheidend ist aber eine nüchterne Betrachtung der obigen Zahlen, die zeigen, dass bei der jeweils maximal zugelassenen Dosis die Wirkungen der einzelnen Statine auf die Lipid-Parameter sich wenig (klinische Relevanz?) unterscheiden. Die marginal bessere Wirkung von Rosuvastatin könnte ein Ausdruck einer inhärent stärkeren Wirkung sein, es ist aber wahrscheinlich, dass die 40 mg Dosis von Rosuvastatin eine relativ hohe Dosis darstellt. Dafür würde sprechen, dass schon bei der zweimal höheren Dosis von 80 mg eine unvertretbare Frequenz von schweren Nebenwirkungen auftrat (siehe oben), die zum Abbruch weiterer klinischer Studien mit dieser Dosis führte. Mit anderen Worten, die zugelassene Höchstdosis von Rosuvastatin könnte nur deshalb etwas stärker wirken, weil sie auch bereits eine höhere Nebenwirkungsrate riskiert.

Wie dem auch sei, nur Langzeitstudien können für ein neues Statin eine exakte Risiko/Nutzenbewertung ermöglichen. Insbesondere für Simvastatin (jetzt auch in einer großen Studie bei Diabetes Patienten/innen: 7), aber auch für Pravastatin (z.B. 8: Pravachol, Sanaprav), Fluvastatin (Lescol: 9) und jetzt auch noch für Atorvastatin (10) belegen Langzeitstudien die positiven Effekte in der Primär- und Sekundärprävention auf die kardiovaskuläre und Gesamtmortalität. Diese Studien an großen Zahlen von Patienten/innen ergeben auch eine gute Bewertung von Langzeitrisiken. Für Rosuvastatin fehlen derzeit diese Studien. In einer Diskussion zum Risiko von Rosuvastatin (4) wird von einem positiven Risiko/Nutzen für 10 - 40 mg gesprochen, allerdings werden hierbei die bedenklichen Daten (siehe oben) für 80 mg nicht einmal erwähnt. Wenn die risikobelastete Dosis nur doppelt so hoch als die zugelassene Dosis von 40 mg ist, wird sich erst bei Vorliegen von Langzeitdaten an großen Populationen das Risiko z.B. auch durch Wechselwirkung mit anderen Medikamenten (Gemfibrozil:Gevilon und Ciclosporin: Cicloral Hexal, Sandimmun Neoral erhöhen z.B. die Plasmaspiegel) bewerten lassen. Es ist nicht verwunderlich, dass die Markteinführung von Rosuvastatin zu Diskussionen geführt hat: So schreibt ein Editorial in Lancet (11): "Doctors should pause before prescribing this drug" und "Rosuvastatin has compared with its competitors an inferior evidence base supporting its safe use". Kontroversielle Antworten, auch von der Firma, blieben nicht aus (12,13).

Zusammenfassung: Mit Crestor ist das 6. Statin auf den Markt gekommen. In Studien bis zu 1 Jahr ist die Cholesterin- und Triglyzerid-senkende Wirkung belegt worden. Im Vergleich mit anderen Statinen erscheint die Wirkung bei der Gabe der höchsten zugelassenen Dosierung nur marginal stärker und dies dürfte in der Dauertherapie mit den jeweils notwendigen Dosen ohne klinische Relevanz sein. Die Ursache der etwas stärkeren Wirkung könnte im Einsatz einer relativ hohen Dosis (mit der möglichen Folge von mehr Nebenwirkungen) liegen. Für Rosuvastatin fehlen, im Gegensatz zu anderen Statinen, Langzeitstudien, die in der Primär- und Sekundärprävention einen positiven Effekt auf die wesentlichen Parameter wie Herzinfarkt und Mortalität belegen.

Bezüglich des Risikos ist bedenklich, dass bereits mit Dosen von 80 mg in klinischen Studien Rhabdomyolyse und Nierenversagen beobachtet wurden, was zur Beendigung klinischer Studien mit dieser Dosis führte. Die Sicherheit der jetzt zugelassenen Maximaldosis von 40 mg wird erst durch Langzeitstudien mit genauer Postmarketing Analyse zu bewerten sein. Nach den negativen Erfahrungen mit Cerivastatin (Lipobay) ist bei einem neuen Statin mit noch nicht zu bewertender Nutzen/Risiko-Ratio größte Zurückhaltung am Platze.

Literatur:
(1)    Am J Cardiol 92,152,2003
(2)    Worst Pills, Best Pills News 9,73,2003
(3)    Worst Pills, Best Pills News 10,17,2004
(4)    Am J Cardiol 92 (suppl),3K,2003
(5)    Medical Letter 45,81,2003
(6)    Am J Cardiol 91 (suppl),3C,2003
(7)    Lancet 361,2005,2003
(8)    NEJM 339,1349,1998
(9)    JAMA 287,3215,2002
(10)   Lancet 361,1149,2003
(11)   Lancet 362,1341,2003
(12)   Lancet 362,1854,2003
(13)   Lancet 362,1498,2003

 

Insulinanaloga

Bernhard Ludvik (Univ. Klinik f. Innere Medizin III, Klin. Abteilung f. Endokrinologie u. Stoffwechsel, Medizinische Universität Wien, AKH)

Während beim Diabetes mellitus Typ 1 die Insulintherapie von Beginn der Erkrankung an obligat und lebensnotwendig ist, kommt es beim Typ 2 Diabetes erst nach einer variablen Krankheitsdauer, teilweise in Abhängigkeit vom Versagen Lebensstil-modifizierender Maßnahmen oder oraler Antidiabetika (siehe Pharmainfo XIV/4/1999), zur Insulinpflichtigkeit. Unterschiedliches Lebensalter, körperliches Aktivitätsniveau, intellektuelle Fähigkeiten sowie die residuale Insulinproduktion entscheiden über die Wahl der Insulintherapie. Bei Typ 1 Diabetikern sowie gegebenenfalls aktiven Typ 2 Diabetikern gilt die funktionelle Insulintherapie (Basis-Bolus-Insulintherapie) als Standard der Insulinapplikation. Diese Therapie besteht in der Verabreichung eines Basalinsulins mit prandialer Gabe von kurzwirksamem Insulin. Bei der konventionellen Insulintherapie wird Mischinsulin zweimal täglich, bei der konventionell-intensivierten dreimal täglich verabreicht. Bei letzterer Therapieform kann auch ein Basalinsulin in Kombination mit fix vorgeschriebenem prandialen Insulin zu den Hauptmahlzeiten verabreicht werden.

Die Eigenschaft von humanem Insulin, in Hexameren vorzuliegen, bewirkt eine Verzögerung des Wirkeintritts nach subkutaner Applikation, da das Insulin erst zu Mono- bzw. Dimeren gespalten werden muss, um aus dem subkutanen Gewebe resorbiert zu werden. Dies erklärt die Notwendigkeit eines Abstands von ca. 30 Minuten zwischen Insulingabe und Nahrungsaufnahme. Normalinsulin wirkt nach Injektion 4 - 6 Stunden, Insulinpräparationen wie das NPH (Neutrales Protamin Hagedorn) Insulin sowie Mischinsuline (zahlreiche Präparate) zeichnen sich durch eine verlängerte Wirkdauer von ca. 12 Stunden aus und zeigen einen Konzentrationsgipfel nach 6 Stunden. Zink-Insulinpräparationen haben zwar eine noch längere, jedoch unberechenbare Wirkdauer und können nicht mittels Injektionshilfen (Pens) verabreicht werden. Diese Limitationen -  notwendiger Spritz-Essabstand, zu kurze Wirkdauer und Variabilität in der Wirkung - haben zur Entwicklung von Insulinanaloga geführt, welche durch Modifikationen des Insulinmoleküls diese unerwünschten Eigenschaften nicht mehr aufweisen sollen. Im folgenden werden kurzwirksame, Misch- und langwirksame Analoga beschrieben.

Kurzwirksame Insulinanaloga

Zu dieser Gruppe zählen Insulin lispro (Humalog) und Insulin aspart (NovoRapid). Durch Modifikation der Aminosäuresequenz liegen die Moleküle in Di- bzw. Monomerform im subkutanen Gewebe vor, was zu einer beschleunigten Resorption führt. Die Wirkung setzt nach ca. 10 Minuten ein und hält 2 bis 4 Stunden an. Die Pharmakokinetik dieser Insulinanaloga erlaubt die Applikation unmittelbar vor der Mahlzeit und erspart somit den Spritz-Essabstand.

Über die Wirkung dieser Insulinanaloga im Vergleich zu humanem Normalinsulin liegen sowohl für Typ 1 wie auch Typ 2 Diabetiker valide Studien vor. Bei Typ 1 Diabetikernverminderte die Verwendung von Insulin lispro im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie das Auftreten nächtlicher Hypoglykämien und verbesserte die postprandialen Glukosespiegel im Vergleich zu humanem Normalinsulin (1).  Die Reduktion der Mahlzeiten-bezogenen Hyperglykämie führt jedoch nicht zu einer verbesserten globalen Stoffwechseleinstellung gemessen am HbA1c. Die Ursache für diese Diskrepanz liegt vermutlich an der Erhöhung von präprandialen Glukosewerten und des Nüchternblutzuckers, welche auf die kürzere Wirkdauer der Analoga zurückzuführen ist. Auch bei Patienten/innen mit Typ 2 Diabetes konnte für Lispro in Verbindung mit einem NPH Insulin der günstige Effekt auf die postprandialen Glukosespiegel bestätigt werden (2). In dieser Studie führte Lispro im Vergleich zu Altinsulin zu einer relativ stärkeren Senkung des HbA1c im Ausmaß von 0,6%, wobei die Aussagekraft der Studie auf Grund des offenen Designs allerdings limitiert ist.

Insulin aspart führt bei Typ 1 Diabetikern im Vergleich zu humanem Insulin ebenfalls zu einer Verminderung der postprandialen Hyperglykämie sowie der vorwiegend nächtlichen Hypoglykämien (3). Obwohl in dieser Studie über 6 Monate die Blutzuckerspiegel präprandial – analog zu den Untersuchungen mit Lispro - höher waren, konnte für Aspart im Vergleich zu humanem Altinsulin eine marginal bessere Senkung des HbA1c im Ausmaß von 0,12% dokumentiert werden. Diese Ergebnisse wurden auch in einer weiteren Studie über 12 Monate bestätigt (4).

Zusammenfassend lässt sich bezüglich der pharmakokinetischen Eigenschaften und der Wirkung kein wesentlicher Unterschied zwischen den kurzwirksamen Insulinanaloga Lispro und Aspart feststellen. Beide zeichnet eine Verminderung der postprandialen Hyperglykämie und des nächtlichen Hypoglykämierisikos aus. Die kurze Wirkdauer führt jedoch zu höheren Blutzuckerspiegeln vor den Mahlzeiten, sodass sich kein, bzw. nur ein marginaler Effekt auf die globale Stoffwechseleinstellung gemessen am HbA1c zeigt. Der Wegfall des Spritz-Essabstands bewirkt allerdings eine messbare Verbesserung der Lebensqualität und stellt somit die eigentliche Rationale für den Einsatz kurzwirksamer Analoga dar. 

Mischanaloga

In Hinblick auf den Wegfall des Spritz-Essabstands wurden zusätzlich Insulinpräparationen entwickelt, bei denen der kurz wirkende Normalinsulinanteil durch ein Analogon ersetzt wurde. Die Substanzen NovoMix 30, Humalog Mix 25 und Humalog Mix 50 weisen einen Anteil an kurzwirksamem Analogon von 30, 25 bzw. 50% auf und können ebenfalls unmittelbar zu den Mahlzeiten injiziert werden. Wie bei den kurzwirkenden Analoga zeigt sich bei zweimal täglicher Anwendung eine Verminderung der postprandialen Glykämie (5,6), welche jedoch nicht zu einer Verbesserung des HbA1c führt. Dies lässt sich zum Teil durch erhöhte Blutzuckerspiegel nach dem Mittagessen erklären (5). Die derzeitige Praxis besteht daher zumeist in der dreimal täglichen Anwendung der Mischinsulinanaloga jeweils zu den Hauptmahlzeiten. Allerdings konnte für dieses Therapieregime noch kein Vorteil im Vergleich zu einer zweimaligen Applikation belegt werden. Die Gesamtzahl der Hypoglykämien war zwischen dem humanen Mischinsulin (Mixtard HM 30%/70%) und dem Mischanalogon NovoMix 30in einer Studie (6) zwar nicht unterschiedlich, es fand sich jedoch eine Reduktion von schweren Hypoglykämien. Vergleichende Studien zwischen den verfügbaren Präparaten hinsichtlich ihrer therapeutischen Wirksamkeit sind auf Grund der unterschiedlichen Anteile des kurzwirksamen Analogons nicht zulässig.

Im Vergleich zu humanen Mischinsulinen findet sich somit für Mischanaloga kein Vorteil bezüglich der Stoffwechseleinstellung oder der Rate an Hypoglykämien. Die Relevanz verminderter postprandialer Blutzuckerspiegel bei identem HbA1c in Hinblick auf diabetische Komplikationen ist jedoch noch nicht belegt, sodass der Einsatz von Mischanaloga derzeit vor allem durch die nicht mehr gegebene Notwendigkeit des Spritz-Essabstands und die damit verbesserte Lebensqualität begründet ist.

Langwirksame Analoga

Zu den langwirksamen Insulinanaloga zählen Insulin glargin (Lantus) und Insulin detemir (Levemir), das allerdings derzeit in Österreich noch nicht zugelassen ist. Bei Glargin wurde die Struktur des Insulinmoleküls durch Substitution von Aminosäuren derart modifiziert, dass es nach Injektion stabile Hexamere im subkutanen Fettgewebe bildet. Dies führt zu einer verzögerten Resorption und einer gleichmäßigen Wirkdauer von 22-24 Stunden ohne nennenswerte Konzentrationsspitzen und ermöglicht bei ca. 75% der Patienten/innen die Substitution des Basalinsulins mittels einmaliger Applikation,  25% müssen Glargin ebenfalls zweimal täglich injizieren.

Die Verwendung von einmal täglich Glargin im Vergleich zu einer ein- bzw. zweimal täglichen NPH Insulingabe bei Patienten/innen mit Typ 1 Diabetes erbrachte keine Unterschiede bezüglich des HbA1c, es fand sich jedoch für Glargin eine stärkere Verbesserung des Nüchternblutzuckers (7,8). Eine weitere Studie kam zu den gleichen Ergebnissen und konnte zudem eine Verminderung der nächtlichen oder schweren Hypoglykämien unter Glargin belegen (9).

Eine Reihe von Studien verglich bei Typ 2 Diabetikern die Wirkung einer abendlichen Glargin- bzw. NPH- Insulingabe (bed-time Insulintherapie) bei Fortführung der bestehenden oralen antidiabetischen Therapie. Es fand sich kein Unterschied bezüglich der Stoffwechseleinstellung gemessen am HbA1c, unter Glargin kam es jedoch zu weniger nächtlichen Hypoglykämien (10,11). In einer Studie, bei welcher Glargin mit NPH Insulin unter begleitender prandialer Insulingabe verglichen wurde, bestätigte sich die Reduktion der nächtlichen Hypoglykämien (12), die Patienten/innen mit Glargin wiesen zudem über die Studiendauer von 7 Monaten eine geringere Gewichtszunahme (0,4 versus 1,4 kg) auf. 

Beim langwirksamen Analogon Insulin detemir bewirkt die Koppelung einer Fettsäure an Lysin in der Betakette eine verstärkte Bindung an Albumin, von dem es kontinuierlich abgegeben wird. Die Wirkdauer beträgt ca. 20 Stunden, sodass dieses Insulin vermutlich zweimal täglich verabreicht werden muss. Das Profil ist nicht so flach wie jenes von Glargin und zeigt vor allem bei höheren Dosierungen einen Wirkgipfel. Die verwendete molare Dosis ist für Detemir im Vergleich zu NPH Insulin 4fach höher. Derzeit liegen nur Studien an Typ 1 Diabetikern in publizierter Form vor. Im Vergleich zu NPH Insulin führte die Verabreichung von Detemir über 6 Monate bei Typ 1 Diabetikern mit intensivierter Insulintherapie zu einer geringeren Blutzuckervariabilität, einem geringeren Risiko für vor allem nächtliche Hypoglykämien und zu einer Gewichtsreduktion von ca. 1 kg. Die Stoffwechseleinstellung war nicht unterschiedlich (13).

Die langwirksamen Insulinanaloga führen somit zu keiner Verbesserung der Stoffwechseleinstellung gemessen am HbA1c, es finden sich jedoch eine Verminderung vor allem der nächtlichen Hypoglykämien, tendenziell eine stärkere Senkung des Nüchternblutzuckers und vor allem bei Detemir eine geringere Variabilität der Blutzuckerspiegel. Aufgrund der Pharmakokinetik ist zudem bei Glargin die Einmalgabe bei der Mehrzahl der Patienten/innen möglich, was sicherlich zu einem Gewinn an Lebensqualität führt.

Sicherheit von Analoga

Die Entwicklung von Insulinanaloga durch Modifikation des Insulinmoleküls, das per se einen Wachstumsfaktor darstellt, führte zu Befürchtungen über eine mitogene und somit krebserregende bzw. –fördernde Potenz dieser Substanzen. So musste z.B. das Forschungsprogramm mit dem Asp B 10 Insulinanalogon vor der Markteinführung wegen des gehäuften Auftretens (14) von gut- und bösartigen Mammatumoren bei Ratten abgebrochen werden. Als Ursache fand sich eine verlängerte Bindung dieses Analogons an den Insulinrezeptor. Für die zugelassenen kurzwirksamen Insulinanaloga, die z.B. in Form von Lispro bereits seit 10 Jahren zur Verfügung stehen, gibt es allerdings weder aus tierexperimenteller noch aus klinischer Sicht einen Hinweis für eine erhöhte mitogene Wirkung. Die Beobachtung einer erhöhten Bindung des Analoginsulins Glargin an IGF-I-Rezeptoren an einer Ratten-Osteosarkomzelllinie (15) führte zu einer neuerlichen Diskussion über eine potenziell mitogene und somit krebserregende Wirkung der Insulinanaloga. Die bei Glargin verwendete Zelllinie ist jedoch auf Grund der spezifischen Rezeptorexpression, bei welcher selbst humanes Insulin mitogen wirkt, als Modell für einen Vergleich mit der Wirkung am Menschen ungeeignet. Obwohl es bei Tierversuchen und klinischen Prüfungen keinen Hinweis für eine verstärkt mitogene Wirkung von Glargin gibt, kann man natürlich wie bei allen neuen Substanzen ein Restrisiko nach langjähriger Anwendung nicht ausschließen. Es gilt daher, die Vorteile einer Einmalgabe, stabileren Stoffwechsellage sowie einer verminderten Hypoglykämiefrequenz gegenüber dem vermutlich theoretischen Restrisiko aufzuwiegen.

Der wichtigste Vorteil der Insulinanaloga besteht in der verbesserten Patienten/innenzufriedenheit, sei es durch den Wegfall des Spritz-Essabstands, durch die Verminderung von Hypoglykämien oder stabilere Blutzuckerspiegel. Bezüglich der Stoffwechseleinstellung gemessen am HbA1c gibt es keine Vorteile gegenüber humanem Insulin, wobei die Relevanz von verminderten postprandialen Blutzuckerspiegeln im Vergleich zu humanem Insulin bei gleichem HbA1c für das Auftreten von Spätschäden noch nicht belegt ist. Wie bei allen neuen Medikamenten ist die Möglichkeit unerwünschter Langzeitfolgen in Betracht zu ziehen. In Bezug auf die Insulinanaloga ist dies eine mögliche mitogene Wirkung, die zumindest nach derzeitigem Wissensstand ein geringes Risiko darstellt. Dennoch ist der individuelle Nutzen für den/die Patienten/in gegenüber diesem Risiko abzuwägen.

Literatur:
(1)  Diabetic Medicine 17,209,2000
(2)  Diabetes, Obesity and Metabolism 5,371,2003
(3)  Diabetic Medicine 17,762,2000
(4)  Diabetes Care 23,583,2000
(5)  Diabetes, Obesity and Metabolism 5,446,2003
(6)  Diabetic Medicine 19,393,2002
(7)  Diabetes Care 23,1137,2000
(8)  Diabetes Care 23,1666,2000
(9)  Diabetes Care 23,639,2000
(10) Diabetes Care 23,1130,2000
(11) Diabetes Care 26,3087,2003
(12) Diabetes Care 24,631,2001
(13) Diabetes Care 26,590,2003
(14) Diabetes Metab Rev 8,1992
(15) Diabetes 49,999,2000

Doppelblindstudien mit der Folge von Einsparungsmöglichkeiten:

Magnetfeldtherapie

In den USA sollen pro Jahr 500 Millionen Dollar für Magnete ausgegeben werden, um Schmerzen zu behandeln (JAMA 290,1474,2003). Jetzt wurde eine Doppelblindstudie durchgeführt, um die analgetische Wirkung von Magnetfeldern zu überprüfen. Patienten/innen mit Fersenschmerzen (plantar heel pain) erhielten in der Schuhsohle entweder einen aktiven Magneten oder einen "sham" Magneten (also ein Stück Eisen). Beide Gruppen berichteten über eine Verbesserung der Schmerzen, zwischen den Gruppen war aber kein Unterschied. Wäre es nicht schön, wenn man 500 Millionen Dollar für besseres Schuhwerk oder etwas anderes Zweckmäßiges ausgeben würde?

Echinacea Präparate (Echinacea Präparte, Echinacin, Sanvita Immun)

In der Pharmainfo XVII/3/2002 hatten wir berichtet, dass der Medical Letter keinen überzeugenden Wirkungsbeleg für Echinacea (Sonnenhut) Präparate zur Therapie von Infekten der oberen Luftwege sieht. Eine Doppelblindstudie (JAMA 290,2824,2003) an 707 Kindern (2-11 Jahre) bestätigt nun die Wirkungslosigkeit von Echinacea purpura Extrakten zur Therapie dieser Infekte. Hingegen traten Hautauschläge bei 7,1% der Kinder unter Echinacea auf (Placebo 2,7%, p=0,08).

Es zeigt sich immer wieder, dass gut durchgeführte Studien auch bei Pflanzenextrakten mit "well established use" zwischen wirksamen Präparaten und solchen mit mangelnder Wirksamkeit unterscheiden können.

Eine positive Folge wäre, sein Geld für gut belegte und daher wirksame Therapien aufzusparen.

 

Magnesium bei Schlaganfall

Wir haben berichtet (Pharmainfo XVIII/1+3/2003), dass bei den vielfältigen Indikationen, für die Magnesium angepriesen wird, nur ganz wenige (wie Präeklampsie, Eklampsie, Torsades de Pointes, Tachykardie und schweres Asthma bronchiale) durch Studien ausreichend belegt sind. Eine große Studie (2.589 Patienten/innen) hat nun die Wirkung von Magnesium, das innerhalb von 12 Stunden nach einem Schlaganfall gegeben wurde, untersucht (Lancet 363,439,2004). Der Primärparameter nach 30 Tagen (Tod oder Behinderung) wurde durch Magnesium nicht verändert, die Mortalität allein war in der Magnesiumgruppe mit 1,18 sogar - allerdings nicht signifikant - etwas höher. Magnesium hat also keinen Platz bei der Behandlung des Schlaganfalles.



P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 4. Oktober 2004

Pharmainformation

Kontakt:

em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

Tel.: +43 (0)512/9003-71200
Fax: +43 (0)512/9003-73200  

E-Mail: hans.winkler@i-med.ac.at

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