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Inhalt

 

Medikamentöse Behandlung der Dysmenorrhö

Bei der schmerzhaften Regelblutung unterscheidet man, je nach dem Zeitpunkt der Entstehung, die primäre - wenn die Menstruation von der Menarche an schmerzhaft war - von der sekundären Dysmenorrhö - wenn das Symptom erst später auftritt. Im Gegensatz zur primären können bei der sekundären Dysmenorrhö meist organische Ursachen wie Endometriose, Myome, Polypen, Entzündungen, Intrauterinpessare, Zervixstenosen oder selten Lage- und kongenitale Anomalien des Uterus die Beschwerden erklären. Dysmenorrhö ist das häufigste gynäkologische Symptom und führt die Liste der Ursachen für krankheitsbedingt ausgefallene Arbeits- und Schultage an. Etwa ein Drittel der Betroffenen, es handelt sich meist um junge Nulliparae, nehmen laufend Schmerzmittel zur Behandlung der Dysmenorrhö. Die regelmäßige Wiederkehr der Beschwerden führt zudem zu psychischen Verstärkungsmechanismen und damit zur Verhinderung einer adäquaten Schmerzverarbeitung. Aus diesem Grund sollten neben pharmakologischen Maßnahmen stets auch psychosomatische Behandlungsrichtlinien Beachtung finden.

Als Ursache für die Schmerzentstehung wird vor allem eine Störung im Prostaglandinstoffwechsel vermutet. Im Uterus werden Prostaglandine vor allem vom Endometrium synthetisiert. Während der Follikel- und frühen Lutealphase sind die gemessenen Spiegel für Prostaglandin-F2α (PGF2α) und PGE2 sehr niedrig. Kurz vor Einsetzen der Menstruation steigt vor allem die PGF2α und weniger die PGE2 Konzentration deutlich an. Die erhöhten PGF 2α-Spiegel führen zu pathologischen Uteruskontraktionen mit hohen Druckwerten, Vasokonstriktion mit Ischämie oder Hypoxie und konsekutiv zum Schmerz. Gelangt PGF2α auch in die periphere Zirkulation, so können generalisierte Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen und Synkopen auftreten. Die Behandlung der Dysmenorrhö zielt daher, nach Ausschluß organischer Ursachen, vor allem auf die Beeinflussung des PG-Stoffwechsels. Sehr wirksam (ca. 90%) sind hormonale Kontrazeptiva (1). Vermutlich kommt es durch unterwertige Proliferation des Endometriums über die Reduktion der Anzahl an Drüsenzellen und der Menge an Menstrualblut zu einer Reduktion der PGF2α Freisetzung. Die Effektivität der Kombinationspräparate wird dabei besser eingeschätzt als die der Sequentialpräparate. Sollte eine Kontrazeption nicht erwünscht oder die Pille gar kontraindiziert sein, gilt es zu überdenken, ob eine 21-tägige Behandlung für Symptome, die meist nur 2-3 Tage andauern, zulässig ist. Eine Alternative stellen orale Gestagene (Colpron, Duphaston, Micronovum, Orgametril, Primolut Nor, Prodafem) oder das in Österreich nicht registrierte lokal Progesteron-abgebende Intrauterinpessar dar (2). Auch bei diesen Maßnahmen konnte eine Linderung der Beschwerden und Reduktion der PGF2α Freisetzung nachgewiesen werden. Gegenüber der hormonalen Kontrazeption ist die Wirksamkeit jedoch geringer.

Aufgrund der Rolle der Prostaglandine haben die nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) führende Bedeutung erlangt. Eine Reihe von klinischen Prüfungen haben die Wirksamkeit der verschiedenen NSAR bei der Dysmenorrhö bewiesen:

Indometacin, ein Indolessigsäurederivat, (Flexidin-retard, Gaurit, Indocid, Indomelan, Indometacin, Ralicid) war eines der ersten NSAR, das bei der Indikation Dysmenorrhö geprüft wurde. Sowohl in offenen als auch placebokontrollierten Studien konnte bei 71% bis 83% der Frauen eine Linderung der Symptome erzielt werden (z.B. 8,9). Leider ist eine Indometacin-Therapie häufig von unerwünschten Wirkungen begleitet (29%-50%) und scheidet daher für eine routinemäßige Verordnung aus. Für das Anthranilsäurederivat Mefenaminsäure (Parkemed) konnte in einer Reihe von Studien die Wirksamkeit (z.B. 10), die in der Größenordnung anderer NSAR lag, nachgewiesen werden. Es fehlen jedoch direkte Studien, um die Wirksamkeit der unterschiedlichen Substanzgruppen vergleichen zu können. Allerdings war Mefenaminsäure in einer randomisierten Studie konventionellen Analgetika wie dem Paracetamol signifikant überlegen. Für die Mefenaminsäure wurde als schwerwiegende Nebenwirkung die Induktion von allergischen Diarrhöen beschrieben, die den Einsatz verhindern.

Die Arylpropionsäurederivate - Ibuprofen (Avalone, Brufen, Bunifen, Dismenol neu, Dolgit, Dolibu, Dolofort, Ibudol, Ibuprofen Iburen, Ibupron, Seractil), Naproxen (Miranax, Naprobene, Naproxen Genericon, Naproxen Lannacher, Nurofen, Nycopren, Proxen, Tabein, Urem, Xenopan retard) und Ketoprofen (Actron, Keprodol, Profenid, Toprek) - sind in den 70er Jahren eingeführt worden, wobei Ibuprofen und Naproxen am besten für die Indikation Dysmenorrhö untersucht sind - Naproxen war das erste NSAR, das von der Food and Drug Administration für die Indikation Dysmenorrhö zugelassen wurde. Eine Reihe von Studien bestätigten die Wirksamkeit der Arylpropionsäurederivate in der Linderung der charakteristischen Beschwerden (z.B. 11,12). Vergleichsstudien konnten keinen Unterschied in der Wirksamkeit von Indometacin im Vergleich zu Ibuprofen, Naproxen oder Ketoprofen aufzeigen. Ibuprofen und Naproxen waren der Acetylsalizylsäure deutlich überlegen. Auch NSAR mit langer Halbwertzeit wie Sulindac (Clinoril) oder Piroxicam (Felden, Pirocam) werden bei der primären Dysmenorrhö eingesetzt. Die Wirkung ist für Piroxicam im Rahmen einer Phase II Studie mit 54 Patientinnen nachgewiesen worden. Es stellt sich aber die Frage, ob der Einsatz von lang wirkenden Substanzen für eine relativ kurz dauernde Schmerzsymptomatik zielführend ist. Wie in der Pharmainfo X/1/1995 ausgeführt, hat bezüglich des Risikos schwerer Nebenwirkungen (Magen-Darm-Blutungen) Ibuprofen mit kurzer Halbwertszeit die niederste Frequenz und ist daher besonders günstig zu bewerten.

Acetylsalizylsäure (Acimetten, Aspirin, Aspro, Alka Seltzer, ASS-Bioreform, ASS-Genericum), der Prototyp der NSAR, scheint bei der Dysmenorrhö, zumindest in der üblichen Dosierung, weniger wirksam zu sein. Eine Reihe kontrollierter Studien haben gezeigt, daß Acetylsalizylsäure vom Placebo nicht zu unterscheiden war (3). Lediglich in einer Studie bei dysmenorrhoischen Mädchen, die prophylaktisch - bereits vor Einsetzen der Beschwerden - Acetylsalizylsäure erhielten, konnte im Verumarm ein geringer Vorteil gegenüber dem Placebo beobachtet werden (4). Die Ursache für das Versagen der Acetylsalizylsäure bei dieser Indikation dürfte in der relativ geringen Hemmung der PG-Synthetase im Uterus liegen. In einer doppelblind cross-over Studie wurde Acetylsalizylsäure mit Naproxen und einem Placebo verglichen (5). Naproxen reduzierte signifikant die Schmerzsymptomatik und hemmte die Konzentration von PGF-Metaboliten im Plasma um etwa 75%. Acetylsalizylsäure war bezüglich der klinischen Wirksamkeit vom Placebo nicht zu unterscheiden und reduzierte die PGF-Metabolitkonzentration nur um 30%.

Es gibt kaum eine Krankheit, für die nicht Magnesium (zahlreiche orale Präparate stehen zur Verfügung) empfohlen würde. Im Gegensatz zu vielen anderen "Empfehlungen" liegt für die Dysmenorrhö eine Placebo-kontrolliere Untersuchung an 50 Frauen vor (6). Bei über 80% der Frauen, die kontinuierlich mit Magnesium über 6 Monate behandelt worden sind, aber nur bei 30% in der Placebogruppe, konnte Beschwerdefreiheit erzielt werden. Die PGF2α Konzentration im Menstrualblut wurde durch Magnesium, nicht jedoch durch Placebo, um 60% reduziert. Aufgrund der minimalen Nebenwirkungsrate kann, trotz fehlender Bestätigung dieser guten Ergebnisse durch weitere Studien, die Gabe von Magnesium vertreten werden. Neben Magnesium wurden auch Kalziumkanalblocker bei der Dysmenorrhö eingesetzt. Lediglich für Nifedipin (Adalat, Buconif, Einalat, Fedip, Gewadilat, Majolat, Nifebene, Nifecard, Nifedipin, Mikedipin, Ospocard, Unidipin) sind Ergebnisse an einzelnen Patientinnen veröffentlicht worden (7). Diese Substanzen sollen zur Aufhebung der schmerzhaften uterinen Kontraktionen und dadurch zur Schmerzlinderung führen. Die bekannten unerwünschten Wirkungen, wie Herzklopfen, Kopfschmerzen oder Flush, gestatten, vor allem auch angesichts brauchbarer Alternativen kaum eine regelmäßige Verordnung von Nifedipin zur Behandlung der Dysmenorrhö.

Um die schmerzhaften Kontraktionen des Uterus, die zum Teil für die primäre Dysmenorrhö verantwortlich gemacht werden, zu mildern, wurden neben den Kalziumantagonisten auch [[beta]]-Sympathomimetika ("orale Tokolytika": Bricanyl, Dilydrin, Gynipral, PrePar) und Spasmolytika empfohlen. Für beide Substanzgruppen fehlen suffiziente klinische Studien, die eine Wirksamkeit belegen. Vor allem für ß-Sympathomimetika wäre aufgrund der hohen Rate unerwünschter Wirkungen nur bei gut belegter Wirksamkeit eine Verwendung zu empfehlen.

Auch für die Spasmolytika (Bellanorm, Buscopan, Buscopamol, Spasmium, Spasmoplus) fehlt bisher ein überzeugender Nachweis der Wirksamkeit bei der Indikation Dysmenorrhö. Vor allem muß vor dem Einsatz von Kombinationspräparaten gewarnt werden, die neben dem Spasmolytikum das Analgetikum Metamizol enthalten (Buscopan compositum, Spasmo-Inalgon), das aufgrund seiner schweren Nebenwirkungen (siehe Pharmainfo II/2/1987) bei dieser Indikation nicht vertretbar erscheint.

Wir möchten besonders auf die bedenkliche Situation hinweisen, daß z.T. auch Psychopharmaka in Kombination mit Spasmolytika (Librax, SpasmoPraxiten) für die Indikationen Dysmenorrhö oder Pelveopathie, was immer darunter subsummiert wird, zugelassen sind. Für diese Kombinationen fehlt ausnahmslos der durch Studien bestätigte Nachweis einer Wirkung. Zudem muß mit Nachdruck auf das beträchtliche Suchtpotenial hingewiesen werden, das durch das chronische Leiden und die dadurch bedingte wiederholte Einnahme gegeben ist (siehe Pharmainfo III/4/1988).

Neben diätetischen Maßnahmen (Veränderung der Fettsäurezufuhr mit einem Übergewicht an Fischölen oder Pflanzenfetten) werden eine Viehlzahl an Naturprodukten (Berberis, Chamomilla, Cimicifuga, Citronella, Echinacea, Ignatia, Majoran, Origanum, Potentilla, Pulsatilla, Sabina, Melissa) u.a. auch in homöopathischer Verdünnung (Belladonna) angeboten. Wie so oft, fehlen für diese pflanzlichen Produkte leider adäquate klinische Untersuchungen, die die Wirksamkeit belegen und damit deren Einsatz rechtfertigen.

Zusammenfassung: Bei der primären Dysmenorrhö können damit die NSAR Ibuprofen (Avalone, Brufen, Bunifen, Dismenol neu, Dolgit, Dolibu, Dolofort, Ibudol, Ibuprofen Iburen, Ibupron), Naproxen (Miranax, Naprobene, Naproxen Genericon, Naproxen Lannacher, Nurofen, Nycopren, Proxen, Tabein, Urem, Xenopan retard) und Ketoprofen (Actron, Keprodol, Profenid, Toprekals Therapie der Wahl empfohlen werden. Sollte die Patientin einen Kontrazeptionswunsch äußern, stellt die Verordnung eines Ovulationshemmers eine gute Alternative dar. Orale Gestagene, die in der zweiten Zyklushälfte verabreicht werden, erlauben eine effektive und nebenwirkungsarme Behandlung. Magnesium kann ebenfalls versucht werden. Gegen die anderen hier besprochenen Substanzgruppen spricht die Risiko-Nutzen Abwägung. Abschließend darf nicht unerwähnt bleiben, daß organische Ursachen insbesonders bei Patientinnen, die auf NSAR nicht oder unzureichend ansprechen, auszuschließen sind.

Literatur:
(1) Ann. Rev. Pharmacol. Toxicol. 23, 131, 1983
(2) Lancet 403, 20.2, 1965
(3) Drugs 42, 22, 1981
(4) J. Pediatr 987, 98, 1981
(5) Am. J. Ob. Gyn 592, 140, 1981
(6) Zentbl. Gynäkol. 111, 11, 1989
(7) Gynecol. obstet. Invest. 78, 20, 1985
(8) J.Reprod.Med. 21,219,1978
(9) Brit.J.Obst.Gynecol. 86,645,1979
(10) JAMA 241,2731,1979
(11) Prostaglandins 19,651,1980
(12) Obstt.Gynecol. 54,456,1979

 

Cabergolin (Dostinex)

Dopaminagonisten, wie das schon länger am Markt befindliche Bromocriptin (Bromed, Bromocriptin Generika, Parlodel, Umprel) und das nun neu eingeführte Cabergolin (Dostinex), wirken so wie der endogene Neurotransmitter Dopamin über D2-Rezeptoren hemmend auf die Sekretion der Prolaktin-sezernierenden Hypophysenzellen - ein Effekt, der insbesondere bei der hyperprolaktinämischen Amenorrhoe der Frauen zur Fertilitätssteigerung und im Puerperium zum Abstillen ausgenützt werden kann. Inwieweit hat nun die neue Substanz Cabergolin Vorteile gegenüber dem seit langem etablierten Bromocriptin? Bei der Beantwortung dieser Frage können wir uns auf eine ausführliche Studie (1) und zwei zusammenfassende Bewertungen stützen (2,3).

Ein Hauptcharakteristikum von Cabergolin ist seine lange Wirkungsdauer. Eine Gabe von 0.5 bis 1.0 mg zweimal pro Woche ist ausreichend zur Behandlung der Hyperprolaktinämie, während von Bromocriptin zweimal täglich 2.5 - 5.0 mg gegeben werden müssen. Bei dieser Dosierung war Cabergolin bei 223 Patientinnen mit Hyperprolaktinämie erfolgreich und führte in 83% (versus 59% für Bromocriptin) zu einer Normalisierung der Prolaktinblutspiegel, dementsprechend wurden auch 72% der Frauen (versus 52%) unter der Behandlung schwanger (1). In dieser Studie wurden auch die Nebenwirkungen genau registriert. Nausea und Erbrechen kamen bei Cabergolin signifikant seltener (aber immer noch bei über 30%) vor, während Kopfschmerz (ca. 30% für beide Substanzen) und Schwindel eine ähnliche Häufigkeit zeigten. 3% der Frauen in der Cabergolin-Gruppe, aber 12% in der Bromocriptingruppe mußten die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen. Neben den genannten Nebenwirkungen wurde auch über Hypotension, Depression und Obstipation berichtet. Cabergolin dürfte also bei der Behandlung der Hyperprolaktinämie gegenüber Bromocriptin aufgrund erhöhter Effizienz und zumindest teilweiser besserer Verträglichkeit Vorteile besitzen (1,2,3).

Bezüglich der Effektivität beim Abstillen im Puerperium wurde eine Einmaldosis von Cabergolin (1 mg) mit Bromocriptin (2.5 mg zweimal täglich für 14 Tage) verglichen, wobei beide Mittel sich als gleich effizient erwiesen, allerdings kam es in der 3. Woche post partum bei 24% der Bromocriptin Patientinnen (aber nur bei 5% unter Cabergolin) zu einem Wiedereinsetzen der Laktation (2,3). Auch bei dieser Indikation waren die oben genannten Nebenwirkungen zu beobachten.

Für Bromocriptin wurde während der Behandlung im Wochenbett über das Auftreten schwerer kardiovaskulärer Komplikationen, wie Schlaganfall und Herzinfarkte, berichtet (3), in den USA betraf dies 531 schwere Reaktionen mit 32 Todesfällen allerdings bei millionenfacher Verschreibung (4). Diese Daten haben in den USA für Bromocriptin zur Zurücknahme der Indikation Abstillen geführt. In Europa waren diese Nebenwirkungen anscheinend seltener, möglicherweise auch deswegen, weil die Indikation zum Abstillen hier strenger gestellt wurde, es wurde auch der kausale Zusammenhang dieser Komplikationen mit der Bromocriptin-Therapie nie ganz geklärt, da ja kardiovaskuläre Zwischenfälle im Puerperium auch ohne Medikamente zu beobachten sind. Für Cabergolin als Abstillmittel liegen bezüglich schwerer Nebenwirkungen keine Daten vor,allerdings könnte hier die lange Halbwertzeit dieser Substanz ein Nachteil sein. Auf jeden Fall sollte die Verschreibung von Bromocriptin bei der Indikation Abstillen nur mit entsprechender Zurückhaltung erfolgen. Wenn man Cabergolin wegen seiner stärkeren Wirkung bevorzugt, sollte auch hier die Möglichkeit schwerer Nebenwirkungen in Betracht gezogen werden, das heißt, eine Verschreibung nur mit entsprechend strenger Indikation erfolgen, wenn z.B. das Hochbinden der Brust nicht ausreicht oder nicht indiziert ist.

ZusammenfassendCabergolin (Dostinex) ist ein Dopaminagonist, der die Prolaktinsekretion hemmt. Sowohl bei der Hyperprolaktinämie als auch zum Abstillen scheint es effektiver als Bromocriptin (Bromed, Bromocriptin Generika, Parlodel, Umprel) zu sein. Häufige Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Erbrechen wurden seltener als bei Bromocriptin beobachtet, andere (wie Hypotonie, Schwindel, Kopfschmerzen, Obstipation) waren gleich häufig. Ob schwere Komplikationen (Schlaganfälle, Myokardinfarkte), wie sie mit Bromocriptingabe im Wochenbett in Zusammenhang gebracht wurden, bei Cabergolin nicht zu befürchten sind, ist noch unbekannt. Eine Verwendung beim Abstillen sollte daher nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen.

Literatur:
(1) New Engl.J.Med. 331,904,1994
(2) Drugs 49,255,1995
(3) Drug and Ther.Bull. 33,65,1995
(4) Lancet 344,602,1994

 

Anfrage von Dr. F. Burghuber (Rohrbach)

...."Ich schätze Ihre unabhängige Pharmainformation als ausgezeichnete Informationsquelle. Folgende Anfrage möchte ich an Sie stellen und um Beantwortung bitten:
Aus eigenen Beobachtungen (Kindergartenkinder) und Berichten von Patienten habe ich Zweifel, daß bei Kopfläusen folgende Mittel ausreichend in bezug auf die zuverlässige Abtötung der Läuse wirken: Carylderm und A-PAR. Eine prompte Wirkung gegen Kopfläuse scheint folgendes Präparat zu entwickeln: Jacutin."
Im folgenden wird diese Frage im Gesamtzusammenhang von einem Experten behandelt. Kurz beantwortet sind Jacutin und A-PAR ähnlich wirksam, noch effizienter ist allerdings Permethrin, das aber in Österreich nicht im Handel ist. Daraus ergeben sich entsprechende Risiko/Nutzenabwägungen (siehe unten).

 

Behandlung der Pedikulose und der Skabies

(N. Sepp, Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Innsbruck)

Läusebefall (Pediculose) des behaarten Kopfes und des Körpers (Kleiderläuse) kommen bei Kindern und Jugendlichen häufig vor und sind in den letzten Jahren auch zunehmend bei Erwachsenen anzutreffen (Anstieg ektoparasitärer Erkrankungen in Europa und USA). Dort betrug die Prävalenz von Kopfläusen zwischen 1970 und 1987 bei Schulkindern zwischen 10 und 40% (1).

Eine klassische und gut wirksame Behandlung der Pedikulosis erfolgte in Europa durch Lindan (Jacutin). Hierbei handelt es sich um das [[gamma]]-Isomer des Hexachlorcyclohexans, welches in einer Konzentration von 0,3% (in den USA von 1%) in Gel oder Emulsionsform nach einer Kopfwäsche in das nasse Kopfhaar eingerieben wird. Dies wird noch zweimal im Tagesabstand wiederholt. Intoxikationen mit Lindan haben dazu geführt, daß in den 70er-Jahren die Anwendung dieser Substanz zur Therapie der Skabies und Pedikulose in Frage gestellt wurde (2). Lindan weist als halogenierter Kohlenwasserstoff ähnliche toxische Eigenschaften wie alle pestiziden Wirkstoffe dieser Gruppe auf (z.B. DDT). Lindan wirkt bei Insekten als Kontakt-, Fraß- und aufgrund seines hohen Dampfdruckes als Atemgift. Eine Reihe von Arbeiten belegt die akute und chronische Toxizität von Lindan beim Menschen (4,5,6). Die akuten Vergiftungssymptome werden folgendermaßen beschrieben: Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Tremor, Bewußtseinsstörungen, tonisch-klonische Krampfanfälle.

Bei Mitteilungen über die akute Toxizität handelt es sich vorwiegend um Berichte von unsachgemäßer Anwendung (übermäßig häufige Applikationen, p.o. Aufnahme) von Lindanpräparaten. 37 der 53 Vergiftungsfälle, die in der englischsprachigen Literatur und in den Unterlagen der FDA dokumentiert waren, ereigneten sich bei Verwendung in der Land- und Viehwirtschaft. Die Zahl von Intoxikationen mit Lindan ist klein, verglichen mit der großen Anzahl von Applikationen (zwischen 1975 - 1979 ca. 50 Mio Dosen). Problematisch (3) ist nicht die Sicherheit der Substanz, sondern die richtige Anwendung (bzw. Verhinderung einer Fehlanwendung). Im Gegensatz zu den USA (Konzentration 1%) wird Lindan in der BRD, Österreich und der Schweiz in 0,3% Konzentration angewendet und wird in dieser Konzentration therapeutisch ausreichend gesehen. In diesen Ländern sind bisher keine Intoxikationen nach sachgerecht durchgeführter medizinischer Anwendung dokumentiert. Insbesondere ist die Gefahr der Toxizität bei der Behandlung der Pedikulose gering, da im Gegensatz zur Skabies die zu behandelnden Hautflächen relativ klein sind.

In der Schwangerschaft und Stillperiode ist Lindan auf jeden Fall kontraindiziert. Kleinkindern unter 3 Jahren sollte Jacutin bei Läusebefall, wenn überhaupt (siehe Alternativen), nur unter strenger klinischer Überwachung gegeben werden.

Für eine erfolgreiche Therapie der Skabies mit Jacutin ist unabdingbar, daß die ganze Körperoberfläche behandelt wird. Einzig die talgreichen Hautareale des Gesichtes und des Haarbodens können ausgespart bleiben (ausgenommen bei Befall des Kopfes wie sie bei HIV-Patienten vorkommen kann). Wichtig ist auch die Behandlung unter den Fingernägeln, wegen der dort durch häufiges Kratzen angereicherten Milben. Es ist selbstverständlich, daß in Betracht kommende Kontaktpersonen mitbehandelt werden müssen. Trotz Abtötung der Milben wird oft von den Patienten noch ein fortwährender Juckreiz verspürt. Dies führt manchmal zu einer unnötigen Weiterführung der Therapie mit Lindan, welche die wichtigste Ursache für eine perkutane Intoxikation darstellt. Die perkutane Absorption hängt nicht nur von der Barrierefunktion der Haut ab, sondern auch von der Applikationshäufigkeit und der Häufigkeit, mit welcher sich der Patient duscht oder Seife verwendet etc. (z.B. Vollbäder nach Applikation scheinen die Resorption zu erhöhen). Lindan kann noch 5 Tage nach der Erstbehandlung im Blut nachgewiesen werden. Dies weist auf die lange Verweildauer von Lindan im menschlichen Körper hin.

Bei der Skabiestherapie ergibt sich bei der Ganzkörperapplikation bei Kleinkindern eine systemische Belastung mit Lindan, die etwa doppelt so hoch ist wie bei Erwachsenen (durch das Verhältnis der Körperoberfläche zum Körpergewicht bedingt (3). Lindan sollte daher bei Kleinkindern nur partienweise aufgebracht werden, z.B. am 1. und 3. Tag auf die obere Körperhälfte und am 2. und 4. Tag auf die untere.

Crotamiton (Eurax): Diese Substanz ist wirksam (allerdings nicht besonders) bei Skabies (12) und kann bei Säuglingen und Schwangeren eingesetzt werden. Die Wirkung bei Kopfläusen ist ebenfalls weniger zuverlässig (11,12).

Malathion (Prioderm) ist ein organischer Phosphorsäureester und hemmt die Acetylcholinesterase irreversibel . Es wird als effektvolles Alternativmittel zur Lindantherapie in der Behandlung insbesondere resistenter Kopfläuse angesehen (15), war allerdings in einer großen Studie weniger wirksam als Pyrethrin (19). Eine versehentliche Einnahme kann zu systemischer Vergiftung durch Cholinesterase-Hemmung führen.

Carbaryl (Carylderm) zählt zu den Carbamaten (Carbaminsäureester) und ist ein reversibler Hemmer der Acetylcholinesterase.Es wird in der Literatur als wirksam in der Behandlung der Pedikulose angesehen (13,14). Direkte Vergleiche mit anderen Substanzen sind nicht ausreichend um eine verläßliche Aussage über die relative Wirksamkeit dieser Substanzen zu erhalten. Malathion, das die Acetylcholinesterase sogar irreversibel hemmt, war aber zumindst in einer großen Studie (19) weniger wirksam als Pyrethrinpräparate. Dies dürfte daher auch für Carbaryl zu vermuten sein.

Pyrethrine und Piperonylbutoxid (Aescalon): Die natürlichen Pyrethrine sind pflanzliche Extrakte (Chrysanthemum), ihr antiparasitärer Wirkungsmechanismus beruht auf ihrer Neurotoxizität. Auch beim Menschen kann es nach längerer beruflicher Exposition zu Parästhesien an der Haut und zu Kopfschmerzen kommen. Ebenso werden allergische Reaktionen beschrieben (16,17). Piperonylbutoxide, die in manchen Pyrethroidpräparaten mitenthalten sind, können den neurotoxischen Effekt steigern. Im Vergleich zu Lindan ist die Toxizität allerdings geringer anzusehen (geringe Hautresorption). In der Folge wurden Analoge der Pyrethrine synthetisiert: Allethrin, bzw. Depallethrin, welches in Kombination mit Piperonylbutoxid (A-PAR) als Alternativpräparat verwendet wird. Diese Pyrethrinpräparate werden in der Wirksamkeit bei Läusen dem Lindan vergleichbar, wenn nicht sogar als effizienter, angesehen (18,19).

Als wirksamstes (siehe 20) Therapeutikum bei Kopf- und Kleiderläusen (11) wird heute Permethrin (1-5%) international (11) empfohlen (in Österreich nicht registriert). Es handelt sich dabei um eine Kombination synthetischer Pyrethroide, die antiparasitär und ovocid wirken, ohne eine nennenswerte akute Toxizität zu haben. Permethrinhaltige Präparate sind in vielen Ländern z.T. rezeptfrei zu erhalten (Nix Creme oder Shampoo und Elimite Creme). Permethrin (1% als abwaschbare Creme oder 0,5% als Spiritus) erwies sich bereits nach 10 - 20 minütiger Applikation als sicher zuverlässig bei der Therapie der Pedikulose und der Verhinderung von Reinfektion (20), selbst bei Lindan-Versagen infolge Resistenzentwicklung der Läuse. Gleiches trifft für 5% Permethrin Creme (2% bei Kindern) bei der Behandlung der Skabies zu, zumal Permethrin kaum perkutan absorbiert, rasch in der Haut metabolisiert und ausgeschieden wird (16). Permethrin wird insbesondere bei Frühgeborenen, Kleinkindern, Patienten mit Krampfanfällen und neurologischen Komplikationen, für Wiederholungsbehandlungen bei Therapieversagen von Lindan, bei Scabies norvegica sowie bei schwangeren Frauen und stillenden Müttern empfohlen (16).

 

Zusammenfassung: Neben der klassischen Therapie mit Lindan (Jacutin) welche in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert und bei Kleinkindern nur mit Einschränkungen vertretbar ist, stehen mit Carbaryl (Caryldan), Malathion (Prioderm) und den natürlichen (Aescalon) und synthetischen Pyrethrinen (A-Par) wirksame Alternativen in der Behandlung der Pedikulosezur Verfügung, wobei Lindan und die Pyrethrumpräparate die wirksameren Verbindungen darstellen dürften. Am wirksamsten dürfte allerdings das synthetische Pyrethrin Permetrin sein, das in Österreich nicht registriert ist, aber eingeführt werden kann. Die Pyrethrine haben die geringste potentielle akute Toxizität. Bei der Behandlung der Scabies ist bei großflächiger Anwendung von Lindanpräparaten Vorsicht, insbesondere bei Kleinkindern, geboten. Alternativ stehen das weniger wirksame (12) Crotamiton (Eurax) oder das in Österreich noch nicht im Handel befindliche, aber besonders wirksame, Permethrin zur Verfügung.

Literatur:
(1) Alexander J. Arthropods and human skin. Springer, Berlin, Heidelberg, NewYork, pp 225-292, 1984
(2) Adv. Dermatol. 5,131,1990
(3) Hautarzt 46,528,1995
(4) Arch. Dermatol. 113,353,1977
(5) Pediatrics 59,643,1977
(6) Arch. Industr. Hyg. Chicago 582-587,1953
(7) J. Am. Acad. Dermatol. 24,502,1991
(8) J. Am Acad. Dermatol. 25,1015,1991
(9) J. Am. Acad. Dermatol. 8,121,1983
(10) Am. J. Dermatopathol. 5,187,1983
(11) Orfanos CE., Garbe C. Therapie der Hautkrankheiten, Springer Berlin, New York,1995
(12) Tong AKF, Vickers CFH. Topical noncorticosteroid therapy pp 2851-2857 in: Fitzpatrick TB: Dermatology in general medicine (fourth edition), McGraw-Hill,1993
(13) Clin. Exp. Dermatol. 6,605,1981
(14) N. Engl. J. Med. 311,801,1984
(15) JAMA 247,3103,1982
(16) Hautarzt 42,9.1991
(17) Pediatr. Dermatol. 2,74,1984
(18) Clin. Infect. Dis. 30, suppl. 1, S. 104,1995
(19) Kao-Hsiung-I-Hsueh-Ko-Hsueh-Tsa-Chih,8,255,1992
(20) Brit.Med.J. 311,604,1995

 

Nachtrag zu Venenmittel

(siehe Pharmainfo X/4/1995)

Herr Primar Univ. Doz. H. Höfler hat angefragt, warum Reparil in unserer Diskussion nicht erwähnt wurde. Wir danken für diesen Hinweis und inkludieren dieses Präparat nun in einer ergänzenden Stellungnahme (siehe unten).
Die Firma Waldheim und die Firma Zyma-Gebro machten uns darauf aufmerksam, daß Veno-"Waldheim" Dragées bzw. Venoruton 300 mg Dragées bei Höchstdosierung die "effektive" Konzentration an Hydroxyethylrutosiden enthalten. Um jede Unklarheit auszuschließen sei nochmals die nun modifizierte Schlußfolgerung für die einzelnen Präparate wiederholt.

Für Aescin hatten wir festgestellt, daß erst bei Dosen ab 100 mg eine gewisse, wenn auch nicht sicher belegte, ödemprotektive Wirkung vorliegen dürfte. Diese Dosis wird nur von den Präparaten Venosin retard und Reparil 20 mg Dragées (allerdings nur in der empfohlenen Anfangsdosierung von 2 x 3 Dragees täglich) erreicht. Amphodyn retard-Kapseln, Apoplectal retard Kapseln, Venosin Tropfen, Phlebiven forte und Aesrutan sind derzeit nicht ausreichend dosiert. Reparil liegt auch in Ampullenform vor als Reparil 5 mg-Trockenampullen. Ganz abgesehen von der Frage ob diese Dosis ausreichend ist, halten wir eine parenterale Injektion von Aescinpräparaten schwer vertretbar. Neben der Gefahr von Nekrosen bei paravenöser Injektion ist auch das Risiko von allergischen Reaktionen und Nierenschäden zu bedenken. Die Risiko/Nutzenabwägung für ein parenteral zu verabreichendes Präparat mit nicht wirklich sicher belegter Wirkung bei möglichen schweren Nebenwirkungen muß negativ ausfallen.

Für Hydroxyethylrutoside (bzw. Bioflavonoide) sind, um möglicherweise eine Wirkung erzielen, Tagesdosen von zumindest 900 mg notwendig. Dies wird von Venoruton retard 300 mg Filmtabletten, Venoruton- Tropfen und Venotop Dragées nicht erreicht. Wenn man die im Austria Codex gegebenen, maximal empfohlenen Tagesdosen nimmt, dann erreichen Venoruton 300 mg Dragées, Daflon 500 mg Filmtabletten und Veno "Waldheim" Dragées diese Dosis. Sowohl bei Venorutin 300 mg Dragées sowie bei Veno Waldheim-Dragées wird aber als Langzeittherapie 300 - 400 mg/d angegeben, was wiederum eine Unterdosierung bedeutet. Bei Veno Waldheim-Dragées handelt es sich außerdem um ein Kombinationspräparat mit Dihydroergotamin, dessen Wirksamkeit bei venösen Beschwerden nicht zweifelsfrei erwiesen ist, das aber als Mutterkornalkaloid nicht frei von Nebenwirkungen ist. Es dürfte also zweckmäßiger sein, wenn man es als unbedingt notwendig erachtet, zwei Monopräparate, die man dann jeweils individuell dosieren kann, zu verwenden. So ist eine Höchstdosis von Dihydroergotamin von 6 mg, wie bei 3 x 2 Veno Waldheim-Dragées/Tag erreicht wird, nur bei stenger Indikationsstellung z.B. in der Intervallbehandlung der Migräne, zu vertreten.

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Mittwoch, 8. Mai 1996

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em.Univ.Prof.Dr.
Hans Winkler 

Tel.: +43 (0)512/9003-71200
Fax: +43 (0)512/9003-73200  

E-Mail: hans.winkler@i-med.ac.at

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