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Inhalt

Prostatakarzinom

Bektic J., Horninger W., Virgolini I., Univ.-Kliniken für Urologie und Nuklearmedizin, Medizinische Universität Innsbruck

Laut Statistik Austria war jeder zehnte Krebstodesfall 2014 bei Männern auf Prostatakarzinom (PCa) zurückzuführen (1). Nach Altersstandardisierung beträgt die Neuerkrankungsrate 124 auf 100.000 Männer, das sind etwa 4.000 Erstdiagnosen im Jahr. Solange der Tumor auf die Prostata beschränkt ist, beläuft sich die 5-Jahres-Überlebensrate beinahe auf 100%. Kommt es jedoch zur Metastasierung, steigt die Mortalitätsrate dramatisch an, sodass das PCa die dritthäufigste Todesursache beim Mann ist (1).

PSA-Screening und Primär-Diagnostik (2)

Das prostataspezifische Antigen (PSA) wird ausschließlich von den Epithelzellen der Prostata gebildet, ist jedoch nicht spezifisch für ein PCa. Daher kann der PSA-Wert auch bei benigner Prostatahyperplasie und Prostatitis erhöht sein. Generell gilt: je höher der PSA-Wert, umso wahrscheinlicher ist das Vorliegen eines PCa. Jedoch konnte auch gezeigt werden, dass sehr aggressive Formen des PCa nur wenig PSA exprimieren können. Isoformen des PSA und die Kinetik des PSA-Wertes können den Aussagewert dieses Tumormarkers verbessern. Beispiele dafür sind das freie PSA, die Ratio von freiem und totalem PSA, die PSA-Velocity oder die PSA-Verdopplungszeit. In prospektiven Studien war jedoch keine dieser Methoden der alleinigen PSA-Messung eindeutig überlegen.

In Bezug auf das PSA-Screening muss angeführt werden, dass Männer sowohl über mögliche Vorteile (Senkung der PCa-bedingten Mortalität) als auch über mögliche Nachteile (Überdiagnose, Übertherapie) aufgeklärt werden sollten. Bei Männern über 45 (bei positiver Familienanamnese ab 40) Jahren kann ein PSA-Test die frühzeitige Erkennung eines PCa erlauben. Die Indikationsstellung für eine Prostatabiopsie erfolgt aufgrund des PSA-Wertes, der digital-rektalen Untersuchung (DRU) und des Risikoprofils des Patienten. Bei einem einmalig abnormen PSA-Wert ist eine Kontrolle innerhalb von 1-2 Monaten indiziert. Die ultraschallgezielte Prostatabiopsie erfolgt mittels transrektalen oder perinealen Zuganges. Diese kann bei bestehendem Verdacht auf PCa und vorausgegangener unauffälliger Biopsie durch eine Magnetresonanztomographie (MRT)-gezielte Biopsie ergänzt werden.

Die Klassifikation des PCa erfolgt nach TNM-Klassifizierung, zum Grading wird von der ISUP (International Society of Urologic Pathology) 2005 der Gleason-Score (GS) verwendet. Der GS ist der prognostische Faktor für die Beurteilung der Aggressivität des PCa. Somit ist der GS mitentscheidend für die Therapiewahl des PCa.

Das lokal begrenzte PCa wird in drei Risikogruppen eingeteilt: Patienten mit Low-Risk-Parametern (PSA ≤10 ng/ml und Gleason-Score 6, cT1-cT2a) benötigen keine bildgebenden Untersuchungen zum Staging. Für Patienten mit intermediärem Risiko (PSA >10-20 ng/ml, oder GS 7 oder cT2b) können aufgrund der mangelnden Datenlage keine evidenzbasierten Empfehlungen zur Bildgebung im Rahmen des Stagings ausgesprochen werden. Patienten mit einem GS von ≥8 oder cT3/4 oder PSA >20 ng/ml (hohes Risiko) sollten vor der Entscheidung über eine therapeutische Maßnahme, abhängig von der Fragestellung, eine MRT- oder CT-Untersuchung und eine Skelettszintigraphie (zum Ausschluss von Skelettmetastasen) erhalten. Erste Daten zeigen den möglichen klinischen Nutzen der Gallium-68-PSMA (Prostata-spezifisches Membran Antigen)-Liganden PET-Untersuchung im Primärsetting in Bezug auf die Detektion von Lymphknoten- bzw. Knochenmetastasen (3).

Therapieoptionen

VERZÖGERTE THERAPIE (DEFERRED TREATMENT): Durch das PSA-Screening und die Entnahme von multiplen Biopsien im Rahmen der sog. Saturationsbiopsien, ist die Inzidenz von kleinen, lokalisierten PCa angestiegen. Es besteht jedoch ein großer Unterschied zwischen der Inzidenz des PCa und der Sterberate an PCa. In Autopsiestudien findet man, dass 60-70% der älteren Männer, welche an einer anderen Ursache verstorben sind, histologisch ein PCa haben, aber die meisten von diesen Karzinomen haben kein Progressionsrisiko. Um das Risiko der Übertherapie zu reduzieren, wurden zwei konservative Verfahren eingeführt, das sog. „Watchful Waiting“ und die „Active Surveillance“.

ABWARTENDES BEOBACHTEN (WATCHFUL WAITING, WW): Dieses konservative Verfahren war noch vor Einführung des PSA-Screenings (vor 1990) gebräuchlich. Es wurde gewartet, bis der Patient die Anzeichen einer lokalen oder systemischen Progression gezeigt hat, im Anschluss wurde der Patient palliativ, also zur Symptomreduktion, und nicht kurativ behandelt. Dieses Vorgehen ist nicht für Patienten unter 70 Jahren ohne schwerwiegende Begleiterkrankungen geeignet.

AKTIVE ÜBERWACHUNG (ACTIVE SURVEILLANCE): Die aktive Überwachung stellt die zweite Methode, die zur Reduktion des Übertherapie-Risikos eingeführt wurde, dar. Diese Methode basiert auf wiederholten PSA-Messungen, DRU und, im Unterschied zum WW, auf wiederholten Prostatabiopsien. Voraussetzung dafür sind folgende Parameter: PSA-Wert ≤10 ng/ml, Gleason-Score ≤6, cT1 und cT2a, Tumor in ≤2 Stanzen bei Entnahme von 10-15 Stanzen, ≤50 % Tumor pro Stanze.

RADIKALE PROSTATEKTOMIE (RP): Darunter versteht man die operative Sanierung des PCa mit der kompletten Entfernung der Prostata, beider Samenblasen und Teilen der Samenleiter. Das Ziel der RP bei Patienten mit lokalisierter Erkrankung und Lebenserwartung >10 Jahre ist die komplette Beseitigung der Erkrankung mit Erhaltung der Kontinenz und, falls möglich, auch Erhaltung der Potenz.

In den letzten Jahren hat die operative Sanierung des lokal fortgeschrittenen PCa neues Interesse gewonnen. Obwohl publizierte Daten kontrovers sind, besteht zunehmende Evidenz, die für die RP in diesem Stadium der Erkrankung spricht. Die 5-, 10- und 15-Jahres-Gesamt- und Karzinom-spezifischen Überlebensraten sind exzellent, übersteigen die Ergebnisse der Strahlentherapie alleine und sind zumindest vergleichbar mit den Ergebnissen der kombinierten Strahlen- und Hormontherapie. Das Problem besteht nach wie vor in der Auswahl des geeigneten Patienten. Hier sollen bildgebende Verfahren wie CT oder MRT bzw. Nomogramme, welche PSA, GS und Tumorstadium inkludieren, weiterhelfen.

In Zusammenschau der vorhandenen Daten kann eine RP auch bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem PCa als alleinige Therapie oder im Rahmen der multimodalen Therapie empfohlen werden.

STRAHLENTHERAPIE: Die externe Strahlentherapie (external beam radiation therapy, EBRT) ist bei organbegrenztem oder lokal fortgeschrittenem PCa ohne Fernmetastasen eine Therapiealternative zur RP. Die Lebenserwartung des Patienten sollte mindestens 10 Jahre betragen. In retrospektiven Vergleichen zeigt die Strahlentherapie bei gut differenzierten Tumoren vergleichbare, onkologische Ergebnisse wie die RP, bei schlecht differenzierten Tumoren hat die RP Vorteile.

Abhängig vom Risikograd wird die Strahlentherapie mit oder ohne Hormontherapie durchgeführt.

HORMONTHERAPIE: Obwohl die Hormontherapie (Androgendeprivationstherapie, ADT) zur signifikanten Besserung der Symptome der fortgeschrittenen Erkrankung führt, besteht bis dato keine konklusive Evidenz, dass diese Therapieform das Leben der Patienten verlängert. Die ADT kann entweder durch Hemmung der Sekretion von zirkulierenden Androgenen, durch chirurgische oder medikamentöse Kastration, oder durch Hemmung der Wirkung von zirkulierenden Androgenen auf Rezeptorebene, sog. Anti-Androgene, erreicht werden. Sie ist eine Option bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem PCa, bei welchen eine definitive Therapie (RP oder externe Strahlentherapie) aufgrund des reduzierten allgemeinen Zustandes und Komorbiditäten nicht möglich ist.

Die Hormontherapie ist die Standardtherapie bei metastasierten Patienten. Aufgrund der positiven Daten der CHAARTED- sowie STAMPEDE-Studie (4), die eindrucksvoll den Vorteil einer kombinierten Hormon-/Chemotherapie beim metastasierten hormonsensitiven PCa belegen, besteht eine ausreichende Evidenz, eine Empfehlung zum Nutzen dieser Kombinationstherapie auszusprechen.

Kastrationsresistentes Prostatakarzinom (5)

Definitionsgemäß besteht ein castration resistant prostate cancer (CRPC), wenn das Testosteron (Serum) im Kastrationsbereich (<50 ng/dl) liegt und drei konsekutive PSA-Anstiege im Abstand von einer Woche gemessen werden, wovon zwei mit einem 50%-igen Anstieg über dem Nadir liegen müssen und der PSA-Wert über 2 ng/ml liegt – oder es muss ein radiologischer Progress nach RECIST (Response Evaluation Criteria in Solid Tumours)-Kriterien vorliegen.

Beim metastasierten (m) CRPC wurden alle nachfolgenden Therapie-Studien unter Therapie mit LHRH-Analoga durchgeführt, obwohl nur in zwei retrospektiven Studien ein marginaler Überlebensvorteil dokumentiert ist (6,7). Aus diesem Grund wurde die ADT Bestandteil aller weiteren Therapiepläne beim CRPC.

Erstlinientherapie

Chemotherapie: Docetaxel (Generika, Taxotere)

In der randomisierten TAX 327-Studie (8) wurde gezeigt, dass die Kombination von Docetaxel mit Prednisolon der Kombination mit Mitoxantron (Generika) überlegen ist. Die mittlere Überlebenszeit betrug nach dreiwöchiger Docetaxel-Gabe 18,9 Monate, während sie in der Mitoxantron-Gruppe 16,5 Monate betrug. Die Docetaxel-Therapie war mit besserer quality of life (QoL), signifikanterem Abfall von PSA, jedoch auch mit häufigeren Nebenwirkungen (NW) (v.a. Neutropenie, Haarausfall, Übelkeit, Diarrhoe) verbunden.

Hormonelle Therapie

Abirateronazetat (Zytiga) ist ein CYP-17-Inhibitor und somit ein Hemmer der Testosteron-Biosynthese. Abirateronazetat ist nicht nur bei Chemotherapie-erfahrenen Männern mit mCRPC (s.u.), sondern auch bei asymptomatischen und mild symptomatischen Patienten (i.e. BPI-SF [Brief Pain Inventory - Short Form] Frage 3 mit 0-3 angegeben) auch vor Durchführung einer Chemotherapie zugelassen. In der Phase-III-Zulassungsstudie COU-AA-302 erhielten 1.088 Chemotherapie-naive CRPC-Patienten entweder Abirateronazetat oder Placebo, jeweils gemeinsam mit Prednisolon. Hierbei zeigte sich ein Vorteil zugunsten der Abirateronazetat-Gruppe, bezogen auf das radiographisch progressionsfreie Überleben (16,5 vs. 8,3 Monate; 9) sowie auf das Gesamtüberleben (34,7 vs. 30,3 Monate; 10). Erwähnenswert ist, dass unter Abirateronazetat der Zeitpunkt zur Opiat-Einnahme gegenüber Placebo signifikant verzögert wurde, während das Auftreten von NW zwar erhöht war, aber praktisch nur Grad 1-2 betraf. Die häufigsten Grad 3-4 NW waren kardial (8% vs. 4% in der Placebo-Gruppe), Erhöhung der Alanin-Amino-Transferase (GPT) von 6% vs. 1% und Bluthochdruck von 5% vs. 3%.

Enzalutamid (Xtandi) ist ebenfalls bei Chemotherapie-naiven Patienten zugelassen. Enzalutamid ist ein Androgenrezeptorantagonist, welcher im Vergleich zu Bicalutamid (Generika, Casodex) stärker an den Androgenrezeptor bindet und zusätzlich die Translokation des aktivierten Androgenrezeptors in den Zellkern verhindert. In der PREVAIL-Studie (11) wurde die hohe Wirksamkeit von Enzalutamid bei 1.717 mCRPC-Patienten belegt. In dieser randomisierten Phase III-Studie gegen Placebo (mit oder ohne Prednisolon) wurde ein längeres progressionsfreies Überleben (radiologisch) und damit die spätere Notwendigkeit (20,0 vs. 5,4 Monate) für eine Chemotherapie gezeigt. Auch das Gesamtüberleben war unter Enzalutamid signifikant verlängert (32,4 vs. 30,2 Monate). Das Nebenwirkungsprofil von Enzalutamid war günstig; Bluthochdruck fand sich in 13% vs. 4% in der Placebo-Gruppe und andere Nebenwirkungen wie Übelkeit, Asthenie, Rückenschmerzen oder Flush traten gegen Placebo nur gering häufiger auf.

Zweitlinientherapie

Chemotherapie: Cabazitaxel (Jevtana)

Das Taxan Cabazitaxel ist ein wirksames Chemotherapeutikum bei Progress des CRPC unter, oder nach, Chemotherapie mit Docetaxel. Die TROPIC-Studie (12) zeigte, dass das Gesamtüberleben 15,1 vs. 12,7 Monate im Vergleich zu einer Mitoxantron-Chemotherapie betrug. In beiden Gruppen wurde zusätzlich Prednisolon gegeben.

 Hormonelle Therapie

Abirateronazetat (Zytiga): In der Phase III-Zulassungsstudie COU-AA-301 (13) zur Anwendung von Abirateron nach erfolgter Chemotherapie mit Docetaxel wurden 1.195 Patienten mit einem mCRPC in einem Verhältnis von zwei zu eins in zwei Therapiegruppen randomisiert. Dabei ergab sich eine Verlängerung der Gesamtüberlebenszeit von 11,2 auf 15,8 Monate. Die Betrachtung der sekundären Endpunkte zeigte zudem, dass auch das radiologisch progressionsfreie Überleben, die PSA-Gesamt-Responserate und die Zeit bis zur PSA-Progression signifikant bessere Ergebnisse zugunsten der Abirateronazetatgruppe ergaben.

Enzalutamid (Xtandi): Die Phase III-Studie AFFIRM (14) zeigte ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben für Patienten unter Enzalutamid nach Docetaxel-Chemotherapie im Vergleich zu Placebo (medianes Überleben 18,4 vs. 13,6 Monate, p<0.001), die Nebenwirkungsrate entsprach weitgehend der Placebogruppe. Das Resultat führte zur Entblindung der Studie, da in allen Aspekten (PSA-Progression, Weichteilmetastasen-Response) Enzalutamid überlegen war. 

Knochen-gerichtete Therapie beim mCRPC

30–50% der Patienten mit mCRPC leiden unter pathologischen Frakturen aufgrund von Skelettmetastasen. Die regelmäßige Gabe eines Bisphosphonats (Zoledronsäure: Generika, Zometa) oder eines RANK-Ligand-Inhibitors (Denosumab: Xgeva) hemmt die Osteoklasten und senkt die Morbidität infolge Komplikationen auf Grund von Knochenmetastasen.

Zoledronsäure (Generika, Zometa): Das Bisphosphonat Zoledronsäure (i.v., monatlich) zeigte in einer Phase III-Studie eine Reduktion der Skelettkomplikationen (33 vs. 44%, p=0.021) gegenüber Placebo (15). Renale Nebenwirkungen und die Kieferosteonekrose (2–5%) sind schwere Komplikationen, weshalb der Zahnstatus vor Therapiebeginn erhoben werden sollte.

Denosumab (Xgeva) ist ein humaner monoklonaler Antikörper, welcher über Interaktion mit RANK-Ligand die Osteoklasten hemmt und monatlich verabreicht wird. Eine Phase III-Studie (16) zeigte einen signifikanten Vorteil (p=0.0002) von Denosumab gegenüber Zolendronsäure. Das Auftreten von Skelettkomplikationen war um circa 3,6 Monate verzögert (20,7 vs. 17,1 Monate). Das Auftreten von Kieferosteonekrosen war in beiden Gruppen mit 1% bzw. 2% in etwa gleich, während unter Denosumab signifikant (<0.0001) öfter eine Hypokalzämie (13% vs. 6%) auftrat. Aus diesem Grund sollte bei Patienten, die mit Denosumab behandelt werden, auf eine Kalziumsubstitution geachtet werden.

Radium-223 (Xofigo): Radium-223 kann sowohl prä- als auch post-Docetaxel i.v. angewendet werden. Als modernes Radiotherapeutikum ist Radium-223 seit 2014 zugelassen. Es wird nur in Knochenumbauzonen und damit in Knochenmetastasen eingebaut und hat aufgrund der geringen Reichweite des Alphastrahlers nur geringe Nebenwirkungen auf das Knochenmark und andere Gewebe. In der Zulassungsstudie (ALSYMPCA; 17) wurden mCRPC-Patienten mit ossären Metastasen mit 6-monatlichem Radium-223 versus Placebo behandelt. Signifikante Unterschiede zeigten sich im Überleben (14,9 vs. 11,3 Monate; 3,6 Monate länger) und in der Zeit bis zum Auftreten von ersten Komplikationen durch Knochenmetastasen (16 vs. 10 Monate). Die Nebenwirkungsrate war bis auf eine geringgradige Übelkeit und Durchfall in der Verumgruppe geringer.

Externe Strahlentherapie der Knochenmetastasen des Prostatakarzinoms: Bei einzelnen oder wenigen gut lokalisierbaren, schmerzhaften Knochenmetastasen ist die palliative perkutane Strahlentherapie das Mittel der Wahl. Normalerweise werden 30 Gy in 10 Fraktionen appliziert; möglich ist auch die Einmalgabe von 8 Gy.

Lutetium-177-PSMA-Ligandentherapie: Bei Patienten mit mCRPC wurde in den letzten Jahren sehr erfolgreich die Lutetium-177-PSMA-Ligandentherapie eingeführt (18; Lutetium-177 Ligand bindet an Prostata-Spezifisches-Membran-Antigen). Es ist ein Therapieverfahren, welches als individueller Heilversuch durchgeführt werden kann. Es können Patienten therapiert werden, die unter der Standardtherapie progredient sind, oder bei denen sie aus medizinischen Gründen nicht angewandt werden kann. Eine partielle Response nach RECIST wurde in etwa 50% der Patienten nach mehrmaliger Gabe von je 6 GBq (alle 2 Monate) mittels PET/CT gesehen. Das mittlere progressionsfreie Überleben betrug 13,7 Monate und das Gesamtüberleben war nach 28 Monaten Follow-up noch nicht erreicht. Fallende PSA-Werte wurden in 45/56 Patienten gemessen (80,3%), während an Nebenwirkungen eine milde, reversible Xerostomie in 2/56 Patienten beschrieben wurde. Das gute Ansprechen auf die Radionuklidtherapie war mit Knochenschmerzlinderung und einer verbesserten QoL verbunden. Auch an der Innsbrucker Klinik wurden entsprechend positive Therapieresultate festgestellt (19). Das gute Ansprechen auf eine Ligandentherapie wurde kürzlich in einer retrospektiven deutschen Multicenter-Studie (20) belegt. Mit diesem Therapieverfahren können auch Patienten mit Lymphknotenmetastasen oder Organmetastasen behandelt werden.

Zusammenfassung

Die frühzeitige Erkennung des PCa mittels Früherkennungsuntersuchung ab dem 45. Lebensjahr (bei positiver Familienanamnese ab dem 40. Lebensjahr) ist entscheidend für die Heilungsmöglichkeit. Ein nicht unerheblicher Anteil der PCa ist jedoch klinisch nicht-signifikant und bleibt zu Lebzeiten unerkannt. Deshalb sollen Männer sowohl über mögliche Vorteile als auch Nachteile des PSA-Screenings aufgeklärt werden. Therapeutisch stehen Operation, Strahlentherapie und/oder Hormontherapie zur Verfügung und haben jeweils in bestimmten Stadien der Erkrankung ihre Berechtigung. Die Überwachung des Behandlungserfolgs erfolgt durch die Bestimmung des PSA-Wertes im Blut. Männern mit PCa und einem PSA-Anstieg nach kurativer Lokaltherapie (PSA-Rezidiv) oder Männern mit PCa, die für eine Lokaltherapie nicht geeignet sind (aufgrund des Lebensalters, Komorbidität, fortgeschrittene Erkrankung), kann eine ADT angeboten werden. Der optimale Zeitpunkt für den Beginn der Hormontherapie ist jedoch unklar und die gängige Praxis, dass asymptomatische Männer mit einem PSA-Rezidiv nach Operation oder Strahlentherapie einer sofortigen Hormontherapie unterzogen werden sollten, ist nicht ausreichend belegt. Die zu erwartenden Nebenwirkungen der Langzeit-Hormontherapie, wie Hitzewallungen, Gewichtszunahme und Libidoverlust sind neben kardiovaskulären und metabolischen Komplikationen, Konzentrationsstörungen und Demenz zu berücksichtigen. Die Hormontherapie ist die Standardtherapie bei metastasierten Patienten. Diese Patienten sollen, nach den neuesten Erkenntnissen, eine kombinierte Hormon-/Chemotherapie angeboten bekommen. Wenn die ADT versagt, spricht man von einem (m)CRPC. Die genaue Sequenz der Therapie des mCRPC ist noch nicht ermittelt. Zoledronsäure oder Denosumab eignen sich zur Therapie von Knochenmetastasen. Die Radium-223-Applikation kann bei knochenmetastasierten PCa ohne zusätzliche viszerale Metastasen angewendet werden. Die Lutetium-177-PSMA-Ligandentherapie stellt für ausgewählte Patienten eine weitere Option dar.

Literatur
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(2) Mottet, N. Urology 71, 618, 2017
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(4) van Soest, R.J. BMC Med 13, 304, 2015
(5) Cornford, P. Eur Urol 71, 630, 2017
(6) Hussain, M. J Clin Oncol 12, 1868, 1994
(7) Taylor, C.D. J Clin Oncol 11, 2167, 1993
(8) Tannock, I.F. N Engl J Med 351, 1502, 2004
(9) Ryan, C.J. N Engl J Med 368, 138, 2013
(10) Ryan, C.J. Lancet Oncol 16, 152, 2015
(11) Beer, T.M. N Engl J Med 371, 424, 2014
(12) de Bono, J.S. Lancet 376, 1147, 2010
(13) de Bono, J.S. N Engl J Med 364, 1995, 2011
(14) Scher, H.I. N Engl J Med 367, 1187, 2012
(15) Saad, F. J Natl Cancer Inst 94, 1458, 2002
(16) Fizazi, K. Lancet 377(9768), 813, 2011
(17) Parker, C. N Engl J Med 369, 213, 2013
(18) Baum, R.P. J Nucl Med 57, 1006, 2016
(19) Scarpa, L. Eur J Nucl Med Mol Imaging 44, 788, 2017
(20) Rahbar, K. J Nucl Med 58, 85, 2017

 

Oligonukleotid-basierte Arzneitherapie: ein neues molekulares Konzept

 Mit Alirocumab (Praluent) und Evolocumab (Repatha) steht seit einiger Zeit eine neue Generation potenter LDL-Cholesterinsenker zur Verfügung. Deren Wirkprinzip besteht in einer Inhibition des Modulatorproteins PCSK9. Bei beiden Wirkstoffen handelt es sich um humane therapeutische Antikörper (siehe Pharmainfo XXXI/2/2016). Kürzlich berichtete das New England Journal of Medicine über eine neue PCSK9-gerichtete LDL-Cholesterin-senkende Therapie (1) auf Basis eines neuartigen molekularen Mechanismus, der auch in anderen Indikationen hohe klinische Bedeutung erlangen könnte: sogenannte Oligonukleotid-basierte Therapeutika. Dieser wird hier kurz beschrieben.

Bei dem neuen klinisch geprüften PCSK9-Hemmer, Inclisiran, handelt es sich weder um einen klassischen niedermolekularen Arzneistoff (wie Statine) noch um einen therapeutischen Antikörper oder ein anderes Biological, sondern um PCSK9-gerichtete small interfering RNA (siRNA). Diese besteht aus kurzer doppelsträngiger RNA, welche nach gezielter Aufnahme in die Leberzelle den natürlichen molekularen Prozess der sog. RNA-Interferenz ("RNA-interference", RNAi) triggert und gezielt über bekannte biochemische Mechanismen die messenger RNA (mRNA) von PCSK9 abbaut, welche dadurch nicht mehr für die Proteinsynthese zur Verfügung steht. So kann theoretisch gegen jede beliebige mRNA (und damit gegen jedes Protein) eine entsprechende siRNA entwickelt werden. Für die Entdeckung des Mechanismus der RNAi erhielten Andrew Z. Fire und Craig C. Mello 2006 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.

Das Prinzip der RNAi wird seit vielen Jahren routinemäßig und sehr erfolgreich zur gezielten Hemmung der Expression von Proteinen in der biomolekularen Grundlagenforschung eingesetzt. Der klinische Durchbruch hinkte aber bisher dieser Entwicklung deutlich hinterher. Der Grund dafür lag vor allem im Bereich der Pharmakokinetik. SiRNA wird im Blut innerhalb von wenigen Minuten abgebaut. Außerdem erlauben ihre physikochemischen Eigenschaften (Molekulargewicht, Hydrophilie) keine effiziente passive Permeation über Plasmamembranen zu ihrem intrazellulären Wirkort. Durch erfolgreiche chemische Modifikationen, auf die hier nicht näher eingegangen wird, konnten diese Eigenschaften aber bedeutend verbessert werden. So wurde auch die Stabilität von Inclisiran durch Inkorporation zahlreicher chemisch modifizierter Nukleotide erhöht und seine hepatische Bioverfügbarkeit durch zusätzliche Kopplung an einen Zucker (ermöglicht Leberzellaufnahme durch Bindung an den Asialoglykoproteinrezeptor der Hepatozyten) verbessert (2,3).

 Die oben genannte Phase I-Studie mit Inclisiran lieferte eindrucksvoll Proof-of-Concept dafür, dass siRNAs eine neue molekulare Plattform für gezielte Arzneitherapien darstellen. Diese Ergebnisse wurden mittlerweile in einer multizentrischen, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Phase II-Studie bei PatientInnen mit hohem kardiovaskulären Risiko (73% unter Statintherapie) bestätigt (ORION-1: 4). In dieser erhielten 370 PatientInnen unterschiedliche Dosen an Verum (Ein- oder Zweimaldosis) und 127 entsprechend Placebo. Die lange anhaltende dosisabhängige Senkung sowohl der mittleren PCSK9-Spiegel (Tag 180: -69%, Tag 240: ca. -40%) als auch der mittleren LDL-Cholesterin-Plasmakonzentration (Tag 180: -53%, Tag 240: -47%) bei zweimaliger s.c. Gabe der höchsten Dosierung von 300 mg am Tag 1 und am Tag 90 sind ein Beweis der erwünschten Wirkung. Das Ausmaß der LDL-Cholesterinsenkung ist mit derjenigen der PCSK9-Antikörper vergleichbar. Voreiliger Enthusiasmus ist aber trotzdem nicht angebracht. Erstens sind trotz des Fehlens relevanter unerwünschter Ereignisse aufgrund der geringen PatientInnenzahlen in den bisher veröffentlichten Studien noch keine Aussagen zur Sicherheit dieser Therapie möglich. SiRNAs besitzen hohe Spezifität, aber eine Suppression anderer Gene (und daher auch unvorhergesehene unerwünschte Wirkungen) können nicht ausgeschlossen werden. Aus Tierexperimenten sind auch unspezifische organtoxische Effekte (v.a. Hepatotoxizität) von Oligonukleotiden bekannt, die nicht durch klassische Basenpaarung erklärt werden können (2). Zweitens ist unklar, welcher PatientInnennutzen durch die aggressive LDL-Cholesterinsenkung tatsächlich zu erwarten ist. Die kürzlich publizierte FOURIER-Studie (5), in der 27.564 PatientInnen mit arteriosklerotisch bedingter kardiovaskulärer Erkrankung und unzureichendem Ansprechen auf Statine (LDL-Cholesterin > 70 mg%) entweder zusätzlich mit dem monoklonalen PCSK9-Antikörper Evolocumab oder mit Placebo behandelt wurden, hat dazu erste Ergebnisse geliefert. Darin wurde der primäre kombinierte Endpunkt, definiert als kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina pectoris oder koronarer Revaskularisierung, nach einer medianen Nachbeobachtung von 2,2 Jahren durch Evolocumab von 11,3% auf 9,8% gesenkt (Hazard Ratio 0,85; Number Needed to Treat, NNT=67). Signifikant reduziert wurden dabei Myokardinfarkte (4,6% vs. 3,4%; NNT=83), ischämische Schlaganfälle (1,6% vs. 1,2%; NNT=250) und koronare Revaskularisierung (7,0% vs. 5,5%; NNT=67). Für kardiovaskuläre Mortalität und Gesamtsterblichkeit ließen sich bisher allerdings keine positiven Effekte erkennen (beide waren unter Verum numerisch sogar geringfügig höher: 5). Da die Nachbeobachtungszeit sehr kurz war, kann allerdings ein möglicher günstiger Effekt auf das Überleben nach längerer Therapie derzeit nicht ausgeschlossen werden. Solange dies aber nicht in Studien eindeutig nachgewiesen ist, erscheint die derzeit weltweite Diskussion über die hohen Therapiekosten von Repatha und Praluent jedenfalls gerechtfertigt. Ob LDL-Cholesterinsenkung durch das mittlerweile in Phase III getestete Inclisiran einen höheren Nutzen bringen wird, bleibt ebenso abzuwarten. 

SiRNAs stellen nur eine mehrerer Möglichkeiten zur spezifischen Hemmung der Proteinexpression und –funktion durch Oligonukleotide dar (2). Länger wird bereits an der klinischen Entwicklung von sog. Antisense-Oligonukleotiden (AON) geforscht. Das Prinzip ist ähnlich. Pharmakologisch aktiv sind hierbei allerdings einzelsträngige DNA–Moleküle. Nach zellulärer Aufnahme binden sie an die komplementäre mRNA, wobei auch für DNA-RNA–Komplexe ein spezieller zellulärer Abbauweg existiert. Auch für AON gelten die für siRNAs diskutierten pharmakokinetischen Aspekte, einschließlich der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte in Hinblick auf chemische Modifikation. AON zur Therapie seltener Erkrankungen, wie z.B. Mipomersen bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (gegen mRNA von Apolipoprotein B-100) und Eteplirsen bei Duchenne Muskeldystrophie (beeinflusst mRNA-Prozessierung) wurden von der FDA bereits zugelassen (6). Mipomersen wurde die Zulassung durch die EMA aufgrund möglicher Lebertoxizität verweigert. Eine EMA-Entscheidung über eine Zulassung von Eteplirsen wird für 2017 erwartet.

Zurzeit befinden sich mehrere vielversprechende AON in fortgeschrittener klinischer Entwicklung. Mongersen ist ein gegen SMAD7 gerichtetes AON. SMAD7 unterstützt proinflammatorische Wirkungen in der Pathogenese chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Mongersen unterdrückt die SMAD7-Aktivität und lieferte in klinischen Phase I- und II-Studien bei Morbus Crohn PatientInnen Hinweise auf klinisch relevante Wirksamkeit (7). Dabei soll es nach oraler Gabe lokal an der entzündlichen Schleimhaut wirken, womit pharmakokinetische Probleme umgangen werden. Entsprechende Phase III-Studien sind im Laufen. ISIS-APO(a)-LRx ist gegen Apolipoprotein(a) gerichtet und senkte in einer randomisierten, Placebo-kontrollierten, doppelblinden Phase I/II-Studie Lipoprotein(a)-Plasmakonzentrationen dosisabhängig um bis zu >90% nach 6 subkutanen Dosen innerhalb von drei Wochen (8) mit lange anhaltender Wirkung (noch >60% nach 113 Tagen). Damit ist erstmals die gezielte Senkung erhöhter Lipoprotein(a)-Spiegel möglich, welche einen unabhängigen kardiovaskulären Risikofaktor darstellen. 

Mongersen und ISIS-APO(a)-LRx sind weitere vielversprechende Beispiele für Proof-of-Concept-Studien, welche das hohe therapeutische Potential Oligonukleotid–basierter Therapien klar erkennen lassen. Die Substanzen wirken allerdings entweder lokal (Mongersen) oder in der Leber, welche AON besonders leicht aufnimmt. Drug delivery von AON oder siRNA in andere Organe, wie vor allem das zentrale Nervensystem, stellen derzeit allerdings immer noch eine weitaus größere Herausforderung dar (9).

Literatur
(1) Fitzgerald, K. et al. N Engl J Med 376, 41, 2017
(2) Lundin, K.E. et al. Hum Gene Ther 26, 475, 2015
(3) Levin, A.A. N Engl J Med 376, 86, 2017
(4) Ray, K.K. et al. N Engl J Med 376, 1430, 2017
(5) Sabatine, M.S. et al. N Engl J Med 376, 1713, 2017
(6) Bennett, C.F. et al. Ann Rev Pharmacol Toxicol 57, 81, 2017
(7) Monteleone, G. et al. N Engl J Med 372, 1104, 2015
(8) Viney, N.J. et al. Lancet 388, 2239, 2016
(9) Khorkova, O. and Wahlestedt, C. Nat Biotechnol 35, 249, 2017

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Montag, 4. September 2017

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