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Inhalt

 

Editorial

Im dritten Jahr der Pharmainformation haben sich nun auch alle Apothekerkammern der österreichischen Bundesländer dem Bezug angeschlossen, während schon bisher die Ärztekammern von Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg an ihre Mitglieder die Pharmainformation versandten. Wir freuen uns, daß damit beide Berufsstände, die den Patienten gegenüber die Hauptverantwortung für das Medikament tragen, einbezogen sind. Wir haben hiemit eine Auflage von über 8.000 erreicht.
In dieser Info wird wieder ein ganzes Kapitel (Lipidsenker), das derzeit sehr aktuell ist, von Experten der Medizinischen Universitätsklinik Innsbruck (Abteilung für Klinische Atheroskleroseforschung) in einer Übersicht dargestellt.

 

Lipidsenker

H. Drexel und J.R. Patsch, Innere Medizin

Ein Anstieg der Plasmalipidkonzentrationen führt fast nie zu akuten Beschwerden. Daher ist eine akute Senkung der Blutfette nicht notwendig. Andererseits sind die Folgen der chronischen Hyperlipämie von größter klinischer Bedeutung: die Erhöhung des Plasmacholesterins ist der wichtigste Risikofaktor für die Atherosklerose, welche ihrerseits in westlichen Ländern die häufigste Krankheits- und Todesursache (coronare und cerebrale Gefäßerkrankungen) darstellt. Ab einer Plasma-Cholesterinkonzentration von 200 mg/dl besteht eine lineare Beziehung von Cholesterinspiegeln zu atherosklerotischer Morbidität und Mortalität. Die langfristige Anforderung an cholesterinsenkende Maßnahmen ist daher die Verhinderung oder zumindest die Verzögerung der Atherosklerose, insbesondere der coronaren Herzkrankheit.

 

Physiologie des Lipidtransportes im Blut

Da Fette im wässrigen Milieu des Blutes nicht löslich sind, muß ihr Transport durch Lösungsvermittler wie Proteine und Phospholipide ermöglicht werden. Die Lösungsvermittler umhüllen zu diesem Zweck die Fetttröpfchen, die entstehenden Partikel werden Lipoproteine (früher Lipoproteide) genannt. 
Nahrungstriglyzeride werden im Darm in Chylomikronen, endogene Triglyzeride in der Leber in Lipoproteine sehr niedriger Dichte (VLDL - very low density lipoproteins) verpackt und in die Gefäßbahn sezerniert. Im Kapillarbereich von Skelettmuskel, Herzmuskel und Fettgewebe wird durch das Enzym Lipoproteinlipase ein Teil der Triglyzeride aus dem Partikel entfernt und den Geweben zur Energiegewinnung zur Verfügung gestellt. Die Leber hat ein eigenes Lipaseenzym. Durch die Abgabe von Triglyzeriden werden Chylomikronen und VLDL kleiner und es entstehen über Zwischenstufen Lipoproteine niederer Dichte (low density lipoproteins - LDL). Diese LDL sind die Haupt-Cholesterinträger des Plasmas. Ihre Konzentration kann einerseits ansteigen durch Zunahme von Sekretion und Abbau der triglyzeridreichen Partikel (Chylomikronen und VLDL), andererseits durch verminderten LDL-Abbau. Die LDL-Elimination erfolgt über spezifische, an den Membranen der meisten Zellen lokalisierte Rezeptoren. Durch Mithilfe dieser LDL-Rezeptoren gelangen LDL in die Zelle, wo das LDL-Cholesterin vornehmlich zur Synthese von Membranen verwendet wird. Nach Aufnahme der LDL in die Zelle wird die zelluläre Synthese von Cholesterin und von LDL-Rezeptoren gedrosselt und überschüssiges Cholesterin intrazellulär nach Veresterung gespeichert. Bei chronischem Überangebot an LDL (z.B. durch fettreiche Ernährung) wehrt sich also die Zelle durch geringere LDL-Rezeptoren-Synthese gegen eine Cholesterinüberflutung. Dadurch verbleiben die LDL im Plasma, werden modifiziert und schließlich in die Arterienwände abgelagert, was letztlich zur Atherosklerose führt. Eine langfristig vermehrte Fettzufuhr erhöht also die LDL-Konzentration und erniedrigt in der Folge die LDL-Rezeptorenzahl. Der Abfall der LDL-Rezeptorenzahl ist der entscheidende Schritt in der Atherosklerose-Entstehung.
Auch die Leberzelle erhält Cholesterin über den LDL-Rezeptor. Sie kann Cholesterin ebenfalls speichern, es aber auch in Gallensäuren umwandeln, und über die Galle in den Darm ausscheiden. Die Gallensäuren unterliegen dabei einem enterohepatischen Kreislauf. Die Sekretion durch die Galle ist die einzige Ausscheidungsmöglichkeit für Cholesterin.
Beim Abbau der Chylomikronen und VLDL zu LDL werden die Partikel kleiner. Daher wird auch ein Teil der Oberflächensubstanz (die Lösungsvermittler) nicht mehr benötigt und abgegeben. Diese Oberflächensubstanzen können wiederum Fett umhüllen. Die dadurch entstehenden Partikel sind eiweißreich und relativ fettarm; da das spezifische Gewicht der Eiweiße höher als jenes der Fette ist, haben die Partikel mit viel Eiweiß ein hohes spezifisches Gewicht (eine hohe Dichte). Sie werden daher Lipoproteine hoher Dichte (high density lipoproteins: HDL) genannt. Da deren Oberflächensubstanzen für Lipide Transportplätze anbieten, können sie überflüssige Lipide (Triglyzeride und Cholesterin) aus den Geweben, also z.B. aus der Arterienwand, entfernen. Dies ist die einzige Möglichkeit, cholesterinbeladene Arterienwände zu reparieren. Hohe HDL-Konzentrationen bedeuten also eine hohe Kapazität, Lipide aus Geweben zu entfernen, sind also ein Schutzfaktor gegen Atherosklerose. Eine gute lipidsenkende Therapie sollte daher neben der Senkung von VLDL und/oder LDL auch HDL erhöhen.

 

Entstehung der Hyperlipämie

Der Anstieg einer Klasse von Lipoproteinen im Blut kann grundsätzlich durch Mehrproduktion oder durch Abbauverminderung bedingt sein. Hypertriglyzeridämien entstehen häufig durch gestörten Abbau (Lipasedefekte). Da durch Lipasemangel wenig atherogene LDL gebildet werden, ist die reine Hypertriglyzeridämie nicht direkt atherogen. Triglyzeridkonzentrationen über 1000 mg/dl führen hingegen zu Pancreatitis. Die Prävention der Pancreatitis kann also Ziel der Therapie von Hypertriglyzeridämien sein. Der gestörte Abbau der triglyzeridreichen Lipoproteine (Chylomikronen und VLDL) kann aber für die Atherogenese indirekt noch bedeutsam sein, wenn auch zu wenig Oberflächenmaterial zur HDL-Bildung anfällt. Der HDL-Mangel bedeutet verringerte Kapazität der Cholesterinentfernung aus der Arterienwand.

Hypertriglyzeridämie und HDL-Erniedrigung bedeuten also Gefäßrisiko, reine Hypertriglyzeridämie bedeutet kein Gefäßrisiko. HDL-Werte sollten also die Entscheidung steuern, ob eine Therapie der Hypertriglyzeridämie notwendig ist. Da die Schwankungsbreite der LDL-Rezeptoren genetisch determiniert ist und interindividuell große Unterschiede zeigt, tolerieren verschiedene Individuen (bei zusätzlich variabler Cholesterin-Resorption im Darm) verschieden viel alimentäres Cholesterin. Eine Hypercholesterinämie ist Ergebnis eines Mißverhältnisses zwischen Cholesterinzufuhr, Cholesterinresorption und LDL-Rezeptorenzahl. Die Therapie sollte das Mißverhältnis korrigieren.

 

Therapie

Eine gute lipidsenkde Therapie sollte zwei Voraussetzungen erfüllen: 1. Förderung des physiologischen Lipoproteinabbaues; und letztlich entscheidend, 2. Nachweis eines günstigen Einflusses der gewählten Therapie auf Atherosklerose-Entstehung bzw. auf die Folgeerkrankungen, wie coronare Herzkrankheit, in Langzeitstudien. Der alleinige Nachweis einer Lipidsenkung durch ein Präparat ist unzureichend, da ja andere (auch unbekannte) Wirkungen des Medikamentes das Gesamtkrankheitsgeschehen und gegebenenfalls auch die Mortalität ungünstig beeinflussen können. Im folgenden sollen die gängigen Maßnahmen zur Lipidsenkung nach diesen Gesichtspunkten besprochen werden.

 

A) Diät-Therapie

Eine cholesterinarme Diät führt zu geringerer Cholesterinzufuhr ins Blut und weniger LDL, wodurch wenig LDL von Zellen aufgenommen und LDL-Rezeptoren vermehrt gebildet werden. Diese Diät fördert also den physiologischen LDL-Abbau. Weniger als 300 mg Cholesterin pro Tag werden empfohlen (ein Eidotter enthält 300 mg!), ein Rückgang des Plasmacholesterins um 10% kann erreicht werden. Nach 6 Wochen Diätdauer kann bereits der erreichte Diäteffekt anhand der Plasmacholesterin-Kontrolle beurteilt werden.
Eine fettarme Diät enthält nicht nur weniger Cholesterin, sondern vermehrt auch die LDL-Rezeptor-Synthese in der Leber, der physiologische LDL-Transport in die Leberzelle wird also verstärkt und die LDL-Konzentration im Plasma fällt ab
. Am wichtigsten ist die Reduktion der Fett-Kalorien insgesamt. Mehrfach und einfach ungesättigte Fette können in üblicher Menge beibehalten (nicht gesteigert werden!), gesättigte Fette sollen nahezu eliminiert werden. Die fettarme Diät senkt das Plasmacholesterin um 10% innerhalb von 6 Wochen, fett- und cholesterinarme Diät zusammen ergeben eine Senkung um 15%.
Im Rahmen dieser Diät werden zwei Fischmahlzeiten pro Woche empfohlen, insbesondere weil dadurch weniger Fleisch und damit weniger gesättigte Fette zugeführt werden. Auch der Zusatz von Fischölen zur Nahrung kann cholesterinsenkend wirken. Daneben werden auch der Blutdruck und das Gerinnungssystem günstig beeinflußt. Die Wirkweise der Fischöle ist aber nicht geklärt und ein Beweis der Atherosklerosesenkung ist in Langzeitstudien noch nicht belegt. Ein massiver Einsatz von Fischölpräparaten als neue "Wunderdroge" ist unzweckmäßig, da Unklarheiten über carcinogenes Potential, gesteigerte Gallensteinbildung und Veränderung der Zellmembranen (1a) nicht ausgeräumt sind. Hingegen ist die Verminderung der Atherosklerosemortalität durch fett- und cholesterinarme Diät in Langzeitstudien belegt (1).

Bewegung
Der regelmäßig trainierte Muskel baut triglyzeridreiche Lipoproteine besonders effizient ab, wodurch HDL ansteigen (2). Physiologische Lipolyse und HDL-Bildung werden also stimuliert. Regelmäßige Bewegung (zumindest eine halbe Stunde intensive Bewegung pro Tag) beeinflußt auch andere Risikofaktoren für die Atherosklerose günstig (Blutdruck sinkt, Körpergewicht sinkt, Glucosetoleranz wird verbessert) und ist daher empfehlenswert. Allerdings hält der HDL-steigernde Effekt nur kurz an, nach etwa 2 Wochen Trainingspause sinken HDL schon wieder in den Kontrollbereich ab.

 

B) Pharmakotherapie

1. Cholestyramin (Quantalan)
Dieses nicht resorbierbare Ionenaustausch-Harz bindet im Lumen des Magen-Darm-Traktes Gallensäuren und unterbricht so ihren enterohepatischen Kreislauf. Dadurch muß die Leber mehr Cholesterin zur Gallensäuresynthese aufnehmen, wozu sie mehr LDL-Rezeptoren entwickelt. Der physiologische LDL-Abbau in der Leber wird also verstärkt. In einer randomisierten, Doppelblind-Langzeitstudie über mehr als 7 Jahre konnte an über 3800 Patienten eine Reduktion der Myokardinfarkte um 10% und des coronaren Herztodes um 24% nachgewiesen werden. Die Gesamtmortalität an natürlichen Todesursachen sank um 15% ab (3). Tagesdosen zwischen 8 und 24g werden empfohlen (ein Briefchen enthält 4g). Ein Abfall des Plasmacholesterins um 20-25% kann erreicht werden, HDL steigen leicht an (3). Nebenwirkungen sind mild (Obstipation, Meteorismus, Triglyzeridanstieg). Zusätzlich von Bedeutung ist, daß mindestens 2 Stunden vor und 4 Stunden nach der Einnahme keine anderen Medikamente eingenommen werden sollten, weil diese auch an das Harz gebunden und damit nicht resorbiert werden können. Dies ist für Digitalis und Diuretika von Bedeutung. Anfänglich klagen die Patienten oft über den schlechten Geschmack des Pulvers. Eine entsprechende Aufklärung und Motivierung des Patienten ist daher wichtig.

2. Fibrinsäurederivate
Dazu zählen die Pharmaka Clofibrat (Arterioflexin, Regelan, Etofyllin-Clofibrat: Duolip, Etofibrat: Komplex von Clofibrat und Glykol und Nikotinsäure: Lipo Merz), Bezafibrat(Bezalip), Fenofibrat (Lipsin) und Gemfibrozil (wird als Gevilon registriert). Am besten untersucht sind Clofibrat und Gemfibrozil. Clofibrat senkt die VLDL-Synthese in der Leber und aktiviert die Lipoproteinlipase, senkt daher Plasmatriglyzeride (40%) und weniger stark Cholesterin (6%), kann aber HDL nicht wesentlich steigern (6). In einer Doppelblindstudie an 15.000 Patienten in Schottland, Ungarn und der Tschechoslowakei (4) konnte eine Reduktion der Herzinfarkte, aber kein günstiger Effekt auf die Mortalität durch Atherosklerose festgestellt werden. Zusätzlich führte Clofibrat zu vermehrten Todesfällen an malignen Tumoren und Gallenblasen-Erkrankungen. Bis zum Vorliegen einer Langzeitstudie, die diese Resultate für die Gesamtmortalität widerlegt, kann Clofibrat (Arterioflexin, Duolip, Lipo Merz und Regelan), und dies gilt auch für die Kombination von Clofibrat mit Mesoinosit-Hexanikotinat (Angiokapsul), zur generellen Prävention der Atherosklerose nicht empfohlen werden (4,4a).
Eine Ausnahme scheint allerdings die kombinierte Hyperlipämie mit Cholesterin- und Triglyzeridwerten um je 300 mg/dl zu sein, welche gut auf Clofibrat anspricht. 
Aufgrund der clofibratähnlichen Struktur dürften sich Bezafibrat (Bezalip) und Fenofibrat (Lipsin) von Clofibrat in der Wirkung nicht wesentlich unterscheiden und tatsächlich senken sie sowohl Cholesterin und Triglyzeridspiegel. Allerdings gibt es Studien für Bezafibrat und Fenofibrat, die belegen, daß HDL durch diese Substanzen im Gegensatz zu Clofibrat gesteigert werden können. Sollte in Langzeitstudien eine Senkung atherosklerotischer Komplikationen beweisbar sein, und nur dies kann das entscheidende Kriterium sein, wäre ein Parallelismus zu Gemfibrozil (s.u.) gegeben. Dies ist derzeit aber nicht belegt (4a).
Gemfibrozil (Gevilon) vermindert die VLDL Synthese in der Leber und vermehrt HDL bis zu 20%. In einer finnischen Langzeitstudie (5) an 4.000 Patienten konnte eine Reduktion von kardialen Komplikationen (Myokardinfarkt und plötzlicher Herztod) von 34% erzielt werden. Die Gesamtmortalität einschließlich Unfälle etc. wurde nicht, diejenige an natürlichen Todesfällen wurde um 10% (allerdings nicht signifikant) reduziert. Gemfibrozil führte in dieser Studie zu einer Senkung des Serumcholesterins um 10% und zu einem HDL-Anstieg von 11%. Das Präparat kommt in Kürze in Österreich in den Handel in 300mg und 450mg Kapseln. Gemfibrozil kann die Glucosetoleranz verschlechtern und die Wirkung von Kumarinderivaten (Antikoagulantien) durch deren Verdrängung aus der Plasmaprotein-Bindung verstärken. Außer gastrointestinalen Beschwerden (Übelkeit, Durchfall, Meteorismus) in etwa 5% der Patienten wurden bis jetzt keine wesentlichen Nebenwirkungen beobachtet. Derzeit empfohlene Dosis ist 600 mg zweimal täglich.

3. Cholesterinsynthesehemmer
Durch Hemmung des Schlüsselenzyms Hydroxymethylglutaryl-CoA-Reduktase kann neuerdings effizient die zelluläre Cholesterinsynthese gehemmt werden. Dadurch werden LDL-Rezeptoren vermehrt und das Serum-Cholesterin sinkt um bis zu 40% ab (6). Diese Wirkung ist also wesentlich stärker als bei allen bisherigen Lipidsenkern. Zusätzlich ist ein Anstieg der HDL um etwa 10% beobachtet worden. Mehrere Substanzen von identer Wirksamkeit sind in Erprobung: Lovastatin (Mevacor, in den USA bereits im Handel, in Österreich in Kürze), Simvastatin und Pravastatin. Die Langzeitwirkung auf die Blutlipide ist gesichert. Langzeitstudien zum Nachweis einer Atherosklerosesenkung sind noch nicht abgeschlossen. Daher sollte die Substanzgruppe vorerst für Hypercholesterinämien reserviert bleiben, welche durch Diät und Cholestyramin nicht ausreichend gesenkt werden können. Die Präparate sollten vorerst nur an Zentren eingesetzt werden. Nebenwirkungen beinhalten derzeit gastrointestinale Störungen und Linsentrübungen, welche nach Absetzen der Präparate verschwinden, und manchmal einen Anstieg der Leberenzyme. Allerdings ist das Nebenwirkungspotential dieser relativ neuen Substanzen noch nicht endgültig abzusehen. Eine bereits aufgetretene schwere, aber seltene Nebenwirkung ist Rhabdomyolyse. Bei Kombination mit Fibrinsäurederivaten oder mit Ciclosporin A ist diese Nebenwirkung häufig. Daher ist eine solche Kombination kontraindiziert.

4. Probucol (Lurselle)
Diese Substanz senkt das Serumcholesterin. Für die Wirkung auf HDL-Spiegel liegen widersprüchliche Befunde vor (6). Probucol wird über Monate und Jahre im Fettgewebe gespeichert. Eine Verzögerung der Atherosklerose und ihrer Folgen ist nicht belegt. Daher ist die Verwendung von Probucol als Lipidsenker noch verfrüht.

5. Nikotinsäure (Ronicol)
Nikotinsäure reduziert die Produktion von VLDL. Dadurch werden auch deren Abbauprodukte (vor allem LDL) vermindert. Das Serumcholesterin wird um etwa 10% reduziert (6). Von allen Lipidsenkern steigert es HDL am stärksten. Obwohl gezeigt werden konnte, daß Nikotinsäure in Kombination mit Colestipol (Ionenaustauscherharz wie Cholestyramin), bei familiärer Hypercholesterinämie Cholesterinablagerungen rückgängig machen kann (7), ist eine Senkung atherosklerotischer Komplikationen für die Nikotinsäure allein in epidemiologischen Studien (8) nicht gelungen. Dies könnte mit den zahlreichen deutlichen Nebenwirkungen und entsprechend schlechter Compliance zusammenhängen. Bei praktisch allen Patienten tritt eine intensive Gesichtsrötung auf, die subjektiv als unangenehme Hitze empfunden wird und lediglich durch vorherige Einnahme von Acetylsalicylsäure verhindert werden kann. Daneben kann es zu Ikterus, Hyperglykämie und Hyperurikämie bis zur Gicht kommen. Aufgrund der Nebenwirkungen ist Nikotinsäure in der Praxis selten verwendbar und diese reduzieren auch die Nützlichkeit dieses Mittels als Zusatz zu anderen Präparaten. Die Indikation liegt bei diätresistenter kombinierter Hyperlipämie.

6. Weitere Mittel
D-Thyroxin und ß-Sitosterol (in Österreich nicht mehr registriert) senken das Plasmacholesterin, haben aber ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis und sollten nicht mehr verwendet werden (6).

 

Sekundäre Hyperlipämien

Diese sind definiert als Fettstoffwechselstörungen im Rahmen einer anderen Erkrankung. Praktisch wichtig sind dabei Übergewicht, Diabetes mellitus, Hypothyreose, Akohol und Nierenerkrankungen. Übergewicht führt bei prädisponierten Patienten zu Triglyzerid- und meist auch Cholesterinerhöhungen. Eine alleinige Therapie mit kalorien-, fett- und cholesterinarmer Diät ist für 6 Monate zu empfehlen. Nach erfolgreicher Gewichtsabnahme auf Normgewicht (Größe in cm minus 100 ergibt Normgewicht in kg) ist meist keine Hyperlipämie mehr gegeben und damit auch keine Pharmakotherapie indiziert.
Diabetes mellitus:
 Ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus geht immer mit Hypertriglyzeridämie, gelegentlich auch mit Hypercholesterinämie einher. Bei Typ I-Diabetes liegt die Ursache in einer VLDL-Abbaustörung (Lipasemangel), bei Typ II sind Mehrsynthese und Abbaustörung der VLDL kombiniert. Bei beiden Diabetestypen sind erwartungsgemäß auch die HDL vermindert. Durch fettarme Diät und Insulintherapie sind die Lipidstörungen behebbar. Unter Sulfonylharnstoffen bleiben HDL meist erniedrigt. Der Einsatz von Lipidsenkern ist bei Diabetes fast nie indiziert. Die einzige Ausnahme ist eine verbleibende Hypercholesterinämie nach guter Einstellung mit Diät und Insulin. Cholestyramin und Cholesterinsynthesehemmer sind dabi wirksam.
Hyperthyreose: 
Sie führt immer zu einer Hypercholesterinämie und gelegentlich auch zu Hypertriglyzeridämie. HDL sind zwar erhöht, aber nicht in dem Ausmaß wie das Serumcholesterin, weshalb ein Gefäßrisiko besteht. Durch suffiziente Schilddrüsenhormonsubstitution ist die Stoffwechselstörung behebbar. Lipidsenker sind nicht indiziert.
Alkohol:
 Die äthanolinduzierte Hyperlipämie ist die häufigste der sekundären Formen. Sie ist gekennzeichnet durch rasch schwankende, oft sehr hohe Triglyzeridkonzentrationen. Dies gilt nicht nur für den schweren chronischen Abusus, sondern manche Patienten reagieren auch schon auf geringe Alkoholzufuhr mit massiver Hyperlipämie. Bei all diesen Hyperlipämien ist Alkoholkarenz die Therapie der Wahl, Lipidsenker sind nicht indiziert (9).
Nierenkrankheiten:
 Für die sicherlich atherogenen sekundären Hyperlipämien bei nephrotischem Syndrom und Niereninsuffizienz gibt es bisher außer der Therapie der Grundkrankheit keine etablierte Therapie.

 

Therapieziel

Es steht außer Zweifel, daß bei Cholesterinspiegeln über 200 mg/dl das Atheroskleroserisiko linear zunimmt. Daher sollte der Cholesterinwert 200 mg/dl nicht überschreiten. Ein Abfall des Serumcholesterins um 10% bedeutet eine Verringerung des Atheroskleroserisikos um 20%.
Reine Hypertriglyzeridämien
 sind wahrscheinlich nicht atherogen und daher (in Zusammenhang mit Atheroskleroseverhinderung) keine Indikation für Lipidsenker. Sind allerdings auch HDL vermindert, besteht ein Atheroskleroserisiko, zumal Hypertriglyzeridämie und HDL-Mangel meist mit einem mittelgradig erhöhten Serumcholesterin (z.B. 250 mg/dl) einhergehen.

 

Therapeutischer Stufenplan

Hypercholesterinämie: Erster Schritt bei Normalgewichtigen ist fett- und cholesterinarme Diät über 6 Wochen. Bei Übergewicht ist zur Erfolgsbeurteilung neben dieser Diät zusätzlich eine kalorienarme Diät über 6 Monate notwendig. Diese Maßnahmen sollten bei entsprechender Führung der Patienten durch den Arzt und bei Kooperation des Patienten, bei 80% zur notwendigen (unter 200 mg/dl) Cholesterinverminderung führen. Ist danach (trotz Normgewicht und bei eingehaltener Diät) das Cholesterin noch deutlich über 200 mg/dl, ist zusätzlich zur Diät Cholestyramin 8-24 g/die der nächste Schritt. Falls dies nicht zum Erfolg führt, sollte an einer spezialisierten Einrichtung eine Ergänzung mit Cholesterinsynthese-hemmern versucht werden. Es ist eine wichtige ärztliche Funktion, alles zu tun, daß medikamentöse Therapie vom Patienten nicht als bequemer Ersatz für eine Diät vorgezogen wird. Bei Patienten über 65 Jahren, auf die z.B. in der BRD über 45% der Lipidsenkerverordnungen entfallen (10), ist die Indikationsstellung für eine medikamentöse Therapie noch intensiver zu überlegen (der mögliche Nutzen erst nach vielen Jahren ist in Relation zur Lebenserwartung zu setzen: 4a; andererseits oft höhere Rate von Nebenwirkungen bei älteren Menschen).
Bei HDL-Mangel im Rahmen einer Hypertriglyzeridämie und gering erhöhtem Serumcholesterin wird mit cholesterin- und fettarmer Diät und einem Bewegungsprogramm begonnen. Falls dies nicht zur Normalisierung führt, ist Gemfibrozil (Gevilon) beim jetzigen Stand des Wissens wahrscheinlich die beste Wahl. Komplizierte (kombinierte) Hyperlipämien sollten an Zentren abgeklärt und behandelt werden.

Literatur:
1: Lancet II, 1303, 1981
1a: Arzneimittelbrief 20, 59, 1986
2: Comprehensive Therapy 10, 29, 1984
3: JAMA 251, 351, 1984
4: Lancet II, 379, 1980
4a: Pharmakritik 9, 39, 1987
5: N. Engl. J. Med. 317, 1237, 1987
6: Goodman and Gilman, 7. Aufl. 1985
7: N. Engl. J. Med. 304, 251, 1981
8: JAMA 231, 360, 1975
9: Atherosclerosis 52, 317, 1984
10: Arzneitelegramm 1988, S.19

 

In Kürze: Neue Antihypertensiva

Derzeit werden die Angiotensin-Converting Enzymhemmstoffe (ACE-Hemmer) zur Therapie der Hypertonie stark propagiert. Wir werden diese Substanzen (Captopril: Debax, Lopirin;Enalapril: Renitec) demnächst ausführlich bezüglich ihrer blutdrucksenkenden Wirkung und ihres Einsatzes bei Herzinsuffizienz vorstellen. Als Vorinformation sei einmal eine Zusammenfassung abgedruckt, die in der Arzneiverordnung (2,1988), die vom wissenschaftlichen Forschungsausschuß der Bundesärztekammer der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben wird, publiziert wurde: "Wegen der unerwünschten Wirkungen ist die Indikation zur Gabe von ACE-Hemmern sorgfältig zu stellen. Bei schwerer therapieresistenter Hypertonie sind ACE-Hemmer in Kombination mit Diuretika anderen antihypertensiven Mehrfachkombinationen offensichtlich überlegen. Dagegen ist ein Vorteil von ACE-Hemmern bei leichter Hypertonie gegenüber anderen Antihypertensiva nicht eindeutig erwiesen. Antihypertensiva, die zur Langzeittherapie der leichten Hypertonie eingesetzt werden, sollten höheren Sicherheitsanforderungen genügen, als solche zur Behandlung schwererer Formen. Deshalb sind vornehmlich Antihypertensiva zu empfehlen, die sich in Langzeitstudien als wirksam, gut verträglich und sicher erwiesen haben. Derartige Studien liegen für ACE-Hemmer bisher noch nicht in ausreichender Form vor. Eine Behandlung mit ACE-Hemmern bei leichter Hypertonie als Mittel der ersten Wahl ist deshalb nur bei unerwünschten Wirkungen oder bei Kontraindikation gegen die üblichen Antihypertensiva zu empfehlen - nicht zuletzt auch aus Kostengründen.
Bei der Therapie der schweren Herzinsuffizienz können ACE-Hemmer als Ergänzung zu Digitalisglykosiden und Diuretika zu einer Verbesserung der Lebenserwartung führen. Möglicherweise ergeben sich weitere Indikationen zu einer ACE-Hemmung bei Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen, insbesondere bei diabetischer Nephropathie".

 

Cortison bei septischem Schock

Hohe Dosen von Cortison werden bei einigen Indikationen, wie auch bei verschiedenen Schockformen, eingesetzt. Verläßliche Daten über die Wirksamkeit sind nicht immer vorhanden. Da allerdings akute Gabe von Cortison nebenwirkungsarm erscheint, ist eine solche Therapie auch bei einem nur mäßigen Nutzen vertretbar. Dies erscheint nun allerdings für septischen Schock aufgrund zweier sorgfältiger Studien nicht mehr der Fall zu sein (1,2). In einer Doppelblindstudie an jeweils 112 Patienten verstarben nach 14 Tagen in der Placebogruppe 22% und in der Glucocorticoidgruppe 21%. In einer zweiten Studie an jeweils 191 Patienten wurde durch Methylprednison weder eine Änderung des Schockverlaufs noch eine signifikante Änderung der Mortalität (34% in Prednison, 25% in Placebogruppe) bewirkt. Allerdings war in der Prednisongruppe ein signifikanter Anstieg von Todesfällen aufgrund von Sekundärinfektionen zu beobachten, was zur immunsuppressiven Wirkung der Glucocorticoide passen dürfte. Aufgrund dieser Daten ist Cortisongabe bei septischem Schock nicht mehr zweckmäßig. Solche Studien zeigen, welch großer Aufwand notwendig ist, um verläßliche Daten nur über die Wirkung eines Arzneimittels bei einer speziellen Indikation zu erhalten. Leider kann klinische Erfahrung solche quantitative Studien nicht ersetzen und dies dürfte der Hauptgrund sein, daß Wirkungen von Arzneimitteln solange kontrovers bleiben, bis solche gut geführten Studien, wie die oben diskutierten, eine verläßliche Antwort geben.

Literatur:
1: N. Engl. J. Med. 317, 659, 1987
2: N. Engl. J. Med. 317, 653, 1987

 

P.b.b. Erscheinungsort Verlagspostamt 1010 Wien

Dienstag, 12. November 1996

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