search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

home>pr>presse>2019>51.html

Gemeinsame Medieninformation der Medizinischen Universität Innsbruck und der Charité - Universitätsmedizin Berlin

Neue Gentherapie zur Behandlung von Epilepsie

  • Körpereigener Wirkstoff wird bei Bedarf freigesetzt
  • Vorklinische Studie zeigt langanhaltende Anfallsfreiheit
  • Gewinn für therapieresistente EpileptikerInnen

Forschungsgruppen der Medizinischen Universität Innsbruck  und der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben einen grundlegend neuen Ansatz zur Behandlung von Temporallappen-Epilepsie entwickelt: Eine Gentherapie soll ermöglichen, dass beginnende Krampfanfälle gezielt am Ort ihrer Entstehung und nur bei Bedarf unterdrückt werden. Die Methode erwies sich im Tiermodell als erfolgreich und soll nun für die therapeutische Anwendung bei Patientinnen und Patienten optimiert werden. Veröffentlicht wurden die Studienergebnisse in der Fachzeitschrift EMBO Molecular Medicine*.

Fotos zum Download:

 

Die Aufnahme zeigt immunhistochemisch gefärbte Nervenzellen im Hippokampus des Gehirns (Tiermodell). Für den neuen gentherapeutischen Ansatz wird hier ein zusätzliches Gen eingeschleust, sodass die Zellen bei Bedarf Dynorphin ausschütten. © Schwarzer/MUI.

Der Neurobiologe Christoph Schwarzer forscht am Institut für Pharmakologie der Medizin Uni Innsbruck. © MUI/F. Lechner

Innsbruck/Berlin, am 30.10.2019: Europaweit sind rund 5 Millionen Menschen von Epilepsien betroffen.  Charakteristisch sind wiederkehrende, synchrone Entladungen von Nervenzellen, die zu einer Unterbrechung der normalen Hirnfunktion führen und sich als epileptischer Anfall äußern. Die häufigste Form ist die Temporallappen-Epilepsie (TLE), bei der diese Anfälle vom Schläfenlappen ausgehen. Langzeitfolgen der Erkrankung können Störungen der Gedächtnisfunktion, der Lernfähigkeit und der Emotionskontrolle sein. Zusätzlich schränken Arbeits-, Verkehrs- und Sportuntauglichkeit die Lebensqualität der Betroffenen ein. Hinzu kommt, dass die Medikamente bei TLE-PatientInnen häufig nicht ausreichend wirksam und zusätzlich oft mit schweren Nebenwirkungen verbunden sind.

Für diese PatientInnengruppe ist die chirurgische Entfernung der betreffenden Region im Schläfenlappen oftmals die einzige alternative Therapieoption. Eine solche Operation führt jedoch zu kognitiven Verlusten und garantiert keine Anfallsfreiheit. Einen grundlegend neuen Ansatz zur Behandlung von therapieresistenten TLE-Betroffenen hat der Neurobiologe Christoph Schwarzer vom Institut für Pharmakologie der Medizinischen Universität Innsbruck jetzt in Zusammenarbeit mit Regine Heilbronn, Direktorin des Instituts für Virologie am Charité Campus Benjamin Franklin, entwickelt.

„Drug on demand“: Präzisionsmedizin mit viralem Vektor

Die neue Methode basiert auf einer gezielten Gentherapie, mit der ein spezielles Gen selektiv in die Nervenzellen jener Gehirnregion eingeschleust wird, von der die epileptischen Anfälle ausgehen. Das Gen liefert die Produktionsanweisung für Dynorphin, eine körpereigene Substanz, die vor übermäßiger neuronaler Erregung schützen kann. Sobald die Neuronen das Gen aufgenommen und gespeichert haben, produzieren sie dauerhaft den Wirkstoff auf Vorrat. „Bei hochfrequenter Stimulation der Nervenzellen, wie zu Beginn eines Anfalls, wird Dynorphin ausgeschüttet. Es bewirkt eine Dämpfung der Reizweiterleitung und der epileptische Anfall bleibt aus“, beschreibt der Epilepsie-Experte Christoph Schwarzer die Methode. „Da der Wirkstoff nur bei Bedarf von den Zellen abgegeben wird, sprechen wir von einer ‘drug on demand‘-Gentherapie.“

Das Forschungsteam konnte jetzt im Tiermodell zeigen, dass die Gentherapie epileptische Anfälle über mehrere Monate unterdrückt. Mit den Anfällen blieben auch deren negative Effekte auf Lernen und Gedächtnis aus. Nebenwirkungen haben die WissenschafterIinnen bisher nicht beobachtet, was sich durch die regional und zeitlich beschränkte Wirkung der Dynorphin-Ausschüttung erklären lässt. Durch die bedarfsgesteuerte Freisetzung wurden auch keine Gewöhnungseffekte festgestellt. Zusätzlich testeten die Forschungsgruppen das Behandlungsprinzip auch an Gewebeproben von EpilepsiepatientInnen – mit Erfolg: Dynorphin konnte die Stärke und Häufigkeit synchroner Neuronen-Aktivität im Gewebeverbund deutlich reduzieren.

„Die Ergebnisse unserer Studie stimmen uns zuversichtlich, dass der neue Therapieansatz auch bei Menschen Erfolg zeigen könnte“, sagt Christoph Schwarzer. „Wir nutzen als Transportvehikel für das Dynorphin-Gen sogenannte Adeno-assoziierte Viren, die bereits zur Therapie bei Menschen zugelassen sind und als sicher gelten“, so Heilbronn. Die neue Gentherapie wollen Christoph Schwarzer und Regine Heilbronn nun schnellstmöglich klinikreif machen. „Wir arbeiten derzeit daran, die virale Genfähre für die Anwendung am Menschen zu optimieren“, erklärt Christoph Schwarzer. „Unser Ziel ist, das Gentherapeutikum in wenigen Jahren als Arzneimittel erstmals in der klinischen Testphase einsetzen zu können.“ Zeigt sich die Behandlung erfolgreich, würde TLE-Betroffenen, bei denen eine medikamentöse Behandlung nicht wirksam ist, eine minimalinvasive Einmaltherapie als weitere Behandlungs-Alternative zur Verfügung stehen.

Das gemeinsame Forschungsprojekt wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

*Link zur Forschungsarbeit: https://doi.org/10.15252/emmm.201809963

 

Details zur Medizinischen Universität Innsbruck

Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.000 MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.

Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das BachelorstudiumMolekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.

Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.

 

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Die Charité – Universitätsmedizin Berlin ist mit rund 100 Kliniken und Instituten an 4 Campi sowie 3.001 Betten eine der größten Universitätskliniken Europas. Im Jahr 2018 wurden hier 152.693 voll- und teilstationäre Fälle sowie 692.920 ambulante Fälle behandelt. An der Charité sind Forschung, Lehre und Krankenversorgung eng miteinander vernetzt. Konzernweit sind rund 18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Berliner Universitätsmedizin tätig. Damit ist die Charité eine der größten Arbeitgeberinnen Berlins. Rund 4.536 der Beschäftigten sind im Pflegebereich und 4.357 im wissenschaftlichen und ärztlichen Bereich tätig. Im Jahr 2018 hat die Charité Gesamteinnahmen von mehr als 1,8 Milliarden Euro erzielt. Mit mehr als 170,9 Millionen Euro eingeworbenen Drittmitteln erreichte die Charité einen erneuten Rekord. An der medizinischen Fakultät, die zu den größten in Deutschland gehört, werden mehr als 7.500 Studierende der Humanmedizin und der Zahnmedizin ausgebildet. Darüber hinaus gibt es 619 Ausbildungsplätze in 9 Gesundheitsberufen.

PR & Medien

Für Rückfragen:

ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Christoph Schwarzer

Institut für Pharmakologie

Medizinische Universität Innsbruck

Tel.: +43 512 9003 71205

E-Mail: Schwarzer.Christoph@i-med.ac.at  

 

Medienkontakt:

Medizinische Universität Innsbruck

Public Relations und Medien

Doris Heidegger

Innrain 52, 6020 Innsbruck, Austria

Telefon: +43 512 9003 70083

public-relations@i-med.ac.at, www.i-med.ac.at

 

Für Rückfragen:

ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. Christoph Schwarzer

Institut für Pharmakologie

Medizinische Universität Innsbruck

Tel.: +43 512 9003 71205

E-Mail: Schwarzer.Christoph@i-med.ac.at  

 

Medienkontakt:

Medizinische Universität Innsbruck

Public Relations und Medien

Doris Heidegger

Innrain 52, 6020 Innsbruck, Austria

Telefon: +43 512 9003 70083

public-relations@i-med.ac.at, www.i-med.ac.at