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Nature: Forschungsteams beschreiben Ursache seltener Erkrankung

Zwei Teams, eines um Andrea Ballabio, Leiter des Telethon-Institute für Genetik und Medizin in Neapel, ein weiteres um Lukas A. Huber, Direktor des Instituts für Zellbiologie der Medizin Uni Innsbruck, haben in der Fachzeitschrift „Nature“ beschrieben, wie es zur Bildung von Zysten und Tumoren beim BHD-Syndrom kommt und wie sie gehemmt werden kann. Diese Erkenntnis hilft nicht nur betroffenen Menschen, sondern soll auch zum besseren Verständnis anderer „Seltener Erkrankungen“ beitragen.

1977 entdeckten drei kanadischen Ärzte das nach ihnen benannte seltene, autosomal dominant vererbte Birt-Hogg-Dubé (BHD) Syndrom. Diese Erkrankung wurde in über 100 Familien auf der ganzen Welt beschrieben. Das gemeinsame Merkmal dabei ist die Tendenz, Nieren- und Lungenzysten sowie Hautläsionen zu bilden. Die Nierenzysten verschlechtern sich dabei häufig und bilden maligne entartete Tumoren. Nun haben zwei europäische Forschungsteams aus Italien und Österreich herausgefunden, wie es hier zur Bildung von Zysten und Tumoren kommt, beziehungsweise, wie deren Wachstum gehemmt werden kann.

Als Katalysator dieser Entdeckung diente der Austausch der jeweiligen Expertisen im Bereich der Molekularbiologie, im Speziellen das Wissen um die Funktionsweise der involvierten Proteinkomplexe:  Ein Team des Telethon-Institute für Genetik und Medizin (Tigem) in Neapel untersuchte das Gen TFEB, das die zelluläre Reaktion auf externe Reize (Nähstoffaufnahme) über lysosomale mTOR Signalwege koordiniert. Das zweite Team um Lukas Huber vom Institut für Zellbiologie der Medizin Uni Innsbruck trug maßgeblich zur Entdeckung des LAMTOR/Ragulator Komplexes bei. Dieser Komplex hat eine wichtige koordinative Funktion beim Protein-Transport innerhalb der Zelle inne. Beide Teams können auf langjährige Erfahrungen und erfolgreiche Forschung in diesen Bereichen zurückgreifen.

 Jahrelange Erfahrung

Andrea Ballabio brachte das beschriebene Gen TFEB im Jahr 2009 zum ersten Mal in einer Publikation im renommierten Fachjournal „Science“ ins Rampenlicht und die Innsbrucker ForscherInnen klärten die Struktur des LAMTOR/Ragulator Komplexes 2017, ebenfalls in „Science“, erstmals auf. Seit mehreren Jahren arbeiten beide Arbeitsgruppen daran, die durch diese Gene regulierten zellulären Aktivitäten zu verstehen. Letztendlich haben sich beide gemeinsam auf das Protein mTOR, ein Teil eines Komplexes, der Zellwachstum und Zellzyklus steuert, konzentriert. Mit Erfolg.

mTOR blockiert bei der Nährstoffaufnahme dabei die Wirkung von TFEB. Umgekehrt wird TFEB aktiviert, wenn es an Nährstoffen mangelt und interne Reserven verwendet werden müssen. Dabei kommt ein weiteres Protein als Schlüssel ins Spiel: Folliculin, das ebenfalls zur Blockierung von TFEB beiträgt. Genau dieses Gen ist, so die Erkenntnis, beim BHD-Syndrom mutiert. "Wir haben uns daher gefragt, ob TFEB eine Rolle bei der klinischen Manifestation der Krankheit spielt, und ob eine Intervention in ihre Aktivität eine therapeutische Wirkung haben könnte", beschreiben die beiden Wissenschafter Andrea Ballabio und Lukas A. Huber die Ausgangslage zur Erforschung der Krankheit.

Erstmaliger Nachweis

Die Bestätigung der Theorie erfolgte durch experimentelle Laborarbeit: Als das Folliculin-Gen deaktiviert wurde, wurde die Bildung von zahlreichen Zysten in Nierenzellen beobachtet – so wie bei PatientInnen, die am BHD-Syndrom leiden.  Bei anschließenden Tierversuchen, bei denen das TFEB deaktivierten wurde, beobachteten die italienischen ForscherInnen eine vollständige Genesung mit völligem Verschwinden der Zysten. Am Innsbrucker Institut für Zellbiologie wurde daraufhin ein neuartiger Mechanismus entwickelt, der mTORC1-Substrate rekrutiert.  Darauf aufbauend wurde nachgewiesen, dass die Hauptrolle des Tumorsuppressors Folliculin darin besteht, TFEB anstelle von kanonischen mTORC1-Substraten in ein Phosphorprotein umzuwandeln. Damit gelang erstmals der Nachweis, dass der Nierenphänotyp (Zysten und Nierenzellkarzinom) beim BHD-Syndrom aufgrund der konstitutiven Aktivierung von TFEB auftritt, die wiederum zu einer paradoxen mTORC1-Hyperaktivierung bei dieser Krankheit führt.

 Zukünftiger Nutzen

„Der nächste Schritt wird darin bestehen, zu testen, ob der von den Forschungsteams entdeckte Mechanismus auch bei anderen genetischen Erkrankungen und Tumoren eine Rolle spielt“, so Lukas Huber. Gleichzeitig suchen die Teams bereits nach Molekülen, die die Aktivität von TFEB und mTOR selektiv hemmen.

„Diese Studie zeigt einmal mehr, welche weitreichende Bedeutung das Studium seltener genetischer Erkrankungen hat. Die Seltenheit ist eng mit der Tatsache verbunden, dass sie von grundlegenden biologischen Mechanismen abhängen, und dies macht sie zu einzigartigen Modellen für die Untersuchung der Mechanismen des Lebens. Solche Untersuchungen sind daher nicht nur für diejenigen von Bedeutung, die direkt betroffen sind, sondern möglicherweise auch für Menschen, die von anderen Krankheiten betroffen sind", erklärt Huber abschließend, der seit vielen Jahren, zusammen mit der Universitätsklinik für Pädiatrie I (Direktor Thomas Müller) der Medizin Universität Innsbruck, an seltenen Erkrankungen forscht.

Team Innsbruck, Lukas A. Huber: Mariana Araujo, Taras Stasyk (im Bild) und Manuel Stampfer

Team Neapel, Andrea Ballabio: Gennaro Napolitano, Chiara Di Malta

 

(02.07.2020; Text: David Bullock; Fotos: Titelbild: Nature/Ballabio_Huber; Foto: MUI/Bullock)

 

Link Publikation Nature:

https://doi.org/10.1038/s41586-020-2444-0 

Links Institute: 

Institut für Zellbiologie Innsbruck

Telethon-Institute für Genetik und Medizin Neapel

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Funding:

TWF Araujo: https://www.i-med.ac.at/mypoint/thema/742865.html

FWF Huber: https://www.i-med.ac.at/mypoint/thema/729231.html

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