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Summer School: Entzündung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Fokus

Im Rahmen des seit 2008 laufenden EU-Forschungsprojektes TOLERAGE trafen sich Anfang Oktober junge WissenschafterInnen zur Summer School im Universitätszentrum Obergurgl. An der von Projektkoordinator em.Univ.-Prof. Georg Wick und Cecilia Grundtman (Sektion für Molekulare Pathophysiologie, Biozentrum) organisierten Veranstaltung wurden neben Vorträgen, auch ausgiebige Diskussions- und Kontaktmöglichkeiten mit internationalen Fachleuten, KlinikerInnen und IndustrievertreterInnen geboten. Im Mittelpunkt stand die entscheidende

Die Entstehung der Arteriosklerose ist hochkomplex. Immer deutlicher wird, dass Entzündungen eine entscheidende Rolle spielen, insbesondere am Beginn der Erkrankung. Die Erforschung dieser Zusammenhänge ist ein brandaktuelles Thema und zieht viele junge WissenschafterInnen an. Zur Summer School „Inflammation and Cardiovascular Disease“, die vom 29.9. bis 2.10. in Obergurgl stattfand und von der Europäischen Arteriosklerose-Gesellschaft, dem FR-7 EU Projekt TOLERAGE und dem Land Tirol unterstützt wurde, waren 40 TeilnehmerInnen ausgewählt worden, von denen einige Poster präsentierten oder Kurzvorträge hielten, dazu gab es von 16 geladenen ExpertInnen aus der Schweiz, Österreich, Deutschland, Großbritannien und Italien Referate. Den jungen WissenschafterInnen wurde dabei eindrucksvoll vor Augen geführt, dass es keine einfachen Lösungen im Herz-Kreislauf-Bereich gibt und die Zusammenhänge oft komplizierter sind als gedacht.

Neue Erkenntnisse

Konzentrierte sich das Interesse der Arteriosklerose-Forschung früher stark auf Cholesterin, das lange Zeit als Hauptverursacher der Krankheit galt, wird die Entstehung der Arteriosklerose heute als hochkomplexer Prozess gesehen, in dem Auslöser und Folgeerscheinungen auseinanderzuhalten sind.

Prof. Jens Fischer von der Universität Düsseldorf erzählte in seinem Vortrag etwa die Geschichte der Hormonersatztherapie als Beispiel für den Einfluss von Hormonen auf die Entstehung von Arteriosklerose. Lange Zeit galt es als sicher, dass Östrogene vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Schließlich ist es eine bekannte Tatsache, dass Frauen vor der Menopause seltener erkranken als Männer - dass sie nach der Menopause allerdings „aufholen“. Diese Beobachtung erfolgreich klinisch umzusetzen, scheiterte allerdings bisher. Die Hormonersatztherapie bei Frauen nach der Menopause brachte keinen Erfolg: Die Hormone schützten in großen klinischen Studien nicht vor kardiovaskulären Erkrankungen. Jetzt wird weiter erforscht, ob sich die Therapie nicht so optimieren läßt, dass sie doch einen Vorteil bringt. Ein spektakulärer Fehlschlag in den 60er Jahren war übrigens, Männer mit Östrogen zu behandeln, was die Herzinfarkt-Rate sogar erhöhte.

Ein weiteres interessantes Thema bildete die Rolle der Matrix-Metalloproteinasen (MMPs), vorgestellt von Jason Johnson von der Universität Bristol. Es handelt sich dabei um Enzyme, die bestimmte Proteine des Bindegewebes zerschneiden und abbauen können. Einige von ihnen sind dafür verantwortlich, dass die arteriosklerotischen Plaques leichter aufbrechen und somit zu gefährlichen Blutgerinnseln führen. Das Aufbrechen der Plaques wiederum ist eine der Hauptursachen für Herzinfarkt. Ein naheliegender Gedanke wäre daher, die Matrix-Metalloproteinasen zu blockieren. Doch nun stellt sich heraus, dass einige MMPs wiederum eine schützende Funktion im Krankheitsgeschehen zu haben. Es ist also keine Lösung, breit wirksame Inhibitoren der MMPs einzusetzen. Gesucht wird nun nach Wegen, nur die schädlichen Einflüsse der MMPs selektiv zu blockieren, die nützlichen aber unangetastet zu lassen.

Viele Einflussfaktoren - ein Effekt

Ob Rauchen, hohes Cholesterin, Bluthochdruck, Diabetes, Infektionen, Hormone und andere Risiken - sie alle tragen zur Gefäßverkalkung bei. Diese sehr unterschiedlichen Einflüsse haben erstaunlicherweise alle eine ähnliche Wirkung: die Verhärtung und Verengung von Blutgefäßen, die zu Schlaganfall und Herzinfarkt führen kann. Es muss also einen gemeinsamen Auslöse-Mechanismus geben, der - unabhängig vom jeweils wirksamen Risikofaktor - immer ähnlich abläuft. Ist dieser bekannt, können neue Strategien zur Vorbeugung oder Heilung entwickelt werden. Mittlerweile weiß man, es sich bei der Arteriosklerose im Anfangsstadium um eine Entzündung, also eine aktive Immunreaktion handelt.

Em.Univ.-Prof. Georg Wick und sein Team haben in den letzten Jahren ein „Autoimmunes Modell“ der Arteriosklerose-Entstehung entwickelt, das kürzlich in zwei Übersichtsartikeln beschrieben wurde. Demnach haben alle bekannten Risikofaktoren eines gemeinsam: Sie stressen die Zellen der Gefäß-Innenwände. Diese reagieren, indem sie das Hitzeschock-Protein 60 (hsp60) an ihre Oberfläche bringen, wo es aber nicht hingehört. Hitzeschockproteine liegen normalerweise im Zellinneren, werden unter Stressbedingungen aber auch an die Zelloberfläche transportiert. Die T-Zellen des Immunsystems werden davon angelockt, haften mit Hilfe von sogenannten Adhäsionsmolekülen, die gleichzeitig mit den Hitzeschockproteinen auftauchen, an der Gefäßwand fest und wandern schließlich in diese ein, es kommt zur Entzündung. Zwar erkennt das Immunsystem normalerweise, dass es überreagiert und beruhigt sich wieder, wenn der Gefäß-Stress aufhört. Bleibt er aber über Jahre oder gar Jahrzehnte bestehen, entwickelt sich die Krankheit weiter. Aus der chronischen Entzündung entsteht eine Arteriosklerose. Das im 7. EU-Rahmenprogramm laufende Forschungsprojekt TOLERAGE, das von Prof. Wick koordiniert und von der Innsbrucker Firma CEMIT administrativ gemanagt wird, zielt darauf ab, die Immunreaktion im Alter wieder zu normalisieren, indem das Immunsystem lernt, die körpereigenen Hitzeschockproteine wieder zu tolerieren und nicht länger mit einer Entzündung zu bekämpfen: Eine „Schluckimpfung“ soll das Immunsystem nicht aufstacheln, sondern besänftigen (=Immuntoleranz). Dies funktioniert bei Mäusen bereits: Werden sie mit hsp60 gefüttert, bleiben sie von Arteriosklerose verschont.

Damit die nützliche Immunantwort auf Infektionen erhalten bleibt, wurden von den TOLERAGE-ForscherInnen in einem nächsten Schritt jene Teile des HSP60-Proteins identifiziert, gegen die die T-Zellen bei der Arteriosklerose-Entstehung reagieren und damit Ziel des Impfstoffes sind. Nach erfolgreicher Erprobung des Impfstoffes an Mäusen, wäre die Durchführung einer klinischen Studie beim Menschen der nächste Schritt. Das wollen die TOLERAGE-Forscher in einem Folgeprojekt durchführen.