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Warnsignale bei Suizid und Alkoholmissbrauch: Jeder kann etwas tun!

Medizin für Land und Leute zu Gast in Umhausen. Der Vortragssaal im Gasthof Andreas Hofer in Umhausen war bis auf den letzten Platz besetzt: Die Themen Alkoholmissbrauch und Suizidprävention - vorgetragen von führenden Psychiatern der Medizinischen Universität Innsbruck - hatten berührt und betroffen gemacht, aber auch gleichzeitig die Frage "Was kann ich persönlich tun?" geweckt. Prof. Dr. Wolfgang Fleischhacker, Leiter der Univ. Klinik für Biologische Psychiatrie, referierte über "Alkohol - Genussmittel oder Problem". Prof. Dr. Eberhard Deisenhammer, Univ. Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Sozialpsychiatrie, sprach über das Thema Suizid und Suizidprävention. Begrüßt wurden die rund 60 Interessierten von Bürgermeister LA Mag. Jakob Wolf und Vizerektor Prof. Dr. Norbert Mutz sowie der Imster Bezirksobfrau Forum Land, Claudia Hirn-Gratl.

Die offiziellen Zahlen zum Suchtverhalten in Österreich machen betroffen: Derzeit werden 330.000 Alkoholabhängige und 900.000 Gefährdete gezählt - dem gegenüber stehen zwei Millionen RaucherInnen und 20.000 von illegalen Drogen Abhängige. 5 Prozent der männlichen Bevölkerung sind alkoholkrank, im Gegensatz zu 2 Prozent der Frauen, 15 Prozent der Alkoholkranken sterben durch Suizid. Die Lebenserwartung Alkoholkranker vermindert sich um 20 Jahre. Eine Definition zum Suchtverhalten lieferte Prof. Fleischhacker gleich nach: Wenn die Beschaffung, Einnahme und Wirkung des Suchtmittels zum zentralen Element des Lebensinteresses werden, spricht man von Abhängigkeit oder Sucht. Faktoren für Suchtrisiko sind erbliche Belastung, Umweltfaktoren und eine reduzierte Alkoholempfindlichkeit. Fleischhacker warnte davor, dass einerseits unterschiedliche Interessensgruppen das Problem beschönigen und Alkoholkonsum als etwa sehr Anstrebenswertes darstellen, zusätzlich aber auch prinzipiell in der österreichischen Mentalität ein Hang zur Bagatellisierung des Alkoholmissbrauchs zu erkennen ist.

Warnsignale bei Alkoholmissbrauch

Typische Warnsignale für Alkoholmissbrauch sind das Anlegen von Vorräten, heimliches Trinken - klassisch bei Frauen - Veränderungen des Trinkstils (mehr Hochprozentiges, schneller, öfter, oft schon am Morgen), so genannte Trinkalibis als Pseudobegründung für Alkoholkonsum, die Vernachlässigung anderer Interessen und sozialer Kontakte, Probleme mit dem Gesetz bis zum Zustand, dass Alkohol zum Medikament wird, um überhaupt noch "normal" zu funktionieren. Alkoholabhängigkeit entwickle sich aber nicht plötzlich, sondern könne sich oft erst nach Jahren manifestieren. Ein Schritt in diese gefährliche Richtung sei es beispielsweise, auftretende Entzugserscheinungen mit erneutem Alkoholkonsum ('Reparaturachterl') zu bekämpfen.

Vorbeugung von Alkoholmissbrauch

In der Vorbeugung spielen einerseits Erziehung und Vorbildwirkung der Eltern eine wichtige Rolle. Zu weiteren vorbeugenden Maßnahmen zählen Bewusstseinsbildung und Information, die Vermeidung von Gruppendruck, von regelmäßigem Konsum, die Stärkung des Gesundheitsbewusstseins oder das möglichst frühe Erkennen eines Risikoverhaltens. Prinzipiell ist Alkoholabhängigkeit gut behandelbar, je früher, desto erfolgreicher.

Suizidrate in Österreich: 15,2

Den zweiten Vortrag hielt Prof. Dr. Eberhard Deisenhammer zum Thema 'Suizidprävention geht uns alle an'. Weltweit passiere alle zwei Minuten ein Selbstmord. In Österreich töten sich 1.300 Menschen selbst, damit ist der Suizid die achthäufigste Todesursache bei uns, bei den 15 bis 39-jährigen sogar die zweithäufigste. 90 Prozent der Suizidversuche geht eine psychiatrische Erkrankung voraus. Die Suizidrate (Suizide auf 100.000 Personen pro Jahr) liegt in Tirol bei 13,3. Bei älteren Personen ist die Suizidrate am höchsten, am häufigsten betroffen sind ältere Männer ab 80 Jahren. Suizidversuche hingegen werden vorwiegend von jüngeren Frauen durchgeführt.

Warnsignale beachten: 27 Prozent der Suizide vermeidbar

Suizide passieren selten unangekündigt - fast immer gebe es direkte oder indirekte Warnsignale, die alle ernst genommen werden müssen, "denn im Nachhinein ist es zu spät!" Es gibt viele wirkungsvolle Maßnahmen, um Suizide zu verhindern, deshalb geht die Suizidverhütung uns alle an. Einschneidende Lebensveränderungen beispielsweise in der Beziehungssituation steigern das Risiko. Gefährdet sind auch Menschen mit psychiatrischen oder schweren körperlichen Erkrankungen, vereinsamte, isolierte Personen und Arbeitslose. "Wir sprechen von einer suizidalen Krise. Das beinhaltet, dass diese kurzzeitig auftritt und auch wieder vorbei geht", erklärte der Psychiater. "Kennzeichnend für Personen in dieser suizidalen Krise ist ihr so genannter Röhrenblick - eine eingeengte Sichtweise auf das Problem und Lösungen." Ernstzunehmende Signale sind Depression und Freudlosigkeit, Schlafstörungen, sozialer Rückzug. Oft kommen auch körperliche Beschwerden dazu, auch plötzliche Aggressionen, Träume mit Todesinhalten, eine 'unheimliche Ruhe' der Person oder gesteigerter Suchtmittelkonsum gelten als Hinweise auf einen drohenden Suizid.

Telefonseelsorge 142

Studien zeigen, dass Zugangsbeschränkungen zu Orten oder zu Tötungsmitteln (Medikamente, Schusswaffen, usw.) einen Rückgang an Suiziden bewirken. Die Betroffenen sind oft so sehr auf die Suizidmethode konzentriert sind, dass sie - ist diese nicht durchführbar, vom Suizid ablassen. "Deshalb versuchen wir auch in Tirol, auf Häufungen von Suiziden zu achten und sog. 'hot spots' zu entschärfen. Da dies natürlich - etwa bei baulichen Maßnahmen - mit Kosten verbunden sein kann, ist es wichtig, immer wieder auf die wissenschaftlich erwiesene suizidpräventive Wirkung solcher Zugangsbeschränkungen hinzuweisen", so Prof. Deisenhammer. "Und in keinem meiner Vorträge über Suizid versäume ich es, die oft wichtigste erste Anlaufstelle für Betroffene zu nennen: die Telefonseelsorge mit der Telefonnummer 142."