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Im Fokus: Das Förderband der Ribosom-Maschinerie

In einer aktuellen, soeben in Nature Chemical Biology veröffentlichten Forschungsarbeit aus der Sektion für Genomik und RNomik des Innsbrucker Biozentrums wird der Transport der Transfer-RNAs (tRNAs) unter die Lupe genommen. Auf diesem Weg fand das Team um Mag. Nina Clementi und Priv.-Doz. Norbert Polacek einen essentiellen molekularen Schalter für einen der grundlegendsten Mechanismen des Lebens, die Proteinherstellung.

Die Herstellung von Eiweißstoffen (Proteinen) verläuft in allen Zellen - egal ob Hefe, Tier, Pflanze oder Mensch - auf dieselbe Weise: Der genetische Code, die Bauanleitung für Proteine, wird von der DNA abgelesen, eine Boten-RNA bringt ihn zum Ribosom, der Proteinfabrik der Zelle, und dort wird er in eine Abfolge aus Aminosäuren übersetzt. Diese werden miteinander zu einer Peptidkette verknüpft - es entsteht ein Protein.

Aufklärung der molekularen Mechanismen

Die Innsbrucker Wissenschaftler Norbert Polacek vom Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck (Sektion für Genomik und RNomik) und Ronald Micura von der Leopold-Franzens-Universität haben in den letzten Jahren entscheidend dazu beigetragen, den molekularen Mechanismus der Proteinherstellung aufzuklären. In ihrer neuesten Arbeit, die von Nina Clementi aus Polaceks Gruppe federführend durchgeführt wurde, untersuchen sie das „Förderband“ der Ribosom-Maschinerie: es geht um den Transport der Transfer-RNAs (tRNAs). Die Arbeit fand im Rahmen des GENAU-Projekts zu nichtkodierenden RNAs statt, das von der Innsbrucker Firma CEMIT gemanagt wird und wurde auch vom FWF gefördert.

Speziell entwickelte Untersuchungsmethode

tRNAs sind die Träger der Aminosäuren, die im Ribosom zum Peptid verknüpft werden. Wenn sie ihre „Fracht“ abgeliefert haben, machen sie rasch Platz für die nächsten, mit neuen Aminosäuren beladenen tRNAs. Damit das Weiterrutschen der tRNA reibungslos funktioniert, muss eine chemische Reaktion am Ribosom stattfinden: die Hydrolyse des Energieträgers GTP an dem Enzym EF-G (elongation factor - G). Es lag nahe, dass das Ribosom selbst über einen „Schalter“ verfügt, der diese Reaktion auslöst. Doch wo dieser Schalter sitzt, war unklar.

Um dies herauszufinden, wandten die Innsbrucker Wissenschaftler das von Polacek und Micura entwickelte Verfahren der atomaren Mutagenese an. Der Molekularbiologe Polacek schneidet kleine Stücke der ribosomalen RNA gezielt heraus, und der organische Chemiker Micura stellt die passenden Ersatzteile her: künstliche Stücke ribosomaler RNA, die nur in einzelnen Atomen vom natürlichen Vorbild abweichen. Anschließend testen die Wissenschaftler, wie sich der Austausch einzelner Atome oder Atomgruppen auswirkt – in diesem Fall auf die Fähigkeit des Ribosoms, die Hydrolyse von GTP – EF-G auszulösen.

Mit diesem Verfahren wurden Nina Clementi und andere Mitarbeiter fündig: Der „Schalter“, mit dem das Ribosom die Hydrolyse auslöst, ist eine Aminogruppe der Nukleotidbase Adenin 2660. „Wir vermuten, dass eine bestimmte Art der chemischen Wechselwirkung zwischen der Nukleotidbase und dem Enzym EF-G, das `Stapeln´ elektronenreicher Ringsysteme, für die entscheidende Konformationsänderung verantwortlich ist“, so die Studienautoren. Diese läßt den „Schalter“ umkippen und löst die Hydrolyse und in Folge den Weitertransport der tRNAs aus. Wie entscheidend diese Nukleotidbase ist, zeigt auch die Tatsache, dass Gifte wie das hochtoxische Rizin in unmittelbarer Nähe binden. Sie wirken, indem sie die Proteinherstellung blockieren.