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Neue Zellmorphologie nach Wirbelsäulenverletzung

Einen Zusammenhang zwischen Verletzungstyp und der Entstehung bisher nicht beschriebener Zellmorphologien in der menschlichen Bandscheibe konnte kürzlich eine Forschungsgruppe um OA Dr. Anton Kathrein und FÄ Dr.in Ingrid Sitte von der Universitätsklinik für Unfallchirurgie (Direktor Univ.-Prof. Michael Blauth) veröffentlichen. Eine dieser Zellen - die "Ballon-Zelle" - tritt nach Kompressionsverletzungen im vorderen Teil der Bandscheibe auf.

Wie geht der Zelltod nach Bandscheibenverletzungen vonstatten? Auf die Beantwortung dieser Frage zielte die seit 2002 vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank geförderte prospektive Studie von Dr.in Ingrid Sitte, Leiterin des Morphologischen Labors der Universitätsklinik für Unfallchirurgie ab. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Kristian Pfaller, Sektion für Histologie und Embryologie, Mag. Florian Pedross vom Department für Medizinische Statistik, Informatik und Gesundheitsökonomie und Prof. Dr. Sally Roberts vom Centre for Spinal Studies in Oswestry (UK) wurden stark geschädigtes Bandscheibengewebe aus der Halswirbelsäule sowie Proben aus dem - morphologisch ähnlich aufgebauten - Bandscheibengewebe des Schweins untersucht. Erstmals wurden genaue Untersuchungen zum Zelltod und Überleben von Bandscheibenzellen nach Trauma im Elektronenmikroskop durchgeführt.

Zelltod und mögliche Zellmutation hin zur Reparaturzelle

Die Resultate der Forschungsarbeit lassen eine klare Aussage über das Ausmaß der Schädigung von Bandscheibengewebe bis hin zu genauen Dokumentationen verschiedener Formen des Zelltods zu. Aus vorangegangenen Untersuchungen ist bekannt, dass Kompressionsverletzungen im Knorpelgewebe und der Wirbelsäule zum Zelltod führen. Die vorliegende Studie beschreibt eine zusätzliche Form des Zelltods für die Bandscheibe, die bislang nur im Gelenksknorpelgewebe gefunden worden war und Ähnlichkeit zur bereits beschriebenen Form der Apoptose aufweist: die Chondroptose. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Morphologie des Zelltods nach Kompression in einem deutlich höheren Ausmaß auftritt. Im Zeitraum von null bis drei Tagen nach Trauma konnte dazu noch ein bislang unbekannter Zelltyp entdeckt werden. Dr.in Sitte: „Die sogenannte Ballon-Zelle, die bislang weder im Bandscheibengewebe noch im Knorpelgewebe beschrieben wurde, tritt nach Kompressionsverletzungen im vorderen Anteil der Bandscheibe auf“. Mit Hilfe von transmissions-elektronenmikroskopischen Untersuchungen hat die Forschungsgruppe diesen neuartigen Zelltyp charakterisiert. Aufgrund der Zellmorphologie ließen sich bis zu 50% der gesamten Zellen diesem Typ zuordnen. Laut Dr.in Sitte zeichnet sich die „Ballon-Zelle“ durch einen fast vollständig homogenen Zellkern aus. Solche Zellkerne, bei denen es zu einer Entspiralisierung des Heterochromatins kommt und die fast ausschließlich Euchromatin zeigen, finden sich normalerweise nur bei hochaktiven Zellen, wie etwa in entzündlichen Geweben oder beim Multiplen Myelom: Ein gesunder Zellkern lässt sich in der Bildgebung als inhomogen beschreiben.

Frakturtyp bestimmt Zelltod und weitere Zellaktivität

Zwischen einwirkender Kraft und Zellmorphologie besteht nachweisbar ein Zusammenhang. „Die Art der Verletzung der Halswirbelsäule hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Zellmorphologie. So konnten wir nach Rotationsverletzungen, bei denen wenig Kompressions-, sondern vor allem Scher- und Zugkräfte wirken, keine Ballon-Zellen nachweisen; wir können aber mit Sicherheit sagen, dass es nach Kompressionsverletzungen, auch in Kombination mit Scher- und Zugkräften auf die Wirbelsäule, zur Bildung solcher wahrscheinlich aktiver Zellkerne kommt“, erklärt Projektleiterin Sitte. Bislang wurde Knorpelgewebe nur wenig Regenerationsfähigkeit zugeschrieben. Ob spezielle Umstände wie z. B. der Degenerationsgrad die Regeneration beeinflussen und wie sich Zellen in geschädigtem Bandscheibengewebe weiter verhalten, müssen Folgeuntersuchungen zeigen. Da die „Ballon-Zelle" bislang nur nach Kompressionsverletzungen nachweisbar war und bei gesundem Bandscheibenmaterial von Schweinen nicht nachgewiesen werden konnte, stellt sich die Forschungsgruppe nun der Frage, ob es sich hierbei um eine Spontanmutation handelt, die die Zelle zu einer nützlichen Reparaturzelle werden lässt.

Die Forschungsergebnisse wurden im Jänner dieses Jahres im renommierten Fachmagazin Spine veröffentlicht.