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Bioethik in der Medizin

In einer Zeit, in der die Erkenntnislage dem raschen technologischen Fortschritt kaum mehr vorgreifen kann, muss sich die verantwortungsvolle Medizin auch stets neuen Fragen und Herausforderungen stellen. Als Leiterin von Ethucation, dem Netzwerk für Bioethik in Lehre und Fortbildung, versucht ao. Univ.-Prof.in Gabriele Werner-Felmayer vom Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck eine "Brücke zwischen Fakten und Werten" zu schlagen.

Ethucation wurde im September 2007 an der Medizinischen Universität eingerichtet, um eine grundsätzliche Sensibilisierung für die Vielschichtigkeit bioethischer Fragestellungen und Problemfelder zu erreichen. „Als akademische Einrichtung“, so ist die Biochemikerin Werner-Felmayer überzeugt, „hat die Medizinische Universität den Auftrag, ethische Grundzüge zu lehren“. Dabei geht es der Plattform Ethucation, weniger um die Weitergabe strenger Medizinethik, als vielmehr um die Intensivierung eines Nachdenkprozesses, in dem auch ein philosophisch breites Diskussionsspektrum geboten wird. Das Netzwerk agiert daher konsequent interdisziplinär.

Die Ethik-Debatte als interdisziplinärer Austausch

Die Vermittlung bioethischer Inhalte an Studierende wurde unlängst im Rahmen der Blockseminars „Bioethik in der Medizin“ praktiziert und konnte in seiner Auslegung diesem breit angelegten Anspruch gerecht werden. Insgesamt vier Mal an jeweils zwei Tagen im November und Dezember wurden komplexe medizinische Inhalte aus klinischer wie aus bioethischer Sicht beleuchtet und diskutiert. So stand im ersten Blockseminar Anfang November das Thema Organtransplantation im Mittelpunkt. Die Transplantationschirurgen Dr. Matthias Biebl und Dr. Manuel Maglione berichteten am ersten Vorlesungstag über Erfahrungen und Abläufe bei Organverpflanzungen. Der Perspektivenwechsel vollzog sich für die Studierenden am folgenden Tag, als Univ-Prof.in Silke Schicktanz, Bioethikerin an der Medizinischen Universität Göttingen, das Thema aus der Sicht von PatientInnen und SpenderInnen anhand von Interviews beschrieb, welche im Zuge eines EU-Projekts abgewickelt worden waren. Dieser interdisziplinäre Seminarcharakter zeichnete auch das zweite Blockseminar aus, in dem Univ.-Prof. Jörg-Ingolf Stein, Kardiologe an der Univ.-Klinik für Pädiatrie III, über „Pränataldiagnostik“ referierte. Ergänzend dazu berichtete Univ.-Ass. Dr.in Renate Pletzer, Juristin mit Spezialgebiet Arzthaftungsrecht an der Universität Salzburg, über Urteilssprüche in diesem Zusammenhang. Im dritten Block ging es um „Persönlichkeitsveränderungen durch neurodegenerative Erkrankungen“ – aufbereitet wurde das Thema von ao.Univ.-Prof.in Margarete Delazer, Mag.a Elisabeth Karner, beide von der Univ.-Klinik für Neurologie sowie von Univ.-Prof. Günther Sperk von der Pharmakologie und Univ.-Prof. Josef Quitterer, Christliche Philosophie, Leopold-Franzens Universität. In der vierten Seminareinheit schließlich wurden „Entscheidungen am Lebensende“ behandelt, wozu Dr.in Elisabeth Medicus als Ärztliche Leiterin des Hospiz Innsbruck und Alberto Bondolfi, Ethikprofessor an der Universität Lausanne, Stellung nahmen.

Vom Lehrinhalt zur Verinnerlichung

Dass die Einarbeitung bioethischer Fragestellungen in den Lehrplan des Medizin-Studiums einen Entwicklungsprozess darstellt, ist für Werner-Felmayer immer wieder evident: „Ein zentraler Schritt ist dabei die Vernetzung der Lehrenden, nur dann kann Bioethik als grundsätzlicher Aspekt in allen Fächern integriert werden und Raum gewinnen“. Das Medizin-Curriculum bietet den Studierenden ein sehr anspruchsvolles, praxisnahes Studium, bei dem der Bioethik derzeit aber noch relativ wenig Platz eingeräumt wird. Zwar gäbe es bereits wertvolle Schritte in diese Richtung: etwa durch das Ethik-Begleitseminar für Sezierübungen am Department für Anatomie, Histologie und Embryologie, die Ethikeinheit als Teil der Vorlesung über Stammzellen und Klonen von Univ.-Prof. Lukas Huber vom Innsbrucker Biozentrum, die Vorlesung zu „Good Scientific Practice“ von Univ.-Prof. Peter Loidl oder die von Werner-Felmayer gestaltete Lehrveranstaltung „Ethics and Misconduct in Biomedicine“, die beide im Rahmen des Doctor of Philosophy (PhD) Doktoratsstudiums angeboten werden. In zahlreichen weiteren Lehrveranstaltungen werden bioethische Aspekte von den Lehrenden eingebracht – wie eine Umfrage ergab -, deren Ziel eine bessere Sichtbarmachung des Vorhandenen ist. Auch die Kooperation der Abteilung für Lehre und Studienangelegenheiten unter der Leitung von Mag.a Martina Heidegger mit der Leopold-Franzens-Universität in Form des Weiterbildungsformats „Kompetenzenmappe“, in dem Bioethik als Themenbereich angeboten wird, oder auch die am Management Center Innsbruck geführte Ringvorlesung „Good Medical & Clinical Practice“ im Rahmen des Masterstudiums „International Health Care Management“ sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Was aus der Sicht von Ethucation jedoch noch weitgehend fehle, sei eine gewisse Abstimmung. „Ethik muss kultiviert, muss verinnerlicht werden“, sagt Werner-Felmayer, die ihre Rolle deshalb unter einem koordinativen Aspekt sieht. Ehe das ferne Ziel einer Fortbildung für Lehrende unter ethischen Gesichtspunkten erreicht werden könne, brauche es den Wissenschaftsaustausch, eine Begriffsklärung und einen Perspektivenwechsel. Der ethische Blickwinkel müsse ein, jeglicher Forschungs- und Lehrtätigkeit immanenter Aspekt sein, schließt Werner-Felmayer.