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Wie das Ribosom zur Peptidbindung beiträgt

Norbert Polacek vom Biozentrum Innsbruck der Medizinischen Universität und Ronald Micura von der Universität Innsbruck haben herausgefunden, welche funktionelle Atomgruppe der ribosomalen RNA an der Peptidbindung entscheidend beteiligt ist und wie sie dies tut. Ihre neueste Publikation ist soeben online in der Zeitschrift Chemistry & Biology erschienen.

„Wir arbeiten zusammen, seit ich von meinem Postdoc in Chicago nach Innsbruck gekommen bin“, erzählt Norbert Polacek, Dozent an der Sektion Genomik und RNomik der Medizinischen Universität Innsbruck. Ronald Micura, Professor für Organische Chemie, ist Experte für die Synthese künstlich modifizierter RNAs und daran interessiert, eine Brücke von der Chemie in die Molekularbiologie zu schlagen. „Wir ergänzen uns perfekt“, resümiert Polacek. Er hat ein Verfahren entwickelt, um künstlich modifizierte Ribosomen herzustellen. Ribosomen, RNA-Enzyme mit evolutionsgeschichtlicher alter Vergangenheit, sind die Proteinfabriken der Zelle. An ihnen findet die Translation statt, die Übersetzung des genetischen Codes der Boten-RNA in eine Aminosäuren-Abfolge. Die Ribosomen sind somit der Ort einer der wichtigsten chemischen Reaktionen des Lebens, der Verknüpfung von Aminosäuren zu einem Peptid. Wie diese Reaktion molekular vonstatten geht, ist eine Kernfrage der Biochemie und auch für die medizinische Anwendung hochinteressant, denn die Proteinsynthese bei Bakterien zu blockieren ist das Ziel vieler Antibiotika.

Trickreiches Verfahren

Mit Polaceks Verfahren der atomaren Mutagenese ist es möglich, einzelne Atome oder Atomgruppen am Ribosom auszutauschen und in vitro zu verfolgen, inwieweit dieser Eingriff die Peptidsynthese beeinträchtigt. Die ribosomale RNA, die für die Verknüpfung der Aminosäuren zuständig ist, ist von Natur aus so gefaltet, dass ihre beiden Enden extrem nah beieinander liegen. Polacek hatte die Idee, diese beiden Enden durch genetische Manipulation miteinander zu verbinden, und gleichzeitig an anderer Stelle neue Enden einzuführen. Diese neuen Enden legt er so geschickt, dass dazwischen ein kleines Stück RNA verloren geht. Dabei handelt es sich exakt um die Stelle, die für die Peptidbindung entscheidend ist. In einer Art molekularem Puzzlespiel fügt er in die Lücke ein passendes RNA-Stück ein, das an einer einzigen Stelle chemisch verändert ist. Derartig modifizierte RNAs zu synthetisieren ist genau die Expertise von Micuras Gruppe. So entsteht ein spezifisch verändertes Ribosom.

Fähigkeit zur Wasserstoffbrücke

Mit Hilfe dieses Verfahrens haben Polacek und Micura bereits gezeigt, dass eine einzige OH-Gruppe an einem ganz bestimmten Ribosezucker für die Peptidbindung essentiell ist. Zuvor waren Ribosomenforscher davon ausgegangen, dass sich die ribosomale RNA chemisch gar nicht an der Peptidbindung beteiligt. Die neue Veröffentlichung erklärt nun, welche Rolle diese OH-Gruppe spielt. Das Innsbrucker Wissenschaftlerteam hat die OH-Gruppe durch verschiedene andere Atome oder Atomgruppen ersetzt, die unterschiedliche chemische Eigenschaften besitzen. Nur solche Atomgruppen, die ein Proton für eine Wasserstoffbrückenbindung zur Verfügung stellen konnten, waren in der Lage, die Funktion der OH-Gruppe zu ersetzen. Demnach ist es die Fähigkeit zur Wasserstoffbrücke, die diese OH-Gruppe so unersetzlich macht.

Interuniversitäre Zusammenarbeit erklärt fundamentalen Vorgang des Lebens

Dieses Ergebnis fügten Polacek und Micura nun mit den bisherigen Erkenntnissen über die Peptidsynthese zusammen und gelangten zu einem neuen, umfassenden Modell: Die OH-Gruppe sorgt mit ihrer Wasserstoffbrücke dafür, dass die anderen Reaktionspartner genau die richtige Stellung zueinander einnehmen. Sie stellt sicher, dass die wachsende Peptidkette an ihrem Platz bleibt, und dass sich ein Zuckermolekül der Transfer-RNA (tRNA) in einer ungewöhnlichen, aber für die Reaktion notwendigen Konformation befindet. Somit trägt die Zusammenarbeit der beiden Innsbrucker Universitäten durch Polacek und Micura dazu bei, einen fundamentalen Vorgang des Lebens zu entschlüsseln und bietet neue Ansatzpunkte für die therapeutische Forschung.