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Ein Blick in die Vergangenheit

Die Suche nach den Ursprüngen der Menschheit war bisher eine staubige Angelegenheit. Moderne Computertomographen und spezielle Software erleichtern heute die Arbeit der Anthropologen und geben ganz neue Einblicke in die Fundstücke. Und auch die Medizin profitiert von diesen Forschungsergebnissen. Mit einem von der EU finanzierten Trainingsnetzwerk sollen Methoden der Virtuellen Anthropologie weiterentwickelt und in Europa verbreiten werden.

Im Herbst 1991 wurde „Ötzi“, der Tiroler Eismann, am Hauslabjoch entdeckt. Der sensationelle Fund war nicht nur für Historiker, Biologen und Botaniker von großem Interesse, er öffnete auch die Türen für ein neues Forschungsfeld der Radiologie. An der von Prof. Dieter zur Nedden geleiteten Klinischen Abteilung für Radiologie II wurden damals die ersten radiologischen Untersuchungen an der Mumie durchgeführt. Dabei kam auch erstmals die Stereolithographie zum Einsatz, mit der exakte Modelle des Schädels aus Computertomographiedaten hergestellt werden können. Mit Hilfe von spezieller Software entstanden dreidimensionale Rekonstruktionen des Eismanns. Inzwischen werden diese Methoden in der Radiologie routinemäßig eingesetzt und erleichtern zum Beispiel die Vorbereitung und Durchführung von Operationen.

EU unterstützt Netzwerk

Doch auch auf der Suche nach den Ursprüngen der Menschheit finden die Methoden weiterhin Anwendung. Mit der Virtuellen Anthropologie können fossile Knochen standardisiert vermessen, zusammengesetzt, zurechtgebogen und ergänzt werden, und dies alles dreidimensional und am Computer. Die Wissenschafter rekonstruieren am Rechner menschliche Vorfahren, simulieren Wachstumsprozesse und quantifizieren anatomische Merkmale. Der virtuelle Blick legt verborgene innere Strukturen frei, ohne diese zu zerstören. Ein Marie Curie Research Training Network soll die Methoden der Virtuellen Anthropologie nun in Europa weiter verbreiten. Die EU unterstützt das Netzwerk EVAN mit 3,3 Millionen Euro. An dem vom Wiener Department für Anthropologie koordinierten Projekt ist auch die Innsbrucker Radiologie II beteiligt. Unter den 15 Partnerinstitutionen sind Universitäten, Kliniken, private Forschungseinrichtungen, Softwareentwickler und Museen aus sechs europäischen Ländern vertreten. Außerdem ist das Wissenschaftsmagazin „Geo“ mit dabei.

Keine „Konfektionssoftware“

EVAN soll die Entwickler und Anwender der Virtuellen Anthropologie europaweit vernetzen und die existierenden und im Rahmen des Projektes zu entwickelnden Methoden für die Benutzer leicht anwendbar machen. Dennoch, „Konfektionssoftware“ wird es auch in Zukunft nicht geben, erklärt der Wiener Projektkoordinator Prof. Gerhard Weber. „Fossilien sind Einzelstücke. Jedes erfordert eine spezielle Betrachtung.“ Das primäre Ziel des Netzwerkes in den kommenden vier Jahren ist es, junge Wissenschafter an den Verfahren auszubilden und mit deren Anwendungsmöglichkeiten vertraut zu machen. Einige der in der Virtuellen Anthropologie validierten Verfahren sollen nun wieder in der Medizin zum Einsatz kommen. Dafür werden im Rahmen des Netzwerks Trainings- und Forschungsstellen für nicht-österreichische EU-Bürger ausgeschrieben.

Große Erfahrung

In Innsbruck hat man seit der Entdeckung des Eismanns viel Erfahrung mit den neuen Verfahren gesammelt. In den letzten Jahren wurde eine stattliche Anzahl wertvoller anthropologischer Objekte gemeinsam mit dem Department für Anthropologie Wien untersucht. Gleichzeitig wurden und werden die neuentwickelten Methoden sowohl in der Anthropologie als auch in der Radiologie erfolgreich eingesetzt. Darunter fallen etwa die Detektion, Quantifizierung und Früherkennung von pathologischen Veränderungen, aber auch das Messen von Therapieerfolg mittels radiologischer Methoden. Als Beispiele sind zu nennen: Früherkennung und Quantifizierung diffuser Lungenerkrankungen (COPD), Implantatekonstruktion für die Neurochirurgie und Plastische Chirurgie, Erfassung und Vermessung der Hirnverformung während eines neurochirurgischen Eingriffs.

Interessierte junge (Natur-)Wissenschaftler, die ihre Ausbildung im Rahmen eines PhD-Studiums vertiefen wollen, sowie Post-Docs, die Forschungsprojekte weiterführen wollen und bereit sind, für eine bestimmte Zeit ins Ausland zu gehen, sind eingeladen, sich mit dem Innsbrucker Koordinator Dr. Wolfgang Recheis (wolfgang.recheis@uibk.ac.at) in Verbindung zu setzen.