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Wie Krankheiten am Organ verlaufen

In der zweiten Ausgabe der Life-Science-Beilage der Tageszeitung ‚Die Presse’ berichtet Daniela Tomasovsky, wie Prof. Florian Kronenberg und sein Team an der Sektion für Genetische Epidemiologie nach jahrelanger Beobachtung Vorhersagen über den Krankheitsverlauf an bestimmten Organen treffen können. Die Beilage ist ein Gemeinschaftsprojekt der Medizinischen Universitäten Innsbruck und Graz, der Universität für Bodenkultur und der Tageszeitung ‚Die Presse’.

Dass erhöhte Cholesterinwerte kardiovaskuläre Erkrankungen, also Herzinfarkte und Schlaganfälle, begünstigen, ist erwiesen. Lange wurde ihnen auch der Schwarze Peter für ein anderes Leiden zugeschrieben: Bestehende Nierenerkrankungen, so vermutete man, würden durch zu hohe Cholesterinwerte vorangetrieben. Versuche an Ratten hatten diesen Verdacht genährt, längerfristige Studien beim Menschen gab es dazu jedoch fast keine. Und so starteten Florian Kronenberg und sein Team Mitte der 1990er Jahre an der Medizin-Universität Innsbruck eine prospektive Verlaufsstudie an Patienten mit leichten bis mittelschweren chronischen Nierenerkrankungen. Vor allem Blutfettwerte wurden genau analysiert.

Milderung nicht möglich

Was nach sieben Jahren Beobachtung auffiel: Bei den Patienten, bei denen sich das Nierenleiden verschlechterte, waren die Apolipoprotein-A-IV-Werte stark erhöht. Kronenberg: „Die Studie zeigte, dass zwar nicht die klassischen Lipide wie LDL- oder HDL- Cholesterin das Fortschreiten der Krankheit beeinflussen, der Apo-A-IV- Wert aber eine Verschlechterung voraussagt.“ Apo-A-IV ist ein Protein, das für den Lipid-Transport im Blut mit verantwortlich ist, unter anderem für den Cholesterin-Rücktransport: Wenn periphere Zellen zu viel Cholesterin enthalten, wird dieses durch Apo-A-IV zur Leber zurückgebracht und dort verstoffwechselt. Außerdem ist Apo-A-IV für die Aktivierung wichtiger Stoffwechselenzyme zuständig. Kann man nun durch eine Beeinflussung des Apo-A-IV Wertes Nierenerkrankungen verhindern oder deren Verlauf mildern? „Nein, wir gehen davon aus, dass es ein Marker ist, also eine Substanz, deren Vorhandensein auf eine Erkrankung hinweist. Bis zu einem gewissen Grad kann man damit auch vorhersagen, welcher Patient für ein Voranschreiten der Nierenerkrankung gefährdet ist.“ Die Bestimmung des Apo-A-IV- Wertes bringt neben der klassischen Nierenfunktionsmessung zusätzliche Informationen: „Einerseits wissen wir durch Apo-A-IV etwas über den künftigen Verlauf der Krankheit, andererseits können Funktionsanteile der Niere analysiert werden, die bisher nicht messbar waren.“

Kein Zufall

Apo-A-IV ist aber nicht nur ein guter Nierenfunktionsparameter, sondern auch ein Indikator für koronare Herzkrankheiten. Bei Herzinfarkt-Patienten ist die Apo-A-IV Konzentrationen im Blut oft gering. „Apo-A-IV hat anti-atherogene Eigenschaften – durch seine Beteiligung am Abtransport von potenziell gefäßschädigendem Cholesterin wirkt es der Atherosklerose, also der Arterienverkalkung, entgegen. Wir konnten dies bereits vor fünf Jahren als erstes Forschungsteam zeigen.“ Weltweit gibt es nicht viele Wissenschaftler, die sich mit dem speziellen Protein beschäftigen, Kronenberg ist einer von ihnen. Wieso war der Bereich so lange kaum erforscht? „Es gibt nicht viele Labors, die die entsprechenden Messmethoden haben und die Antikörper produzieren können, die man für die Messung von Apo- A-IV braucht. Unsere Ergebnisse wurden mittlerweile auch an Patienten aus Indien und China bestätigt. Wenn man in einer komplett anderen Population die gleichen Resultate findet, ist das ein starkes Indiz dafür, dass der entdeckte Zusammenhang tatsächlich besteht und kein Zufall ist.“

Fettaufnahme von Zellen

Ein Artikel im Journal of the American Society of Nephrology löste großes Interesse in der Forschergemeinschaft aus, Kronenberg hofft, das dieses anhält – und plant schon zukünftige Projekte: Etwa die Analyse von Genen und Proteinen, die in die Fettaufnahmen von Zellen involviert sind. „Nachdem sich meine Gruppe in den vorigen zehn Jahren mehr und mehr in Richtung genetischer Ursachenforschung entwickelt hat und österreichweit in Innsbruck dafür die erste Professur für Genetische Epidemiologie eingerichtet worden ist, stehen diese Fragen jetzt im Vordergrund.“ Kronenberg hat als Abteilungsvorstand eine moderne Genotypisierungseinheit aufgebaut. „Hier können auch interessierte Forscher von anderen Instituten oder Unis ihre Untersuchungen durchführen.“