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Schmerz: Das ungeliebte Warnsystem

Einer der führenden Schmerzexperten war vergangene Woche zu Gast in Innsbruck: Prof. Hermann O. Handwerker referierte auf Einladung des Naturwissenschaftlich-Medizinischen Vereins über ein bis heute noch nicht zur Gänze geklärtes physiologisches Phänomen. Wie wird der Schmerz zur Krankheit? Warum verändert sich eine an sich lebenserhaltende Funktion zu einem chronischen Problem?

Schmerzen sind Reaktionen unseres Körpers auf schädliche Reize und damit lebenswichtig für den Menschen. Chronische und chronisch wiederkehrende Schmerzen sind allerdings in der Bevölkerung weit verbreitet. Die Häufigkeit nimmt mit zunehmendem Alter auch ohne lebensbedrohliche Erkrankungen dramatisch zu. Diese chronischen Schmerzzustände vermindern die Lebensqualität, sie sind aber auch ein eigenständiges Gesundheitsrisiko, da sich das Schmerz-vermittelnde Nervensystem unter dem Einfluss chronisch wiederkehrender Schmerzzustände verändert und sozusagen selbst erkrankt.

Das Schmerzgedächtnis

Prof. Handwerker vom Institut für Physiologie und Experimentelle Pathophysiologie an der Universität Erlangen/Nürnberg ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der physiologischen Schmerzforschung. In seinem Referat am Dienstag versuchte er am Komplex-Regionalen Schmerzsyndroms zu zeigen, an welchen Stellen sich das nozizeptive System krankhaft verändern kann. Schmerzen werden durch die dünnen Fortsätze spezieller Nervenzellen vermittelt, die im ganzen Körper verbreitet sind. Diese Nervenfasern ändern ihre Eigenschaften, wenn sie durch eine krankhafte Veränderung der Körpergewebe gereizt werden. Sie werden dann empfindlicher oder senden auch ohne zusätzliche Reize Impulse ins Zentralnervensystem. Handwerker stellte eigene Untersuchungen vor und präsentierte mögliche Schlüsse aus dem bisherigen Wissen über diese Vorgänge. Neben der zellulären Ebene kann das Phänomen auch auf der funktionellen Ebene untersucht werden. Hier stellt sich die Frage, wie sich das Zusammenspiel des Nervensystems im Fall chronischer Schmerzen verändert. Die Impulse der Schmerz-vermittelnden Nervenzellen werden von zentralen Nervenzellen aufgenommen, zunächst im Rückenmark und im Hirnstamm. Die Entscheidung, ob diese Impulse aus Nozizeptoren zur Hirnrinde weitergeleitet werden und dort Schmerz hervorrufen, fällt an den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen, den Synapsen. Auch die Übertragungseigenschaften der Synapsen ändern sich bei chronischen Schmerzen. Solche Veränderungen sind zunächst funktionell, d.h. die Synapsen werden empfindlicher. Auf Dauer kommt es aber auch zu strukturellen Änderungen, da der genetische Apparat der Nervenzellen seine Funktion ändert. Das führt zu einer dauerhaft veränderten Funktion dieser Nervenzellen. Prof. Handwerker erforscht daher auch, welche genetischen Dispositionen eine Neigung zu chronischen Schmerzsyndromen verursachen können.

Verbindungen nach Innsbruck

Manches verbindet Schmerzforscher Prof. Handwerker auch mit Innsbruck. In Kärnten geboren, wuchs Handwerker zunächst in Deutschland auf. Seine ersten Erfahrungen an der Universität machte er aber in Innsbruck, als er hier ein Semester Psychologie studierte. Dann ging er nach Würzburg und Zürich, wo er Medizin studierte. Am Hirnforschungsinstitut in Zürich sammelte er auch seine ersten Erfahrungen als Forscher. Nach einem Zwischenstopp in Heidelberg erhielt er einen Ruf an die Universität Erlangen, wo er seither sehr erfolgreich tätig ist. In den letzten zwölf Jahren war Prof. Handwerker Sprecher eines Sonderforschungsbereichs zur Schmerzforschung. Forschungsaufenthalte brachten ihn nach Edinburgh, Leuven und Uppsala, wo ihm inzwischen auch die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Prof. Michaela Kress, Vorstand des Naturwissenschaftlich-Medizinischen Vereins und Professorin für Physiologie an der Medizinischen Universität ist eine Schülerin Handwerkers, bei dem sie bereits promoviert und sich später auch habilitiert hat.