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Komplexe Theorie und handfeste Praxis in der DNA-Analyse

Innsbruck ist anders, zumindest am Institut für Gerichtliche Medizin. Meist dominiert an solchen Instituten die Medizin, doch hier arbeiten Fachleute aus vier Disziplinen eng zusammen: allen voran forensische Medizin und Molekularbiologie, unverzichtbar auch Mathematik und Informatik. Der Grund: das österreichische DNA-Zentrallabor, seit 1997 hier eingerichtet und seit 2002 als Prüflabor akkreditiert.

Im Klartext heißt das: Die Innsbrucker Gerichtsmedizin hat sich früh auf diesem Gebiet spezialisiert und verfolgt in Forschung und Praxis eine Strategie der Evaluierung, Validierung und Harmonisierung von DNA-Analysen. Das klingt eher trocken, hat aber handfeste Auswirkungen auf Wissenschaft und Praxis. Erst die Vereinheitlichung und gleichzeitige Verfeinerung der Verfahren macht die Auswertung bzw. Interpretation von DNA-Analysen vor Gericht verwertbar und bei der Zusammenarbeit mit Laboren unterschiedlicher Organisationen im In- und Ausland überhaupt vergleichbar. Für die komplexe Analytik und die rasante Weiterentwicklung der verwendeten High-Tech-Geräte ist man auf die Beiträge von ExpertInnen aus Mathematik und Informatik angewiesen. Je höher die Qualität der Datensätze in den Datenbanken, umso besser ihre Verwendbarkeit vor Gericht, aber auch ihre Überprüfbarkeit, falls ein Ergebnis angezweifelt wird.

International gefragt

Das Innsbrucker Institut ist, nicht zuletzt wegen des hier sehr weit entwickelten Qualitätsmanagements, in hochrangigen internationalen Gremien sehr gefragt. Es vertritt Österreich in ENFSI, dem European Network of Forensic Science Institutes, einer praxisorientierten Vereinigung von Polizeilaboren, und ist Mitglied von EDNAP, der European DNA Profiling Group, die sich vor allem der Forschung auf dem Gebiet widmet. Diese beiden Vereinigungen sind hauptverantwortlich für die internationale Verbreitung und Harmonisierung der DNA-Analytik in der Forensik. Institutsvorstand Prof. Richard Scheithauer steht auch der Interpol DNA Monitoring Expert Group vor, die nicht nur die DNA-Unit der Interpol in Lyon berät, sondern unter 181 Staaten weltweit die genannten Ziele der Harmonisierung anstrebt.

Intensive Zusammenarbeit mit der Universität

In seiner Funktion als wissenschaftlicher Beirat des österreichischen Innenministeriums in molekularbiologischen Fragen führt das Institut auch den Großteil (mehr als 90%) aller forensischen DNA-Analysen Österreichs durch.

Trotz guter Drittmittelsituation bedauert Prof. Scheithauer die Teilung der Innsbrucker Universität und die durch den erhöhten Verwaltungsaufwand bedingte Kürzung der Mittel.

Die „Kooperation über disziplinäre Scheingrenzen hinweg“ will er jedenfalls unverändert fortführen. Derzeit beteiligt sich das Institut an etwa zehn Forschungsprojekten der Leopold-Franzens- und der Medizinischen Universität, zum Beispiel mit dem Institut für Zoologie und Limnologie, an dem sechs der heute am gerichtsmedizinischen Institut tätigen Biologen ihre Ausbildung abgeschlossen haben.

Der Blick in die Vergangenheit

Standardanalysen werden normalerweise an der von Vater und Mutter vererbten Kern-DNA durchgeführt und sind für die Beantwortung der meisten forensischen Fragen aussagekräftig genug. Bestimmte Arten von Spuren, sowie besonders geringe oder besonders alte DNA-Proben bedürfen jedoch einer Analyse der von der Mutter weitergegebenen mitochondrialen DNA (mtDNA). Das ist das Spezialgebiet von Prof. Walther Parson. Das molekularbiologische Labor am gerichtsmedizinischen Institut ist mit internationalen Aufträgen zur Identifikation betraut, der letzte spektakuläre Fall war die Untersuchung des Knochenfundes von Reinhold Messners verschollenem Bruder am Nanga Parbat. Die Analyse der mtDNA ist nicht nur in der forensischen Arbeit von Bedeutung, sondern auch zur Beantwortung populationsgenetischer Fragen interessant, da mit Hilfe der mtDNA die menschliche Stammesgeschichte (Phylogenese) und die phyleografische Verbreitung des Menschen rekonstruiert werden kann. Derzeit arbeitet Prof. Parson an einem internationalen Projekt zur Erstellung einer Referenz-mtDNA Datenbank für forensische, populationsgenetische und medizinisch-genetische Anwendungen, die den höchsten Qualitätsstandards genügt. Bis Ende des Jahres sollen die Vorarbeiten abgeschlossen sein.