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Von „guten“ und „schlechten“ Elektronen

Auf Einladung des Naturwissenschaftlich Medizinischen Vereins referierte gestern Prof. Paul Scheier vom Innsbrucker Institut für Ionenphysik über den Einfluss energiearmer Strahlung auf biologisches Material. Die Untersuchungen seiner Arbeitsgruppe zeigen, dass auch Elektronen mit sehr geringer kinetischer Energie schon zur Zerstörung von Zellmaterial führen können.

Der Wirkung energiereicher Strahlung auf biologisches Gewebe wird seit Jahren große Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei zeigt sich, dass nicht nur die primäre Strahlung durch direkte Wechselwirkung mit einzelnen Bausteinen des biologischen Materials zu Schädigungen führt. In zwei Drittel der Fälle sind sekundäre Prozesse für die Zerstörung von Zellmaterialien verantwortlich. Die häufigste Sekundärkomponente sind dabei Elektronen, die durch weitere Stöße sehr rasch an Energie verlieren. Allerdings zeigen jüngere Untersuchungen, dass selbst sehr niederenergetische Elektronen noch erhebliche genotoxische Schäden, wie Doppelstrangbrüche der DNA, hervorrufen können. Dieser Bruch der DNA führt häufig zum Zelltod oder zu Mutationen, die in manchen Fällen bösartig sein können. Prof. Scheier erläuterte nun, wie die Schädigungen durch die Anlagerung von Elektronen niederer Energie verursacht werden. Am Institut für Ionenphysik werden dazu isolierte Moleküle in der Gasphase untersucht. Dabei kommen RNA- oder DNA-Basen und in jüngster Zeit auch Aminosäuren zum Einsatz. Mit einem hochauflösenden Elektronenspektrometer werden die Moleküle mit langsamen Elektronen genau definierter Energie beschossen und die Reaktionsprodukte in einem Massenspektrometer analysiert. Die Untersuchung von Uracil zeigte, dass langsame Elektronen sich am Molekül anlagern, ein instabiles, negativ geladenes Ion bilden, das in der Folge ein sehr mobiles Wasserstoffradikal freisetzt, das ebenfalls zellschädigend wirkt. Die von Scheier beschriebene Reaktionskette zeigte eine sehr effektive Schädigung des bestrahlten Materials. Weitere Versuche mit den DNA-Bausteinen Thymin, Cytosin und Deoxyribose bestätigten das Ergebnis: „Alle unsere Messungen zeigen, dass die Elektronenanlagerungen ein sehr wichtiger Mechanismus bei DNA-Strangbrüchen und den damit verbundenen Zellschädigungen und Mutation sind“, so Prof. Paul Scheier. In der anschließenden Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass Zellen durchaus auch mit Strangbrüchen der DNA umzugehen wissen und über entsprechende Reparaturmechanismen verfügen. Der Chemiker Prof. Bernhard Kräutler stellte außerdem fest, dass langsame Elektronen in anderen chemischen Prozessen wichtige Funktionen übernehmen können. Die Innsbrucker Ionenphysiker um Prof. Scheier wollen in Zukunft noch lebensnähere Bedingungen für ihre Untersuchungen schaffen. So wird an die Absenkung der Ofentemperatur sowie die Beimengung von Wasseratomen gedacht, da Wasser nach Einschätzung aller Experten die Schädigungen dramatisch vergrößert.