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Explosionen in der Lunge

Die Innsbrucker Physiologen Prof. Thomas Haller und Prof. Paul Dietl haben ein Verfahren entwickelt, mit dem lebenswichtige Mechanismen in der Lunge mit einer einfachen Anordnung untersucht werden können. Ihre Erkenntnisse wurden im American Journal for Physiology publiziert und sind im wahrsten Sinn des Wortes explosiv.

Die Lunge ist ein höchst interessantes Organ: Die Oberfläche der Lungenbläschen (Alveolen), in denen der Gasaustausch stattfindet, hat insgesamt die Fläche eines Tennisplatzes (ca. 100m2). Trotzdem enthalten sie nur wenige Liter Luft. Ein sehr feines Geflecht also, das physikalisch gesehen im Grenzbereich des Möglichen arbeitet. Die Lunge würde kollabieren, oder sich mit Wasser füllen, gäbe es kein surface active agent (Surfactant), das an der Grenze zwischen Luft und Wasser einen Schutzfilm bildet und eben dies verhindert. Obwohl dieses „Material“, eine kompakte Mischung aus Fett und Protein, an Ort und Stelle seiner Wirkung entsteht, entzog sich die Entschlüsselung der Mechanismen, wie es zu dieser Wirkungsweise kommt, hartnäckig jeder direkten Beobachtung. Prof. Thomas Haller und Prof. Paul Dietl haben nun ein Verfahren entwickelt, wie diese Mechanismen mit einer einfachen Versuchsanordnung untersucht werden.

Geistesblitz mit großer Wirkung

„Bisher“, so Thomas Haller, „war es schwierig, wenn nicht unmöglich, eine Alveole mit ihrer Wasser-Luft-Grenzfläche überhaupt zu untersuchen. Durch Zufall bin ich dann auf eine machbare Lösung gestoßen: ich habe mit einer Lochblende hantiert, die mit Wasser benetzt war. Ähnlich einem Wassertropfen, der aufgrund der Oberflächenspannung am Wasserhahn hängen bleibt, bildete sich an der Unterseite dieser Blende eine plane und stabile Wasseroberfläche. Ein eigentlich banales Ereignis, das uns aber auf die entscheidende Idee brachte, diesen Effekt für ein Modell einer Alveole zu benutzen.“ Entstanden ist dann eine speziell angefertigte Kammer, die mit so genannten Typ II-Zellen überschichtet werden kann, den Zellen also die für die Produktion und Freisetzung von Surfactant verantwortlich sind. Surfactant wurde gleichzeitig durch ein eigens entwickeltes Verfahren markiert, damit er mit dem Mikroskop sichtbar wird.

Dem Rätsel nahe

Die Innsbrucker Wissenschaftler wollten klären, wie sich Surfactant an der Wasser-Luft-Grenze verhält. Bisher wusste man einiges über seine chemische Zusammensetzung, wenig jedoch über die Vorgänge selber, die zu seiner Aktivierung führen. Dank ihres künstlichen Alveolus konnten die Physiologen nun nachweisen, dass es sich dabei um einen rein physikalischen Vorgang handelt. Die Partikeln wandern durch die Poren der Typ II-Zellen, wobei sie geradezu durchgeknetet werden und gelangen in den wässrigen Raum, der die Lunge innen überzieht. Hier werden sie angereichert und verharren sozusagen in einer Warteposition. Verändert sich die Oberfläche, beispielsweise durch die Ausdehnung während der Einatmung, erreicht Surfactant die Wasser-Luft-Grenze und explodiert regelrecht, wenn er sie durchbricht. Dabei bildet sich der lebenswichtige Film, der, wie ein Damm, die Wasserfläche wieder stabilisiert. Somit war klar, dass kein langwieriger enzymatischer Aufschluss diesen Vorgang steuert, sondern eben die Physik herangezogen werden muss um diese Prozesse zu verstehen.

Vielversprechendes Modell entwickelt

Da eine Störung dieser Vorgänge in Zusammenhang mit vielen Lungenerkrankungen vermutet wird, sind diese Erkenntnisse natürlich wichtig. Besonders interessant ist aber, dass nun eine Versuchsanordnung zur Verfügung steht, mit der verschiedenste Fehlfunktionen in der Lunge simuliert und mit der auch entsprechende Gegenmaßnahmen ausprobiert werden können. „Wir sind hier erst am Anfang, aber wir können mit diesem Modell auch die Auswirkungen von Medikamenten oder Schadstoffen auf dieses ausgeklügelte System testen und damit eine theoretische Grundlage für therapeutische Maßnahmen erhalten“, betont Thomas Haller. Nun wollen die Innsbrucker Physiologen ihre Forschung rund um Surfactant weiter ausdehnen. Derzeit haben sie ein entsprechendes Projekt beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) eingereicht.