Karriere mit Herz und Verstand
In den Hörsälen Medizinischer Universitäten sind weibliche Studierende heute oft schon in der Überzahl. Unter den FachärztInnen an Universitätskliniken kehrt sich dieses Verhältnis jedoch meist um. Besonders rar sind habilitierte Kardiologinnen wie Christina Tiller.
Die Kardiologie spielt zweifelsfrei eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Sichtbarkeit der Gendermedizin, die sich gezielt mit der Erforschung von geschlechterbezogenen medizinischen und biologischen Unterschieden beschäftigt. Anders betrachtet ist die Kardiologie aber auch heute noch ein männerdominiertes Fach, in dem Frauen nur wenige Spitzenpositionen bekleiden.
Auf dem Weg dorthin und jedenfalls zur A2-Stelle und zur Professur ist Christina Tiller. Die 34-jährige Fachärztin für Kardiologie hat mit ihrer kürzlich abgeschlossenen Habilitation jedenfalls einen wesentlichen Schritt gesetzt. Damit ist sie nach Kardiologin und Gendermedizin-Pionierin Margarethe Hochleitner – die schon herzlich gratulierte – erst die zweite Frau, die sich in den vergangenen dreißig Jahren an der Medizinischen Universität Innsbruck mit einem rein kardiologischen Thema für Innere Medizin habilitiert hat.
Herzstück
Ärztin wollte die gebürtige Niederösterreicherin und Tochter einer Internistin und eines Zahnarztes schon immer werden. „Vor allem das Herz hat mich schon als Kind fasziniert“, schwärmt Christina Tiller für das Organ, das schon Thema ihrer Matura-Arbeit war und noch heute im Mittelpunkt ihrer klinischen und wissenschaftlichen Tätigkeit steht. Dabei wollte sie eigentlich nur zum Studium nach Innsbruck kommen. „Während meines Clinical PhD in Cardiovascular Medicine in der Arbeitsgruppe von Bernhard Metzler an der Innsbrucker Kardiologie wurde mein besonderes Interesse für die Forschung geweckt, ich habe zudem viele Freundinnen und Freunde gewonnen, heute ist Innsbruck mein Lebensmittelpunkt“, erzählt die ambitionierte Kardiologin.
Christina Tiller (Mitte) mit ihrer Arbeitsgruppe (AG-Leiter: Bernhard Metzler, 4.v.re.) ©privat
Wer Klinik, Wissenschaft und Privatleben unter einen Hut bringen und in der Herzmedizin Karriere machen will, braucht Zielstrebigkeit und gutes Zeitmanagement – beide Eigenschaften können Christina Tiller zugeschrieben werden. „Für Frauen ist die Situation oft ein bisschen schwieriger, Kinder können noch immer ein Karriere-Knick sein. Es ist ein Vorteil, dass ich mir Dinge sehr gut einteilen kann und sehr strukturiert bin. Da bin ich stark. Ich bin aber auch dankbar, in einer Arbeitsgruppe mit so hohem wissenschaftlichem Output zu sein, wir sind ein starkes Team, das sich gegenseitig fördert, so hatte ich auch die Möglichkeit, mich schon früh zu habilitieren“, erklärt Tiller, deren Engagement auch von Arbeitsgruppenleiter Bernhard Metzler hervorgehoben wird: „Christina Tiller ist eine Powerfrau – eine kompetente Ärztin und eine super Wissenschafterin“.
Prognose nach Herzinfarkt
In ihrer Habilitationsschrift hat sich Christina Tiller vor allem mit klinischen Biomarkern beschäftigt, die der Risikostratifizierung nach akutem ST-Hebungsmyokardinfarkt (STEMI)* dienen. „Der Fokus meiner Forschung liegt auf der Analyse klinischer Parameter im direkten Vergleich mit dem Referenzstandard der kardialen Magnetresonanztomographie. Damit soll es gelingen, jene Patientinnen und Patienten herauszufiltern, die nach überlebtem STEMI ein höheres Risiko für schwere Folgeereignisse haben. Durch diese Risikostratifizierung soll bereits während des stationären Aufenthalts eine gezielte Ableitung individueller Maßnahmen ermöglicht werden, etwa hinsichtlich der Notwendigkeit einer engmaschigeren Nachsorge oder einer optimierten medikamentösen Therapieanpassung.“, erklärt Tiller.
Als habilitierte Kardiologin wird Christina Tiller auch in der Lehre ihre Spuren hinterlassen. „Während meines Studiums gab es definitiv mehr Männer als Vortragende; es hat mich jedenfalls immer sehr beeindruckt, wenn Frauen gelehrt haben. Das war wirklich auch eine Motivation für mich und ich denke, auch ich kann Studentinnen und junge Ärztinnen ermutigen, dass es auch nach der klinischen Arbeit mit viel Ehrgeiz möglich ist, wissenschaftlich zu arbeiten“, so Tiller, die ihre berufliche Zukunft schon deshalb in der Universitätsmedizin sieht. „Die Arbeit mit den Patientinnen und Patienten ist mir besonders wichtig und motiviert mich, zu forschen, vor allem auch aus der Perspektive der Diversität. Nur wenn man wissenschaftlich am neuesten Stand ist, kann man die beste und präziseste Behandlung anbieten“.
Beim Blick in die Zukunft der Herzmedizin sieht Tiller noch viel Potenzial in der Geschlechterforschung, vor allem aber auch in der Künstlichen Intelligenz, die an der Univ.-Klinik für Innere Medizin III (Direktor: Axel Bauer) einen besonderen Forschungsschwerpunkt bildet. „Mit AI wird man in Zukunft allein aus dem EKG noch viel mehr herauslesen können. Auch in der Herzkathetermedizin und in der Bildgebung wird sich noch viel tun“, so Tiller, die noch zu manch neuer Erkenntnis in der Herzmedizin beitragen wird.
(16.7.2025, Text: D. Heidegger, Bilder: D. Bullock/privat)
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Univ.-Klinik für Innere Medizin III