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Organisator A.o.Univ.-Prof. DDr. Reinhard Würzner mit drei Referenten, v.r.n.l., Ing. in Dr.in Monika Redlberger-Fritz, Wien, Dr. Jamie Findlow, Manchester und Univ.-Prof.in Dr.in Cornelia Speth, Innsbruck auf dem gut besuchten 12. Tiroler Impftag, der von der Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, der Sektion für Virologie und dem Dept. Pädiatrie I gemeinsam veranstaltet wurde.

Paradigmenwechsel bei Impfungen

Das Interesse an aktuellen Informationen zum Thema Impfen ist ungebrochen hoch: Rund 170 MedizinerInnen, ApothekerInnen und MitarbeiterInnen im Gesundheitswesen nahmen am 12. Impftag der Medizinischen Universität Innsbruck teil. Die Vorträge und Diskussionen zeigten, dass sich ein Paradigmenwechsel abzeichnet.

„Im Zeitalter der nachlassenden Impfmoral besteht nun eine besondere Fokussierung auf einen indirekten Schutz. Das bedeutet, dass diejenigen verstärkt geimpft werden, die mit wenigen Impfungen einen guten Impfschutz aufbauen, anstelle von vielen Impfungen bei denjenigen, die noch nicht, wie beispielsweise Säuglinge, oder nicht mehr, wie ältere Seniorinnen und Senioren, eine suffiziente Immunabwehr aufbauen können“, fasst Organisator Univ.-Prof. Dr. Reinhard Würzner eine der wichtigsten Neuerungen zusammen. Der Impftag, der heuer bereits zum 12. Mal an der Medizinischen Universität Innsbruck stattfand, wird vom Innsbrucker Department für Hygiene, Mikrobiologie und Public Health gemeinsam mit dem Department für Kinder- und Jugendheilkunde veranstaltet. Nicht nur viele TirolerInnen sondern auch Interessierte aus Südtirol und Deutschland kamen in das Centrum für Chemie und Biomedizin (CCB) in Innsbruck. Schon im ersten Vortrag von Dr. Peter Kreidl von der Innsbrucker Sektion für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (Direktorin: Univ.-Prof.in Dr.in Cornelia Lass-Flörl), wurde deutlich, dass es eine Altersgruppe gibt, die nicht geimpft werden kann und damit schutzlos den gefährlichen Masern ausgesetzt ist: Das sind Säuglinge unter einem Dreivierteljahr. Leider reicht auch der Nestschutz einer geimpften Mutter nur wenige Wochen nach der Geburt aus. Kommt es bei Säuglingen zu einer Infektion, wird das Immunsystem massiv geschädigt.  Einer von hundert Säuglingen stirbt sogar oder bleibt lebenslang gezeichnet. „Früher hatte man noch angenommen, dass ohne Langzeitschäden überlebte Masernerkrankungen wenigstens das Immunsystem stärken, leider ist gerade das Gegenteil der Fall“, warnte Kreidl eindringlich. „Eltern, Onkel, Tanten, Neffen, Nichten, Nachbarn und Betreuerinnen sowie Betreuer sollten sich daher gratis bei der Landessanitätsdirektion impfen oder nachimpfen lassen!“

Keine staatliche Meningokokkenimpfung im ersten Lebensjahr mehr in England
Auch Dr. Jamie Findlow von der Vaccine Evaluation Unit, Public Health England (Manchester) ließ mit interessanten Impferfolgsdaten aufhorchen. Denn auch für Meningokokken war bekannt, dass man zwar im ersten Lebensjahr (LJ) impfen kann, das Immunsystem des Säuglings aber für einen guten Schutz viel mehr Impfungen benötigt, wie zum Beispiel ein eineinhalbjähriges Kind, welches aus impf-immunologischer Sicht fast erwachsen ist. So wurde das nationale Impfprogramm (2013-2016) von 1+1+1 (Impfungen im 3. Lebensmonat (LM), im 2. LJ und im 13. LJ) 2016 auf 0+1+1 umgestellt. Das bedeutet, dass Säuglinge gar nicht mehr geimpft werden. Deshalb gelte auch für die Meningokokkenprävention, dass sich alle Personen in Umgebung des Kindes unbedingt impfen lassen sollten.

Herdenschutz auch bei Pneumokokken und Influenza
Das Thema Herdenschutz dominierte auch durch die Vorträge zu Pneumokokken- und Influenza-Impfungen von Dr.in Manuela Zlamy von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Pädiatrie I und Ing.in Dr.in Monika Redlberger-Fritz vom Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien. Würde das Impfprogramm für Pneumokokken von SeniorInnen besser angenommen, wäre auch der Schutz der Säuglinge besser. „Hierbei braucht allerdings nicht die reine Nächstenliebe im Vordergrund zu stehen, schützt man sich doch auch selbst sehr wirksam vor einer schweren Lungenentzündung im Alter“, sagt Würzner. Auch die Influenza-Impfstoffe, die nun meist beide zirkulierenden B-Stämme umfassen (Victoria und Yamagata) vermitteln einen deutlich besseren Impfschutz bei gesunden Erwachsenen, als bei älteren SeniorInnen. Mindestens ein Drittel dieser Personengruppe sind auch bei einem komplett passenden Impfstoff nicht ausreichend geschützt. „In einem kürzlich erschienen Leserbrief in der Tiroler Tageszeitung beklagen zwei geimpfte Senioren, trotz des gut passenden Impfstoffes schwer erkrankt zu sein. Dem muss man entgegnen, dass auch die Tatsache, dass man nicht jeden schweren Autounfall angegurtet überlebt, ja nicht gegen den Gurt per se spricht“, meint Würzner.

Impfung gegen Krebs und Impftiterbestimmungen
Im Vortrag „Papillomaviren“ verwies DDr.in Wegene Borena von der Sektion für Virologie (Direktorin: Univ.-Prof.in Dr.in Dorothee von Laer) auf die Tatsache, dass dieses gefährliche Virus eben nicht nur Gebärmutterhalskrebs sondern, bedingt durch die Art des ausgeübten Geschlechtsverkehrs, auch Kehlkopfkrebs und Analkrebs verursachen kann. Die laut Dr.in Anita Luckner-Hornischer von der Landessanitätsdirektion Tirol kurz vor der Einführung stehende Schulimpfung mit dem Neunfachimpfstoff für Mädchen und Buben vergrößert dann den Schutz vor allen diesen Krebsformen. Leider ist der nicht im Impfstoff enthaltende Serotyp 42 in Tirol auf dem Vormarsch. Dieser kann zwar keinen Krebs auslösen, aber doch unangenehme Kondylomata. Im Vortrag über Impftiterbestimmungen verwies Reinhard Würzner nochmal auf die Tatsache, dass Grundimmunisierungen auch bei einem sehr langen Impfintervall nicht notwendig sind. Wenn nun aber sogar Jahrzehnte vergangen sind, könnte man sechs Wochen nach einer Auffrischung den Impferfolg nachweisen und gegebenenfalls noch eine zweite Auffrischung verabreichen. Nur bei den wenigsten Impfungen sind Titerbestimmungen sinnvoll, die empfohlenen Intervalle sind im aktuellen Impfplan 2017 verzeichnet.
Link: www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/2/8/1/CH1100/CMS1452867487477/impfplan.pdf

Immunsuppression und Zika-Epidemiologie
Zwei Vorträge beschäftigten sich mit Impfungen, die Reaktivierungen oder Infektionen bei Immunsuppression verhindern. Im ersteren verdeutlicht Ao.Univ.-Prof.in Dr.in Cornelia Speth, dass sowohl die Häufigkeit als auch die Stärke einer VZV-Reaktivierung signifikant von einen schon länger auf dem Markt befindlichen Lebendimpfstoff reduziert werden kann. Lebendimpfstoffe bergen allerdings immer das Problem, bei immunsupprimierten Menschen kontraindiziert zu sein. Abhilfe könnte ein neuer Impfstoff schaffen, der sehr erfolgversprechende Schutzdaten zeigte und eben auch bei schon bestehender Immunsuppression eingesetzt werden kann. Auch PD Dr. Jürgen Brunner von der Univ.-Klinik für Pädiatrie I verwies in seinen Ausführungen auf diese Problematik. Dies hieße aber nicht, dass Impfungen dann völlig tabu seien, vielmehr müsse man individuell abwägen, ob nicht ein definitiver Kontakt mit dem Impfvirus einem wahrscheinlichen mit dem tausendfach stärkeren Wildvirus vorgezogen werden sollte. Im Abschlussvortrag zeigte Wegene Borena Daten, die nahelegen, dass es ein kongenitales Zika-Syndrom gibt, wobei die Mikrozephalie nur eine der möglichen Ausprägungen darstellt. Problematisch beim Zikavirus ist, dass der Aedes-Mückentyp, der dieses Virus übertragen kann, auch im Mittelmehrraum vorkommt. Eine rezente Studie zeigte jedoch, dass keiner von 1.000 Blutspendern in Tirol Antikörper gegen Zikavirus hatte.

(R. Würzner/B. Hoffmann-Ammann)

Weiterführende Informationen:

- Nobelpreisträger zu Gast beim 8. Tiroler Impftag

- Sektion für Hygiene, Mikrobiologie und Sozialmedizin

- Sektion für Virologie

- Department für Kinder- und Jugendheilkunde

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