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Internationales Nodding-Syndrome Meeting mit Innsbrucker Expertise

Das Nodding-Syndrome (NS) - eine erst vor wenigen Jahren klassifizierte Form der Epilepsie - stand kürzlich erstmals im Fokus eines internationalen WHO-Meetings in Kampala (Uganda). Dort leiden über 3.000 Kinder an dieser neurologischen Krankheit, die sich unter anderem durch unkontrolliertes Nicken äußert. Univ.-Prof. Dr. Erich Schmutzhard von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie war einer der teilnehmenden Experten auf der Tagung.

Noch vor wenigen Jahren konnte das Nodding-Syndrome weder klinisch klassifiziert noch ursächlich erklärt werden. Die Erkenntnis, dass es sich bei dem in Uganda, Tanzania und im Süd-Sudan häufig auftretenden Nodding-Syndrom um eine neue, bis vor kurzem unerkannte Form von Epilepsie handelt, ist der Zusammenarbeit von Univ.-Prof. Erich Schmutzhard von der Univ.-Klinik für Neurologie in Innsbruck (Direktor: Univ.-Prof. Werner Poewe) und Prof.in Louise Jilek-Aall vom Department für Psychiatrie der University of British Columbia in Vancouver zu verdanken. Die kanadische Neurologin hatte bereits in der 60er Jahren im Hochtal von Mahenge in Süd-Tanzania einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Epilepsiekranken in der Bevölkerung beobachtet und gründete dort in der Folge die „Mahenge Epilepsy Clinic“, richtete eine Epilepsieambulanz ein und bildete Krankenpfleger und -schwestern in Epilepsiemanagement aus. Auf Basis der PatientInnendaten der Mahenge Epilepsy Clinic führten Prof. Schmutzhard und Prof.in Jilek-Aall gemeinsam mit der Münchner Neurologin Dr.in Andrea Winkler eine groß angelegte Studie an 300 ausgewählten PatientInnen durch. Eine darauf folgende Evaluierung der Untersuchungsergebnisse durch ein von Prof. Schmutzhard geleitetes Forschungsteam brachte 2008 schließlich ein klares Muster von epileptischen Anfällen zutage: „Wir konnten somit sicher stellen, dass das „Nodding“-Syndrom, bei dem, meist durch einen äußeren Stimulus ausgelöst, die Muskelspannung am Hals kurzfristig und wiederholt ausläßt - was das charakteristische Kopfnicken zur Folge hat - eine neue Form von Epilepsie darstellt“.
Von der fortschreitenden neurologischen Erkrankung, in deren Verlauf es zum Wachstums- und Entwicklungsstillstand und mit der Zeit auch zur mentalen Retardierung kommt, sind meist Kinder zwischen fünf und 15 Jahren betroffen.

Top-Agenda auf WHO-Konferenz

Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO warten derzeit mehrere tausend Kinder in den Distrikten Kitgum, Pader, Lamwo und Gulu in Norduganda auf Heilung. Nach der durch Prof. Schmutzhard und seinen MitarbeiterInnen bereits 2008 angewandten Therapie mit den bewährten Epilepsie-Medikamenten Phenobarbital und Diphenylhydantoin setzt das ugandische Gesundheitsministerium mit der nunmehrigen Vergabe dieser Medikamente einen ersten erfolgreichen gesundheitspolitischen Schritt.

Die Beratung über weitere gesundheitspolitische und wissenschaftliche Maßnahmen und ein Update des aktuellen Forschungsstandes zur Nick-Krankheit standen schließlich von 30. Juli bis 2. August im Zentrum eines internationalen und vor allem interdisziplinären ExpertInnen-Meetings, zu dem die WHO ins ugandische Kampala eingeladen hatte. Auf der Liste der vortragenden, durchwegs renommierten ExpertInnen fand sich neben dem Neurotoxikologen Peter S. Spencer (Portland, USA), den Parasitologen Thomas B. Nutman (NIH, Bethesda, USA) und Michel Boussinesq (Montpellier),  dem Infektiologen Scott F. Dowell vom Center for Disease Control and Prevention (Atlanta, USA) sowie lokalen Medizinern wie Richard Idro und Joyce Kaducu (beide Kampala) auch der Innsbrucker Neurologe Erich Schmutzhard. Der frühere Tropenmediziner, der an der Univ.-Klinik für Neurologie die Arbeitsgruppe Intensiv- und Infektionsneurologie leitet, referierte zum Thema „Epilepsie in tropischen Ländern“. Seine Expertise gründet sich auf zahlreiche Epilepsie-Studien in Asien und Afrika, darunter jahrelange Beobachtungen und Untersuchungen von 62 diagnostizierten NS-PatientInnen in Tansania.

Interdisziplinäre Ursachenforschung

Ein vielerorts angenommener ursächlicher Zusammenhang mit der im Prävalenzgebiet ebenfalls häufig auftretenden Onchozerkose (Flussblindheit) - eine durch Kriebelmücken übertragene Fadenwurminfektion - konnte vom Forschungsteam um Prof. Schmutzhard inzwischen eindeutig widerlegt werden. „Mit den Ergebnissen aus Lumbalpunktionen sowie mithilfe der wichtigsten molekularbiologischen Methode zur Erkennung von Infektions-Erkrankungen - der Polymerasekettenreaktion - konnten wir einen direkten Konnex  vom Nodding-Syndrom zur Fadenwurminfektion widerlegen“, so Schmutzhard. Ob ein indirekter Zusammenhang besteht - etwa indem der Wurm eine Autoimmunreaktion ausgelöst haben könnte -, müssen weitere Analysen zeigen, für die im Moment allerdings adäquate Nachweismethoden fehlen. Das Onchozerkose-Eradikationsprogramm der WHO wird in den betroffenen Gebieten vorsichtshalber weiterlaufen.

Im Sinne einer, nach dem WHO-Meeting verstärkt forcierten, breiten Ursachenforschung wird einem interdisziplinären Forschungsansatz jedenfalls besondere Relevanz zugemessen. Schon Ende Oktober wird Prof. Schmutzhard gemeinsam mit ImmunologInnen, GenetikerInnen, TropenmedizinerInnen, ParasitologInnen und NeurologInnen in den Südsudan reisen, um vor Ort eine detaillierte klinische Untersuchung sowie wichtige feinhistologische Untersuchungen und Biopsien an Geweben durchführen zu können.  „Das zweite Ziel wird Tansania sein, wo wir gemeinsam mit dem dortigen Gesundheitsministerium mittels einer groß angelegten epidemiologischen Studie versuchen werden,  krankheitsbezogene Häufigkeiten in anderen Regionen festzustellen“, blickt Prof. Schmutzhard in die nahe Zukunft, in der es gelte, auch weitere Aspekte wie Ernährung, Auto-Antikörperbildung und genetische Zusammenhänge zu beachten.

(D. Heidegger)

 

Links:

WHO-Press Release: Nodding Syndrome meeting, researchers agree on case definition and establish research agenda
http://www.afro.who.int/en/uganda/press-materials/item/4826-nodding-syndrome-meeting-researchers-agree-on-case-definition-and-establish-research-agenda.html

The head nodding syndrome - clinical classification and possible causes. Epilepsia. 2008 Dec;49(12):2008-15. Epub 2008 May 21. Winkler AS, Friedrich K, König R, Meindl M, Helbok R, Unterberger I, Gotwald T, Dharsee J, Velicheti S, Kidunda A, Jilek-Aall L, Matuja W, Schmutzhard E
http://dx.doi.org/10.1111/j.1528-1167.2008.01671.x

Univ.-Klinik für Neurologie
https://www.i-med.ac.at/neurologie/

Abteilung für Intensiv- und Infektionsneurologie
https://www.i-med.ac.at/neurologie/forschung/intensivneurologie.html

 

 

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