Innsbrucker Neurologin leitet als erste Frau den Europäischen Dachverband Autonomer Gesellschaften
Alessandra Fanciulli, Neurologin an der Medizinischen Universität Innsbruck, wurde im Rahmen des 26. Jahrestagung der EFAS (European Federation of Autonomic Societies) Ende September in Toulouse zur neuen Präsidentin gewählt. Damit ist sie die erste Frau an der Spitze dieser europäischen Vereinigung, die das Know-How nationaler Fachgesellschaften zum Thema Autonomes Nervensystem bündelt.
Das autonome Nervensystem steuert unbewusste Körperprozesse wie Herzschlag, Blutdruck, Verdauung und Thermoregulation. Funktionsstörungen können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter Schwindel, Ohnmachtsanfälle, Blutdruckschwankungen, Blasen- und Darmprobleme, oder auch Sexualfunktionsstörungen führen. Sie entstehen oft als Folge neurologischer Erkrankungen wie Parkinson, Schlaganfall oder Multipler Sklerose, aber auch abseits von neurologischen Erkrankungen erleidet jede dritte Person im Laufe ihres Lebens einen Ohnmachtsanfall (Synkope).
„Das zentrale Anliegen von EFAS ist – auch unter meiner Präsidentschaft – die Schließung von Wissens- und Versorgungslücken“, betont Alessandra Fanciulli, die für zwei Jahre in das neue Amt gewählt wurde. Studien hätten gezeigt, so die neue Vorsitzende, dass Neurologinnen und Neurologen in Europa bei Kreislaufproblemen wie Ohnmachtsanfällen vergleichsweise sicher agieren, bei Blasen- oder Sexualfunktionsstörungen jedoch weniger versiert sind – auch, weil entsprechende Inhalte in der Ausbildung häufig fehlen. „Deshalb stellen wir im Rahmen von EFAS Fortbildungsangebote sowie praxisnahe Leitlinien für die allgemeine neurologische Versorgung zur Verfügung, die auch außerhalb spezialisierter Zentren anwendbar sind“, so die 40-jährige Neurologin. Die gebürtige Italienerin kam 2012 für ein Doktoratsstudium an die Abteilung für Neurobiologie der Medizinischen Universität Innsbruck, wo sie als Expertin für Parkinson und Multisystematrophie (MSA) Österreichs erstes Dysautonomiezentrum aufbauen und etablieren konnte, um Patientinnen und Patienten mit autonomen Störungen multidisziplinär behandeln zu können.
„Das Wissen über autonome Störungen ist an unserer Universität bereits in die Lehre integriert. Wir erforschen und entwickeln gemeinsam mit Kooperationspartnern praxisorientierte Screeninginstrumente, damit eine qualitätsgesicherte Basisversorgung und frühe Zuweisung von Patientinnen und Patienten gesichert ist“, sagt Fanciulli, die in ihrer neuen Funktion auch die Unterschiede in der Versorgungsdichte angehen will. In Nord- und Westeuropa bestehen mehr autonome Zentren als in Ost- und Südeuropa. Vor diesem Hintergrund unterstützt EFAS die Gründung nationaler Gesellschaften sowie den Aufbau von spezialisierten Zentren. Auch Forschungskooperationen sollen weiterhin forciert werden. „Gemeinsame Datenbanken, Biobanken und multizentrische Studien sind der Schlüssel, um seltene Erkrankungen besser zu verstehen und die Versorgung zu verbessern“, ist die Neurologin überzeugt.
In ihrer Amtszeit will sie vor allem im Bereich der neurodegenerativen Krankheit Multisystematrophie (MSA) einen Schwerpunkt setzen. Bereits jetzt verknüpft das von ihr und ihrem Team an der Medizin Uni Innsbruck entwickelte Konzept „MeDeMSA Care“ Neurologie mit Neurorehabilitation, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, psychologischer Begleitung und – wo verfügbar – mobiler Palliativversorgung und bietet damit standardisierte Reha-Protokolle und klar strukturierte Abläufe an. „Die Telemedizin dient hier als Brücke, um auch fortgeschritten Erkrankte in ihrem häuslichen Umfeld zu erreichen und so zum Beispiel Sturzrisiken zu verringern“, berichtet Fanciulli.
Ein weiterer Fokus der neuen EFAS-Präsidentin liegt auf Diversität und Chancengerechtigkeit, der Anteil von Frauen in Leitungspositionen von autonomen Gesellschaften und Studien soll erhöht werden. Mit der Wahl Fanciullis zur Präsidentin setzt EAFS nun ein sichtbares Zeichen.
(7.10.2025, Text: D. Heidegger, Bild: D. Bullock)
Links:
Zur Person
Dysautonomie-Zentrum
MeDeMSA
26th Congress oft the European Federation of Autonomic Societies