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Ultraschall-Manipulation ermöglicht optische tomographische Bildgebung

Wie kann man einen Zebrafisch-Embryo in Wasser berührungslos hochheben, ihn schweben lassen, drehen und von allen Seiten durchleuchten? Die kurze Antwort: mit Akustik. In die Entwicklung einer Lösung hat ein Team der Medizinischen Universitäten Innsbruck und Wien im Rahmen des Spezialforschungsbereichs Tomography Across the Scales jahrelange Arbeit investiert – mit Erfolg. Kürzlich berichtete Nature Communications über die neue ULTIMA-OCT Methode. Nun werden KooperationspartnerInnen gesucht.

Seit einigen Jahren gelingt es ForscherInnen, Organoide aus Stammzellen zu züchten. Man erwartet sich von dieser Technologie Fortschritte in Richtung personalisierter Medizin unter weitgehendem Verzicht von Tierversuchen. Diese Organ-Modelle wachsen bisher in einem Gel, dem so genannten Matrigel. Zunehmend kommen jedoch Zweifel an der Reproduzierbarkeit dieser Methode auf. „Es macht einen Unterschied, ob sich eine Probe in einem Gel befindet oder in Flüssigkeit. Das Gel übt einen mechanischen Einfluss aus“, erklärt Monika Ritsch-Marte, Direktorin des Instituts für Biomedizinische Physik an der Medizinischen Universität Innsbruck. Gleichzeitig stand die Gruppe um Rainer Leitgeb und Wolfgang Drexler (Leiter des Zentrums für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik an der Med Uni Wien), vor der Herausforderung, dass sich große Proben mittels OCT (Optical Coherence Tomography) Bildgebung nicht darstellen ließen, weil das Licht nicht bis zur Rückseite der Probe durchdringen konnte.

Es entstand die Idee, mithilfe akustischer Kräfte im Megahertz-Bereich (Ultraschall) dreidimensionale Krebszellcluster (sog. Cancer Spheroids), Embryonen oder eben Organoide kontaktlos in Flüssigkeit zu heben und zu halten, sie wiederum mit Ultraschalltechnik in verschiedene Richtungen zu drehen, um sie so rundherum ‚tomographisch‘ mit Bildgebung zu untersuchen. Um diese optische Bildgebung mit Re-orientierung durch so genannte akustische Levitation zu ermöglichen, war es erforderlich, in einem interdisziplinären Ansatz neue Techniken zu entwickeln, denen sich die drei ErstautorInnen Mia Kvåle Løvmo (Med Uni Innsbruck), Shiyu Deng (Med Uni Wien) und Simon Moser (Med Uni Innsbruck) jeweils in ihren Doktorarbeiten widmeten.

Kvåle Løvmo entwickelte und konstruierte eine 3D-gedruckte akustische Falle. „Eine stehende akustische Welle hält z.B. einen Zebrafisch-Embryo hoch. Die akustischen Kräfte funktionieren über einen Massendichte- und Kompressibilitätsunterschied zwischen Umgebung und Objekt. Indem man die akustischen Felder verstimmt, kann man die Probe drehen“, erklärt Ritsch-Marte den physikalischen Hintergrund. Da die gefangenen Proben jeweils unregelmäßige Strukturen aufweisen, die auf die akustischen Kräfte wieder zurückwirken, muss mithilfe eines Algorithmus jedes Mal der genaue Winkel der Drehung bestimmt werden. „Sonst erhält man ein verwaschenes Bild. Simon Moser hat einen hochdimensionalen Algorithmus entwickelt, der nicht nur das Objekt in drei Dimensionen rekonstruiert und als Resultat die Brechungsindexverteilung ergibt, sondern man erhält als Resultat auch die Bewegungsparameter, das heißt die jeweilige Drehachse und den Drehwinkel, um die das Sample rotiert worden ist, und eventuelle kleine Verschiebungen.“ Die Wiener ExpertInnen Wolfgang Drexler, Rainer Leitgeb und Shiyu Deng passten das OCT-System für diese Art von akustischer Manipulation an. Die Methode, die im Rahmen des vom FWF geförderten Spezialforschungsbereichs Tomography Across the Scales entstand, mit dem Namen ULTIMA-OCT (Ultrasound-Induced reorientation for Multi-Angle-OCT) ist eine Weltneuheit.

 

ULTIMA-OCT ermöglicht die berührungslose Untersuchung von größeren Proben, die etwa 300 Mikrometer überschreiten und daher mit einer Optischen Pinzette (gebündelte Laserstrahlen) ohne Verbrennungsrisiko nicht mehr gefasst werden können. „Mit ULTIMA-OCT war es uns erstmals möglich, große, stark streuende Proben zu rekonstruieren – bisher war das aufgrund von Abschwächungsartefakten unmöglich. Und wir könnten damit beispielsweise auch Vergleiche zwischen Organoiden in Matrigel und ohne anstellen“, erklärt Ritsch-Marte die Vorteile. Die Universität Berkeley in Kalifornien habe bereits Interesse bekundet, die Technik mit einer anderen Bildgebungsmethode zu implementieren. Ritsch-Marte möchte auch ForscherInnen innerhalb der Medizinischen Universität Innsbruck, die sich mit Organoiden beschäftigen, ansprechen, um Kollaborationen zur Weiterentwicklung der Methode einzugehen. Unterdessen arbeitet das Team an der Biokompatibilität des Systems weiter. Um künftig auch lebendige Organismen mit ULTIMA-OCT anschauen zu können, müssen u.a. Temperaturkontrolle und Gasaustausch gewährleistet sein. Auch die Fragen, wie man gleichzeitig verschiedene Probenanteile in wässriger Lösung mit akustischen Kräften fangen könnte und wie optische und akustische Kräfte kombiniert werden könnten, möchten die WissenschafterInnen in Folgearbeiten klären.

(Innsbruck, 4. April 2024, Text: T. Mair, Bild und Animation: Institut für Biomedizinische Physik, Med Uni Innsbruck und Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik, Med Uni Wien Nat Comm Creative Common License: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Forschungsarbeit:

Kvåle Løvmo, M., Deng, S., Moser, S. et al. Ultrasound-induced reorientation for multi-angle optical coherence tomography. Nat Commun 15, 2391 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-46506-2

Links:

Institut für Biomedizinische Physik, Med Uni Innsbruck
SFB Tomography Across the Scales
Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik, Med Uni Wien

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