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Dem „bösen“ Cholesterin auf der Spur

Im Rahmen eines von der Österreichischen Atherosklerosegesellschaft (AAS) initiierten und seit fünf Jahren laufenden Registerprojektes zur Erfassung von PatientInnen mit Familiärer Hypercholesterinämie (FH) in Österreich wurden die gesammelten Daten – unter aktiver Beteiligung von MitarbeiterInnen der Medizinischen Universität Innsbruck – in ein globales Registernetzwerk der European Atherosclerosis Society eingespeist und kürzlich in der renommierten Zeitschrift The Lancet publiziert.

Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen die häufigste Todesursache in Österreich sowie in anderen westlichen Industrieländern dar. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass LDL-Cholesterin (LDL-C) an der Pathogenese der Atherosklerose beteiligt ist, die den klassischen kardiovaskulären klinischen Endpunkten wie Myokardinfarkt und Schlaganfall zugrunde liegt. Epidemiologische Studien zeigen übereinstimmend eine Korrelation des Serum LDL-C mit Myokardinfarkt und kardiovaskulären Todesfällen. Studien mit Mendel‘scher Randomisierung konnten nachweisen, dass die genetisch determinierte Regulation des LDL-C mit klinischen kardiovaskulären Ereignissen, insbesondere dem Risiko für Myokardinfarkte, korreliert. Damit konnte der Beweis für den kausalen Zusammenhang zwischen erhöhten LDL-C Werten und kardiovaskulären Erkrankungen erbracht werden.

Familiäre Hypercholesterinämie

Mutationen im Gen für den LDL Rezeptor sind für rund 75 Prozent aller FH-Fälle verantwortlich. Die restlichen 25 Prozent werden durch Mutationen im Gen für Apolipoprotein B (dem Trägerprotein für LDL und damit Hauptliganden des LDL-Rezeptors), PCSK9, LDL-Rezeptor-Adapter-Protein (LDLR-AP), sowie Mutationen in noch unbekannten Genen verursacht beziehungsweise sind polygenen Ursprungs. Die klassische Form der FH folgt einem autosomal-dominanten Erbgang, eine Ausnahme bilden die seltenen Mutationen im LDLR-AP, die autosomal-rezessiv vererbt werden.

FH ist mit einer geschätzten Prävalenz von ca. 1:300 (gleichbedeutend mit ca. 30.000 Betroffenen in Österreich) eine der häufigsten monogenen Stoffwechselstörungen und ist, bedingt durch den reduzierten oder defekten Abbau von LDL, durch eine Erhöhung von LDL-C im Serum gekennzeichnet. Die daraus resultierenden Ereignisse wie Herzinfarkte, Schlaganfälle, etc. können bei unbehandelter homozygoter FH bereits zu Todesfällen im Kindes- und Jugendlichen-Alter führen. Leider ist FH in Österreich, wie in vielen anderen Ländern auch, stark unterdiagnostiziert.

„Die vorliegenden Prävalenzdaten, verbunden mit unserem Wissen über den Mechanismus der Entstehung von FH und der seit über 30 Jahren möglichen – und seit kurzem durch die Entwicklung neuer Lipidsenker dramatisch verbesserten – kurativen Behandlungsmöglichkeit von FH, lassen es vollkommen unverständlich erscheinen, warum es in den meisten Ländern keine oder nur unvollständige Registerdaten für FH gibt. Das erklärt auch die Tatsache, dass mehr als 90 Prozent der FH-Patienten in Österreich weder diagnostiziert noch adäquat therapiert sind“, betont Hans Dieplinger, der am Institut für Genetische Epidemiologie seit vielen Jahren zum Cholesterinstoffwechsel forscht.

Screening auf FH und Aufbau eines nationalen Registers

Die Diagnose FH wird in den meisten Fällen erst nach dem Auftreten von schweren Folgeerkrankungen gestellt. Durch eine frühzeitige Therapie mit cholesterinsenkenden Medikamenten kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen jedoch vermindert werden. Mittels Kaskadenscreening können, ausgehend von einer/einem betroffenen IndexpatientIn, erstgradige und zweitgradige Verwandte untersucht und nach erfolgter Diagnose einer frühzeitigen, präventiven Behandlung zugeführt werden.

Daher hat die österreichische Atherosklerosegesellschaft (AAS) unter ihrem damaligen Präsidenten Hans Dieplinger im Raum Wien, Graz und Innsbruck vor fünf Jahren begonnen, ein Kaskadenscreening auf FH zu etablieren,  um ein landesweites und flächendeckendes PatientInnenregister aufbauen zu können. Seit 2017 leitet der derzeitige Präsident der AAS, Christoph Binder (Medizinische Universität Wien), das FH Registerprojekt. Von der Medizinischen Universität Innsbruck sind Christoph Ebenbichler (Innere Medizin I, klinischer Projektleiter), Sabine Scholl-Bürgi und Daniela Karall (beide Pädiatrie I) die zuständigen Zentrumsleiter der zu rekrutierenden und einzuschließenden FH PatientInnen im Raum Tirol, die genetische Analysen werden von Martina Witsch-Baumgartner und Johannes Zschocke am Institut für Humangenetik durchgeführt.

PatientInnen müssen mindestens zwei der Einschlusskriterien erfüllen. Die Einschlusskriterien umfassen LDL-C Konzentration >190 mg/dl, Gesamtcholesterin Konzentration >290 mg/dl, frühzeitige Herz-Kreislauf-Erkrankung, Sehnenxanthome, nahe Verwandte mit Hypercholesterinämie oder frühem Myokardinfarkt. Nach Einschluss werden die PatientInnen zur Familien- und Eigenanamnese befragt, um möglicherweise ebenfalls betroffene Verwandte identifizieren zu können. Die FH-Diagnose wird bei der/beim IndexpatientIn und den untersuchten Verwandten (auf freiwilliger Basis) mittels genetischer Analyse abgesichert. Dabei werden die Gene für den LDL-Rezeptor, ApoB-100, PCSK9 und LDLR-AP untersucht und die PatientInnen humangenetisch beraten. Die Studie wurde in allen österreichischen Bundesländern den Ethik-Kommissionen zur Begutachtung vorgelegt und bewilligt.

Bisher wurden insgesamt ca 1.000 PatientInnen mit diagnostizierter FH in das Register aufgenommen. Die anonymisierten Daten wurden mittlerweile an das globale FH Register (FHSC) der European Atherosclerosis Society (EAS) weitergeleitet und gerade zusammen mit über 60.000 eingeschlossenen FH PatientInnen aus 56 Ländern in The Lancet publiziert. „Schlüsselerkenntnisse daraus waren: FH wird nach wie vor zu spät diagnostiziert, PatientInnen mit früherer Diagnose weisen niedrigere kardiovaskuläre Komplikationen auf, und: Guideline-konforme Zielwerte werden mittels Monotherapie kaum erreicht“, berichtet Dieplinger.

(21.10.2021, Text: Dieplinger/Heidegger, Bild: ©AdobeStock_peterschreiber.media)

Links:

Global perspective of familial hypercholesterolaemia: a cross-sectional study from the EAS Familial Hypercholesterolaemia Studies Collaboration (FHSC).

EAS Familial Hypercholesterolaemia Studies Collaboration (FHSC). Lancet. 2021 Sep 7:S0140-6736(21)01122-3. doi: 10.1016/S0140-6736(21)01122-3. Online ahead of print. PMID: 34506743

Institut für Genetische Epidemiologie

Universitätsklinik für Innere Medizin I

Universitätsklinik für Pädiatrie I

Institut für Humangenetik

Österreichische Atherosklerosegesellschaft

 

 

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