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Spermidin verbessert Denkvermögen und Gedächtnisleistung

Das Anti-Aging-Potenzial des körpereigenen Wirkstoffs Spermidin wurde in experimentellen und in Beobachtungsstudien bereits belegt und beruht auf seiner Fähigkeit, den Selbstreinigungsprozess der Zelle (Autophagie) anzuregen. Die Ergebnisse einer gemeinsamen Studie der Uni Graz und der Medizin Uni Innsbruck bescheinigen diesem Polyamin nun auch positive Effekte auf den Alterungsprozess des Gehirns: In Mäusen, Fliegen und im Menschen verbessert eine Spermidin-Diät Denkvermögen und Gedächtnisleistung.

Die altersprotektive und gesundheitsfördernde Wirkung von Spermidin wurde bereits 2009 an der Universität Graz entdeckt, wo bereits seit vielen Jahren zum Alterungsprozess und zur Autophagie geforscht wird. Bei diesem, durch Spermidin angeregten, aber auch durch mehrstündiges Fasten ausgelösten zelllulären Recycling werden fehlerhafte oder unbrauchbare Zellbestandteile, wie etwa Mitochondrien – die Kraftwerke der Zelle – abgebaut und verwertet. Weil die Autophagie im Alter an Effizienz verliert, kommt es zu krankheitsrelevanten Ablagerungen in den Zellen, die wiederum zu Demenz, Diabetes, Tumoren und Atherosklerose führen können. Auch Stefan Kiechl, Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Neurologie und wissenschaftlicher Leiter des in Tirol etablierten COMET-Zentrums VASCage (Research Centre on Vascular Ageing and Stroke), hat die Alterung der Gefäße im Visier. Vor wenigen Jahren konnte er auf der Basis eines Datenkollektivs aus der prospektiven Bruneck-Studie gemeinsam mit den Grazer Forschern und weiteren Partnern den Zusammenhang zwischen spermidinreicher Ernährung und verlängerter gesunder Lebensspanne nachweisen. Die natürlich vorkommende Substanz, die von körpereigenen Zellen oder dem Mikrobiom im Darm gebildet, aber auch durch die Nahrung aufgenommen werden kann, ist beispielsweise vor allem in Weizenkeimen, Nüssen und Pilzen zu finden.

Alte Mäuse und Fliegen lernen mit Spermidin wieder besser

In ihrer rezenten, soeben im Fachjournal Cell Reports veröffentlichten gemeinsamen Forschungsarbeit legten Kiechl und die Grazer Molekularbiologen Frank Madeo und Tobias Eisenberg mit ihren Forschungsteams den Fokus auf die altersbedingte Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit. Deren zugrundeliegende Mechanismen sind noch immer weitgehend unverstanden, es fehlt an präventiven und therapeutischen Konzepten. „Dazu haben wir alten Fliegen und Mäusen Spermidin ins Futter bzw. Trinkwasser gemischt. So konnte gezeigt werden, dass oral verabreichtes Spermidin das Gehirn von Mäusen erreicht und dass diese im Alter in verschiedenen Gedächtnistests besser abschneiden als Mäuse, die keine Extraportion Spermidin bekamen“, so Andreas Zimmermann von der Uni Graz, Co-Erstautor der Studie. Die neuroprotektive Wirkung von Spermidin konnten die ForscherInnen auf die verbesserte Qualitätskontrolle der Mitochondrien im neuronalen Gewebe zurückführen. Co-Erstautor Sebastian Hofer, ebenfalls Uni Graz, erklärt: „Bereits in unseren vorangegangenen Arbeiten konnten wir darlegen, dass Spermidin-gefütterte Fliegen ein besseres Gedächtnis im Alter haben und dass dafür die Autophagie – ein zellulärer Reinigungsprozess – notwendig ist. Hier wiederum zeigen wir, dass die Verbesserung der mitochondrialen Funktion durch Spermidin sehr wahrscheinlich ein weiterer, wesentlicher Faktor ist.“

Auf molekularer Ebene konnten das Forschungsteam in einer zweiten Studie, geleitet von Stephan Sigrist an der Freien Universität Berlin, zeigen, dass Spermidin eine spezielle Modifikation eines zentralen Proteins der Proteinherstellung, namens eIF5A, fördert. Diese sogenannte Hypusinierung ist für die Funktion von eIF5A essentiell und fördert unter anderem die Herstellung mitochondrialer Proteine, wodurch wiederum die Funktion der Mitochondrien verbessert werden kann.

Günstige Effekte auf kognitive Leistungsfähigkeit beim Menschen

Für den Nachweis der Wirksamkeit von Spermidin auf das menschliche Denkvermögen griffen die Innsbrucker Forscher Stefan Kiechl und Raimund Pechlaner in Zusammenarbeit mit der Univ.-Klinik für Innere Medizin I, der Univ.-Klinik für Psychiatrie I, der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie A (LKH Hall), dem Krankenhaus Bruneck und VASCage auf Daten der prospektiven Bruneck-Studie zurück. „Aus über 800 Probandinnen und Probanden wurde ein Kollektiv selektiert, das im Jahr 1995 kognitiv normal leistungsfähig war, um schließlich den Zusammenhang zwischen der Spermidin-Aufnahme aus der Ernährung und Veränderungen der kognitiven Performance auch über die Zeit analysieren zu können“, so Raimund Pechlaner, der sich mit Grazer KollegInnen die Erstautorenschaft teilt. Jene ProbandInnen, die nach fünf Beobachtungsjahren kognitive Einbußen entwickelt hatten, wurden mittels der neuropsychologischen Testbatterie CERAD (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer's Disease) identifiziert. Dabei wurden die Domänen Gedächtnis, Exekutivleistungen (Planen) und Sprachkompetenz überprüft. Das Ergebnis: Studienteilnehmende, die 1995 mehr Spermidin über die Nahrung aufgenommen hatten, zeigten über die folgenden fünf Jahre deutlich weniger kognitive Verluste. „Diese Beobachtung belegt einen Zusammenhang, der in naher Zukunft auch mit einer Interventionsstudie bestätigt werden sollte, zumal es im kognitiven Bereich sehr wenige Möglichkeiten einer positiven Beeinflussung gibt“, betont Stefan Kiechl.

Die neue Arbeit wurde durch ein interdisziplinäres Forschungsteam von 50 ForscherInnen aus über 20 Universitäten und neun Ländern erstellt und von Sabrina Schröder, Sebastian Hofer, Andreas Zimmermann, Tobias Eisenberg und Frank Madeo vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz gemeinsam mit den Neurologen Stefan Kiechl und Raimund Pechlaner von der Medizin Uni Innsbruck und Stephan Sigrist von der Freien Universität Berlin geleitet und koordiniert. Die epidemiologische Forschung zum Spermidin wird vom internationalen COMET-Zentrum VASCage (Research Centre on Vascular Ageing and Stroke) mit Hauptsitz in Innsbruck unterstützt.

(13.04.2021, Text und Bild: D. Heidegger)

 

Links:

Dietary spermidine improves cognitive function. Schroeder, Hofer, Zimmermann, Pechlaner et al., Cell Reports 35, April 2021. 

Univ.-Klinik für Neurologie

Univ.-Klinik für Innere Medizin I

Univ.-Klinik für Psychiatrie I

LKH Hall

VASCage

Neue Studie: Spermidinreiche Ernährung hält den Menschen länger jung

Universität Graz

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