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Günther Gastl: „Die Musik des medizinischen Fortschritts spielt in der Onkologie“

Wenn berufene Professorinnen und Professoren der Medizinischen Universität Innsbruck in den Ruhestand treten, hat man schon Einiges, aber längst nicht alles über sie erfahren. Lesen Sie hier, was Sie immer schon von und über Günther Gastl wissen wollten.

In den 22 Jahren, die Sie an der Spitze der Innsbrucker Universitätsklinik für Onkologie und Hämatologie gestanden sind, hat sich viel getan. Können Sie zwei oder drei Dinge hervorheben, auf die Sie besonders stolz sind?

Natürlich gibt es aus meiner Zeit als Klinikvorstand einige wichtige, nachhaltige Entwicklungen an unserer Klinik und Medizinuniversität in Innsbruck, an denen ich maßgeblich beteiligt war: Dazu zählen  aus meiner Perspektive der Aufbau der Universitätsklinik für Innere Medizin mit den Schwerpunkten Hämatologie und Onkologie, die Gründung von ONCOTYROL als Kompetenzzentrum für personalisierte Krebsmedizin und die Entwicklung des Comprehensive Cancer Centers Innsbruck (CCCI) und des Onkologienetzwerks Westösterreich/Südtirol. Das breite Mutterfach der Inneren Medizin war bis zum Ende der Ära von Prof. Herbert Braunsteiner [Anm.: Der 2006 verstorbene Hämatologe Herbert Braunsteiner war von 1964 bis 1993 Vorstand der Medizinischen Universitätsklinik in Innsbruck] noch in einer großen Klinik vereint. Erst Mitte der 90er Jahre wurde der erste Schritt zu einer Neustrukturierung der Universitätsklinik für Innere Medizin gesetzt und u.a. auch eine vorerst kleine klinische Abteilung  für Hämatologie und Onkologie gegründet, zu deren Leiter ich 1996 aus Freiburg kommend berufen wurde. Aus dieser Abteilung entstand dann 2011 unter dem Dach des Departments für Innere Medizin eine Universitätsklinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die heute eine Kernstruktur des neuen CCCI darstellt und an der Entwicklung des universitären Schwerpunkts Onkologie und Oncoscience maßgeblich beteiligt war. Ein Motor dieser Schwerpunktbildung auf dem Gebiet der personalisierten Krebsmedizin war dann die Gründung des K1-Zentrums ONCOTYROL im Jahre 2008, mit dem rund 40 Millionen Euro Fördergelder aus Bund, Land Tirol und Industrie nach Innsbruck flossen.

Was hat Sie angetrieben, solch große Projekte zu initiieren und durchzuziehen?

Die Vision einer immunbiologisch fundierten Krebstherapie meines wissenschaftlichen Lehrers und Mentors Prof. Christoph Huber und meine 4-jährige Gastprofessur am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York in der Arbeitsgruppe des Tumorimmunologen Prof. Lloyd Old waren für mich entscheidende Impulse für meine berufliche Tätigkeit in Innsbruck. Das Modell der Krebsklinik in New York mit Vernetzung aller onkologisch orientierten klinischen Fächer und der Tumorforschung an einem Standort hat mich sehr beeindruckt und überzeugt, dass Fortschritt und onkologische Spitzenmedizin nur durch Bündelung von Expertisen und intensive, strukturierte Kooperation möglich sind. Zudem hatte ich nach meiner Rückkehr aus den USA am Zentrum für Tumorbiologie in Freiburg durch die Initiative von Prof. Gerd Nagel ein ähnliches Tumorzentrum im kleineren Maßstab mitaufgebaut und damit wertvolle Erfahrungen für meine nachfolgende Berufsjahre in Innsbruck gewonnen.

Wie gestaltete sich dann der Aufbau hier in Innsbruck?

Ein junges Ärzteteam teilte von Beginn an meine Begeisterung und Freude für Wissenschaft und Forschung im Fachgebiet der Hämatologie und Onkologie. Es gab anfangs aber auch schwierige Hindernisse zu überwinden. Unsere Abteilung war anfangs zu klein strukturiert, um die steigenden klinischen Anforderungen zu erfüllen. Zudem gab es ernste Probleme durch gehäufte schwere Pilzinfektionen bei der Behandlung immunsupprimierter Patienten, die erst durch den Neubau einer eigenen Isolierstation und die Unterbringung der Patienten im Aufbautrakt des FKK-Gebäudes dauerhaft gelöst werden konnten. Entscheidend für die Entwicklung zu einer leistungsstarken Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie im Verbund mit einem universitären Tumorzentrum waren die ideelle und finanzielle Unterstützung durch die Medizinische Universität, die Tirol Kliniken,den Bund und das Land Tirol sowie die 2010 neugeschaffenen gesetzlichen Rahmenbedingungen des Österreichischen Strukturgesundheitsplans (ÖSG).

Als Onkologe ist man ja auch häufig mit Niederlagen konfrontiert. Wie gehen Sie damit um?

Die Behandlungserfolge bei Krebserkrankungen haben sich in den letzten 30 Jahren dramatisch verbessert. Statistisch werden heute in Österreich ca. 60 Prozent der Krebs-Patienten langzeitig kuriert. Selbst bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen können in vielen Fällen Lebenserwartung und Lebensqualität verbessert werden. Trotzdem löst die Diagnose Krebs bei vielen Menschen immer noch Assoziationen mit chronischem Leid, Schmerz und Tod aus. Die Entwicklung der modernen Biowissenschaften, insbesondere die Entschlüsselung des humanen Genoms und diverser Krebsgenome hat in den vergangenen 20 Jahren zu enormen Fortschritten in der Diagnostik und molekular zielorientierten Therapie verschiedener Krebsformen geführt. Heute spielt die „Musik des medizinischen Fortschritts“ in der Onkologie; laufend werden neueste wissenschaftliche Ergebnisse aus der Grundlagenforschung und translationalen Forschung in innovative onkologische Therapiekonzepte am Krankenbett umgesetzt. Diese Entwicklung ist für uns als Ärzte am Krankenbett immer wieder eine große Herausforderung, aber auch eine Quelle der Hoffnung und Inspiration und hilft uns trotz klinischer Misserfolge und Niederlagen Patienten immer wieder Mut und Hoffnung zu vermitteln. In Patienten die individuellen physischen und psychischen Kraftquellen für Regeneration und Gesundheit zu finden und zu fördern ist neben der Anwendung bewährter und innovativer Therapiekonzepte eine wichtige Anforderung an uns Krebstherapeuten und das gesamte Betreuungsteam. Wissenschaftliche Neugier und unsere Forschungsaktivitäten in Labor und Klinik sind auch ein wunderbares Antidot gegen Frustration und Misserfolge im klinischen Alltag.

Ist der Forscher oder der Arzt in Ihnen dominanter?

Es ist häufig im Alltag ein Pendeln zwischen beiden Rollen. Arzt zu werden war schon früh auch ohne familiäre Vorbilder mein großes Berufsziel. Die Begegnung mit einem leukämiekranken Mädchen während meines Medizinstudiums hat erstmals spürbar mein Interesse an der Krebsmedizin geweckt. In meiner klinischen Ausbildung hatte ich dann das Glück, ausgezeichneten ärztlichen Lehrern und Forschern wie Heinz und Christoph Huber zu begegnen, denen ich zu großem Dank verpflichtet bin. Für mich als Landkind, aufgewachsen in einer kleinen Dorfgemeinschaft, eröffnete sich durch die Medizin eine neue Welt, in der ich wissenschaftliches Interesse mit dem Beruf des Arztes wunderbar in Einklang bringen konnte.    

Gab es ein Schlüsselerlebnis für Ihren Berufswunsch?

Die Alterserkrankungen meiner geliebten Großeltern waren sicherlich frühe Erlebnisse in meiner Jugendzeit, die mein Interesse für die Medizin geweckt hatten. Im Gymnasium begeisterte mich dann ein hervorragender Biologielehrer für die Naturwissenschaften. Meine ersten Begegnungen mit der Krebsmedizin waren das vorhin erwähnte leukämiekranke Mädchen im Studium und die Tumorchirurgie während meiner Famulaturzeit im Krankenhaus Zams. Es gab also mehrere Schlüsselerlebnisse, die mich auf den Berufsweg zum Onkologen führten.

Was begeistert Sie abseits der Medizin?

Es gibt für mich persönlich zwei Kraftquellen aus denen ich Energie, Glück und Zufriedenheit schöpfe: meine Familie und meine Tiroler Heimat. Meine Familie gibt mir immer wieder Ruhe und Kraft für meinen beruflichen Alltag und die Betreuung unsere Patienten. Wir wohnen am Mieminger Plateau umgeben von einer herrlichen Wald- und Wiesenlandschaft und fühlen uns dort, eingebettet in eine Dorfgemeinschaft, richtig wohl. Freizeit und Urlaub nützen wir oft zu sportlichen Aktivitäten wie Wandern, Biken, Skilaufen oder zu kulturellen Aktivitäten in Österreich oder dem nahen Ausland. Meine besondere Vorliebe gilt dabei dem Kabarett in all seinen Varianten, in dem Gesellschaftskritik mit Witz und Humor dargeboten werden.     

Ist es Ihnen schwer gefallen, von heute auf morgen in den Ruhestand zu treten?

Den Wechsel in den Ruhestand sehe ich als Beginn einer neuen, spannenden Lebensphase, in der bisherige Lebenserfahrungen genutzt und neue Ziele gesetzt werden können. Die Verfügbarkeit eines „Emeritus-Büros“ in Kliniknähe empfinde ich als schöne Geste der Wertschätzung der Alma Mater und der Tirol Kliniken. Diese Anbindung ermöglicht mir weiterin, mit Klinik und Wissenschaft in Kontakt zu bleiben. Als Hämatologe und Onkologe führe ich wie bisher meine Facharztordination weiter und arbeite daneben am Ausbildungszentrum West in Innsbruck als klinischer Lehrer an der Ausbildung von onkologischem Pflegepersonal und medizinisch-technischen Fachkräften mit. Schließlich stehe ich der Österreichischen Gesellschaft für Psychoonkologie für die nächsten Jahre als Präsident zur Verfügung. Der Wechsel in den Ruhestand fällt mir auch deshalb leicht, weil mit Prof. Dominik Wolf ein exzellenter Arzt und Forscher die Klinikleitung übernommen hat, der seine berufliche Karriere in Innsbruck begonnen hat und nun mit viel Erfahrung, neuen Ideen und großem Elan die Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie in die Zukunft führt.

 

Zur Person:

Der gebürtige Mieminger Günther Gastl studierte nach der Matura (summa cum laude) Humanmedizin an der Leopold Franzens Universität Innsbruck und schloss sein Studium mit Auszeichnung (Sub-Auspiciis-Promotion) ab. Nach seiner Facharztausbildung für Innere Medizin mit Zusatzfach Hämatologie und Internistische Onkologie forschte er als Universitätsassistent in der Arbeitsgruppe für Immun- und Tumorbiologie unter Christoph Huber sowie als Research Fellow an den Universitätskliniken in Hannover, Stockholm und am National Cancer Institute in Washington D.C. Der habilitierte Internist erhielt dann eine Gastprofessur am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York (1989-1993), arbeitete dann als geschäftsführender Oberarzt am Zentrum für Tumorbiologie der Universität Freiburg (1993-1996) und wurde 1996 als Leiter der Klinischen Abteilung für Hämatologie und Onkologie an die Medizinische Fakultät der Universität Innsbruck berufen. 2003 wurde er zum Leiter des Tumorzentrums Innsbruck und 2006 zum Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin V mit den Schwerpunkten Hämatologie und Onkologie bestellt, die er bis zum 1. Oktober 2018 leitete. Günther Gastl war von 2006 bis 2010 Vorstand des Gründungskomitees des K1-Zentrums ONCOTYROL und ist seit 2017 Vorstandsmitglied des CCCI. Von 2006 bis 2013 führte Günther Gastl als Präsident die Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Onkologie (ÖGHO) und ist seit 2004 Vorstandsmitglied der European Society for Anticancer Research (CESAR). Neben seiner Mitgliedschaft in zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften ist er als Reviewer für mehrere internationale Fachjournale und als Gutachter der Deutschen Krebshilfe tätig. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Biomarkerforschung in der Onkologie, Tumorimmunologie und Tumorangiogenese wurde er u.a. mit dem Wilhelm Türk Preis der ÖGHO, dem Wissenschaftspreis der Höchst-Stiftung und dem Artur-Pappenheim-Preis der ÖGHO ausgezeichnet. Günther Gastl lebt mit seiner Frau, einer Diplomkrankenpflegerin, in Barwies und hat eine Tochter.

(D. Heidegger)

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