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MCBO-AbsolventInnen berichten in Nature: Darmbakterien treiben Knochenmarkserkrankungen an

Dass die beiden österreichischen JungforscherInnen Marlies Meisel und Reinhard Hinterleitner erfolgreiche AbsolventInnen des auslaufenden Doktoratskollegs MCBO sind, die es als PostDocs an die University of Chicago verschlagen hat, wäre schon eine Geschichte wert. Jetzt haben sie den nächsten Meilenstein gesetzt und in gemeinsamer ErstautorInnenschaft eine Arbeit im angesehenen Journal Nature veröffentlicht, die neue Ansätze für die Prävention und Behandlung leukämischer Erkrankungen liefert.

Ernährung, Mikrobiota, Entzündungsbiologie und Immunologie sind jene Bereiche, in denen die gebürtigen Niederösterreicher Marlies Meisel und Reinhard Hinterleitner wissenschaftliche Höchstleistungen erbringen. Anders lässt sich ihre soeben im anerkannten Wissenschaftsjournal Nature veröffentlichte Forschungsarbeit nicht beurteilen. Ihre bahnbrechende Erkenntnis stellt das Verständnis über die Pathogenese von Blutkrebs auf eine neue Säule und könnte präventive wie therapeutische Maßnahmen im Rahmen von Knochenmarkserkrankungen revolutionieren.

Mit MCBO zu neuen Ufern

Erfolgreich waren die Ernährungswissenschafterin Meisel und der Biotechnologe Hinterleitner schon während ihres Doktoratsstudiums im Rahmen des MCBO-Kollegs an der Medizin Uni Innsbruck unter der Betreuung des Zellgenetikers Gottfried Baier. Hier wurde auch schon jene Grundlage gelegt, die die beiden Jungforscher auf das Feld der Molekularen Immunologie führte. „Nach Abschluss unseres PhD-Studiums in Innsbruck lag unser wissenschaftlicher Fokus auf der Mukosalen Immunologie, also dem Immunsystem des Darms. Obwohl wir uns unabhängig voneinander bewarben, haben wir im selben Labor – in Bana Jabri‘s Team an der University of Chicago – jeweils eine Stelle und dazu ein FWF Erwin Schrödinger Stipendium bekommen“, erzählt Meisel, die mit Reinhard Hinterleitner in der Zwischenzeit nicht nur beruflich, sondern auch privat an einem Strang zieht. In Chicago arbeiteten die beiden ForscherInnen neben eigenen Projekten auch an einem gemeinsamen Vorhaben, in dem somatische Mutationen des Tet2-Gens im Fokus standen, welche mit dem Auftreten von Leukämien assoziiert sind. Tet2 ist ein Gen, das für ein epigenetisches Enzym kodiert. Genmutationen, die in einem nicht-funktionalen Gen resultieren, treten vermehrt im Alter und ausschließlich in den hämatopoietischen Zellen des Körpers auf. „Sowohl bei Menschen als auch bei Mäusen führt ein Defekt von Tet2 zu einer prä-leukämisch myeloproliferativen Störung (PMP). Es wird angenommen, dass PMP den Grundstein für die Entwicklung von Leukämien nach dem Auftreten zusätzlicher krebsfördernder Mutationen legt. Weil PMP nur bei einer Fraktion von Tet2-defizienten Tieren und nur gelegentlich bei Menschen mit Tet2-Mutationen auftritt, lag die Annahme nahe, dass weitere undefinierte Auslöser für diese Entwicklung erforderlich sind“, beschreibt Hinterleitner die Ausgangslage der aktuellen Forschungsarbeit. Dazu kam die wesentliche Entdeckung, dass Tet2-defiziente Tiere eine erhöhte Darmwanddurchlässigkeit aufweisen.

Kritisch: Wandernde Bakterien aus dem Dünndarm

In ihrer Studie, die mit KollegInnen in den USA und Kanada sowie wie auch unter der Mitarbeit von Gottfried Baier und Nikolaus Thuille von der Innsbrucker Zellgenetik entstand, zeigen Meisel und Hinterleitner erstmals, dass bakterielle Translokation und ein aus einer Dysfunktion der Darm-Barriere resultierender Anstieg des pro-entzündlichen Zytokins Interleukin-6 (IL-6), für die Entwicklung von PMP bei Mäusen ohne Tet2-Expression in hämatopoietischen Zellen kritisch sind. „Vor allem Darmbakterien aus dem Dünndarm wandern in Immunorgane und lösen dort pre-leukämische Myeloproliferation aus. Diesen Prozess konnten wir durch antibiotische Behandlung rückgängig machen. In keimfreien Tet2-defizienten Mäusen, also Mäusen ohne Darmmikrobiom, zeigte sich die Entwicklung einer pre-leukämische Myeloproliferation nicht, was die Bedeutung von mikrobiellen Signalen hervorhebt. Im Detail konnten wir nachweisen, dass dieser pathogene Prozess durch den pro-entzündlichen Botenstoff Interleukin 6, dessen Produktion durch mikrobielle Signale eingeleitet wird, hervorgerufen wird“, erklärt Meisel.

Gute Aussichten

Nachdem sich die IL-6-Blockade bei entzündlichen Gelenkserkrankungen bereits in klinischer Anwendung findet, könnten sich IL-6 Biologika auf der Grundlage dieser Studienergebnisse besonders gut für den präventiven und therapeutischen Einsatz im Rahmen von Leukämien eignen.

Mit dieser Aussicht ist die Geschichte von Marlies Meisel und Reinhard Hinterleitner natürlich nicht zu Ende. Im Gegenteil. Die Kommunikation zwischen Mensch und Mikrobe ist ein großes und zukunftsweisendes Forschungsfeld. So steht der Einfluss mikrobieller Signale auf hämatopoietische Stammzellen bei Marlies Meisel weiterhin im Fokus ihres Forschungsinteresses und Reinhard Hinterleitner interessiert auch in Zukunft, welche Rolle Darmmikroben für die lokale Immunantwort und die Darmdurchlässigkeit spielen. Ob sich diese spannenden Fragen in den USA oder in Österreich beantworten lassen, wird sich weisen.

(D. Heidegger)

Links:

Microbial signals drive pre-leukaemic myeloproliferation in a TET2-deficient host. Marlies Meisel, Reinhard Hinterleitner, et al., Nature, 16 May 2018.
https://doi.org/10.1038/s41586-018-0125-z

Sektion für Zellgenetik
http://baierlab.com/

Bana Jabri, The Microbiome Center, University of Chicago
https://microbiome.uchicago.edu/directory/bana-jabri

NEWS-Archiv: MCBO: Erfolgsgeschichte PhD Ausbildung
https://www.i-med.ac.at/mypoint/news/718058.html

 

 

 

 

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