search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

home>mypoint>news>714778.html

NEWS_Dubrac Team 2.jpg

Atopische Dermatitis als "unerwünschte Nebenwirkung" von Schadstoffabbau in der Haut?

Die atopische Dermatitis ist eine chronisch entzündliche Hautkrankheit, die hauptsächlich Kinder beeinträchtigt. Mehrere neue Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen einer Belastung durch Schadstoffe und der Entwicklung der atopischen Dermatitis bei Kindern. Obwohl der formale Nachweis der Schadstoffeinwirkung auf die kindliche Haut schwierig ist, konnten ForscherInnen um Sandrine Dubrac von der Univ.-Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie kürzlich erste Antworten liefern.

Die Häufigkeit der atopischen Dermatitis (AD) – im Volksmund auch "Neurodermitis" genannt – ist mit einer weltweiten Inzidenz von zehn bis dreißig Prozent bei Kindern und zwei bis zehn Prozent bei Erwachsenen relativ hoch und im Ansteigen begriffen. Außerdem ist die AD in ca. 40 Prozent der betroffenen Kinder der erste Schritt des sogenannten "atopischen Marsches", welcher im späteren Leben zu Asthma und/oder zu allergischer Rhinitis (Heuschnupfen) führt. „Die menschliche Haut ist ständig mit Schadstoffen belastet, deren Präsenz im Wasser, in Hautpflegeprodukten und sogar in der Luft nachgewiesen wurde. Wenn die menschliche Haut verschmutzter Luft ausgesetzt wird, kann sie diese schädlichen Moleküle aus der Luft aufnehmen“, berichtet Sandrine Dubrac, die an der von Matthias Schmuth geleiteten Univ.-Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie das Epidermis-Labor leitet.

Auf Schadstoffeinwirkung folgt „Entgiftung“
Die Aufnahme von Insektiziden, Phthalaten (Weichmacher für Kunststoffe), Parabenen (als Konservierungsmittel im Einsatz) sowie von hormonaktiven Substanzen über die Haut wurde in früheren Arbeiten bereits demonstriert. Die Haut besitzt Phase I und Phase II Enzyme sowie drug Transporters (MDRs, MRPs), die für den "entgiftenden" Metabolismus von schädlichen Molekülen nötig sind. Außerdem sind upstream Modulatoren des xenobiotischen Metabolismus in der Haut vorhanden, wie die Transkriptionsfaktoren AHR (Aryl Hydrocarbon Receptor), PXR (Pregnane X Receptor) und PPARs (Peroxisome-Proliferator Activated Receptors), welche die Transkription dieser Phase I/II Enzyme und der drug Transporters kontrollieren. „Sobald die Haut in Kontakt mit schädlichen Molekülen kommt, wird dieser sogenannte xenobiotische Metabolismus aktiviert, unabhängig von der Art der Belastung durch die Schadstoffe, also direkter Kontakt mit der Haut oder Aufnahme aus der Luft“, so Dubrac.

Der Zusammenhang zwischen Umweltverschmutzung und atopischer Dermatitis wurde bereits überzeugend nachgewiesen. Bei Kindern, die in umweltbelasteten Gegenden wohnen oder deren Mütter während der Schwangerschaft Umweltbelastungen ausgesetzt waren, ist die Wahrscheinlichkeit, eine atopische Dermatitis zu entwickeln, höher als bei anderen Kindern. So können Phthalaten und Bisphenol A Symptome von atopischer Dermatitis auslösen und fördern.

Neue Erkenntnis – neue Hypothese
Kürzlich konnte das Team um Sandrine Dubrac zwei wichtige Publikationen im dermatologischen Top-Journal „Journal of Investigative Dermatology“ veröffentlichen, die neue Einblicke zum Umstand liefern, dass Dieselrußpartikel, Phthalate, Bisphenol A, Pestizide und einige hormonaktive Substanzen bekannte Liganden für die Transkriptionsfaktoren AHR und PXR sind. „Mäuse, die einen konstitutiv aktivierten PXR in der Epidermis überexprimieren, entwickeln Symptome, etwa eine Th2/Th17 Immunantwort und eine beeinträchtigte Haut-Barriere, die einer atopischen Dermatitis sehr ähnlich sind. Unsere Ergebnisse werden durch eine nahezu gleichzeitig erschienene Arbeit (Hidaka T et al., Nat. Immunol. 2017; 18(1): 64-73) ergänzt, in der die Autoren AHR in der Epidermis von Mäusen überexprimiert hatten und ebenfalls Symptome ähnlich einer atopischen Dermatitis beobachteten“, berichtet Dubrac, die mit ihrem Team zudem belegen konnte, dass dieser Mechanismus auch in menschlicher Haut wirkt. Die Expression von mehreren Genen des xenobiotischen Metabolismus wird in der Haut von PatientInnen mit atopischer Dermatitis induziert. Für diese Arbeit wurde Dubracs Mitarbeiter Stefan Blunder auf der Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) mit dem renommierten Österreichischen Dermatologenpreis - Unilever Preis ausgezeichnet.

Scheme_thema

Abbildung: Hypothetische Pathogenese der atopischen Dermatitis: Die Aufnahme von Schadstoffen über die Haut aktiviert den xenobiotischen Metabolismus, vermittelt durch die Induktion der Transkriptionsfaktoren AHR und PXR. Diese beiden aktivierten Rezeptoren bewirken und fördern in Folge die Expression von Artemin, eine Th2/Th17 Immunantwort, sowie die Störung der Haut-Barriere. Daraus entwickelt sich die atopische Dermatitis.

 

Noch ist der detaillierte Mechanismus, der die Relation zwischen xenobiotischem Metabolismus und atopischer Dermatitis herstellt, nicht völlig verstanden. „Eine Hypothese wäre, dass sich die atopische Dermatitis als eine ‚unerwünschte Nebenwirkung‘ der dauernden Aktivierung des AHR oder PXR Rezeptors in der Haut der Kinder, hervorgerufen durch eine chronische Belastung mit schädlichen Molekülen, entwickelt. „Um diesen Zusammenhang zu entschlüsseln, sind jedoch weitere Forschungen nötig“, resümiert Dubrac, die zum Gelingen der Forschungsarbeit auf die enge Zusammenarbeit zwischen dem Forschungslabor und den KlinikerInnen der Dermatologie verweist, insbesondere die Unterstützung durch Klinik-Direktor Matthias Schmuth und Robert Gruber sowie Verena Moosbrugger-Martinz, die alle PatientInnen rekrutiert haben. Die Arbeit wurde außerdem durch die Zusammenarbeit mit Barbara Del Frari von der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie, Martin Hermann vom KMT Laboratory der Univ.-Klinik für Visceral, Transplantations- und Thoraxchrirugie und Hubert Hackl von der Sektion für Bioinformatik am Innsbrucker Biozentrum ermöglicht.

Das Forschungsprojekt wurde von den Einzelprojekten  FWF P21449 und FWF P28039 unterstützt.

(S. Dubrac / D. Heidegger)

Links:

Epidermal Overexpression of Xenobiotic Receptor PXR Impairs the Epidermal Barrier and Triggers Th2 Immune Response. Elentner A, Schmuth M, Yannoutsos N, Eichmann TO, Gruber R, Radner FPW, Hermann M, Del Frari B, Dubrac S. J Invest Dermatol. 2017 Sep 18. [Epub ahead of print]
http://dx.doi.org/10.1016/j.jid.2017.07.846

Enhanced Expression of Genes Related to Xenobiotic Metabolism in the Skin of Patients with Atopic Dermatitis but Not with Ichthyosis Vulgaris. Blunder S, Kõks S, Kõks G, Reimann E, Hackl H, Gruber R, Moosbrugger-Martinz V, Schmuth M, Dubrac S. J Invest Dermatol. 2017 Sep 9. [Epub ahead of print]
http://dx.doi.org/10.1016/j.jid.2017.08.036

Österreichischer Dermatologenpreis - Unilever Preis
http://www.oegdv.at/web2/index.php/preise-stipendien-auszeichnungen/preise-stipendien/132-oesterreichischer-dermatologen-preis-unilever-preis

Univ.-Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie / Epidermisforschung
https://dermatologie.tirol-kliniken.at/page.cfm?vpath=forschung/epidermisforschung

 

Aktuell