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30 Jahre unabhängige Pharmainformation

Im Februar vor 30 Jahren erschien sie zum ersten Mal, die von em.o.Univ.-Prof. Dr. med. Hans Winkler, DPHIL Oxon, auf Einladung der Tiroler Ärztekammer ins Leben gerufene unabhängige Pharmainformation für ÄrztInnen. Der Arzneimittelmarkt, die europäische Zulassung und gesetzliche Vorgaben für die Pharmaindustrie haben sich seither stark verändert. Die Pharmainformation ist dieselbe geblieben: eine unabhängige, kritische und evidenzbasierte Analyse und Bewertung einzelner Medikamente.

„Vor 30 Jahren gab es schon viele gute Medikamente, aber  auch  eine beträchtliche Anzahl von obsoleten Präparaten. Die Arzneimitteltestung wie auch die Pharmaindustrie standen in der öffentlichen Kritik“, beschreibt der Pharmakologe Prof. Hans Winkler die Ausgangslage für ein Projekt, das mit Unterstützung der Tiroler Ärztekammer (unter dem damaligen Präsidenten OMR Dr. J.M. Kapferer und heute unter Präs. Dr. A. Wechselberger) und finanziert vom „Verlagshaus der Ärzte" der Österreichischen Ärztekammer bis heute für eine industrieunabhängige und objektive Medikamenteninformation bürgt.

Raus aus dem Elfenbeinturm
Zwar habe es  vor 30 Jahren  wissenschaftliche Publikationen zur Wirksamkeit von Arzneimitteln gegeben, doch hätten diese „im Elfenbeinturm“ stattgefunden, erläutert Prof. Winkler, der lange Jahre das Institut für Pharmakologie der Universität Innsbruck leitete. Mit der vierteljährlich publizierten – im übrigen genderneutral gehaltenen – Pharmainformation erfolgte eine Öffnung nach außen, an die klinisch und in der Praxis tätige ÄrztInnenschaft. Mit einer Auflage von 45.000 Stück werden heute damit alle bei der Österreichischen Ärztekammer registrierten ÄrztInnen und auch alle Apotheken im Sinne einer Risiko-Nutzen-Abwägung mit kritischen und evidenzbasierten Informationen versorgt und so in ihrer therapeutischen Entscheidungsfindung unterstützt. Die Entwicklung des Internets tat natürlich das Ihrige, medizinisches und pharmakologisches Fachwissen an die ÄrztInnenschaft zu bringen.
Bewältigte Prof. Winkler die Herausgabe der ersten drei Ausgaben noch allein, so entstanden die folgenden Editionen in Zusammenarbeit mit weiteren Innsbrucker KollegInnen und schließlich auch mit den Pharmakologischen Instituten der Universitäten Wien und Graz. Zum aktuellen, ehrenamtlich tätigen AutorInnenteam zählen renommierte WissenschafterInnen aller drei öffentlichen Österreichischen Medizinischen Universitäten.

Informative Erfolgsgeschichte
Die Präsenz schlechter Präparate mit fraglichem Nutzen und unerwünschten Nebenwirkungen war vor 30 Jahren noch eine marktübliche Tatsache, heute ist sie – zumindest in Österreich – eine Ausnahme. Zu dieser Entwicklung dürfte die Pharmainformation einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet haben. „Anfangs war die Pharmaindustrie natürlich skeptisch gegenüber unseren Publikationen eingestellt. Aber bis auf einen einzigen Einschüchterungsversuch – ein Arzneimittelhersteller drohte uns mit rechtlichen Schritten wegen eines von uns getroffenen Urteils, in dem ein Medikament mit dem Prädikat ‚nicht einschätzbares Thromboserisiko‘ bewertetet wurde. Tatsächlich stellte sich später heraus, dass das Thromboserisiko hoch war –, gab es nie ein richtiges Problem von dieser Seite“, erzählt Prof. Winkler und betont: „Wir waren und sind schließlich nicht gegen Arzneimittel eingestellt. Uns geht es darum, für das gute Medikament zu sein und Medikamente mit  einem negativen Risiko-Nutzen-Verhältnis zu kritisieren“.

Die Arzneimittel- und PatientInnensicherheit in Österreich und Europa wurde zweifelsfrei durch verschiedene Prozesse unterstützt, wie etwa neue Auflagen für die pharmazeutische Industrie oder die Registrierungspflicht von klinischen Studien. „Vor allem der Etablierung der Zentralen europäischen Zulassung seit 1995 ist es zu verdanken, dass sich auf dem Gebiet der Arzneimittelsicherheit in Europa sehr vieles zum Positiven verändert hat“, unterstreicht der Pharmakologe Winkler, der selbst als österreichischer Delegierter beim  Entscheidungskomitee der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA, European Medicines Agency) in London tätig war und deshalb weiß, „dass Entscheidungen ‚by consensus‘ ideal, Entscheidungen ‚by majority‘ aber immer noch kritisch zu beurteilen sind“. Diese Zunahme an Sicherheit am Arzneimittelmarkt ist eng verknüpft mit der immer strenger ablaufenden Zulassung von Arzneimitteln und damit kostspieliger werdenden Verfahren. Ein Umstand, der auch der Pharmaindustrie letztendlich neue Maßstäbe auferlegte. Die gesetzliche Verankerung von Ethikkommissionen, die Registrierungspflicht für alle klinischen Studien (zur Umgehung des sog. „publication bias“) wie auch die Meldungspflicht von klinischen Studienresultaten an die European Clinical Trial Database sind weitere Fortschritte.

„Nach den Marktrücknahmen von  zahlreichen obsoleten Medikamenten und anderen Erfolgen bleibt  aber etwa die Langzeitwirkung bzw. das Langzeitrisiko von Medikamenten weiterhin eine kritische Komponente, auf die wir unseren Fokus legen müssen“, betont Prof. Winkler. Denn auch bei bereits etablierten Medikamenten gibt es immer wieder neue Gesichtspunkte, die einer kritischen Betrachtung unterzogen werden müssen. Einer  Validierung von Medikamenten durch die AutorInnen der Pharmainformation liegen aber etwa auch die Meldung von neuen Problemfällen und die Wahrnehmung von gepushten oder überzogenen Wirkungsbeschreibungen zugrunde.

Der Stoff zum Analysieren dürfte den AutorInnen also auch in Zukunft nicht ausgehen. Und kritisch betrachtet, scheinen Objektivität, Unabhängigkeit und Evidenz eben jene Attribute zu sein, die aus der Pharmainformation eine Erfolgsgeschichte machen.

(D. Heidegger)

Link:

Pharmainformation
https://www.i-med.ac.at/pharmakologie/pharmainfo/

 

 

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