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Peter Fonagy, Trudie Rossouw, Tobias Nolte (vorne li. n. re.), Svenja Taubner und Kathrin Sevecke referierten auf dem ersten MBT für Jugendliche Workshop in Österreich. Foto: MUI.

Neue Therapie für Jugendliche mit Sozialverhaltensstörungen

Der Entwickler der mentalisierungsbasierten Psychotherapie, Prof. Peter Fonagy aus London, referierte an der Medizinischen Universität Innsbruck. Der von der Innsbrucker Univ.-Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie (Direktorin: Univ.-Prof.in Dr.in Kathrin Sevecke) organisierte Workshop zur mentalisierungsbasierten Therapie für Jugendliche war zugleich Startschuss für ein Forschungsprojekt zur Evaluation des Therapie-Konzeptes bei Jugendlichen mit aggressiven Verhaltensstörungen.

Jugendliche mit Sozialverhaltensstörungen sollen zukünftig mit einem neuen, psychoanalytisch basierten Therapieansatz unterstützt werden können. Gemeinsam mit der Alpen-Adria Universität Klagenfurt und dem Anna Freud Center in London wird die Innsbrucker Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie den Einsatz der mentalisierungsbasierten Therapie für Jugendliche (MBT-A) in den nächsten zwei Jahren evaluieren. Zum Start der Zusammenarbeit fand an der Medizinischen Universität Innsbruck ein Workshop mit rund 60 TeilnehmerInnen aus ganz Österreich statt. Auch Prof. Peter Fonagy war zu diesem Zweck nach Innsbruck gereist. Der international renommierte Psychologe und Psychoanalytiker ist Professor für Psychologie am University College London und Direktor sowie Forschungskoordinator des Anna Freud Center. Gemeinsam mit seinem Team entwickelte er das Konzept der Mentalisierung und die darauf aufbauende Psychotherapie. Die Wirksamkeit von MBT, die auf den Gefühlszustand im hier und jetzt fokussiert, wurde bei Erwachsenen in randomisierten und kontrollierten Studien bereits nachgewiesen. Erste Ergebnisse von Studien bei Jugendlichen liegen ebenfalls vor und zeigen, dass Selbstverletzungen und Depressionen signifikant reduziert werden konnten. „Mit unserem Therapieeinsatz versuchen wir gezielt das limbische System im Gehirn zu stimulieren“, erklärt Fonagy. Jugendliche sollen mittels MBT nicht nur ihre eigene Gefühlswelt besser verstehen lernen, sondern auch ihre Empathiefähigkeit und soziales Verhalten soll wiederhergestellt und gestärkt werden. „Ziel ist es, dass die Jugendlichen mit aggressiven Verhaltensstörungen, lernen ihr Verhalten an die neue Realität anzupassen“, erklärt Kathrin Sevecke. Wichtige Aspekte einer gezielten Therapie, sind auch die Einbeziehungen des Umfelds, also nach Möglichkeit eine Familientherapie.

MBT als Therapiemethode in Österreich
„Gerade für Jugendliche mit aggressiven Verhaltensstörungen mangelt es bisher an einer wirklich effizienten Therapiemöglichkeit“, erklärt Univ.-Prof.in Dr.in Kathrin Sevecke, die Hintergründe für die Bemühungen, MBT als Therapiemethode für Jugendliche auch in Österreich zu etablieren. Aggressionen unter Jugendlichen haben zwar in den letzten Jahren nicht zugenommen, aber bedingt durch gesellschaftliche Umbrüche haben sich die Formen verändert. So sind Jugendliche beispielsweise mit Cybermobbing konfrontiert und es wird eine steigende Anzahl von PatientInnen mit Selbstverletzungen verzeichnet werden. Als wichtigste Eckpunkte des gesellschaftlichen Wandels, nennt Prof. Fonagy die Schulen und das Internet. „Es ist mir allerdings wichtig zu betonen, dass weder die Schule noch das Internet per se schlecht sind“, erklärt Fonagy. Die geänderten Rahmenbedingungen führen allerdings dazu, dass Kinder und Jugendliche in der Schule verstärkt durch Gleichaltrige sozialisiert werden. Das Internet erleichtere die Ausübung von Gewalt, weil man seinem gegenüber bei Cybermobbing nicht direkt in die Augen sehen muss, was in vielen Fällen dazu führe, dass Menschen in direkten Auseinandersetzungen von Gewalt oder Verletzungen Abstand nehmen. Hinzu kommt, dass immer mehr Familien nicht mehr gemeinsam essen, sondern Mahlzeiten jeder vor seinem eigenen Fernseher einnimmt. „Ich will das alles aber nicht verteufeln. Die neuen Medien haben gute und schlechte Seiten, allerdings ist es ein Faktum, das die Gesellschaft noch keine effizienten Mechanismen entwickelt hat, ihre Kinder zu schützen“, erklärt Fonagy.

Forschungsprojekt gemeinsam mit Klagenfurt und London
In den nächsten zwei Jahren wird an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt, an der Innsbrucker Univ.-Klinik  für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie einem weiteren Zentrum in Deutschland MBT bei Jugendlichen mit aggressiven Verhaltensstörungen evaluiert werden. „Die Ergebnisse werden vom Anna Freud Center in London ausgewertet werden. Das Institut war von der jüngsten Tochter Siegmund Freuds, der Begründerin der Psychoanalyse für Kinder Anna Freud 1952 ins Leben gerufen worden und ist bis heute eines der weltweit wichtigsten Zentren für die Psychoanalyse.


(Barbara Hoffmann-Ammann)


Weitere Informationen:
- Innsbrucker Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendliche


  



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