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Gesucht, gefunden: Der Rezeptor, der mehrfach ungesättigte Fettsäuren im Darm erkennt

Dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie sie in der westlichen Diät gehäuft vorkommen, den Verlauf von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen verschlechtern, konnte ein Team um den Gastroenterologen Timon Adolph bereits belegen. Nun lüfteten die Innsbrucker Forscher:innen das Rätsel, wie unser Darm langkettige Fettsäuren überhaupt erkennen und Entzündung antreiben kann. Das anerkannte Journal Cell Metabolism berichtet.

Bislang war unklar, wie der Darm langkettige Fettsäuren erkennt und Alarm schlägt. Ein Team um Timon Adolph von der Universitätsklinik für Innere Medizin I (Direktor Herbert Tilg) berichtet nun im angesehen Fachjournal Cell Metabolism über die Rolle des Kernrezeptors RXR Alpha als Sensor für das Vorhandensein von langkettigen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Darm, der damit offenbar Entzündungsreaktionen anstößt.

Die Spur zu RXR Alpha führte über die Analyse von Transkriptom-Datensätzen von mehr als 150 Morbus Crohn Patient:innen (IBDome Atlas), die Christina Plattner am Institut für Bioinformatik durchführte (Direktor Zlatko Trajanoski). „In diesen Datensätzen zeigte sich, dass RXR Alpha in Morbus Crohn Patient:innen aktiviert ist – so kam er als neuer Player im intestinalen Entzündungsprozess ins Spiel“, beschreibt Christina Plattner die Ausgangslage der aktuellen Forschungsarbeit.

v.l.: Zlatko Trajanoski, Christina Plattner, Moritz Meyer, Felix Grabherr und Timon Adolph, ©MUI/D. Bullock

In der Folge testeten die Forscher:innen im Gastroenterologischen Labor von Timon Adolph die Funktion von RXR Alpha in einem Model, das sie bereits etabliert hatten: Sie untersuchten in einem GPX4*-Mausmodell, das unter westlicher Ernährung eine Morbus Crohn ähnliche Dünndarmentzündung entwickelt, ob RXR Alpha mehrfach ungesättigte Fettsäuren erkennt und wie darüber Darmentzündung entsteht. „Wenn wir RXR Alpha in diesen Tieren in spezialisiertem Darmepithel ausschalteten, blieb die Entzündung aus – ein klarer Hinweis auf die Schlüsselfunktion dieses Rezeptors“, betont Moritz Meyer, der sich mit Felix Grabherr und Christina Plattner die Erstautor:innenschaft teilt.

Entzündungsbiologie trifft Bioinformatik

Mit der retrospektiven Analyse von rund 180.000 elektronischen Gesundheitsdaten aus der internationalen TriNetX Datenbank konnten diese Ergebnisse in Zusammenarbeit mit Wissenschafter:innen der Universität Kiel eindrucksvoll untermauert werden. „Hier zeigte sich ein besonders spannender Zusammenhang: Patient:innen, die zur Aknebehandlung Isotretinoin – ein synthetischer RXR-Agonist, der bevorzugt an RXR bindet – einnahmen, hatten im Vergleich zu Akne-Patient:innen, die dieses Medikament nicht einnahmen, nach einem Jahr ein um etwa 45 Prozent geringeres Risiko, an Morbus Crohn zu erkranken. Dieses Ergebnis stellt die bislang geltende relative Kontraindikation von Isotretinoin bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in Frage und lässt die Einnahme bei Morbus Crohn zu therapiezwecken vertretbar erscheinen“, so Adolph, der diesen Ansatz mit seinen Kolleg:innen an der Univ.-Klinik für Innere Medizin I zukünftig verfolgen wird,

Ob eine gezielte Modulation von RXR Alpha im Rahmen von Morbus Crohn zielführend ist, müssen klinische Studien zeigen. Eine Differenzierung innerhalb der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist hier besonders relevant. Die beschriebenen Mechanismen wurden in Modellen und Datensätzen gefunden, die vor allem Morbus Crohn (Dünndarmbeteiligung) abbilden. Für Colitis ulcerosa (Entzündung des Dickdarms) zeigen sich diese Muster nicht. „Insgesamt deuten die Befunde darauf hin, dass Fettsäure-Signalwege über RXR-Alpha insbesondere bei Crohn eine Rolle spielen, während für Colitis ulcerosa andere Mechanismen relevanter sein könnten“, betont Felix Grabherr.

Ermöglicht wurden die weitreichenden Erkenntnisse durch die gelungene Zusammenarbeit von Forschenden aus Klinik und Grundlagenforschung und der Verknüpfung von Biologie, Tiermodellen, Bioinformatik und der Analyse großer Patient:innenkohorten.

*) Das anti-oxidative Enzym Glutathione Peroxidase 4 (GPX4) kontrolliert Entzündungssignale; das Team um Timon Adolph konnte bereits zeigen, dass seine Aktivität durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren gehemmt wird. Sowohl Omega‑3‑ als auch Omega‑6‑Fettsäuren können in diesem Mausmodell über RXR-α Entzündung auslösen; das betrifft explizit Crohn-ähnliche Entzündung. Hinweis: Omega‑3 kann in anderen Kontexten weiterhin antiinflammatorisch wirken.

(Innsbruck, am 10.12.2025, Text: D. Heidegger, Bilder: MUI/D. Bullock, M. Meyer)

Links:

Metabolic stress sensing by epithelial RXRα links Westernization of diet with Crohn’s disease. Meyer, Moritz et al., Cell Metabolism, Published online December 8, 2025
https://doi.org/10.1016/j.cmet.2025.11.008

Univ.-Klinik für Innere Medizin I
Insitut für Bioinformatik
IBDome
TriNetX
Zur Person Timon Adolph

Archiv-Berichte:

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren und ihre Wirkung auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren lösen Morbus Crohn ähnliche Darmentzündung aus

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