Zweiter ERC Advanced Grant an Bioinformatiker Zlatko Trajanoski
„Neutrophile als Therapieziel bei Dickdarmkrebs“ nennt sich das Forschungsprojekt von Zlatko Trajanoski, für das er nun mit einem ERC Advanced Grant ausgezeichnet wird. Damit ist der Leiter des Instituts für Bioinformatik an der Med Uni Innsbruck einer von wenigen ForscherInnen an Österreichs Universitäten, die den mit rund 2,5 Millionen Euro höchstdotierten und prestigeträchtigsten europäischen Wissenschaftspreis bereits zum zweiten Mal erhalten.
Neutrophile, spezifische Zellen des Immunsystems haben im Zusammenspiel von Krebs und Immunsystem eine wichtige Rolle. Diese Erkenntnis geht nicht zuletzt auf Vorarbeiten von Zlatko Trajanoski und einem Team an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Hämatologie und Onkologie zurück. „Neutrophile sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen und stellen den größten Anteil dieser Immunzellen im Blut dar. Sie sind entscheidend bei der Abwehr von Krankheitserregern wie Bakterien, Viren und Pilzen. Im Zusammenhang mit der Krebsimmuntherapie wurden sie bislang jedoch weitgehend vernachlässigt“, beschreibt Trajanoski den Forschungshintergrund.
Mit dem neuen, vom ERC (Europäischer Forschungsrat) geförderten Projekt an der Medizinischen Universität Innsbruck rücken Neutrophile nun in den Fokus, um die Ansprechrate der Immuntherapie bei PatientInnen mit Dickdarmkrebs zu verbessern. Dickdarmkrebs ist die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache mit stark steigender Inzidenz unter jungen Menschen. „Nur 15 Prozent der PatientInnen sprechen auf die Immuntherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren an, die restlichen 85 Prozent profitieren nicht von diesem innovativen Therapieansatz. Das ist unsere Zielgruppe. Wir wollen verstehen, wo die Gründe für das Nicht-Ansprechen liegen“, so Trajanoski. Mit seinem Team verfügt er über einen großen, einzigartigen Datensatz, der alle wichtigen Zelltypen in der Krankheitsentwicklung von Dickdarmkrebs darstellt, einschließlich der Neutrophile.
„In vorangegangenen Untersuchungen konnten wir bereits feststellen, dass ein Subtyp dieser Neutrophilen in der Mikroumgebung des Dickdarmtumors besonders hoch angereichert ist – das könnte auf ein Nicht-Ansprechen auf die Immuntherapie hinweisen“, beschreibt Trajanoski die Ausgangslage.
Zellen gegen den Tumor reprogrammieren
Gemeinsam mit seinem Team wird er nun die Rolle dieser im Knochenmark produzierten Neutrophilen untersuchen. Die Herausforderung liegt in deren Kurzlebigkeit. „Um zu sehen, was auf dem Weg aus dem Knochenmark über die Blutbahn hin zum Tumor mit diesen spezifischen Zellen passiert, untersuchen wir Knochenmarksproben von KrebspatientInnen. Wir müssen die Entwicklung dieser Zellen besser verstehen, um sie für die Therapie nutzen und gleichsam reprogrammieren zu können“, erklärt Trajanoski den innovativen Ansatz. Dabei zielt das therapeutische Konzept darauf ab, Immunzellen schon im Knochenmark zu behandeln, um den im Dickdarm sitzenden Tumor zu bekämpfen.
Hochmoderne Technologien wie die Einzel-Zell-Sequenzierung ermöglichen dabei die Analyse einzelner Zelltypen und Zellen, um Einblicke in die individuellen Eigenschaften und Verhaltensweisen zu gewinnen oder seltene Zellpopulationen zu identifizieren. Da Einzel-Zell-Analysen teure Verfahren sind, die die Generierung statistisch auswertbarer Datenmengen einschränken, behalf sich Zlatko Trajanoski mit der Integration bereits publizierter Darmkrebs-Daten aus China, Japan, den USA und Deutschland – gigantische Datenmengen, deren Management große bioinformatische Kompetenz erfordert und die schließlich zu einem Datens(ch)atz von 600 PatientInnenproben führten, die nun nach unterschiedlichen Gesichtspunkten analysiert werden können.
Weitere vielversprechende Erkenntnisse erwartet sich Trajanoski von der räumlichen Einzel-Zell-Analyse. Diese neue Technologie erlaubt Einblicke in die räumliche Aufteilung bestimmter Zellen. „Wir sehen etwa, welche Zellen sich im Tumor nahe sind und wie sie miteinander kommunizieren, auch diese Ergebnisse werden uns Informationen für das Krebsgeschehen und die Ansprechrate liefern“, so Trajanoski.
Flaggschiff-Programm
Die "Advanced Grants" werden als das "Flaggschiff-Programm" des ERC angesehen, mit dem im EU-Forschungsrahmenprogramm "Horizon Europe" Grundlagenforschung gefördert wird. In der aktuellen Runde werden laut ERC-Angaben 721 Millionen Euro ausgeschüttet. Die meisten Förderpreise gehen diesmal mit 56 an in Großbritannien tätige Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Nach Deutschland gehen 35 Advanced Grants, gefolgt von Italien (25), den Niederlanden (24) und Frankreich (23). Österreich folgt mit zwölf Auszeichnungen auf Platz zehn, gleichauf mit Israel. Insgesamt bemühten sich 2.534 Forscherinnen und Forscher um die Förderpreise. Die Erfolgsquote lag bei rund elf Prozent.
(18.6.2025, Text: D. Heidegger, Bild: D. Bullock)
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