search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

home>pr>presse>2021>22.html

Abwasseranalyse 2020: Cannabis und Kokain nach wie vor dominierend, moderater Anstieg des Metamphetaminkonsums

  • Cannabis bleibt Nr. 1 bei verbotenen Suchtmitteln, Kokain bei Stimulanzien
  • Leichte, aber signifikante Zunahme bei Metamphetamin (Crystal Meth)
  • Innsbruck: COVID-19-Maßnahmen reduzierten Konsum von Partydrogen

Das abwasserbasierte Drogenmonitoring in europäischen Städten wird seit Jahren erfolgreich eingesetzt, um Vergleichswerte und Trends des Drogenkonsums über Ländergrenzen hinweg feststellen zu können. Mit dem Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck (GMI) nimmt seit 2016 auch Österreich am jährlichen Monitoring im Rahmen des europaweiten Netzwerkes SCORE teil. Die Ergebnisse für 2020 stehen naturgemäß unter dem Einfluss der COVID-19 Pandemie, in der sich die Analyse von Abwasser auch als brauchbares Instrument für die Virus-Überwachung bewährt hat.

Pressebild zum Download: (c)MUI/D. Bullock

BU: Herbert Oberacher, Leiter des forensisch-toxikologischen Forschungslabors an der Innsbrucker Gerichtsmedizin.

pdf.-Download: Drogen im Abwassser 2020 - Dosen/100 Personen

Innsbruck, am 18.05.2021: 2020 wurden europaweit die Abwässer von 114 Kläranlagen in 99 Städten bzw. Regionen analysiert, darunter auch jene von neun österreichischen und einer Südtiroler Kläranlage (insges. 117 Gemeinden). Die Untersuchung lässt Rückschlüsse auf den Drogenkonsum von fast einer Million Menschen bzw. neun Prozent der österreichischen, 42 Prozent der Tiroler, 27 Prozent der Steirischen, acht Prozent der Vorarlberger, ein Prozent der Niederösterreichischen und 30 Prozent der Südtiroler Bevölkerung zu. Für die jährliche SCORE-Studie wurden 2020 über einen Zeitraum von einer Woche täglich Proben vom Zufluss der Kläranlagen entnommen. Die Analyse der einzelnen Konsummarker (Drogen bzw. deren Stoffwechselprodukte) erfolgte wie in den vergangenen Jahren im forensisch-toxikologischen Labor der GMI (Direktor: Richard Scheithauer) unter der Leitung des Chemikers Herbert Oberacher. Aufgrund der vorhandenen Expertise ist das Labor als einzige Einrichtung Österreichs zur Teilnahme am SCORE-Programm berechtigt. Im Fokus standen die Suchtgifte Tetrahydrocannabinol (THC, Wirkstoff in Cannabis), Kokain, Amphetamin (Wirkstoff in Speed), 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA, Wirkstoff in Ecstacy) und Methamphetamin (Wirkstoff in Crystal Meth), sowie Alkohol und Nikotin. Die Ergebnisse der chemischen Analysen werden von der Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) in Lissabon für den europäischen Drogenbericht verwertet und veröffentlicht.

Ergebnisse: regionale und zeitliche Unterschiede

Eine besondere Stärke des abwasserbasierten Drogenmonitorings ist die Möglichkeit des Vergleichs unterschiedlicher Regionen. So ergab die Analyse, dass der Pro-Kopf-Konsum an Alkohol und Nikotin innerhalb Österreichs relativ einheitlich ist. Bei den verbotenen Drogen bietet sich ein weniger homogenes Bild: In allen Regionen war Cannabis die dominierende Droge, wobei der THC-Konsum im urbanen Raum höher zu sein scheint als in ländlichen Gegenden. Unter den Stimulanzien ist Kokain die umsatzstärkste Droge. In Westösterreich wird Kokain pro Kopf in größeren Mengen genutzt als in Ostösterreich; den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Kokain verzeichnet Kufstein. Auch beim Ectasy-Konsum nimmt die Region Kufstein den Spitzenwert ein. Die größten Pro-Kopf-Konsummengen der Wirkstoffe Amphetamin (Speed) und Metamphetamin (Crystal Meth) ließen sich in Ostösterreich, speziell in Graz, beobachten.

Ein Vergleich von Süd- und Nordtirol lässt sich anhand der Daten aus den Landeshauptstädten darstellen: In Bozen war der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol, Nikotin, Cannabis, Amphetamin und MDMA geringer als in Innsbruck, jener von Kokain war auf demselben Niveau.

Für neun untersuchte Regionen lässt sich aus den Mess-Serien der Jahre 2019 und 2020 auch ein zeitlicher Vergleich herstellen und so auch die Wirkung behördlicher Maßnahmen im Zuge der COVID-19 Pandemie auf das Konsumverhalten erkennen. So wurden 2020 geringere Mengen an Alkohol und Nikotin konsumiert als 2019, was auf die zum Zeitpunkt der Probennahme in Kraft befindlichen Regelungen für Veranstaltungen und Gastronomie (z.B. frühere Sperrstunde) zurückführbar ist. „Die COVID-19 Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen scheinen Auswirkungen auf den Drogenmarkt zu haben. Auch wenn es regionale Unterschiede gibt, legen unsere Ergebnisse nahe, dass es zu Rückgängen beim Wochenendkonsum von Partydrogen, insbesondere Alkohol und MDMA gekommen ist. Eine weitere Auffälligkeit war die Zunahme des Konsums von Methamphetamin (Crystal Meth) in manchen Regionen. Diese Entwicklung sollte im Sinne frühzeitiger Präventionsmaßnahmen im Auge behalten werden“, so Oberacher.

Innsbrucker Studie: Lockdown reduzierte Wochenend-Konsum

Für eine eingehende Untersuchung der Effekte von Quarantänemaßnahmen auf den legalen und illegalen Drogenkonsum hat das Team der Innsbrucker Gerichtsmedizin das Abwasser der Tiroler Landeshauptstadt gemonitort. Dazu wurden zwischen dem 12. März 2020 und dem 15. April 2020 an 35 Tagen Abwasserproben genommen und die Rückstände von 23 Markern analysiert. Als Referenz dienten die zwischen März 2016 und Januar 2020 ermittelten Abwasserdaten. „Wir konnten sehen“, so Oberacher, „dass die gesperrte Gastronomie und der Wegfall von Veranstaltungen vor allem an Wochenenden zu einer Abnahme des Konsums von Partydrogen, inklusive Alkohol, führten. Auch bei Medikamenten wie Erkältungsprodukten oder Schmerzmitteln war der Konsum rückläufig – eine Entwicklung, die mit den Verkaufsrückgängen in Apotheken und der verringerten Anzahl an Arztbesuchen während der Quarantäne korreliert.“

Mehrwert für öffentliche Gesundheitsüberwachung

Im Vergleich mit den im Rahmen der SCORE Studie analysierten Abwasserdaten der anderen europäischen Regionen und Städte liegen Österreich und Südtirol bei allen analysierten Substanzen im internationalen Mittelfeld. Für die Qualität der Untersuchung durch die GMI spricht auch, dass die Ergebnisse der Abwasseranalyse weitgehend mit anderen Kennzahlen des Drogenmarktes, etwa Anzeigen im Rahmen des Suchtmittelgesetzes oder Sicherstellungen von illegalen Substanzen korrelieren. Die erhobenen Daten liefern den Behörden und den politisch Verantwortlichen zusätzliche Entscheidungshilfen, um geeignete Maßnahmen für eine nachhaltige Drogenpolitik ausarbeiten und umsetzen zu können. „Das große Potenzial der abwasserbasierten Analyse hat sich auch in der Corona-Pandemie gezeigt, da es mit modernen molekularbiologischen Methoden möglich ist, die Virenlast im Abwasser im Zeitverlauf darzustellen. Dieses Monitoringsystem soll künftig EU-weit zur öffentlichen Gesundheitsüberwachung genutzt werden. Mit der in Tirol im letzten Jahr erarbeiten Expertise wollen wir eine führende Rolle bei der Umsetzung des nationalen Programms spielen“, schließt Oberacher.

Weitere Informationen:

EMCDDA Detailergebnisse: http://www.emcdda.europa.eu/activities/wastewater-analysis

Weitere EMCDDA-Studie: Impact of COVID-19 on drug markets, use, harms and drug services in the community and prisons

Innsbruck-Studie: Monitoring drug consumption in Innsbruck during coronavirus disease2019 (COVID-19) lockdown by wastewater analysis

PR & Medien

Für Rückfragen:

 

Assoz. Prof. Dr. Herbert Oberacher
Institut für Gerichtliche Medizin
Medizinische Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 9003 70639
E-Mail: Herbert.Oberacher@i-med.ac.at

 

Medienkontakt:

Doris Heidegger
Öffentlichkeitsarbeit Medizinische Universität Innsbruck
Innrain 52, 6020 Innsbruck, Austria
Telefon: +43 512 9003 70083, Mobil: +43 676 8716 72083
public-relations@i-med.ac.at, www.i-med.ac.at

 

Für Rückfragen:

 

Assoz. Prof. Dr. Herbert Oberacher
Institut für Gerichtliche Medizin
Medizinische Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 9003 70639
E-Mail: Herbert.Oberacher@i-med.ac.at

 

Medienkontakt:

Doris Heidegger
Öffentlichkeitsarbeit Medizinische Universität Innsbruck
Innrain 52, 6020 Innsbruck, Austria
Telefon: +43 512 9003 70083, Mobil: +43 676 8716 72083
public-relations@i-med.ac.at, www.i-med.ac.at