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MUI Scientist to watch: Alessandra Fanciulli

Um herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor den Vorhang zu holen, hat die Medizinische Universität Innsbruck das Programm „MUI Scientist to watch“ etabliert. Damit haben ForscherInnen die Möglichkeit, alle drei Monate ihre jeweils beste Arbeit einzureichen und von einem unabhängigen Komitee bewerten zu lassen. Ein Portrait der erfolgreichen KandidatInnen und die Hintergründe ihrer Forschung lesen Sie in jedem Quartal auf myPoint.

Wie in der vergangenen, wurden auch in der fünften Ausschreibungsrunde des Programms MUI Scientist to watch gleich zwei ForscherInnen ausgewählt: Neben Verena Labi, die zu einem späteren Zeitpunkt hier vorgestellt wird, konnte die junge Neurologin Alessandra Fanciulli mit ihren rezenten Erkenntnissen zur frühen Diagnostik der Multisystematrophie (MSA) überzeugen.

„Die MSA ist unser Steckenpferd“, erzählt die gebürtige Römerin Alessandra Fanciulli überzeugend. Schon während ihres Medizin-Studiums an der Universität La Sapienza in Rom war die Neurologie ihr Lieblingsfach. „Das neurologische Fach ist logisch und analytisch aufgebaut, in der Theorie wie auch in der Praxis. Diese Merkmale kommen meinem Charakter sehr entgegen“, sagt die 34-jährige, die 2012 für das PhD-Studium an die vom MSA-Experten Gregor Wenning geleitete Abteilung für Neurobiologie der Medizinischen Universität Innsbruck kam. Mit ihm hat Alessandra Fanciulli dann auch gleich das erste Buch und die erste Review im New England Journal of Medicine über MSA publiziert.

Auf der Suche nach frühen Krankheitsmarkern
Der Untergang von Zellen in bestimmten Regionen des Gehirns ist Ursache für die Entwicklung der MSA, eine seltene, rasch fortschreitende und letztlich tödlich verlaufende neurodegenerative Erkrankung, von der in Österreich derzeit etwa 1.000 Menschen – im Gegensatz zu 20.000 Parkinsonkranken – betroffen sind und die damit zu den seltenen Erkrankungen gehört. Dieser Umstand, sowie symptomatische Überlappungen mit anderen Krankheitsbildern erschweren eine frühzeitige MSA Diagnostik. „Wir können sehen, wie autonome Störungen die Diagnose der MSA unterstützen. Je früher MSA diagnostiziert wird, desto eher können krankheitsmodifizierende Therapien greifen“, weiß die angehende Fachärztin für Neurologie aus ihrer bisherigen Forschungsarbeit und ihrer klinischen, diagnostischen Tätigkeit im Kipptisch-Labor – eines der ersten österreichweit – der Univ.-Klinik für Neurologie (Direktor: Stefan Kiechl). Hier liegt der Fokus auf kardiovaskulärer Dysautonomie, also Kreislaufstörungen, wie spontane Blutdruckabfälle und plötzlich einsetzende, kurz andauernde Bewusstlosigkeit (Synkopen), die durch Fehlfunktionen im autonomen Nervensystem entstehen. Mit ihrer Expertise konnte Alessandra Fanciulli auch an den Europäischen Synkopen-Leitlinien mitarbeiten – „eine große Ehre für mich“, so Fanciulli, die gemeinsam mit Gregor Wenning auch an der bislang fehlenden Definition von „Hypertonie im Liegen“ mitgearbeitet hat.

In den beiden, im Rahmen des Programms MUI Scientist to watch hervorgehobenen Forschungsarbeiten gelang es Fanciulli einerseits, einen bedside Score zu entwickeln, der den/die allgemeinen NeurologIn unterstützt, PatientInnen mit höherem Risiko unter MSA zu leiden, frühzeitig zu erkennen. „In meiner zweiten Forschungsarbeit haben wir die autonomen Parametern der aktuellen MSA Diagnosekriterien überprüft und dabei wichtige Erkenntnisse generiert, wie etwa den Hinweis, dass die Harnretention, also die unvollständige Blasenentleerung, die nach derzeitigem Kenntnisstand nur im Frühstadium relevant zu sein scheint, auch im Spätstadium eine Rolle in der Differentialdiagnose der MSA spielt. Damit haben wir einen sehr brauchbaren Parameter definiert, um MSA von Parkinson unterscheiden zu können.“, erklärt die Neurologin, deren Forschungsarbeiten in Kooperation mit der Universität La Sapienza in Rom und der New York University zustande kamen.

Autonome Störungen im Fokus
Die Arbeitsgruppe rund um Gregor Wenning und Alessandra Fanciulli ist derzeit vor allem damit beschäftigt, Österreichs erstes Dysautonomie Zentrum aufzubauen. „Das Ziel ist die multidisziplinäre Behandlung von Patientinnen und Patienten mit autonomen Störungen, die Symptom vieler verschiedener Erkrankungen sein können. Dafür möchten wir mit KollegInnen aus der Kardiologie, der Neurourologie, der Gastroenterologie, der Psychiatrie und der Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen eng zusammenarbeiten. Aber auch auf österreichischer und europäischer Ebene sind wir stark vernetzt“, erzählt Fanciulli über ihre anspruchsvolle Arbeit, die sie „trotz“ dreier Kinder – acht, fünf und zwei Jahre alt – in Vollbeschäftigung ausübt. „Um alles unter einen Hut zu bringen, braucht es Motivation und einen hilfsbereiten Partner, mit dem man sich die Familienarbeit teilt. Das Schöne an meinem Arbeitsplatz hier ist aber vor allem das Vertrauen, das mir die Medizinische Universität entgegenbringt, indem mir als Mutter von drei Kindern sehr viel Unterstützung, aber auch ein großer Verantwortungsbereich an der Klinik übergeben wurde“, so Fanciulli, die mit Begeisterung am Helene Wastl Mentoring Programm teilgenommen und während der Karenz in geringfügiger Beschäftigung nie den Faden zu ihrer Arbeit verloren hat.

Und wenn trotz Motivation und Arbeitsteilung die Akkus mal leer sind? „Dann tanze ich Pizzica – ein schneller, süditalienischer Volkstanz – oder gehe ins Schwimmbad und kraule ein paar Längen“, erzählt die begeisterte Hobbyschwimmerin, die ihre Freizeit auch gerne in den Bergen Tirols genießt.

(30.03.2020, Text: D. Heidegger, Foto: privat))

Links:

Early distinction of Parkinson-variant multiple system atrophy from Parkinson's disease.

Urinary retention discriminates multiple system atrophy from Parkinson's disease.

Univ.-Klinik für Neurologie

Autonomic Unit

European Academy of Neurology, Autonomic nervous system disorders

Otto-Loewi-Gesellschaft

 

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