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Erster hochauflösender Einzelzell-Atlas zum Lungenkarzinom

Kein Tumor gleicht dem anderen. Diese Unterschiedlichkeit und das komplexe Zu-sammenspiel von Tumor- und Immunzellen erschwert die Auswahl gezielter Im-muntherapien. Ein Team aus Onkologie und Bioinformatik um Dominik Wolf und Zlatko Trajanoski hat nun einen Einzelzell-Atlas erstellt und mit einer speziellen, in Innsbruck etablierten Einzelzell-Analyse neue Subtypen von spezifischen Immun-zellen identifiziert. Damit wird es möglich, das Ansprechen auf Immuntherapien besser vorherzusagen.

Die Erforschung von Zellen ist eine wichtige Grundlage für die Entwicklung personalisierter Medizin. Für die Erstellung von Tumorprofilen wurden in den letzten Jahren zahlreiche innovative Technologien entwickelt und etabliert. Die Einzelzell-Sequenzierung (single cell RNA-sequencing) ermöglicht es etwa, einzelne Zellen zu sequenzieren und jeweils individuell herauszufinden, welche Gene in der Zelle gerade aktiviert sind. Auf diese Weise lassen sich 10.000 Zellen pro PatientIn und rund 2.000 Gene pro Zelle analysieren, sodass ein detailliertes Tumorprofil entsteht. Weil für diese Methode stets frische Gewebeproben benötigt werden und das Verfahren teuer ist, gab es bisher nur von wenigen PatientInnen mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) Einzelzell-analysen.

Dank Big Data:  Hilfestellung bei der Auswahl der passenden Krebsimmuntherapie

A der Medizinischen Universität Innsbruck ging man nun einen Schritt weiter. „Wir haben alle Proben von PatientInnen mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom, die weltweit bereits sequenziert worden waren, gesammelt und in einem Atlas aufgelistet“, erklärt Studienautor Zlatko Trajanoski, Direktor des Instituts für Bioinformatik am Innsbrucker Biozentrum, dessen Team zu einer der wenigen Gruppen weltweit zählt, die aus riesigen Datenmengen und bioinformatischen Analysen zielgerichtete Informationen für die Krebsimmuntherapie liefern können. „Der Schlüssel zum Erfolg bei diesem Projekt lag in der engsten Zusammenarbeit zwischen Physician Scientists aus dem Klinischen Bereich und führenden Bioinformatikern aus unserem Biozentrum,“ ergänzt Dominik Wolf, Direktor der Univ.-Klinik für Innere Medizin V, Hämatologie und Onkologie.

Für die nun im Fachjournal Cancer Cell publizierte Forschungsarbeit wurden 1,3 Millionen Zellen von 318 PatientInnen aus insgesamt 1,7 Milliarden Messungen integriert. Nun liegt ein Einzelzell-Atlas vor, der die Risikoberechnung und die Vorhersagbarkeit des Therapieansprechens verbessert, von MedizinerInnen heruntergeladen und für die Therapieentscheidung genutzt werden kann.


BU: Die StudienautorInnen Andreas Pircher, Stefan Salcher, Lena Horvath, Sieghart Sopper, Gregor Sturm, Dominik Wolf und Zlatko Trajanoski (v.l.). ©MUI/Bullock

Therapieentscheidend: Zelluläre Zusammensetzung des Tumors

Das Innsbrucker Team interessierte sich zudem für die Frage, ob auch die patientenspezifische, zelluläre Zusammensetzung des Tumors Einfluss auf das Ansprechen der Immuntherapie hat. Im Visier standen dabei neutrophile Granulozyten. Bei Krebskranken ist eine vermehrte Zirkulation dieser spezifischen Immunzellen mit einer schlechten Prognose verbunden. In den vorhandenen Einzelzellanalysen wurden jedoch kaum Neutrophile nachgewiesen, da diese Zellart beim Einfrieren der Gewebeproben vor der Sequenzierung für gewöhnlich weitgehend zerstört wird. Die an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Hämatologie und Onkologie von Stefan Salcher etablierte Einzelzellanalyse mit spezifischer Neutrophilenbestimmung konnte hier Abhilfe schaffen. Mit dieser Technologie wurde eine zusätzliche Analyse in Gewebeproben von 17 Lungenkarzinom-Patientinnen und -Patienten, die am Comprehensive Cancer Center Innsbruck (CCCI) behandelt werden, durchgeführt. „Damit erhärtete sich der Verdacht, dass Neutrophile eine besonders hohe Plastizität besitzen, also ihre Gestalt verändern, wenn sie in das Tumorgewebe eindringen. Wir konnten zwei Subtypen von Neutrophilen im normalen Gewebe und vier Subtypen im Tumorgewebe identifizieren. Einer dieser Subtypen im Tumorgewebe erweist sich überraschenderweise als anti-tumoral und könnte besonders vorteilhaft für das Ansprechen auf die Immuntherapie sein“, so Salcher, der sich mit Gregor Sturm und Lena Horvath die Erstautorenschaft teilt.


BU: Stefan Salcher von der Univ.-Klinik für Hämatologie und Omkologie vor dem Gerät, mit dem die von ihm etablierte Methode der Einzelzell-RNA-Sequenzierung für die spezifische Neutrophilenbestimmung durchgeführt wird. ©MUI/Bullock

„Die präzise Bestimmung der zellulären Komposition des Tumors wird für die Therapieanpassung entscheidend sein“, resümiert Studienautor und Onkologe Andreas Pircher. Die erfolgreiche Zusammenarbeit wird fortgesetzt, das nächste Ziel des Teams ist es, die Funktion neutrophiler Granulozyten im Lungenkrebs besser zu definieren und ihre Rolle in der Therapieresistenz zu beeinflussen. Auch soll der Einzelzell-Atlas auf andere Krebserkrankungen erweitert werden. Da im Rahmen solcher Projekte Millionen von Daten verarbeitet, integriert und analysiert werden müssen, ist die Zusammenarbeit und Nutzung von Ressourcen über Institutsgrenzen hinweg unabdingbar.

 

Hintergrund Krebsimmuntherapie

Die Immuntherapie ist in Kombination mit oder auch anstelle der klassischen Chemotherapie eine neue, selektiv hochwirksame Therapie-Säule in der Krebsmedizin. Gemeint sind neue Immuntherapien, wie Checkpoint-Inhibitoren (blockierende Antikörper) oder CAR-T-Zellen, mit denen das körpereigene Immunsystem wieder gegen die Tumorzellen mobilisiert und aktiviert werden kann. Doch lediglich 20 bis 30 Prozent der KrebspatientInnen sprechen längerfristig auf die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren an. Gegenstand intensiver Forschung sind geeignete Vorhersagemodelle, mit denen die Treffsicherheit erhöht oder auch schwere Nebenwirkungen verhindert werden können. Die KrebspatientInnen an den Innsbrucker Universitätskliniken erhalten ihre Therapien am Comprehensive Cancer Center Innsbruck (CCCI). Das CCCI ist als interdisziplinärer Zusammenschluss aller klinisch tätigen OnkologInnen und GrundlagenforscherInnen zu verstehen, die das Ziel verfolgen, universitäre Spitzenmedizin in allen Bereichen der Krebsmedizin anzubieten: von der Forschung und Teilnahme an (frühen) Studien, über Diagnostik, Therapie und Schmerzbehandlung bis zur Nachsorge.

(15.11.2022, Text: D. Heidegger, Fotos: S. Salcher/ D. Bullock)

Links:

High-resolution single-cell atlas reveals diversity and plasticity of tissue-resident neutrophils in non-small cell lung-cancer. Salcher et al. https://doi.org/10.1016/j.ccell.2022.10.008  

Institut für Bioinformatik

Univ.-Klinik für Innere Medizin V

 

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