search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

Univ.-Prof. Günther Sperk: Kein Abschied von heute auf morgen

Im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel "Exciting Inhibition" wurde vergangene Woche Vizerektor Univ.-Prof. Günther Sperk in seiner Funktion als Direktor des Instituts für Pharmakologie verabschiedet. Doch weil man als Forscher nicht von einem Tag auf den anderen in Pension geht, fällt der Rückblick auf die wissenschaftliche Karriere auch weitgehend ohne Trennungsschmerz aus.

Neugier und Forschungseifer sind bei Univ.-Prof. Günther Sperk noch lange nicht erloschen, auch wenn der geborene Salzburger und studierte Pharmazeut und Biochemiker nach langjähriger Forschungstätigkeit mit 30. September 2011 in den verdienten Ruhestand trat. Die Neuropsychiatrie und mit ihr die Bereiche Angst und Epilepsie werden auch in Zukunft die zentralen Forschungsthemen des engagierten Wissenschafters bleiben. An dem von Univ.-Prof. Francesco Ferraguti und ao.Univ.-Prof. Christoph Schwarzer organisierten Symposium anläßlich seiner Pensionierung, nahmen neben den Rektoren Univ.-Prof. Herbert Lochs und Univ.-Prof. Wolfgang Schütz (MUW) sowie seinem Vorgänger als Direktor des Instituts, em. Univ.-Prof. Hans Winkler, zahlreiche WeggefährtInnen und KollegInnen teil, um gemeinsam einen Blick auf 40 produktive Forscherjahre zu richten.

Anerkannte neurowissenschaftliche Forschung

Eine Arbeit zu Benzodiazepinen, die Prof. Sperk während des Aufbaus des Instituts für Biochemische Pharmakologie unter Prof. Hornykiewicz in den 70er Jahren verfasste, bildete den ersten Schritt in die Forschungsrichtung der GABA-Rezeptoren. Auf der Suche nach einem endogenen Liganden für die „Benzodiazepinrezeptoren“ entdeckte er gemeinsam mit Prof. Manfred Karobath allosterische Interaktionen zwischen Benzodiazepinen und gamma-Aminobuttersäure (GABA) und folglich, dass beide Substanzen am selben Rezeptor angreifen. GABA ist der wichtigste hemmende Neurotransmitter des Zentralnervensystems. Einige Vertreter der Benzodiazepine dienen in der Medizin einerseits als angstlösende, sedierende und hypnotisch wirkende Arzneistoffe (Tranquilizer), andererseits als Antiepileptika. Zwanzig Jahre später gelang Prof. Sperk mit seinem Team (Susanne Priker, Christoph Schwarzer, Anna Wieselthaler) in Zusammenarbeit mit einer Wiener Gruppe (Prof. Werner Sieghart) eine viel zitierte Arbeit zur Verteilung von dreizehn Proteinen im Rattenhirn, die eine wesentliche Grundlage zum Verständnis der Funktion von aus unterschiedlichen Untereinheiten zusammengesetzter GABA-A Rezeptoren darstellt und Ausgangspunkt für weitere physiologische und pharmakologische Forschungen wurde.

Ein langjähriger Forschungschwerpunkt von Prof. Sperk richtete sich auf die Untersuchung molekularer Mechanismen, die an der Entstehung von Epilepsie insbesondere der Temporallappenepilepsie beteiligt sind. Auch hier standen Fragestellungen zur Funktion des GABA Systems und von Neuropeptiden im Vordergrund. Grundlagen der Untersuchungen waren Epilepsie-Tiermodelle und Gewebeproben, die von Temporallappenepilepsie aus therapeutischen Gründen operativ entfernt werden mussten. Im Rahmen des EU-Forschungsprojektes EPICURE, an dem das Team um Sperk beteiligt war, richteten Forschergruppen aus 13 Ländern ihren Fokus auf genetische Grundlagen der Krankheit und auf biologischen Ursachen, um Medikamentenresistenzen besser verstehen zu können. Hier konnte die Arbeitsgruppe um Prof. Sperk zeigen, dass das Expressionsmuster einzelner GABA-A Rezeptoruntereinheiten und damit vermutlich auch die Zusammensetzung der Rezeptoren in einzelnen Hirnarealen durch die Anfallstätigkeit verändert werden. Diese Mechanismen könnten die zum Teil erhöhte Krampfbereitschaft in der Epilepsie erklären, besitzen aber auch Relevanz für die Medikamentenresistenz vieler Epilepsiekranker.

„Das GABA-System adaptiert in der Epilepsie aber nicht nur auf der Ebene seiner Rezeptoren. Einer unserer Schlüsselbefunde war, dass der hemmende Neurotransmitter GABA im Rahmen der Epilepsie auch in erregenden Bahnen, wie den Moosfasern des Hippocampus, die Glutamat als Transmitter besitzen, gebildet wird. Damit besitzen diese Neurone sowohl hemmende als auch erregende Funktionen. Dies könnte einen endogenen Schutzmechanismus darstellen“, schildert Prof. Sperk.

Im Zentrum langjähriger Forschungen stand auch die Rolle der Neuropeptide im Rahmen der Entstehung von Epilepsie. Auch hier wurden die Untersuchungen vorwiegend in Tiermodellen der Epilepsie und an Gewebeproben, die bei Epilepsie-Operationen entfernt wurden, durchgeführt. Eines dieser Neuropeptide, Neuropeptid Y und seine Rezeptoren, werden im Rahmen der Epilepsie überexprimiert. „Da Neuropeptid Y ein starker Hemmer der Freisetzung des erregenden Transmitters Glutamat ist, stellen diese plastischen Epilepsie-induzierten Veränderungen einen endogenen Schutzmechanismus dar“, beschreibt Prof. Sperk einen der wichtigsten Befunde. Im Rahmen eines von ihm koordinierten Human Frontier Science Projektes wurden die Mechanismen näher untersucht und (in Zusammenarbeit mit Annamaria Vezzani, Mailand) die Injektion viraler Vektoren zur Überexpression von Neuropeptid Y als eine mögliche gentherapeutische Behandlungsstrategie in Versuchstieren etabliert.

Das Thema Angst - eine Emotionen die im sogenannten limbischen System verarbeitet wird - war in den vergangenen Jahren ebenfalls Gegenstand intensiver Forschungen des Pharmakologischen Institutes und eines von Prof. Sperk koordinierten Nationalen Forschungsnetzwerkes, welches kürzlich erfolgreich abgeschlossen wurde. Untersucht wurden und werden hierbei auf anatomischer, elektrophysiologischer und molekularer Ebene die Funktionen neuronaler Schaltkreise in der Genese der Angst. Das Hauptagenmerk von Prof. Sperk liegt hierbei wieder auf der Rolle von Neuropeptid Y und seiner Rezeptoren in der Genese der Angst.

Aktuell ist Prof. Sperk im Projekt EuroEPINOMICS eingebunden; in diesem Verbundprojekt werden die genetischen und epigenetischen Mechanismen im Rahmen der Entstehung der Epilepsie erforscht.

Zur Person

Günther Sperk wurde am 30. 6. 1946 in Salzburg geboren, ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Nach seiner Sponsion zum Magister der Pharmazie, dissertierte er 1974 am Institut für Biochemie der Universität Wien bei Prof. Dr. H. Tuppy zum Thema "Adenosintriphosphatasen in Pflanzenmitochondrien", wo er in der Folge als Universitätsassistent beschäftigt war. Nach Forschungsaufenthalten an der Harvard Medical School, am Massachusetts General Hospital (Department of Psychiatry) and am Mailman Research Center, Boston, USA, arbeitete Sperk am Institut für Biochemische Pharmakologie unter Prof.Dr. O. Hornykiewicz in Wien. 1982 übernahm Prof. Sperk die Arbeitsgruppe für Neuropharmakologie an dem von Prof.DDr. H. Winkler geleiteten Pharmakologischen Institut der Universität Innsbruck, dem er ab 1986 stellvertretend und ab 1999 bis 2001 bzw. seit 2007 als Leiter vorstand. Der 1991 zum ao. Professor für Biochemische Pharmakologie Ernannte ist seit Oktober 2009 Vizerektor für Forschung der Medizinischen Universität Innsbruck. Der Verfasser von über 150 Originalarbeiten wurde für seine wissenschaftlichen Leistungen mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Theodor-Körner-Preis (1979), dem Christian-Doppler-Preis des Landes Salzburg (1984), dem Sandoz-Preis (1986), und dem Aventispreis 2002 und ist Mitglied in mehreren wissenschaftlichen Vereinigungen wie der renommierten European Dana Alliance for the Brain. Günther Sperk ist außerdem Sprecher des Projektteams Hirnforschung des Wissenschaftsministeriums.

In der Fortsetzung der von Prof. Winkler etablierten Tradition der kritischen Auseinandersetzung mit Arzneimitteln und medikamentösen Therapiestrategien sah und sieht der Pharmakologe Sperk seine zentrale Verantwortung.