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Forschungsschwerpunkt Genetik, Epigenetik und Genomik an der Medizinischen Universität Innsbruck

Innsbrucker Forscherteam entdeckt neue angeborene Bindegewebskrankheit

Innsbruck, 09.03.2012: Mit der Entdeckung von Mutationen im Gen FKBP14 ist es einer Forschergruppe aus der Innsbrucker Humangenetik und Neuropädiatrie gelungen, die Ursache für eine Variante des Ehlers-Danlos-Syndroms zu finden und damit eine neue Form dieser erblichen Bindegewebserkrankung zu definieren. Die neuen molekulargenetischen Erkenntnisse versprechen eine gezieltere Prognostizierbarkeit des Krankheitsverlaufs und damit bessere Therapie.

Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) stellt eine Gruppe von erblich bedingten Krankheiten des Bindegewebes dar, die sich, anknüpfend an das klinische Erscheinungsbild, in verschiedene Typen unterteilen lässt. Gefäße, Muskeln, Bänder, Sehnen, Knochen und innere Organe können von der Störung betroffen sein. Es zählt zu den seltenen Krankheiten, die oft wenig bekannt sind und daher vielfach erst spät oder gar nicht diagnostiziert werden. Ein Team von ÄrztInnen mit Univ.-Prof. Johannes Zschocke und Dr.in Christine Fauth von der Sektion für Humangenetik und dem Kinderarzt Dr. Matthias Baumann von der Abteilung für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und angeborene Stoffwechselstörungen (Pädiatrie IV) zusammen mit weiteren KollegInnen der Medizinischen Universität Innsbruck sowie internationalen Kooperationspartnern, insbesondere aus Zürich und den USA, gelang es nun in hervorragender Zusammenarbeit, die genetische Ursache einer bislang unbekannten EDS-Variante aus der Skoliose-Gruppe aufzudecken.

Einblick in einen neuen Stoffwechselbereich
Die Studie nahm ihren Ausgang von einer großen Tiroler Familie mit zwei betroffenen Familienmitgliedern, von denen eines seit Jahren an der Kinderklinik Innsbruck betreut wird. „Es handelt sich dabei um die dritte klinisch und molekulargenetisch definierte Variante des kyphoskoliotischen EDS, die klinisch durch eine ausgeprägte Muskelschwäche bei Geburt, eine Überstreckbarkeit der Gelenke, eine hyperelastische Haut, sowie im weiteren Verlauf durch eine Kyphoskoliose (Seitverbiegung der Wirbelsäule bei gleichzeitiger Verdrehung der Wirbel), eine Myopathie (Muskelerkrankung) und teilweisen Hörverlust charakterisiert ist“, erklärt der Leiter der Innsbrucker Sektion für Humangenetik, Univ.-Prof. Johannes Zschocke. „Die Ursache liegt in Mutationen im bislang kaum untersuchten FKBP14-Gen, das zu einer bestimmten Gruppe von Enzymen zählt, die an der Faltung von Proteinen beteiligt sind. Bei dieser neuen Variante des EDS ist also nicht ein Eiweißbaustein des Bindegewebes unmittelbar gestört, sondern wahrscheinlich die Faltung oder Prozessierung solcher Proteine in der Zelle“, erläutert Dr.in Christine Fauth. Die Ergebnisse dieser Studie wurden von Christine Fauth im September 2011 auf der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Erbliche Stoffwechselkrankheiten SSIEM (Society for the Study of Inborn Errors of Metabolism) in Genf vorgestellt, wo sie mit dem renommierten Vortragspreis ausgezeichnet wurde. Vor kurzem wurde die Studie im angesehenen  American Journal of Human Genetics publiziert.

Optimale Zusammenarbeit in Forschung und Praxis
„Die seit drei Jahren stattfindenden wöchentlichen humangenetisch-neuropädiatrischen Fallbesprechungen und die vor einigen Monaten eingerichtete gemeinsame Sprechstunde waren und sind optimale Voraussetzungen für unsere interdisziplinäre wissenschaftliche Zusammenarbeit“, betont Mitautor Dr. Baumann, der an der Univ.-Klinik für Pädiatrie IV zwei Tiroler PatientInnen mit dieser neuen Variante des EDS betreut und als erster das besondere klinische Bild beobachtete. Gemeinsam mit drei weiteren EDS-Fällen aus dem europäischen Ausland standen den Forscherinnen und Forschern innerhalb relativ kurzer Zeit DNA-Proben von sechs betroffenen PatientInnen für ihre Analysen zur Verfügung.
Die Entdeckung des veränderten Gens gelang mit Hilfe einer bahnbrechenden DNA-Array-Technologie, die 2009 sowohl für die Forschung als auch für klinische Zwecke am Innsbrucker humangenetischen Institut etabliert wurde.

Spezifische Diagnose und Therapie
Die nun erfolgte klinische und molekulare Charakterisierung des neuen Krankheitsbildes erlaubt neben einer raschen und zielgerichteten Diagnose auch eine gezieltere vorbeugende Behandlung, da der zu erwartende Krankheitsverlauf besser eingeschätzt werden kann und so etwa. frühzeitig Operationen für die fortschreitende Wirbelsäulenverkrümmung in Betracht gezogen werden können. Die Kenntnis der gestörten Stoffwechselwege in der Zelle eröffnet zudem die Hoffnung, dass früher oder später eine ursächliche Behandlung möglich sein könnte. „Denkbar ist die Beeinflussung kleiner Moleküle, um damit die fehlende Funktion des Proteins zu ersetzen“, deutet Prof. Zschocke an, „auch wenn es bis zum therapeutischen Einsatz noch ein langer Weg ist.“

Fotos zum Download:

Innsbrucker Forscherteam entdeckt neue Bindegewebskrankheit

Perfekte Zusammenarbeit bei der Identifikation einer neuen Bindegewebserkrankung. v.l.: Dr. Matthias Baumann, Dr.in Christine Fauth und Univ.-Prof. DDr. Johannes Zschocke. (Foto: Medizinische Universität Innsbruck)

Innsbrucker Forscherteam entdeckt neue angeborene Bindegewebskrankheit

Studienautorin Dr.in Christine Fauth bei der Auswertung von DNA-Daten im Array-Labor. (Foto: Medizinische Universität Innsbruck)

Innsbrucker Forscherteam entdeckt neue angeborene Bindegewebskrankheit

Die Daten auf dem DNA-Chip werden vom Scanner gelesen und an den Rechner gesendet. (Foto: Medizinische Universität Innsbruck)

Die Bilder können unter Beachtung des Copyright honorarfrei verwendet werden.


Hintergrund:
Die genetische Charakterisierung erblicher Krankheiten des Kindesalters stellt einen langjährigen Schwerpunkt an der Sektion für Humangenetik unter der Leitung von Univ.-Prof.DDr. med. Johannes Zschocke dar. Am Institut wurde eine DNA-Array-Station unter der leitenden Oberärztin Dr.in Christine Fauth eingerichtet, unter anderem als Grundlage für ein Projekt zur systematischen Erfassung und Abklärung von Entwicklungsstörungen im Kindesalter. Ebenfalls neu in Innsbruck begonnen wurden verschiedene interdisziplinäre klinisch-wissenschaftliche Projekte u.a. auch zur Diagnose und Betreuung von Personen mit erblichen Tumordispositionen. Die Innsbrucker Humangenetik erfüllt umfassende Aufgaben in der klinischen Beratung und Betreuung von Menschen mit erblichen Krankheiten oder Belastungen, sowie der genetischen Labordiagnostik in diesem Bereich.

Weiterführende Links:
Mutations in FKBP14 Cause a Variant of Ehlers-Danlos Syndrome with Progressive Kyphoscoliosis, Myopathy, and Hearing Loss. Baumann M, Giunta C, Krabichler B, Rüschendorf F, Zoppi N, Colombi M, Bittner RE, Quijano-Roy S, Muntoni F, Cirak S, Schreiber G, Zou Y, Hu Y, Romero NB, Carlier RY, Amberger A, Deutschmann A, Straub V, Rohrbach M, Steinmann B, Rostásy K, Karall D, Bönnemann CG, Zschocke J, Fauth C, Am J Hum Genet. 2012 Jan 18. [Epub ahead of print]
http://dx.doi.org/10.1016/j.ajhg.2011.12.004

Sektion für Humangenetik
http://www.i-med.ac.at/humgen/

Humangenetische Beratungs- und Untersuchungsstelle
http://www.i-med.ac.at/klingen/

Für Rückfragen:

Ltd. OÄ Dr.in med. Dipl.Biol.in Christine Fauth
Univ.-Prof. DDr.med. Johannes Zschocke
Schöpfstr. 41, A-6020 Innsbruck, Austria
Tel.: (+ 43) 0512 9003 70500
humgen@i-med.ac.at

OA Dr. med. Matthias Baumann
Universitätsklinik für Pädiatrie IV,
Neonatologie, Neuropädiatrie und angeborene Stoffwechselstörungen,
Anichstr. 35, A-6020 Innsbruck, Austria
Tel.: (+43) 0512 504 82292
matthias.baumann@uki.at         

Medienkontakt:

Mag.a Doris Heidegger
Öffentlichkeitsarbeit und Webredaktion
Medizinische Universität Innsbruck
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doris.heidegger@i-med.ac.at 
www.i-med.ac.at 

 Details zur Medizinischen Universität Innsbruck

Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 1.800 MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. Neu im Studienplan seit Herbst 2011 ist das Bachelor-Studium der Molekularen Medizin. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.

Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Die Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Darüber hinaus ist die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.