search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

Symposium "Genetics as Culture in a Consumerist Age"

Die universelle und zugleich kritische Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, die sich aus der aktuellen Verfügbarkeit von genetischem Wissen bzw. genetischen Informationen ergeben, standen im Mittelpunkt eines interdisziplinären Symposiums, das vergangene Woche in Innsbruck stattfand. Die Verknüpfung des Themas mit künstlerischen Präsentationen gab der Tagung ihre besondere Note.

Der moderne Mensch muss heute nicht mehr unbedingt den Arzt oder klinische Einrichtungen aufsuchen, um individuelle Informationen zu bestimmten Erbkrankheiten oder zu seinem genetisch bedingten Risiko für Erkrankungen wie Altersdiabetes, Alzheimer-Krankheit, Herzinfarkt oder Krebserkrankungen zu gewinnen. Genetische Auskünfte kommen mittels sogenannter direct-to-consumer (DTC) Tests via Internet direkt und ungefiltert ins Wohnzimmer, nachdem Interessenten eine DNA-Probe an ein zumeist US-amerikanisches Labor geschickt haben, wo das Material analysiert wird. Die prädiktive Relevanz solcher Diagnoseverfahren - etwa für die Gesundheitsvorsorge - wird von Fachleuten allerdings als gering eingestuft, zumal die Komplexität von multifaktoriellen Krankheiten ohne sachkundige Beratung ungeachtet bleibt. Neben klinischen Informationen sind aber auch Vaterschaftsnachweise, die genetische Herkunft oder sportliche Neigungen Gegenstand solch kommerzieller Tests, womit versucht wird, dem Grundbedürfnis vieler Menschen, zu einer bestimmten Gruppe zu gehören, Identifikation zu erfahren oder sich abzugrenzen, gerecht zu werden. Der Gentest wird zur beliebig konsumierbaren Ware, der seinen „Wert“ auch darin erfährt, dass die Ergebnisse aus diesen Diagnosen von den Anwenderinnen und Anwendern mithilfe sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter ausgetauscht werden.

Bewusstsein und Verantwortlichkeit

„Bisher gültige Kategorien von Verantwortlichkeit und Expertise werden dadurch in Frage gestellt und sind Thema der noch am Anfang stehenden diesbezüglichen ethischen und gesellschaftlichen Debatte“, weiß Gabriele Werner-Felmayer von der Sektion für Biologische Chemie am Biozentrum, wo sie auch das Bioethik Netzwerk Ethucation leitet. Gemeinsam mit Silke Schicktanz (Kultur und Ethik der Biomedizin, Universitätsmedizinzentrum Göttingen, D), Barbara Prainsack (Dep. of Sociology and Communications, Brunel University London, GB) in Kooperation mit Josef Quitterer (Institut für Christliche Philosophie, Universität Innsbruck, AT) und Siegfried Walch (International Health Care Management, Management Center Innsbruck, AT) hat sie das Symposium organisiert, um aus einem betont interdisziplinären Blickwinkel aufzuzeigen, wie mittels sozialer Netzwerke im Internet neue Formen der Gesundheitsvorsorge, der öffentlichen Teilnahme an Forschung, aber auch der Identitätsfindung als Spielarten von Kultur entstehen.

Die große Bandbreite an Perspektiven, unter dem das Thema beleuchtet werden kann, wurde im Rahmen der Tagung auch durch die geladenen renommierten ReferentInnen aus den Bereichen Genetik, Politikwissenschaften, Soziologie, Anthropologie, Philosophie und Bioethik - darunter die Genetiker Florian Kronenberg von der Sektion für Genetische Epidemiologie und Johannes Zschocke von der Sektion für Humangenetik, die Soziologen Aviad Raz (Israel) und Troy Duster (US), der isländische Anthropologe Gísli Pálsson, die Bioethikerinnen Jennifer Fishman (Kanada) und Sigrid Sterckx (Belgien), der US-amerikanische Jurist und Editor des Genetics Law Report Dan Vorhaus, sowie Colleen McBride von den National Institutes of Health (USA) eindrucksvoll reflektiert. Weiters präsentierten die beiden Schweizer Künstlerinnen Mo Diener und Luzia Hürzeler Konzepte und Hintergründe zu Arbeiten, in denen sie sich mit der Thematik von Herkunft und Identität beschäftigen (Moderation durch Priska Gisler, Y Institut für Transdisziplinarität, Hochschule der Künste, Bern).

„Mit dieser interdisziplinären und kritischen Herangehensweise an das Thema gelingt es, weitläufige Denkräume zu schaffen, die zur Sensibilisierung und Bildung eines Bewusstseins für Verantwortung beitragen“, betont Werner-Felmayer.

Installation von Wissenschaft und Kunst

Die Identität, die aus der Interpretation wissenschaftlicher Daten, also genetischer Analysen, resultiert, fand während des Symposiums auch ihren künstlerischen Ausdruck. Con`Sequences nennt sich das in einer in Kooperation mit dem Italienzentrum der Universität Innsbruck durchgeführten Abendveranstaltung präsentierte Gesamtkunstwerk, das mit Klang, Bewegung, Wort und Objekt die Zusammenhänge von Genetik, Identität und Markt zu vermitteln versucht. Die österreichische Künstlerin und Mikrobiologin Helene Keller gestaltete dazu 24 beleuchtete Stäbe, die Zahl, Muster und Form der menschlichen Chromosomen aufgreifen. Diese Muster erinnern an Barcodes, die Produkt und Warenwert kennzeichnen. Von Gabriele Werner-Felmayer dazu verfasste Textbotschaften wurden von der italienischen Vokalistin Nadia Braito interpretiert, von Saverio Monti zu Klangbildern verwoben und von der Tänzerin Federica Esposito tänzerisch ausgedrückt.

Hintergrund Ethucation

Ethucation - das von Univ.-Prof.in Gabriele Werner-Felmayer geleitete Netzwerk Bioethik in Aus- und Fortbildung an der Medizinischen Universität Innsbruck - versteht sich als unabhängige, der Wissenschaftlichkeit verpflichtete Plattform zur Bewusstmachung ethischer und bioethischer Fragen der Biomedizin im universitären und öffentlichen Rahmen. Ziel ist die Entwicklung einer Kultur des respektvollen und reflektierten Umgangs mit komplexen, von unterschiedlichen Wertvorstellungen aufgeladenen Themen. Ethucation wurde im September 2007 an der Medizinischen Universität eingerichtet, um eine grundsätzliche Sensibilisierung für die Vielschichtigkeit bioethischer Fragestellungen und Problemfelder zu erreichen. Dabei geht es vordringlich um die Intensivierung eines Nachdenkprozesses, in dem auch ein philosophisch breites Diskussionsspektrum geboten wird. Das Netzwerk agiert daher konsequent interdisziplinär. Ethucation ist die österreichische Niederlassung eines Internationalen Netzwerks des UNESCO Lehrstuhls für Bioethik in Haifa, dessen Ziel die Verankerung von Bioethik in der Medizinausbildung ist.