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ONCOTYROL-i-med: Körpereigene Waffen gegen Krebs

Der Medizinischen Universität Innsbruck (i-med) ist es ein Anliegen, die hier in Innsbruck erzielten Ergebnisse der Grundlagenforschung schnell und sorgfältig geprüft ans Krankenbett zu bringen. Daher engagiert sie sich in dem großen akademisch-industriellen Forschungsverbund ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine. Viele i-med-Wissenschaftler und -Kliniker leiten Forschungsprojekte oder ganze Bereiche in ONCOTYROL. Diese Serie wird in regelmäßiger Folge i-med/ONCOTYROL-Forschung und deren Ergebnisse vorstellen.

Ein gesundes und schlagkräftiges Immunsystem spielt eine wichtige Rolle dabei, die Krebsentstehung zu verhindern: Es erkennt die Gefahr rechtzeitig und bekämpft sie. Bilden sich dennoch Tumore, liegt es unter anderem daran, dass das Immunsystem seiner Aufgabe nur unzureichend nachkommt. Die von den Professoren Nikolaus Romani, Univ.-Klinik für Dermatologie, und Martin Thurnher, Univ.-Klinik für Urologie, entwickelte und angewandte Form der Tumor-Impfung zielt darauf ab, eine quasi natürliche Immunantwort hervorzurufen. Der Krebs wird also mit körpereigenen „Waffen“ bekämpft. In ONCOTYROL beschäftigen sich die Wissenschaftler in der Zelltherapie-Einheit (Cell Therapy Unit) damit, diese Therapie weiter zu optimieren.

Impfung mit „Wächterzellen“ des Immunsystems

Romani und Thurnher bedienen sich der Wächterzellen des Immunsystems, der Dendritischen Zellen. Sie gehören - wie alle Immunzellen - zu den Leukozyten. Ihre Aufgabe ist, Bestandteile (Proteine, Glykolipide) von Krankheitserregern oder Krebszellen aufzunehmen, zu verarbeiten und sie in einer charakteristischen und für die T-Zellen erkennbaren Form zu präsentieren. Die T-Zellen, die „Soldaten“ des Immunsystems, werden dadurch aktiviert. Auf diese Weise verwandeln die Dendritischen Zellen Warnsignale in zielgerichtete Immunreaktionen. Krebszellen tragen spezifische Moleküle, sogenannte Antigene, an ihrer Oberfläche, die sie von gesunden Zellen unterscheiden. Die naheliegende Idee für eine Therapie ist daher, einem Krebspatienten Dendritische Zellen aus dem Blut zu entnehmen, sie mit geeigneten Tumor-Antigenen zu „beladen“, und die gezielt veränderten Wächterzellen in den Körper zurückzugeben. Auf diese Weise werden die T-Zellen „scharf gemacht“: Sie entwickeln sich zu Killerzellen, die in den Kampf gegen den Tumor geschickt werden.

Bis vor einigen Jahren scheiterte dieser Ansatz daran, dass Dendritische Zellen sehr selten und außerhalb des Körpers nur schwer zu züchten und zu vermehren sind. Diese Probleme wurden allerdings mittlerweile unter entscheidender Mitwirkung von Romani und Thurnher gelöst. Die klinischen Studien mit Dendritischen Zellen, die die Wissenschaftler in den letzten Jahren durchgeführt haben, waren die ersten in Österreich und gehören zu den ersten weltweit. Begleitende Forschung fand im Rahmen des Förderprogramms Kompetenzzentrum Medizin (KMT) der CEMIT statt und wird nun in ONCOTYROL fortgeführt. Die Ergebnisse von mehr als 500 Impfungen mit Dendritischen Zellen zeigen, dass diese Therapieform in der Wirksamkeit mit modernen Chemotherapeutika vergleichbar ist, dabei aber viel weniger Nebenwirkungen hat. „Unsere Immuntherapie passt perfekt zu ONCOTYROL, denn sie ist im wahrsten Sinne personalisiert. Wir nehmen die Zellen des Patienten und generieren daraus einen individuellen Impfstoff“, betont Romani.

In ONCOTYROL werden die Wissenschaftler die Therapie effektiver machen, indem sie die Isolierung, Reifung, Antigen-Beladung und die Verabreichung der Zellen verbessern. Außerdem suchen sie nach weiteren Antigenen und nach Markern für die Patientenauswahl, „Wir interessieren uns nicht nur für den Tumor, sondern auch für den Patienten selber“, erklärt Thurnher. „Jeder Patient ist anders. Wir wollen herausfinden, welche Patienten am meisten von der Immuntherapie profitieren.“ Thurner und Romani arbeiten im Rahmen von ONCOTYROL mit dem Entdecker der dendritischen Zellen, Prof. Ralph Steinman von der Rockefeller University zusammen, der im Jahr 2007 den Lasker Preis gewann, der als „amerikanischer Medizinnobelpreis“ gilt.

Erfolgversprechende Kombinationen

Der Forschungsbereich 1 von ONCOTYROL, zu dem das Projekt Thurner/Romani gehört, vereint zwei sich ergänzende Ansätze: zum einen die direkte Beeinflussung des Tumorwachstums selbst. Dies geschieht unter anderem durch die Entwicklung von sogenannten Interaktions-Hemmern, die das Zusammenwirken von für das Tumorwachstum wichtigen Proteinen unterbinden; zum anderen durch die Mobilisierung des Immunsystems des Patienten im Kampf gegen Krebs.

Besonders erfolgversprechend sind Kombinationen verschiedener Ansätze. Dabei bietet sich insbesondere die Zusammenarbeit mit Prof. Gottfried Baier an (siehe 1. Teil der Serie): Thurnher und Romani verändern Dendritische Zellen so, dass sie die T-Zellen im Patienten nicht nur aktivieren, sondern sie auch zielgerichtet auf Krebsherde und ihre Absiedlungen lenken. Allerdings verfügt der Tumor häufig über molekulare Gegenmaßnahmen, die die T-Zellen bremsen. Hier setzt nun Baiers Konzept an: Er verändert die T-Zellen so, dass die molekularen „Bremsen“ gelöst werden. Treffen nun – durch eine Kombination beider Strategien – tumor-präsentierende Dendritische Zellen auf startbereite, tumorspezifische T-Zellen, könnte eine sehr erfolgreiche Krebstherapie entstehen. ONCOTYROL stellt eine Art Inkubator dar, in dem derartige Kooperationen wachsen und gedeihen können.

Hintergrund ONCOTYROL

ONCOTYROL ist ein Verbund kompetenter Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft zur beschleunigten Entwicklung und Evaluierung individualisierter Krebstherapien, sowie prognostischer und präventiver Methoden. Im Bereich der Wissenschaft stehen die drei Tiroler Universitäten im Zentrum, insbesondere die Medizinische Universität. Die Universitäten arbeiten mit internationalen Wissenschaftspartnern wie der Harvard Medical School zusammen. Auf Seiten der Wirtschaft sind regionale, überregionale und international agierende Konzerne beteiligt. ONCOTYROL wurde im Rahmen des Strukturprogramms COMET der österreichischen Bundesregierung in Innsbruck gegründet und wird mit nationalen und Landesmitteln zu rund 50% gefördert. Gemanagt wird das Großprojekt von der Innsbrucker CEMIT GmbH Center of Excellence in Medicine and IT.

Besondere Bedeutung der Medizinischen Universität

Die i-med ist in allen Bereichen von ONCOTYROL, ob wissenschaftlich oder strategisch, entscheidend beteiligt: Sie ist Gesellschafterin, Konsortialpartnerin, stellt die wissenschaftliche Leitung (Prof. Lukas Huber), stellt drei von fünf Area-Leitern (Prof. Helmut Klocker, Prof. Gottfried Baier und Prof. Günther Gastl) und mehr als die Hälfte aller Projektleiter. Die i-med ist an 54% der ONCOTYROL-Projekte beteiligt.